7. Voldemorts Erbe
„DU HAST WAS?" Lucius Malfoys Stimme überschlug sich fast.
„Du kannst sie doch nicht ewig im Kerker einsperren."
„DU…DU… DAS GEHT DICH NICHTS AN!" Er kam ihr bedrohlich nahe. Narzissa wurde immer kleiner. Was bildete sie sich ein. Sie wagte es tatsächlich sich ihm zu widersetzen. Niemand, niemand tat das. Niemand.
„Lucius, bitte." Ihre Stimme war flehentlich.
„WIE KONNTEST DU!"
„Bei Merlin, Lucius. So bringst du sie vielleicht um, aber zu einer Herrscherin, wie du sie haben willst, wird sie so nicht."
Lucius schnaubte nur wütend aus. „DU hast keine Ahnung, Narzissa. So töricht." Ärgerlich wandte er sich von ihr ab.
„So?"
„Ich war heute Morgen im Ministerium. Eine Menge unangenehmer Frage… und weißt du warum?" Er drehte sich schwungvoll zu seiner Frau herum.
Sie sah ihn schweigend an. Die Lippen eng zusammen gekniffen.
„Severus, dein Freund Severus sucht nach diesem dummen kleinen Mädchen. Er hat mich verdächtigt. MICH! Und ich dachte unsere Familien, alte reine Familien, würden zusammen halten. Dieser Verräter, dieser Narr…"
„Severus?" Sie sprach sehr leise, so als wüsste er nicht, was damals geschehen war. Vor ihrer Hochzeit. Ihr verzweifelter Versuch einen anderen Mann zu finden, einen der sie liebt.
„Ja, Severus. Wäre Fudge nicht eingeschritten, was wäre dann wohl geschehen? Er wäre vermutlich noch hier aufgetaucht und hätte mich gänzlich heraus gefordert… und genau in diesem Moment lässt du… Hermine… aus dem Keller. Wenn er sie gefunden hätte. DU HÄTTEST ALLES ZUNICHTE GEMACHT! DU RUINIERST MEIN LEBEN!"
Er sah, wie ihre Augen feucht wurden, feuchter grauer Nebel. „Wenn das so ist." Sie drehte sich von ihm weg und ging langsam zur Tür. „Wenn das so ist."
Sollte sie doch gehen, sollte sie doch…
Die Tür schloss sich sehr langsam und sehr leise.
Erneut nahm sie ein Bad, erneut nahm sie eines der Kleider aus dem Schrank. Goldene Seide mit feiner Stickerei. Viel zu edel, viel zu schön. Aber etwas Schönes brauchte Hermine, um den Schrecken der erneuten Dunkelheit zu vergessen. Narzissa Malfoy. Sie war nett gewesen, nein mehr als nett. Sie hatte ihr aufgeholfen, obwohl sie sich dabei die Kleider schmutzig machte. Narzissa hatte sie den Weg in das Zimmer gestützt, sie hatte ihr Wasser in die Badewanne laufen lassen und dann hatte sie ihr Ruhe versprochen. Lucius würde nicht kommen, hatte sie gesagt. Sie würde dafür sorgen. Ruhe. Frieden. Gedanken, Gedanken an Severus.
Leise schloss er die Tür. So schön. Wie lange hatte er sie betrachtet, wie sie da lag. So unschuldig und so sanft. Er hatte begriffen. Hermine in ihrem goldenen Seidenkleid, die Haare in fast genauso glänzender Farbe in Wellen um sie ausgebreitet, die Gesichtszüge völlig entspannt und ein Lächeln um ihren zuckersüßen Mund. So friedlich hatte sie in dem großen Bett gelegen und geschlafen. So begehrenswert. Warum war er wieder umgedreht und hatte die Tür hinter sich geschlossen? Warum hatte er dem inneren Drang nicht gehorcht, der ihm sagte, dass er zu ihr gehen sollte?
Nein, dafür war jetzt nicht die Zeit. Er musste nachdenken. Wahrscheinlich hatte Narzissa Recht und es war eine wahnwitzige Idee dieses Kind zu einer Herrscherin machen zu wollen. All die Zeit in Hogwarts mit Potter und dem Wiesel hatten sie verweichlicht. Und ihre Beziehung zu Severus hatte sicherlich auch nicht gerade dazu beigetragen sie stolzer und kälter zu machen. Severus war schon immer ein sentimentaler und schwacher Mann gewesen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zauberern aus einer alten Familie hatte Severus nie geheiratet. Weiß der Teufel warum. Und ausgerechnet mit dem hatte Hermine ein Verhältnis angefangen. Mit Severus.
Lucius Malfoy hätte fast gelacht bei dem Gedanken, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Er musste eine Entscheidung treffen. Sie war zu schwach. Sie war zu verweichlicht. Aber ihre Linie durfte nicht ausstreben. SEIN Blut musste weiter gegeben werden, veredelt mit dem Blut einer alten Zaubererfamilie. Lucius musste nun doch grinsen bei dem Gedanken. Wozu hatte er einen Sohn, einen unverheirateten noch dazu.
Draco mochte ein Taugenichts sein, der nichts tat, außer das Leben in vollen Zügen zu genießen, aber er war jung und er würde mit der Zeit wieder zur Vernunft kommen. Er würde tun, was sein Vater ihm befahl. So war es immer gewesen, so würde es immer sein. Und schließlich würde Draco auch seinen Spaß dabei haben und er, Lucius, konnte sich endlich wieder beruhigen und Frieden finden.
Seit Hermine hier war, seit sie sich weigerte das zu tun, was er erwartete… fast hatte er geglaubt, alles würde zusammen brechen. Aber jetzt…
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit Narzissa zu reden. Es war auch ihr Sohn und sie neigte wahrhaft dazu ihn zu verziehen. Aber dieses Mal nicht. Dieses Mal hatte er das Sagen.
Sie saß in einem Sessel am Fenster und las. Das Wetter war trist und traurig. Grau und trostlos. Es warf Schatten auf ihre Figur. Sie sah ihn nicht an, als er den Raum betrat.
„Narzissa?"
Sie sah nicht zu ihm auf.
„Was willst du, Lucius?"
Er durchquerte den Raum und ging zu ihr. Dann legte er eine Hand auf ihren schmalen Arm. „Verzeih mir, Liebes."
Narzissa ließ ihr Buch sinken. „Was willst du?" Ihre Augen waren genauso grau, wie der trostlose Himmel draußen.
„Ich wollte nicht so… ich hätte dich nicht so behandeln dürfen."
„Das hättest du in der Tat nicht." Sie drehte den Kopf von ihm weg und starrte aus dem Fenster.
„Narzissa, sieh mich an." Er ließ seine Hand zärtlich durch ihr langes Haar gleiten.
Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Du machst mir Angst, Lucius", sagte sie leise, „du… du bist vollkommen größenwahnsinnig geworden… was… was soll nur aus uns…"
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. "Shhh", hauchte er, „sag nichts mehr… Glaube mir, bald… bald wird wieder alles gut sein. Aber dazu brauche ich deine Hilfe." Er ließ seinen Finger ihre Lippen hinab gleiten, ihren Hals, ihren Ausschnitt. Er ließ den Finger um ihre Brüste kreisen. Sie schloss die Augen und er vernahm ihren schweren, lustvollen Atem. „Wirst du mir helfen?" Er ließ seinen Finger weiter hinab gleiten, immer tiefer über ihren Bauch…
Narzissa nickte.
„Gut." Er nahm den Finger wieder fort von ihr. Sie öffnete die Augen und sah ihn fragend an. Er konnte erkennen, dass sie sich innerlich bereits wieder mit ihm versöhnt hatte, auch wenn sie es nicht zeigen wollte. „Du hattest Recht… so kann es nicht weiter gehen mit dem Mädchen. Ich kann sie ja nicht ewig in den Kerker einsperren."
Narzissa lächelte flüchtig, aber genugtuend.
„Ich habe nachgedacht und bin zu einer Entscheidung gekommen."
„Du lässt sie gehen."
„Bist du verrückt? Sie würde uns sofort verraten, das ist dir doch hoffentlich klar."
Narzissa nickte, ja das war ihr von Anfang an bewusst gewesen. „Was dann Lucius?"
„Sie wird hier bleiben, aber ich werde sie nicht zu einer … na ja… dunklen Herrscherin machen… nein… das werde ich nicht…" Er lächelte zufrieden. Lucius fühlte sich um so vieles besser, seit er eine Entscheidung getroffen hatte.
„Lucius, was hat dieses Lächeln auf deinem Gesicht zu bedeuten… was hast du vor?" Narzissas Gesichtszüge spannten sich an.
„Ich will, dass unser Sohn ein Verhältnis mit der Kleinen anfängt. Er braucht sie nicht zu heiraten, er muss ihr nicht treu sein und meinetwegen kann er sie hinterher zum Teufel schicken… wenn er… wenn er ein Kind mit ihr gezeugt hat. Einen Erben des Dunklen Herrschers, der stärker ist als Granger."
Narzissa starrte ihn sprachlos an.
„Ich will einen neuen Stamm schaffen, eine Verbindung der Malfoys mit den Erben Slytherins… eine großartige Linie… ein mächtiges Blut." Zufrieden sah er sie an.
„Bist… bist du wahnsinnig geworden, Lucius?" Narzissa stand schwerfällig aus ihrem Sessel auf und kam auf ihn zu. Vorsichtig streckte sie die Hand nach ihm aus. „Das kann nicht dein Ernst sein."
Er wich vor ihr zurück. „Es ist mein Ernst, Narzissa. Draco wird ein Kind mit ihr zeugen."
„Das kannst du nicht machen. Willst du Draco das Gleiche antun, wie dein Vater dir? Er ist verliebt, Lucius. Er hat seit drei Monaten eine Freundin, die er heiraten will. Auch wenn dir das vielleicht während deiner… Planungen… entgangen ist. Willst du, dass er wegen einer arrangierten Verbindung unglücklich wird?" Narzissa versuchte erneut ihn an der Wange zu berühren.
„Willst du damit sagen, dass wir unglücklich sind?"
„Nein… nein… aber…"
„Kein Aber", Narzissa. Er wird dieses eine Mal tun, was ich will und du wirst dich nicht dazwischen stellen. Du nicht." Er sah sie an, so kalt, dass sie erzitterte.
„Das werde ich nicht zulassen Lucius." Sie sprach sehr leise, so als traute sie sich nicht das Wort gegen ihn zu erheben.
„Du wirst es nicht verhindern", sprach er triumphierend.
„Doch das werde ich", ihre Stimme klang plötzlich sehr fest, „ich werde das nicht zulassen, Lucius Malfoy und wenn ich dafür meinen eigenen Mann verraten muss."
Er packte sie hart am Arm. „WAS SOLL DA HEIßEN?"
„Wenn du das tust, werde ich dich beim Ministerium anzeigen." Sie sah ihn nicht an, doch er konnte trotzdem ihre Angst fühlen, sie schien jede Pore ihrer Haut zu durchdringen.
Wütend hob er seine Hand. Sie wagte es…wie konnte sie ihm widersprechen. Er hatte sie nie geschlagen, aber sie würde es nie wieder wagen… nicht einmal der Gedanke, niemand in seiner Familie verriet ihn… niemand!
In dem Moment sah sie ihn mit ihren durchdringenden Augen an. „Du wirst mich nicht anrühren", sagte sie und die Kälte ihrer Stimme durchdrang für einen Moment seinen ganzen Körper. Dann stieß er sie hart von sich zurück in den Sessel.
„DU WIRST SEHEN, WAS DU DAVON HAST!" Ruckartig drehte er sich von ihr weg. Sie würde es sehen. Er wusste zwar noch nicht wie, aber sie würde es merken, was es bedeutete ihn zurück zu weisen. Sie war nicht die einzige Frau… er brauchte sie nicht. Er hatte sie nie gebraucht.
„Du wirst schon sehen", zischte er hervor, bevor er den Raum verließ und die Tür laut hinter sich zuschlug.
