14. Am Ende der Finsternis

„Wie sind da."

Langsam öffnet sie die Augen und hob ihren Kopf von seiner Schulter, wo sie ihn sanft gebettet hatte.

„Grimmauld Place."

Wie lange war es her, dass sie das letzte Mal hier gewesen war? Es schien eine Ewigkeit. Warum hatte man sie nicht hier her gebracht, statt sie im Krankenhaus zu lassen? Warum hatte man sie nicht in dieses sichere Nest gebracht?

Erneut spürte sie die Tränen. Sie hatten es geschafft, sie waren in Sicherheit. Sie musste niemals wieder dorthin zurück. Dorthin, wo die Kälte war, dorthin, wo der Schmerz war, dorthin, wo sich Gestalten in schwarzem Marmor spiegelten. Es war vorbei.

„Wollen wir?" Seine Stimme war traurig zart.

Noch einmal klammerte sie sich an ihn, wie zum Schutz, bevor sie dir Erinnerung wieder überwältigte und die Angst sie wieder umfing.

Er setzte sie auf dem Boden ab, lächelte sie an, nickte fragend. Dann nahm er ihre Hand und führte sie in Richtung des Eingangs.

Sie zitterte. Konnte sie den anderen gegenüber treten? Würden sie es sehen? Würden sie die Schuld sehen? Den Scham?

Snape öffnete die Tür und schob sie vorsichtig in das Haus hinein.

Die Halle war wie immer. So als hätte sich nichts in ihrem Leben geändert. Irgendwo hinter diesem schweren Vorhand war das Bildnis von Sirius Mutter, rechts die Tür… das Kaminzimmer… sie konnte nicht einmal lächeln bei dem Gedanken, was sie dort genossen hatte. Was sie nie wieder genießen würde…

„Hermine… mein Gott… Kind." Molly Weasleys Aufschrei war wie ein Alarmsignal. Und da waren sie… alle… starrten sie an.

Harry, seine Haare zottelig zu allen Seiten, seine Narbe fast verblasst, sah sie einfach an. Fast schien es ihr, er könne den gleichen Schmerz fühlen, wie sie.

Snapes Hand legte sich auf ihre Schulter und für einen Moment brachte sie den Trost, den sie brauchte.

Mister Weasley und Ginny, die sie anlächelten, als wollten sie ihr Mut zusprechen.

McGonagall, die die Hand über ihren Mund legte, als wäre sie entsetzt.

Sehe ich so furchtbar aus? Hermine wäre am liebsten wieder umgedreht.

Dumbledore, gekleidet in eine dunkelrote Robe mit goldenen Sternen, kam langsam auf sie zu. „Miss Granger…"

Dieser bohrende und fragende Blick, der alle Geheimnisse aus ihr heraus zu ziehen schien.

„Severus?... Ist…" Dumbledore verschluckte den Rest seiner Frage und Hermine wusste, dass Snape hinter ihr den Kopf geschüttelt hatte.

Molly und Ginny wollten auf Hermine zustürmen, doch Dumbledore deutete ihnen mit einer Handbewegung zurück zu bleiben.

„Kommen Sie, Miss Granger… ich bringe Sie nach oben, dann können sie sich erst einmal ausruhen. Für den Rest ist später immer noch Zeit." Snape trat zurück und Dumbledore legte einen Arm um ihre Schulter. Seine Berührungen machten Hermine nichts aus. Riefen keine Bilder hervor.

Langsam schob er sie Richtung Treppe, vorbei an Harry, vorbei an den Weasleys. Wo war Ron?

Dumbledore beugte sich vorsichtig zu ihr herab. „Haben sie keine Angst. Es wird niemand Fragen stellen, die Sie nicht beantworten wollen", er lächelte sie sanft an, „dass es so passieren musste… es tut mir alles sehr leid… wenn sie Hilfe brauchen, Miss Granger… ich bin immer da."

Sie lächelte ihn dankbar an. Er wusste es, denn er kannte alle Geheimnisse, als würde er sie in den Herzen der Menschen lesen. Und doch wusste Hermine, dass sie bei Dumbledore gut aufgehoben waren. Sie nickte.

„Aber jetzt schlafen Sie erst einmal, ich kümmere mich um die anderen…"

Langsam schob er sie weiter Richtung Treppe und sie folgte willenlos.

Traurig sah er ihr nach. Wie vertrauensvoll sie sich in Dumbledores Arme schmiegte. Es tat weh. Hatte er sie verloren? Warum konnte sie ihm nicht vertrauen?

Die anderen starrten ihn an und er konnte die Fragen aus ihren Augen heraus lesen. Doch wollte er sei nicht beantworten, nicht jetzt.

Und dann sah Snape ihn: RON!

Er kam die Treppe hinunter gestürmt. Dann blieb er stehen, starrte auf die Person, die die Treppe hinauf kam, angelehnt an den alten Schulmeister.

„Mione…" Seine Lippen bildeten tonlos ihren Namen. Langsam ging er auf sie zu.

Hermine löste sich aus Dumbledores Arm, Schritt für Schritt näherte sie sich ihrem alten Schulfreund und Snapes alten Rivalen. Kurz drehte sie sich zu Snape um, so dass er die Tränen in ihrem Gesicht sah.

NEIN! Hermine… nein!

„Mione… wie… du bist da", sagte Ron leise und ergriff ihre Hände. Ihr Schluchzen hallte von den Wänden wieder.

„Liebste", flüsterte er.

Hermine zitterte am ganzen Körper.

„Ron…", leise sprach sie seinen Namen. Das erste, was sie sagte war SEIN Name. Snape hatte das Gefühl das Herz würde ihm aus der Brust gerissen und am liebsten hätte er geschrieen und sie wieder fort gebracht. Schwindel erfasste ihn, als er sie so sah.

„Ron…"

Und in diesem Moment wusste Snape, dass er sie verloren hatte… FÜR IMMER!