2) Vorbereitungen

Nachdem die Unterhaltung mit Dumbledore beendet war, kehrte der Sprecher zurück in den Kreis seiner Genossen, der nun acht Personen zählte.

„Wie werden wir nun weiter verfahren?" wandte er sich an die anderen.

Sein großgewachsener Körper vermittelte den Eindruck von Stärke.

Er hieß Regor, und war der Anführer seines Clans und das gewählte Oberhaupt im Rat aller Clans. Die anderen sahen sich abwechselnd an.

„Wir sollten erst einmal diejenigen bestimmen, die sich mit Professor Dumbledore und Professor Snape treffen werden", erwiderte ein kleiner Mann, der dem Anführer gegenüber saß.

„Alle weiteren Schritte sind nur Konsequenzen dieser Entscheidung" fügte er hinzu.

„Nun gut", sagte der Sprecher. „Ich schlage Euch Kaldo, und Hara vor."

Dabei nickte er dem Mann ihm gegenüber und dessen Nachbarin zu. „Denn es sollten nicht mehr als zwei oder drei zu diesem Gespräch erscheinen. Stimmt Ihr dem zu?"

Zustimmende Worte und Gesten waren in der Runde festzustellen.

„Würdet Ihr beide diesen Auftrag übernehmen?" wandte er sich an die Auserwählten.

„Es wäre mir eine Freude, aber du weißt, wie mich mein Rücken bei Reisen plagt" fügte der kleine Mann schelmisch hinzu.

„Und du, Hara?"

„Ich schließe mich Kaldo an. Ich werde ihn so gut wie möglich unterstützen und wenn nötig verteidigen."

Bei diesen Worten glitt ihre Hand an ihre Hüfte, wo ihr Schwert steckte.

„Soweit wird es hoffentlich gar nicht erst kommen. Nun gut, wer stimmt mir zu, dass Kaldo und Hara zum Treffen aufbrechen sollten?"

Alle Hände in der Runde gingen in die Höhe und der Sprecher wandte sich an die Beiden.

„Einstimmig! Folgt mir ihr beiden, wir haben noch ein paar Dinge zu besprechen."

An die anderen gewandt fügte er hinzu: „Wir treffen uns hier nochmals eine Stunde vor der Abreise."

Mit diesen Worten erhob er sich und verließ den Raum. Kaldo und Hara folgten ihm.

Sie gingen einen dunklen Gang entlang, der nur hier und da mit einer einzelnen Fackel erleuchtet war. Doch selbst dieses Licht reichte für die drei vollkommen aus, um sich perfekt zurecht zu finden. Nach einigen Abzweigungen rechts und links kamen sie zu einem Kampfwaffenraum.

„Obwohl ich hoffe, dass es zu keiner Auseinandersetzung kommt, müssen wir trotzdem überaus vorsichtig sein. Ihr wisst selber, mit welchen Waffen ihr am besten zu Recht kommt. Sucht sie euch aus, egal welche."

Daraufhin stieß er die schweren Türen auf.

Nur wenige hatten Zugang zu diesen Räumen, denn hier lagen die wichtigsten Gegenstände ihres Volkes. Immer im Krieg oder auf der Flucht, waren sie zum Überleben notwendig.

Bereits im Kindesalter führte man die Kleinen an Kampftechniken und wenig später an Waffen heran. Die Kunst der Herstellung von Präzisionswaffen war ein Jahrtausend altes Meisterhandwerk, das sie zur Vollendung gebracht hatten. Wer immer das Glück hatte, eine solche Waffe zu besitzen, konnte sich der Furcht seiner Gegner sicher sein.

Kaldo und Hara betraten den Raum. Lange brauchten sie nicht, bis sie alles Benötigte zusammen hatten.

Nachdem sie die Räumlichkeiten wieder verlassen hatten, wandte sich jeder von ihnen seinen eigenen Zimmern zu. Schließlich konnte man nicht ungewaschen, wie ein alter Einsiedler aus dem Wald, zum Treffen erscheinen.

Hara erreichte ihr Zimmer schneller als Kaldo. Sie trat ein und begrüßte Shadow, ihren schwarzen Panther.

„Hej Kleiner! Wie geht es dir?"

Aus der Ecke erklang nur ein gereiztes Grummeln.

„Ach komm schon, du weißt doch, dass ich dich nicht zu den Versammlungen mitnehmen darf."

Erneutes Grummeln.

„Na gut, wenn du unbedingt schlechte Laune schieben willst, dann tu es halt. Aber eins sag ich dir, ins Schloss nehme ich dich nicht mit!"

Bei diesen Worten hörte Hara, wie sich Shadow in der Ecke bewegte. Er stand auf und trat aus der dunklen Ecke in das Licht der Fackeln. Sein schwarzes Fell glänzte und seine funkelnden Augen fixierten sie genau. Langsam näherte er sich ihr.

„Ja, ja, du hast richtig gehört. Ich werde zusammen mit Kaldo nach Hogwarts gehen, um dort Dumbledore zu treffen.

„Das hätte ich dir auch gleich sagen können", knurrte Shadow Hara an.

Sie drehte sich um und streichelte Shadow über den Kopf.

„Ach ja, und warum wusstest du es schon?" fragte sie neugierig.

„Weil die alle einfach keinen Mumm in den Knochen haben!" ereiferte sich Shadow. „Die können nur zusammen sitzen und blöd rumlabern. Aber wenn es hart auf hart kommt, flitzen sie davon wie die kleinsten Schisshasen! Sogar Kinder auf der Straße sind besser als die!"

„Na, na, Shadow. Jetzt urteilst du aber sehr hart! Schließlich braucht unser Volk auch gebildete Leute, die sie anführen. Stell dir mal vor, was ohne sie wäre. Alle würden ohne Sinn und Verstand aufeinander eindreschen! Da gäbe es keine friedlichen Verhandlungen und Abkommen, da hieße es Zahn um Zahn!"

„Wäre vielleicht besser so" brummte Shadow sich in seinen Bart.

„Du bist und bleibst halt ein Dummkopf!"

Mit diesen Worten wandte sie Hara ab, um zu gehen. Sie hatte sich während des Gespräches fertig gemacht und wollte sich vor dem Treffen der Anführer noch einmal zu Kaldo gehen.

„Wo willst du denn hin? Du kannst doch nicht ohne mich gehen? Dieser olle Kaldo kann dich doch gar nicht beschützen! Ohne mich würdest du doch jämmerlich verrecken!"

Shadow war aufgesprungen und hinter Hara hergespurtet. Mit einem flüchtigen Lächeln nahm sie ihn zur Kenntnis und machte sich auf den Weg.

Sie war nicht einmal den halben Weg zu Kaldos Räumen gegangen, als er ihr schon entgegen kam. Auf seiner Schulter saß wie so oft sein alter Falke. Er stieß einen erfreuten Schrei aus, als er Hara sah. Wie von der Tarantel gestochen, zuckte sein Besitzer daraufhin zusammen.

„Ja bist du denn wahnsichtig? Kannst mir doch nicht direkt ins Ohr schreien! Bald sehe ich nicht nur schlecht, bald kann ich wegen deinem Höllenlärm auch nichts mehr hören!" Während er gesprochen hatte, war er weiter gegangen. Hara war stehen geblieben und wurde fast von ihm überrannt und dies was nicht das erste mal so. „Huch, Kaldo! Du hast wohl lange nicht mehr deine Augentropfen genommen?"

„Ah, Hara! Ich war gerade auf dem Weg zu dir. Entschuldigung, hab ich dich erwischt? Wurde von diesem elendigen Schreihals abgelenkt. Ansonsten hätte ich dich ja bemerkt."

Hara lächelte in sich hinein.

Obwohl Kaldo nicht mehr der Jüngste in den Bergen war und seine körperlichen Kräfte zusehends nachließen, war er doch einer der Klügsten, was sicherlich auch auf das Alter zurückzuführen war. Man spricht nicht umsonst von der „Weisheit des Alters". Außerdem registrierte er Dinge, die z.B. korrekt Sehende überhaupt nicht mitbekamen. Durch sein geschwächtes Augenlicht, hatten sich seine anderen Sinne erheblich verbessert. So konnte er die leisesten Geräusche wahrnehmen und er behauptete sogar, am Geruch seines Gegenübers verschiedene Dinge feststellen zu können. Zu diesen zählten Angst, Freude, Sorge und Hass. Aber auch Krankheiten konnte er regelrecht „erschnüffeln". Wegen all diese Fähigkeiten war er ein unschätzbares Mitglied des Rates und auch deshalb begleitete er Hara.

Zusammen gingen sie zur Versammlung. Sie hatten schon mehrere Aufträge gemeinsam erledigt und waren ein eingespieltes Team, daher mussten sie nicht mehr viel besprechen. Doch eine Frage brannte Hara noch auf den Nägeln.

„Kaldo, hast du Dumbledore schon einmal getroffen?"

„Oh, nein! Er hat bisher noch keinen von uns zu Gesicht bekommen."

„Aber hast DU ihn schon einmal beobachtet oder ähnliches?"

„Natürlich! Denkst du etwa, dass wir so einen wichtigen Mann nicht überwachen? Ich hatte einmal das Glück, ihn ein ganzes Jahr zu beschatten. Ein äußerst interessanter Mann. Ich bin schon sehr auf unser Gespräch gespannt."

„Was für einen Eindruck hattest du von ihm? Wie hat er andere magische Wesen behandelt?"

„Oh, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Er ist ein Verfechter von Gleichberechtigung aller magischen Wesen, die sich wenigstens auf eine Diskussion mit ihm einlassen können." Bei diesen Worten kicherte er belustigt.

„Warum lachst du?" fragte Hara verdutzt.

„Nun ja, da gab es mal einen Fall. Er wollte unbedingt, dass die Ferizells als schlau anerkannt werden. Und das nur, weil sie seinem ständigem Fragen immer mit „Nein" und „Ja" geantwortet haben, und das wie üblich auf allen Sprachen!"

Ferizells waren kleine Tierwesen, die angeblich hellseherische Fähigleiten haben sollten. Wenn man sie etwas fragte, antworteten sie immer nur mit „Ja" oder „Nein", jeweils passend zu der Sprache, in der sie angesprochen worden waren. Viele abergläubische Hexen und Zauberer (aber auch andere) hielten sie sich, um sich tägliche Prophezeiungen machen zu lassen. Aber auch Kinder liebten sie sehr, da sie eine Mischung aus übergroßen Meerschweinchen und Hasen waren. Ihr Fell war flauschig und warm, und mit allen möglichen Farben und Mustern versehen. Aus diesem Grund waren sie einmal auch fast ausgerottet worden. Dies wurde jedoch durch das „Ferizell- Schutzgesetz" im letzten Moment verhindert.

„Aber das ist doch Unsinn! Ein Ferizell ist nicht schlau! Außer es geht ums Stibitzen von Essen, da sind sie wahre Meister. Ich habe keine große Meinung von ihnen. Die sagen doch ganz willkürlich Ja und Nein."

„Aber ist dir schon mal aufgefallen, dass sie zu der selben Frage immer die selbe Antwort geben? Auch wenn du sie fünf Minuten später noch einmal stellst?"

„Nein, ich hatte nie einen. Eine Freundin von mir aber. Ich habe mich nie sehr darum gekümmert. Für mich sind das nur kindliche Spielzeuge, die per Zufall grade das sagen, was ihnen in den Kram passt!"

„Wenn du meinst..." erwiderte Kaldo und blieb vor der großen Hallentür stehen. Er schaute Hara an.

„Bereit?"

„Bereit!" bestätigte Hara., und sie traten ein. Shadow blieb vor der Tür sitzen. Wie immer durfte er nicht mit in die Halle. Grummelnd verzog er sich in seine übliche Ecke, die zu seiner Zufriedenheit mit Polstern ausgelegt war.

Die Halle war noch fast leer. Nur zwei Personen waren schon anwesend. Sie saßen in unmittelbarer Nähe des Feuers und unterhielten sich leise. Als Hara und Kaldo eintraten verstummte ihr Gespräch. Sie wandten sich ihnen zu und der Größere der beiden rief ihnen zu: „Na, wie steht's mit dem Packen? Schon alles beisammen für die große Reise?"

Es waren der beste Freund von Kaldo und sein langjähriger Kampfgefährte. Sein Name war Hertor, und wie alle, die diesen Raum betreten durften, war er ein Mitglied des weißen Clans. Kaldo ging auf ihn zu und begrüßte ihn mit dem Gruß der offenen Hände. Dabei werden die flachen Handteller gerade an einander vorbei geführt. Je nachdem, ob die Grüßenden gleichgestellt waren oder nicht, wurde der Gruß anders ausgeführt. Waren sie in demselben Clan, wurden die Hände senkrecht gehalten. Begrüßte man jedoch jemanden aus einem anderen Clan, wurden die Hände waagerecht gehalten und die Hände wurden zweimal über einander geführt, sodass jeder einmal die Hand oben und unten hatte. Dies war ein Zeichen für die Anerkennung der Stärke des Gegners und der Akzeptanz. Nur bei dem Aufeinadertreffen eines normalen Clanmitgliedes und einem Anhänger des weißen Clans wurde es abgeändert. Hier wurden die Hände nur einmal übereinander geführt, wobei der „Weiße" seine Hand über der Hand des anderen hatte. Dies drückte die Macht der Weißen aus und die Respektsbekundung der anderen.

„Wie immer für einen Spaß bereit."

„Ihr seid früh wieder hier. Abdin und ich haben gerade über eure Mission gesprochen. Kommt doch mit ans Feuer." Mit einer einladenden Geste wollte er sie zum Feuer geleiten, doch Kaldo wehrte ab.

„Nein danke, Hertor. Ich muss mit Hara noch einige Dinge besprechen und das unter zwei Augen."

In Wirklichkeit konnte er Abdin nicht leiden und bezeichnete ihm immer als „Gehilfe des Teufels". Hertor wusste von dieser Abneigung, klopfte Kaldo nicht gerade sanft auf die Schulter und kehrte zum Feuer zurück.

Hara und Kaldo zogen sich in einen anderen Winkel der Halle zurück. Sie setzten sich auf zwei bequeme Polster und Kaldo zog aus den unendlichen Tiefen seines Umhanges ein Schachspiel hervor. Er hatte immer eins dabei, denn man wusste nie, wozu sie nützlich waren. Einmal hatte er einen Feind mit diesem Spiel erschlagen. Dabei lag es nicht am Gewicht des Spieles (das magisch kleiner und leichter gemacht worden war und auf Wunsch groß wurde), sondern eher an der Wucht des Aufpralls.

Die beiden lieferten sich einen erbitterten Kampf, bis die anderen Mitglieder des weißen Clans in die Halle traten und Regor die Versammlung eröffnete.

Während dieser Geschehnisse wurden an einem anderen Ort (genauer gesagt in Hogwarts) die Hauselfen auf Trab gehalten. Dumbledore teilte ihnen die unterschiedlichsten Aufgaben zu, so sollten sie zum Beispiel die Bibliothek nach irgendwelchen nützlichen Informationen über die Wesen der Nacht durchforsten; ihre alten Kochbücher herauskramen (ob da wohl ihre Lieblingsspeise drinstehen würde?); alle Gänge und Räume sowie Bilder, Treppen und sonstige Gegenstände säubern und vieles mehr. Dumbledore orderte sogar weitere Elfen an, damit sie bei dieser Großaktion mithelfen konnten.

Außerdem schickte er Eulen zu allen Lehrern von Hogwarts, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich unverzüglich in der Schule einzufinden hatten. Ausreden wie „Ich finde meinen Umhang nicht" und „Die Eule kam nicht an" ließ er dabei nicht gelten. Er wusste genau, dass gerade Lehrer die Könige im Drücken vor solchen Dingen waren. Und dann auch noch in den Ferien! Wie konnte er, Dumbledore, sich das überhaupt erdreisten? Wie konnte er die armen Lehrer nur aus ihren Ferien holen? Insgeheim hatte er mit Hagrid (der schon wieder auf dem Gelände von Hogwarts unterwegs war) eine Wette abgeschlossen. Dumbledore wettete, dass er eher alle Schüler in den Ferien hier in Hogwarts versammeln könnte, als dass alle Lehrer herkommen würden. Er sah schon die genervten Gesichter seiner Kollegen vor sich. Zum Glück waren nur wenige im Urlaub, die anderen waren tatkräftig im Kampf gegen Voldemort. Diese waren natürlich größtenteils entschuldigt.

Nun, etwa um drei Uhr nachmittags, wurde Dumbledore langsam kribbelig. Dieses Gefühl hatte er das letztes Mal gehabt, als er eine Frau zum tanzen aufgefordert hatte. Nur dieses Kribbeln im Moment war unangenehmer. So, als ob sich eine böse Ahnung anschleichen würde. Jetzt durfte er auf keinen Fall Professor Trewlany begegnen. Sie würde ihm nur schlimme Illusionen in den Kopf setzen, wie„Es wird jemand sterben!!!" Und dabei ihre riesigen Augen aufreißen, mehrfach durch die Brille vergrößert. Dumbledore schüttelte sich bei dieser Vorstellung. Das war schon eine komische Eule! Der ganze Rauch hatte ihr wirklich auf den Verstand gedrückt!

Da er ein wenig frische Luft brauchte, trat er aus dem Haupttor hinaus, und ließ seinen Blick über die Ländereien von Hogwarts wandern. Die ganze Zeit hatten ihn die Fragen bewegt, wie sie hier her kommen wollten, wie sie überhaupt den Weg fanden, wie viele es waren, und woher sie kamen. Der Akzent in der Stimme des Sprechers war nur zu deutlich hörbar, doch er konnte ihn nicht zuordnen. Er hatte diesen Tonfall schon einmal gehört, doch wo nur? Er kratzte sich am Kopf, und ein Schauer von Wollmäusen regnete auf seinen bereits grauen (ehemals schwarzen) Umhang herab.

„Oh je, ich glaube ohne ein Bad kann ich den Herrschaften nicht gegenüber treten. Aber wehe die Leitung für die hellblauen Badeblasen wurde noch nicht repariert, dann werde ich stinkig! Oder eher, ich bleibe stinkig!!"

Mit einem tiefen Atemzug sog er die warme Sommerluft ein, und machte sich auf den Weg in sein Bad.

Um acht Uhr abends war Hogwarts so gut wie neu und seine Hauselfen reif für Urlaub. Es wurde sogar ein Stein mit der Inschrift das arbeitsreichsten Tages und aller Mitwirkenden in der Küche aufgestellt, auf der die Hauselfen leicht panisch ihren Namen suchten. Hatten sie ihn gefunden, stießen sie einen spitzen Schrei aus und deuteten wie wild auf die betreffende Stelle, um es allen zu zeigen. Somit waren die Hauselfen in der Zwischenzeit bis zur Ankunft beschäftigt und in der Küche herrschte ein andauerndes Schreien und Rumfuchteln der dürren Ärmchen.

Mittlerweile war der Großteil des Lehrerkollegiums eingetroffen und Dumbledore hatte auch Nachricht von verhinderten Lehrkörpern erhalten. Es hatte sich doch tatsächlich jemand erdreistet, eine der fadenscheinigen Ausrede zu benutzen! Natürlich schickte Dumbledore umgehend drei Eulen los. Zwei mit einem passenden Umhang, und eine mit einem entsprechenden Brief. Dieser Lehrer durfte sich jetzt schon auf etwas gefasst machen; die nächste Gehaltserhöhung konnte er erst einmal zu seinem verschwundenen Umhang packen!

Auf dem Weg hinab in die Große Halle begegnete Albus schon einigen seiner Kollegen. Sie gesellten sich zu ihm und bombardierten ihn regelrecht mit Fragen. Diese wehrte er jedoch ab mit der Begründung, dass sie alles Notwendige in wenigen Augenblicken erfahren würden.

Er betrat die Halle und fand alle restlichen Lehrer versammelt vor. Sie hatten einen großen runden Tisch in die Mitte der Großen Halle gezaubert und rundherum waren ihre Stühle angeordnet. Dumbledore trat heran und setzte sich auf den Stuhl neben Severus. Alle Augen klebten seit seinem Erscheinen an ihm und schienen ihn geradezu zu durchlöchern.

„Guten Abend. Ich bin kein Mann der großen Worte, daher sage ich es knapp und direkt heraus. Damit werden sich auch die meisten Ihrer Fragen gleich beantworten: Heute Abend erwarten wir Besuch von Botschaftern des Nachtvolkes."

Dumbledore ließ seinen Blick auf jedem Mitglied seines Lehrerteams ruhen (die alle noch vollkommen sprachlos waren) und fuhr deshalb fort: „Sie haben uns, also Severus und mich, aufgrund einer uns unbekannten Bitte kontaktiert und werden bald ankommen. Da wir jedoch nicht wissen wie viele es sein werden, habe ich sie hier alle zusammen gerufen. Wie sie selber sicherlich alle wissen, wurden seit der Gründung von Hogwarts keine offiziellen Tätigkeiten mehr von diesem Volk in unserem Bereich um Hogwarts herum verzeichnet. Aber inoffiziell sollen sie noch einige Male hier gewesen sein. Bestätigen konnten wir das jedoch nie. Nun, da wir weder die Gesichter, noch die Anzahl der Personen kennen, bitte ich um äußerste Vorsicht. Es gibt mehrere Völker der Nacht und wir wissen nicht, mit welchem wir es zu tun haben. Daher kann es eines der Aggressiveren sein, aber ebenso gut auch eines der Friedlicheren. Auf jeden Fall werden wir uns neutral verhalten. Da sie eine Bitte an uns haben, liegt der Vorteil bei uns. Severus und ich werden die Gesandten begrüßen und dann eventuell weitere von Ihnen hier zu der Versammlung einladen. So, das war doch mehr, als ich eigentlich sagen wollte. Nun, hat einer von Ihnen noch Fragen?"

Die Lehrer schauten Dumbledore weiterhin wie hypnotisierte Kaninchen an, bis Minerva das Schweigen brach.

„Seit wann wissen Sie von diesem Treffen?" fragte sie mit der üblichen Schärfe in ihrer Stimme.

„Heute Morgen hatten wir Kontakt mit Ihnen."

„Und wie hatten Sie mit Ihnen Kontakt? Über das Feuer?" hakte Minerva nach.

„Nein, über eine Kugel. Sie ist, wie sie wissen sollten, ein beliebtes Nachrichtenmedium bei den Völkern der Nacht. Das war auch das einzige Anzeichen dafür, dass es sich um Angehörige der Völker der Nacht handelt, wie auch die Tatsache, dass sie sich erst gegen Abend mit uns treffen wollten. Mehr wissen wir auch nicht."

„Wie sah der Sprecher aus?" wollte Professor Flitwick wissen.

„Wie gesagt konnten wir sein Gesicht nicht sehen. Er war in einen Mantel gehüllt und war anscheinend von beachtlicher Größe. Außerdem hatte er einen Akzent, den ich aber immer noch nicht zuordnen kann. Das ärgert mich wirklich! Wenn mein Cousin dritten Grades jetzt hier wäre, könnte er es uns sagen. Er hat eine Begabung für so etwas. Er kann alle Dialekte!"

Snape räusperte sich leise, um Dumbledore wieder zurück auf den Boden der Tatsachen zu holen. Denn solche anfangs kleinen Erläuterungen am Rande konnten sich mit rasantem Tempo zu einem riesigen Gesprächsthema entwickeln, über das Dumbledore bereits oft das Ausgangsgespräch vergessen hatte.

„Nun gut, das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Mehr wissen wir nicht. Alles andere wird auf uns zukommen."

Dumbledore erhob sich von seinem Stuhl und nickte allen am Tisch freundlich zu („Bedenken Sie, dies wird ein geschichtsträchtiger Tag sein!") und verließ gefolgt von Severus Snape die Große Halle. Dir restlichen Lehrer schauten sich ratlos an. Doch wie von selbst begannen sie eine heftige Diskussion über die soeben erhaltenen Informationen.

Albus und Snape waren froh dieser Diskussion fern bleiben zu können. Sie würde sowieso nichts mehr ändern und sich immer nur um die gleichen Punkte drehen, ohne jeden Fortschritt. Die beiden gingen in Dumbledores Büro und tranken dort einen heißen Kamillentee, wobei sie Zitronedrops lutschten.

Die Versammlung des weißen Clans zog sich in die Länge. Jeder hatte das Recht zu sprechen und besonders Shari und Gafu, zwei weitere Mitglieder des Rates, verwickelten sich in eine endlos lange Diskussion. Gerade als Regor die zwei unterbrechen wollte, wurde der Rat gestört. Ein Hauself, im typischen Gewand der „Freien Elfen", trat ein.

„Entschuldigung. Ich störe nur ungern, aber ich sollte Bescheid sagen. Die Sonne geht in weniger als einer Stunde unter. Die Herrschaften sollten sich auf den Weg zu den Ställen begeben."

Mit einer tiefen Verbeugung entschwand er ihren Blicken. Regor stand auf, und rief Kaldo und Hara zu sich. Mit ihnen ging er zum Stall. Die restlichen Mitglieder verweilten in der Halle, um auf die Rückkehr von Regor zu warten.

Bei den Ställen angekommen, begrüßten sie den grummelig dreinschauenden Porlock, den Pferdehüter. Er hatte eine außergewöhnlich lange Nase, einen zotteligen Pelz, eine Unmenge an struppigen Haaren auf dem Kopf und bewegte sich auf zwei Pferdehufen fort. Es standen ganze Familien der Porlocks im Dienste der Clans und eine tiefe Verbundenheit prägte das Verhältnis zueinander. Diese beruhte jedoch größtenteils einfach darauf, dass die Porlocks in Ruhe gelassen wurden.

Der Porlock trat zur Seite und ließ die drei ein. Hara und Kaldo gingen zielstrebig auf ihre Tiere zu. Es waren Granianer, geflügelte Pferde. Sie hatten graues Fell und zeichneten sich durch ihre besondere Schnelligkeit aus.

Auch andere geflügelte Pferde wurden gezüchtet, doch die Granianer waren die beliebteste Rasse.

Hara besaß zwei Granianer, ein Weibchen (Speedy) und ein Männchen (Grey). Heute würde sie Grey reiten. Speedy ging es nicht besonders gut und außerdem war Grey stärker. Bei einem eventuellen Kampf wäre sie mit ihm besser bedient.

Hara gab ihnen einen letzten Leckerbissen (sie bevorzugten eine Hand voll Kirschen, deren Kerne sie dann zielgenau ausspuckten) und führte Grey in Richtung Ausgang. Dort erwarteten sie bereits Regor und Shadow, der sie wie fast immer begleitete. Er hatte bemerkt, dass sie die Halle verlassen hatte, und war ihnen gefolgt.

Kurz darauf traf auch Kaldo mit seinem Pferd ein. Ein kleiner Hauself brachte den beiden ihre Mäntel aus einem Gemisch von Graphornhaut und anderen Materialien. Die Haut eines Graphornes war zäher als Drachenhaut und schützte sie vor der Flüchen und der Sonne. Wer allzu lange im Berg gewesen war, vertrug in den ersten Tagen die Sonne nicht richtig und bekam eine krebsrote Haut.

Kaldo und Hara nahmen die Mäntel entgegen und streiften sie noch als zusätzlichen Schutz über ihre normalen Mäntel. Dann ließ sich Shadow schrumpfen (sodass er nur noch wie eine gewöhnliche Katze aussah) und sprang in die Tasche von Hara, die sie extra für ihn mitnahm. Zum Schluss verabschiedeten sie sich von Regor mit dem Gruß der offenen Hände.

„Passt gut auf euch auf. Es steht viel auf dem Spiel! Das Auge wird über euch wachen!" waren seine Abschiedsworte, dann traten sie hinaus ins Freie. Der Himmel war von der untergehenden Sonne rot gefärbt.

In diesem Moment schwangen sie sich auf ihre Pferde und flogen los, in Richtung Großbritannien.