Lasst das Spiel beginnen!
Die untergehende Sonne hatte ein leuchtendes Orange angenommen und warf ihre Strahlen durch die breite Glasfront des Hotels. Obwohl Horatio in Gedanken schon längst in Miami und bei dem neuen Fall war, fand er doch die Zeit, für einen kurzen Moment die beruhigende Wirkung des Lichtes auf sich wirken zu lassen.
„Da bist du ja", holte ihn die Stimme von Peter wieder in die Gegenwart zurück und er drehte sich um. Peter hatte nun ein hässliches grün-beigefarbenes Hemd an, Modegeschmack hatte er noch nie bewiesen, und deutete auf einen der vielen runden Tische in der Lounge. „Setzen wir uns?"
„Tut mir leid, Peter, aber ich habe keine Zeit. Ich werde morgen früh abreisen und muss mich jetzt durch einen Stapel Faxe arbeiten." Peter sah für einen Augenblick beleidigt aus, aber dann siegte doch seine immer vorhandene Neugier, nicht umsonst war er Ermittler geworden.
„Du lässt eine Einladung zum Kaffee sausen? Jetzt bin ich wirklich überrascht. Muss ja ein ziemlich wichtiger Fall sein. Worum geht es?", fragte er mit der für ihn typischen öligen Stimme. Horatio lächelte ihn milde an und fühlte sich, als würde er mit einem Anfänger reden.
„Du weißt doch genau, dass ich nicht darüber sprechen darf – laufende Ermittlungen. Also, bis zum nächsten Mal und noch einen schönen Aufenthalt." Die beiden Männer schüttelten sich die Hände und Horatio ließ Peter zurück.
Als Horatio die Tür zu seinem Zimmer öffnete, hörte er schon das Faxgerät arbeiten, das Seite um Seite ausdruckte. Er legte sein Jackett ab und zog seine Schuhe und Socken aus. Der Fußboden fühlte sich weich und warm unter seinen nackten Füßen an, als er sein Handy in die Hand nahm, er musste noch das Flugticket umbuchen. Als das erledigt war, hatte auch das Fax seine Arbeit beendet und er nahm sich den Stapel Papier und setzte sich an den Schreibtisch. Es würde eine lange Nacht werden.
Zur gleichen Zeit klingelte nur ein paar Zimmer entfernt ein Handy und veranlasste den Bewohner, seine Pläne für das Abendbrot um ein paar Minuten zu verschieben.
„Grissom", meldete sich der Leiter der Nachtschicht in Las Vegas.
„Hallo Gil", antwortete seine Stellvertreterin Catherine Willows und seine Stirn legte sich in Falten. Irgendetwas musste passiert sein.
„Was ist los?", fragte er plötzlich hellwach, obwohl der Tag sehr anstrengend gewesen war.
„Tut mir leid dich stören zu müssen. Aber ich denke, bei unserem neuesten Fall können wir jede Hilfe gebrauchen, die wir kriegen können." Jetzt war sich Grissom sicher, dass irgendetwas passiert war.
„Nun?"
„Erinnerst du dich noch an Jack Hollison? Den verschwundenen College-Studenten?" Eigentlich war die Frage sinnlos, denn sie wusste mit Bestimmtheit, dass er sich erinnern konnte. „Wir haben seine Leiche auf einem verlassenen Schrottplatz gefunden. Sieht so aus, als hätte jemand seinen Körper in Glasscherben gebadet. Ziemlich übel."
„Ich nehme morgen früh den ersten Flug. Bis dann."
„Ja, bis dann", und mit diesen Worten legte sie auf.
Horatio war mit den ganzen Berichten vom Schreibtisch zum Bett gewandert. Die Nachttischlampe verbreitete ihr warmes Licht und er rieb sich müde die Augen. Wollte er morgen – nach einem Blick auf die Uhr korrigierte er sich – wollte er heute noch irgendjemandem vom Nutzen sein, dann sollte er zusehen, dass er selbst etwas Schlaf bekam. Er war gerade mit Duschen fertig, als sein Handy klingelte. Mit wenigen Schritten stand er neben seinem Schreibtisch und nahm ab.
„Horatio?", fragte er verwundert.
„Sie hören sich müde an", grüßte ihn eine verzerrt klingende Stimme.
„Wer sind Sie?" Doch er hörte nur noch ein monotones Pfeifen und schaltete schließlich sein Handy ab.
Los Angeles war selbst in den frühen Morgenstunden eine quirlige Stadt und Horatio fühlte sich unwillkürlich an einen Jugendlichen erinnert, der gegen seine Eltern rebelliert und nächtelang Partys feiert. Selbst der Flughafen brodelte fast über vor Leuten, als er aus dem Taxi stieg und die frische und kühle Morgenluft einamtete. Er war sich sicher, dass sich Miami von seiner besten Seite zeigen und ihn mit schwüler Hitze begrüßen würde. Aber das machte ihm nichts aus, er war es so gewohnt und wollte es auch nicht anders haben. Plötzlich sah er neben sich eine bekannte Gestalt, er hatte bei Gil Grissoms Vortrag über die besondere Bedeutung der Entomologie in der Forensik unter den Zuhörern gesessen.
„Mister Grissom?" Der grauhaarige Mann drehte sich zu ihm um.
„Hallo Mister Caine", begrüßte er ihn.
„Sie reisen auch schon ab?"
„Ja, der Tod wartet auf niemanden und auf nichts." Horatio nickte verstehend.
„Grüßen Sie Catherine und Warrick von mir - und einen guten Flug."
„Danke, Ihnen auch."
Horatio hatte Recht gehabt. Das Thermometer in Miami zeigte irgendetwas über 34 Grad an und schon wenige Minuten nachdem er aus dem Flugzeug gestiegen war klebte sein Hemd an seinem Rücken. Er überlegte für einen Moment, ob er nach Hause fahren und duschen sollte, aber schließlich entschied er sich dagegen. Womöglich standen Menschenleben auf dem Spiel und duschen konnte er später immer noch. Also betrat er kurz nach elf Uhr vormittags die Laborräume.
„Guten Tag, Ladies und Gentlemen", begrüßte er sein Team, dass sich um einen der großen Tische, die von unten beleuchtet wurden, versammelt hatte und die Beweise durchging. Sofort richteten sich drei Augenpaare auf ihn und er konnte förmlich sehen, wie sich ihre Laune ein wenig hob. Dafür war er dankbar, denn nachdem was er bis jetzt über diesen Fall gehört hatte, war er alles andere als erfreulich.
„Schön dich wiederzusehen, H", begrüßte ihn Speed und schien erleichtert, dass er die Verantwortung endlich abgeben konnte.
„Okay, dann lasst uns diesen Verrückten schnappen", sagte er und schaute sie aufmunternd an.
