"Hey, Welpe, an die Brassen mit dir!" brüllte Captain Jack Sparrow über das Deck, brachte damit viele zum Lachen, aber mindestens einen zum Fluchen. Nämlich diesen besagten Welpen, der besser bekannnt war unter dem Namen Will Turner. Seines Zeichens auch kein Welpe mehr, denn er war inzwischen länger an Bord als manch Anderer aus der Crew. Er schlug sich nun seit über einem Jahr auf See herum, hatte auch seine geliebte Liz an Bord geschleppt und erfreute sich an der allgemein herrschenden Freiheit.

Gäbe es da nicht diese kleinen Unstimmigkeiten mit dem Captain, die ihn nicht nur den Masten, sondern auch die Palme hoch trieben. Er war weder als Letzter in diese Crew gekommen, noch war er der Jüngste oder der Dümmste. So, warum, in drei Teufels Namen, wurde er immer noch Welpe genannt? Nur, weil Jack seinen Vater gekannt hatte, oder selbst einen Sohn in ihm sah? Letzteres posaunte Will gern über das ganze Deck hinaus, was die Nennung dieses Namens für ein paar Tage verhinderte.

"Du solltest mir dankbar sein, alter Köter!" brummte Will vor sich hin, als er an den Brassen zerrte. Denn er war es gewesen, der ihnen ein neues Ziel gegeben hatte, indem er einem betrunkenen Piraten eine Schatzkarte abgeluchst hatte. Eine Schatzkarte, die Jack für echt genug hielt, um ihren Anweisungen zu einer einsamen Insel zu folgen. Auf der hoffentlich wirklich dieser Schatz zu finden war, da dieser Irrtum sonst seine Schuld war.

"So einen weiten Horizont hatten wir ja noch nie", meinte dann plötzlich Liz, die zu ihm gekommen war und hinaus auf das Meer blickte, das für sie immer noch ein großes Abenteuer war. Genau wie das Jagen von Piraten auf dem Deck, denn jeder wich ihr aus, wenn sie wieder einmal etwas lernen wollte. Sicherlich war es gut gemeint, dass sie mit an Deck helfen wollte, aber ihre Tollpatschigkeit in manchen Dingen stellte viele auf eine harte Probe.

"Wir sind auch noch nie hier gewesen", erklärte Will nur und verzichtete diesmal auf die langwierige und richtige Erklärung. Denn dies blieb ja immer an ihm hängen, da er ja nicht fliehen konnte. Das war einer dieser Punkte, die zu einer verlobung dazugehörten. Nur leider hatte man ihm das nicht schon früher gesagt. Oder dass Liz so eine Niete auf See war, dass sie immer noch den Luxus eines Passagiers hatte.

"Der Horizont ändert sich also mit dem Ort?" schlussfolgerte sie, woraufhin Will ihr automatisch widersprechen wollte, aber dann erkannte er, dass doch etwas Wahres daran war. Gewissermaßen.

"Da muss ich gleich mal Jack nach den genauen Zusammenhängen fragen", plabberte sie fröhlich weiter und setzte ihm einen Kuss auf die Wange. "Nicht, dass ich dir nicht zutraue, diese nicht zu kennen, aber ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten." Sprachs und verschwand in der Menge der arbeitenden Crew.

"Och, ich hätte es verkraftet." Wenn er genauer darüber nachdachte, so hätte Will lieber Liz irgend etwas an den Kopf geworfen, als hier weiter an den Brassen zu zerren. Zumindest in den ersten fünf Minuten. Bis dahin hätte er sie sowieso so sehr verwirrt, dass sie freiwillig geflohen wäre. Aber jetzt war ihm diese kleine Pause verwehrt geblieben.

Und so zerrte er weiterhin hier und da und sollte auch schon zum Deckschrubben eingeteilt werden, als ihn ein Ruf aus dem Krähennest rettete, dass eine Insel in Sicht wäre. Auch Jack schien darüber mehr als froh zu sein und hetzte über das Deck, um neue Befehle auszuteilen, immer verfolgt von Liz, die ihn immer noch mit Fragen bombardierte. Will hingegen konnte sich im allgemeinen Chaos aus dem Staub machen.

Allerdings nur, bis wieder ein Ruf erklang, der diesmal auch viel dringlicher klang. Was wohl auch an den Kanonenkugeln lag, die das Wasser um die Pearl herum aufwühlten. Diese Frechheit musste gerächt werden, und so wurden alle Kanonen der Pearl besetzt, und da Will die besten, weil rum-ungeschädigsten Augen hatte, durfte er das Zielen übernehmen.

"Volle Breitseite, daneben bittesehr!" brüllte er über das ganze Schiff, da er wusste, dass die Chancen zu treffen höher waren, wenn die Crew daneben zielte. Und während die erste Salve losdonnerte, scheuchte er die Leute von den Kanonen auf der anderen Seite weg. Denn diese kannten immer noch nicht den Trick, Munition zu sparen, wenn man wirklich nur auf den Feind schoss.

"Feuert auf die Fische!" bekam er jetzt auch noch unnötige Verstärkung von Liz, trotzdem näherte sich das andere Schiff zum Entern, auch obwohl sie tatsächlich ein paar Mal getroffen hatten. Nur leider war keine Zeit zum Jubeln über diese Glückstreffer, denn die ersten Enterhaken flogen zu ihnen hinüber.

"Fertig zum Gefecht, fertig zum Verstecken!" brüllze jetzt auch noch Jack über das Schiff, und Will musste die Crew nun auch noch von den restlichen Kanonen wegjagen und ihnen zeigen, dass jett der Kampf mit Pistole und Schwert angebracher war. Und dass der Teil des Befehls über das Verstecken nur für den Captain galt. Den Grund dafür hatte er immer noch nicht verstanden, obwohl ihm das Jack schon oft erklärt hatte.

Vielleicht würde er es ja später verstehen, aber jetzt konnte er sich nur in den Kampf stürzen.

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Dieser dauerte unverhofft kurz, und das nicht, weil sie schnell aufgeben mussten, so wie Will es erwartet hätte, sondern weil sich die gegnerische Mannschaft plötzlich von allein zurückzog. Schnell waren die enterhaken gelöst, und das fremde Schiff floh auf die andere Seite der Insel Auf der Pearl dagegen waren alle viel zu beschäftigt mit Jubeln, um dem Schiff zu folgen.

Außerdem fehlte jemand, der Befehle verteilte, aber das fiel den meisten erst auf, als die Sonne bereits im Zenit stand und keiner verkündete, dass man jetzt die Kombüse stürmen und den Koch nerven konnte. Voller Unbehagen sah man sich nach Jack um, aber konnte ihn nirgends entdecken. Eine Zählung ergab, dass auch Anamaria, seine Ge... uhm... der erste Maat fehlte.

Flugs scharte sich alles um den Hauptmast, um die weitere Rangfolge abzulesen, die man dort nach einer durchzechten Nacht, als fast alle an Gedächtnisschwund litten, eingeritzt hatte. Als nächster stand Gibbs auf der Liste, der sich in weiser Voraussicht bereits betrunken hatte. Das Kommando auf diesem Schiff war nun mal so beliebt wie Fußpilz.

Also starrte man wieder auf die Liste, die nun aber durch einen Krakel gestört wurde, der erst später und unbemerkt hinzugefügt worden war. Von wem stammte dieser Krakel? War dies überhaupt rechtmäßig? Oder war dies nur ein herausgebrochener Splitter?

Auf jeden Fall war einfach ein Name an dieser Stelle der Liste zugefügt worden, und man beratschlagte, ob man dies so gelten lassen sollte, denn schließlich betraf es so nicht einem selbst, und der Nächste auf der Liste konnte seine Rumflasche wieder wegstecken. Andererseits würde der Neue auf der Liste vielleicht auch einen unheimlichen Verschleiß haben, und der Nächste konnte schon einmal anfangen mit Trinken.

Nach längerem Hin und Her, währenddessen der Koch das Mittagessen selbst verschlungen hatte, kam man endlich zu dem Entschluss, den Krakel anzuerkennen, auch weil dieser so unleserlich war, dass er nur vom Captain stammen konnte. Somit war der neue Befehlshaber gewählt, und alle drehten sich zu Will um, der die Zeit für eine Pause und einer angeblichen zahnärztlichen Untersuchung bei Liz genutzt hatte, die er mit seiner Zunge durchzuführen pflegte, um möglicherweise auftauchende Schmerzen zu verhindern. Offiziell zumindest.

Doch nun fühlte er sich langsam irgendwie beobachtet, und Liz ziemlich unwohl, und das nicht nur, weil Will zum Frühstück etwas mit Zwiebeln gegessen hatte. Daraufhin starrten beide ziemlich irritiert zurück, bis einer auf den ramponierten Mast zeigte und das Ergebnis der Lesestunde mitteilte.

"Was machen wir jetzt, Captain?" fragte da auch schon Gibbs aus der hintersten Ecke und überraschenderweise nüchtern. "Unseren früheren Captain und seine Ge... uhm... seinen Maat befreien, den Schatz einfach so holen oder Urlaub auf Tahiti machen?"

Völlig überwältigt von dem Vertrauen, das man ihm nun entgegenbrachte, schaute Will kurz zu Liz, die gerade sicherheitshalber ihr Messer versteckte, das sie eigentlich gar nicht mehr gebrauchen konnte, da das Holz des Hauptmastes so verdammt hart war und das Messer vollkommen stumpf gemacht hatte.

"Lasst es uns auslosen!" Durch neuen Mut gestärkt und siegessicher schaute Will in die Gesichter seiner Crew, aber konntedort nur Unverständnis lesen. Die nächste Stunde verbrachte er dann damit zu erklären, was das Wort Auslosen bedeutete, räumte damit auch allgemeine, gesellschaftliche Missverständnisse aus dem Weg und hob so den IQ der gesamten Crew um mindestens zehn Punkte.

Dadurch konnte man ihm dann auch sagen, dass so etwas unter Piraten nicht üblich war, und er musste seinen ersten Befehl aussprechen. Da er aber vorher eine Entscheidung treffen musste, verfloss eine weitere Stunde. Die nutzte der Nächste auf der Liste, um sich zu betrinken, für den Fall, dass Wills Entscheidung gegen den Willen der Crew war. Was ja zur Tradition gehörte.

"Wir greifen das andere Schiff an, plündern es aus und gehen mit dem neu verdienten Geld in den Urlaub!" befahlt Will nun, und traditionsbewusst, wie die Crew nun einmal war, protestierte sie lautstark gegen diesen Befehl, ohne richtig darüber nachgedacht zu haben. Was sowieso selten genug war.

"Dann überfallen wir eben das Schiff, um den Captain und seine Ge... uhm... seinen Maat zu befreien, um mit ihnen gemeinsam den Schatz zu heben, aye?" Will hatte sich schnell einen neuen Befehl ausgedacht, der traditionsgemäß mit Begeisterungsstürmen angenommen wurde. Erst später wurde der Crew klar, dass sie immer noch ein Schiff überfallen mussten, was ja mit Arbeit und Gefahr verbunden war.

Dementsprechend mürrisch machten sie sich daran, das Schiff dazu zu bringen, dem Anderen zu folgen. Will begab sich ans Steuer, da sich der Captain nur dort aufhalten, aber wenigstens auch weiterhin unsinnige Befehle von sich geben durfte. Und da war natürlich noch eine zahnärztliche Untersuchung, die weitergeführt werden musste.