Der Koch war schon eifrig dabei, das Abendessen vorzubereiten, wobei er sich diesmal viel Mühe gab, da er annahm, dass er wieder alles allein essen würde, als die Pearl endlich die Insel umrundet hatte, und das fremde Schiff in Sicht kam. Alle Kanonen wurden besetzt, und Liz unter Deck geschickt, natürlich nur mit der Bestätigung, dass mit ihren Zähnen alles in Ordnung war.
So konnte sie den Koch damit quälen, dass sie sämtliche Radieschen-Vorräte vernichtete, und Will quälte die Crew an Deck mit ständig wechselnden Befehlen. Aber es war ja nicht seine Schuld, dass das Schiff versuchte, sich zu widersetzen und in Sicherheit zu bringen. Oder die Crew einfach zurückschoss.
Aber er setzte es auf sein Pluskonto, dass die Pearl nun nicht mehr von wild herumfliegenden Kanonenkugeln getroffen wurde. Die befohlenen Richtungswechsel verwirrte nicht nur seine Crew, sondern auch die Andere. Und das sogar so sehr, dass sie sich kurzzeitig sogar selbst beschoss. Aber auch das schien nicht den erhofften Erfolg zu haben, und so ließen sie bald davon ab.
Nach einer halben Ewigkeit endloser Kanonenkugelverschwendung konnte nun die Crw der Pearl selbst die Enterhaken auswerfen. Um unnötige Reden zu verhindern, ging Will als gutes Beispiel voran und schwang sich als Erster hinüber auf das andere Schiff, um sich dort gleich mit zwei Männern anzulegen. Dass der Eine ein Greis, und der Andere ein Jüngling war, wurde zum Glück übersehen.
Denn so folgte die Crew mit neuem Mut beseelt ihrem Captain auf Zeit und stürzte sich in den Kampf. Es wurde gemetzelt und geschlagen, gebrüllt und geflohen, und es bemerkte keiner, dass sich Will ins Unterdeck verzog, um seelenruhig nach Jack und Ana zu suchen. Das Vorrecht des Captains.
Er durchsuchte wirklich jede Kabine, sah sogar in Schubladen und in der Brigg nach, aber er konnte die beiden nicht finden. Was bedeutete, dass er noch einmal suchen musste, und diesmal auch in der Kombüse. Nach einem üppigen Mahl, da sein Koch sicher inzwischen alles selbst gegessen hatte, konnte er immer noch keinen Erfolg verzeichnen.
Mit gefülltem Bauch, aber trotzdem nicht sehr guter Laune kehrte er dann an Deck zurück, um nur festzustellen, dass er die Crew nicht hätte allein lassen dürfen. Denn sie schien sich irgendwann dazu entschlossen zu haben, wieder zu verlieren und sich zurück auf die Pearl drängen zu lassen.
Dementsprechend überrascht, da Will keineswegs einen solchen Befehl gegeben hatte, starrte er seiner Crew hinterher und wurde eigentlich nur übersehen, weil die andere Crew lieber Witze riss und sich anderweitig über die Crew der Pearl lustig machte. Dabei übersah sie auch, dass ihr eigenes Schiff beträchtliche Schlagseite hatte, da ein paar Glückstreffer Lecks geschlagen hatten.
Durch diese Schlagseite konnte sich wiederum Will ganz leicht zur Reling rollen lassen und so geschwind und ungesehen seiner Crew folgen. Diese beratschlagte gerade, auch welche Art und Weise man den Witzen begegnen sollte. Ignorieren, fluchen oder auch mit Witzen antworten? Die schon angesprochene Schlagseite würde zumindest Letzeres ganz einfach machen, aber man wollte doch lieber auf den Befehl des Captains warten.
"Angriff!" brüllte nun dieser über das Deck, und gewohnheitsgemäß wurde dieser sofort mit lautem Geschrei abgelehnt. Will rollte daraufhin nur mit den Augen und wartete ab, bis auch die Witzwelle von gegenüber über ihn gerollt war, bevor er es ein zweites Mal versuchte.
"Auf zum Urlaub nach Tahiti!"
Entweder war die Crew damit einverstanden, oder alle zweiten Befehle wurden angenommen, jedenfalls machte sich die Crew tatsächlich daran, das Schiff hier weg und irgendwo anders hin zu bringen. Voller Zufriedenheit zeigte Will der anderen Crew eine lange Nase, die aber damit beschäftigt war, ihre Lecks zu stopfen.
Als das Schiff dann außer Sichtweite war, beendete Will seine Tätigkeit und drehte sich zu seiner Crew um, die sich darum stritt, in welcher Richtung Tahiti eigentlich lag. Die Vermutungen reichten über alle Himmelsrichtungen, und es wurden sogar Mutmaßungen über oben und unten laut. Allerdings wurde die angebliche Adresse Seitengasse 16 sofort abgestritten.
Auch trat Liz nun wieder an seine Seite, nachdem sie das Wettessen mit dem Koch verloren hatte, und so konnte Will seinen nächsten Befehl über das Deck brüllen. Wegen mehrerer geheimer Übungen konnte man ihn jetzt auch im Unterdeck hören. Und sogar in der Brigg. Oder auch nicht, da dort im Moment sowieso keiner residierte. Alles war möglich, und der Beweis musste später erbracht werden.
"Setzt alle Segel und ab nach Tahiti!" Dies wollte er nicht wirklich, aber er hatte noch mehr gelernt, nämlich dass dieser Befehl abgelehnt werden müsste. Zum Glück wurde er es tatsächlich, und lange beor die Crew merkte, dass ihr gerade ein Urlaub durch die Lappen gegangen war.
"Dann also Anker werfen und einen Landetrupp zusammenstellen!" brüllte Will freudig über das Deck, da sein Plan funktioniert hatte. "Lasst uns den Captain und seine Ge... uhm... seinen ersten Maat retten!"
"Aye, und im Arsch ist es finster", murmelten einige der Crew beleidigt, obwohl sie sich ja selbst in den Schlamassel reingeritten hatten.
"Ich glaube, sie wollen ein Lob oder einen Anreiz", mutmaßte da Liz mit Hilfe ihrer langjährigen Erfahrung mit einem gewissen Commodore, der dies aber auch nur war, weil er genauso beleidigt war, wenn er mal nicht befördert wurde.
Will ließ sich dies durch den Kopf gehen, verspeiste dabei ein von Liz mitgebrachtes gegrilltes Hühnerbein und hatte sich dann endlich zu einem Anreiz entschlossen. Noch nie war Liz so stolz auf ihren intelligenten Will gewesen, der sich so gut als Captain machte.
"Hört mal, Leute, ich weiß jetzt, warum wir den Captain befreien sollten." Erwartungsvoll blickte er umher, wartete eine halbe Stunde, bis er die Aufmerksamkeit aller auf sich ruhen fühlte, und ließ dann die Bombe platzen.
"Sollen wir den Schatz etwa alleine tragen?"
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Das wollte die Crew auf keinen Fall riskieren, und so machte man sich sofort daran, die Pearl in eine sichere Bucht zu navigieren und dort zu parken. Dann wurden Freiwillige für den Landetrupp gesucht, aber natürlich meldete sich keiner zum Kistenschleppen und den anderen gefährlichen Dingen, die auf der Insel passieren konnten.
So konnte Will endlich sein geliebtes Auslosen ausprobieren, und nach erneutem stundenlangen Erklärens wurde diese Methode tatsächlich benutzt, da alle anderen Ideen, Freiwillige zu finden, immer mit einem gewissen Verschleiß an Crewmitgliedern behaftet war. Als dann auch endlich beschlossen war, dass Proteste nicht anerkannt wurden, war eine Schar Freiwillige gefunden.
"Boote zu Wasser oder Schwimmen!" befahl Will und verabschiedete sich von Liz mit einer weiteren zahnärzlichen Untersuchung. Erst danach erklärte sie ihm, dass sie mitkommen würde. Proteste waren ja jetzt verboten, und damit auch seine. Auch Wimmern und Flehen stießen auf taube Ohren.
Also ließ Will seinen Unmut an der Crew aus, die durch seinen Befehl so verwirrt war, dass sie nicht wusste, ob sie zustimmen oder ablehnen sollte, und wenn, dann welchen Teil davon? Es wurden auch schon die ersten Lose gezogen, aber da verlor Will die Geduld.
"Geht schwimmen!" rief er in der Annahme, dass sie jetzt alle zu den Booten stürmen würden, aber dann saß er allein mit Liz in seinem Boot und sah den Freiwilligen hinterher, die sich körperlich ertüchtigen und zur Insel schwammen. So ließ er das Boot selbst zu Wasser und beschwerte sich, wie hart das Leben als Captain doch war.
Während er so in Richtung Ufer paddelte, zeigte Liz den Anderen den richtigen Weg zum Ufer, wobei sie mehr oder weniger schnell merkte, dass Angaben wie rechts oder links nicht viel brachten, da man so schnell im Kreis schwamm und die anderen Schwimmer verwirrte. Aber als sie dann vorschlug, zum Schiff zu schwimmen, fand man das Ufer recht schnell.
Will sah seinen Job als Captain in Gefahr und kam nun auch endlich am Ufer an. Sogleich befahl er allen, ruhig zu sein und Spuren zu suchen, aber robbte dann selbst durch das Unterholz, während man ein Schwein über dem Lagerfeuer briet, das durch den Lärm einen Herzanfall erlitten hatte, und dabei laute und schweinische Lieder sang, die aber von europäischen Schweinen handelten.
Nach seiner Rückkehr verzehrte Will den Rest des Schweines und scheuchte die Meute in den Dschungel hinein, wo sie sich nun doch endlich langsam und leise zum Lagerplatz der feindlichen Crew vorkämpfte, wo auch Jack und Ana gefangen waren. Aber auch nur, weil Will ihnen eingeredet hatte, dass die Verwandtschaft des Schweins sich grausam rächen würde, wenn sie die Crew entdeckten.
Bald hatten sie einen wunderbaren Blick auf das andere Lagerfeuer, beobachteten fasziniert, wie sich Jack und Ana trotz Fesseln befummelten, oder das Schachspiel neben dem Feuer in die entscheidene Phase trat. Zum Glück gab es auch eine Werbepause in Form eines schief gesungenen Piratenliedes, die viele für den Gang hinter die nächste Palme nutzten.
Die Lieferung der gerösteten Ameisen traf noch rechtzeitig ein, bevor die Fummelei für die Androhung von Folter unterbrochen wurde. Das Knabbern wurde von Jack Beteuerungen übertönt, nichts von einem Schatz zu wissen, oder einer Karte, die einem betrunkenen Piraten von einem jungen Kerl abgeluchst wurde, oder jemals in seinem Leben mit Ana rungefummelt zu haben.
Angesichts dieser Aussage wurde nun beschlossen, über die Foltermethode zu diskutieren. Es standen Fingerverdrehen, Haareausreißen, Levitenlesen und Ariensingen zur Auswahl, und während der Diskussion wurde in den Büschen Wetten angenommen, welche Foltermethode es nun sein sollte. Liz gewann, die als Einzige auf Haareausreßen getippt hatte.
Dies verärgerte nun wiederum Will, der seine Ameisen auf Levitenlesen gesetzt hatte, sodass er alle zurück zum Strand scheuchte, um dort nun selbst eine Diskussion zu beginnen. Das Thema war: "Wie befreie ich den Captain und seine Ge... uhm seinen ersten Maat, ohne großes Aufsehen zu erregen". Dabei waren sämtliche Vorschläge erlaubt.
Nachdem Vorschläge wie Lager ausbrennen, alle erschießen, verhungern lassen und ignorieren gefallen waren, formulierte Will das Thema in.: "Wie muss ich den Schatz nicht selber tragen" um und rief so unter seinen Leuten wahre Geistesblitze hervor. Ein abgenagtes Schwein später konnte er den Plan in Worte fassen.
"Also, wir umzingeln das Lager, schalten leise sämtliche Wachen aus, fesseln ebenso leise diejenigen, die schlafen, und überrumpeln den Rest im Morgengrauen", flüsterte er verschwörerisch. "Dann lassen wir uns von Jack zu dem Schatz führen, lassen ihn auch die Kisten schleppen, und wenn wir in Tortuga sind, spenden wir den Schatz einem wohltätigem Zweck."
Da alle müde von den langen Diskussionen waren, verzichtete man auf das übliche Widersprechen und nickte nur. Beim letzten Punkt stutzten zwar einige, aber da man das Wort wohltätig nicht kannte, ließ man es auf sich beruhen. Es bedeutete sicherlich "unter der Crew aufteilen".
"Dann auf in den Kampf zu blutig Morgen!" rief Will enthusiastisch und stürmte los, aber stoppte bald, da ihm keiner folgte.
"Befreien wir den Schatzträger?" versuchte er es noch einmal und wurde nun fast überrannt. Er konnte nur folgen und hoffen, dass man sich an den Plan erinnern würde.
