5 - Tierischer Schlaf
„Benjamin warte, die Tür …".
Doch Ottos Warnung kam zu spät – ein lautes Krachen war zu hören.
„Benjamin Blümchen, ich habe dir schon hunderttausend Mal gesagt, dass du nicht in mein Büro kommen sollst. Meine Tür ist nun mal nicht für so breite Elefanten wie dich gebaut", schimpfte Herr Tierlieb.
„Ich bin nicht breit. Für einen Elefanten habe ich eine ausgesprochen schlanke Linie", entgegnete Benjamin empört.
„Könntet ihr das nicht wieder in Ordnung bringen?", fragte Herr Tierlieb und fixierte Harry mit seinen kühlen dunklen Augen.
Harry wurde schwarz vor Augen – seine Narbe hatte seit langem nicht mehr so sehr gebrannt.
„Was ist los, Harry?", fragte Ron, der ihn am Arm gepackt hatte, aufgeregt.
„Nichts, es geht schon wieder", nuschelte Harry.
Einen Moment beobachtete Ron ihn argwöhnisch bevor er ihn losließ und seinen Zauberstab aus der Tasche kramte.
„Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich das auch schaffe", sagte er.
Seine Augen verkleinerten sich zu schlitzen, so sehr konzentrierte er sich.
„Ene mene Beil, Tür sei wieder heil".
Tatsächlich folgte auf seinen Spruch hin ein „Pling Pling", doch die Tür wurde nicht wieder in die Angeln gehoben. Stattdessen brach sie genau in der Mitte durch.
Hermine trat entschlossen nach vorne und Harry, der eben noch ausgelassen gekichert hatte, obwohl kurz zuvor seine Narbe so sehr gebrannt hatte, beobachtete sie fasziniert. Ihre Augen schienen tatsächlich „Was die kann, kann ich schon lange" zu sagen.
„Ene mene Beil, Tür sei wieder heil", rief sie entschlossen.
„Wow", rief Otto begeistert.
„Vielen Dank, Hermine", sagte Herr Tierlieb und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. Die Tür war nun wieder in dem Zustand, wie sie es vor Benjamins Malheur gewesen war.
„Wir wollten Sie fragen, wo wir unser Nachtquartier aufschlagen können", sagte Hermine und obwohl sie es zu verbergen suchte, war sie augenscheinlich stolz auf ihre erbrachte Leistung.
„Ich habe mir gedacht, dass Harry und Ron bei Benjamin im Elefantenhaus schlafen könnten und du bei Karl in der Hütte. Sie ist zwar nicht besonders groß, aber er hat ein kleines Zimmer, in dem wir sicher ein gemütliches Nachtlager für dich errichten können", antwortete Herr Tierlieb.
„Darf ich denn trotzdem heute auch bei Benjamin schlafen, Herr Tierlieb? Meine Eltern haben es schon erlaubt", sagte Otto.
„Aber natürlich", erwiderte Herr Tierlieb und wuschelte ihm durchs rote Haar.
„Mir war nie bewusst wie gemütlich Heu sein kann", sagte Ron schläfrig.
„Benjamin?", fragte Harry.
„Ja?", antwortete der Elefant.
„Ist Herr Tierlieb in Ordnung?", fragte Harry vorsichtig.
„Er ist der beste Zoodirektor, den man sich vorstellen kann. Warum fragst du?", entgegnete Benjamin argwöhnisch.
„Ich wollte nur wissen, ob es euch Tieren hier auch gut geht", antwortete Harry, froh darüber, dass es im Elefantenhaus stockdunkel war und niemand in seinen Augen erkennen konnte, dass er log.
„Ich danke Ihnen, Karl", sagte Hermine und unterdrückte ein Gähnen.
„Nichts zu danken. Es wäre ja auch eine Zumutung für dich gewesen bei den Jungs im Elefantenhaus zu schlafen", entgegnete Karl zwinkernd.
„Darf ich sie etwas fragen?", fragte Hermine zögernd.
„Klar doch. Du darfst mich übrigens gern duzen", erwiderte der Zoowärter freundlich.
„Bist du zufrieden mit deinem Chef?", fragte Hermine, inständig hoffend keinen Fehler zu begehen.
„Wer ist schon zufrieden mit seinem Chef?", antwortete Karl seufzend.
„Ich meine … nun ja … ist er ein guter Mensch?", bohrte Hermine nach.
„Weißt du, ich kann dir das wirklich nicht ehrlich beantworten ohne in Teufels Küche zu geraten".
„Trotzdem danke", entgegnete Hermine. Mehr als diese Antwort brauchte sie nicht, um zu wissen was Sache war.
„Und was halten sie von den Blocksbergs?", fragte Hermine, nachdem sie gemeinsam das Bettlaken über ihr provisorisches Bett gezogen hatten.
„Bibi stellt ziemlich viel an, aber ich denke im Grunde ist sie in Ordnung. Ihre Eltern ebenfalls", meinte Karl, dessen Stirn sich angesichts von Hermines vielen Fragen langsam in Falten zog.
Hermine nickte nachdenklich.
„Warum fragst du dies alles?"
„Ich möchte nur wissen mit wem ich es zu tun habe", erwiderte Hermine knapp.
Eine knappe Stunde späte, wurde Karl aus dem Schlaf gerissen. Zuerst dachte er, dass er sich das Klopfen nur eingebildet hatte, doch dann erklang dumpf Hermines Stimme hinter der Tür.
„Karl, bist du noch wach?"
„Ja", rief er, schaltete seine Nachttischlampe an und kroch aus dem Bett.
Er öffnete die Tür einen Spalt, schob seinen Kopf hindurch und blickte Hermine besorgt entgegen.
„Es tut mir leid, dass ich dich so spät noch störe, aber es handelt sich um eine unaufschiebbare Sache", sagte sie.
„Ist schon in Ordnung, was gibt es denn?", fragte Karl.
„Haben sie zufällig auch Eulen hier im Zoo?"
„Eulen? Nein, die letzte ist leider vor ein paar Monaten nach langer, schwerer Krankheit gestorben".
„So ein Mist"
„Wozu brauchst du denn eine Eule?", fragte Karl verwirrt.
„Wir verschicken Post mit Eulen", antwortete Hermine verzweifelt.
„Du kannst doch morgen die ganz normale Post benutzen", meinte Karl schmunzelnd. Diese Zauberer waren schon Menschen für sich, dachte er.
„Das dauert zu lange", nuschelte Hermine, die bereits wieder dabei war einen neuen Plan zu schmieden, doch ein wirklicher hilfreicher Gedanke kam ihr nicht.
„Das einzige, was ich dir anbieten könnte, wäre ein Rabe, der eigentlich ganz zuverlässig ist", meinte Karl achselzuckend.
„Einen Versuch ist es wert", sagte Hermin und spürte leicht aufkeimende Hoffnung in sich hochkommen.
Einige Stunden später auf dem Gelände von Hogwarts
„Severus, jedes Jahr ist es das gleiche Dilemma", flüsterte Minerva McGonagall eindringlich auf ihr Gegenüber ein.
„Ich kann es nun mal nicht ändern", entgegnete Severus Snape griesgrämig.
„Mir fällt langsam auch nichts mehr ein", zeterte McGonagall.
„Was machen wir denn jetzt bloß?", fragte Snape frustriert.
„Das auch ausgerechnet wir uns jedes Mal darum kümmern müssen", seufzte McGonagall.
„Wir haben nur noch zwei Tage Zeit, Minerva".
„Meinst du das weiß ich nicht?"
„Wie wäre es mit einer neuen Kugel für diesen seltsamen Muggelsport, den er betreibt?", schlug Snape nach ein paar Minuten, in denen sie stumm auf der heraufbeschworenen Bank saßen, vor.
„Das haben wir ihm bereits vor drei Jahren geschenkt", entgegnete McGonagall.
„Warum hat er auch jedes Jahr Geburtstag?", meinte Snape aufstöhnend.
„Da ist Dumbledore nicht der einzige", sagte McGonagall schmunzelnd.
„Bei ihm ist es aber …"
Snape wurde durch ein lautes Krächzen unterbrochen.
„Dem scheint es nicht besonders gut zu gehen", sagte McGonagall, als sie den taumelnden Raben entdeckt hatten.
„Er sollte sich besser von der peitschenden Weide fernhalten, sonst geht es ihm gleich noch viel schlechter", entgegnete Snape.
Kaum hatte er dies ausgesprochen, landete der Rabe laut krächzend auf einem Ast der Weide. Nur den Bruchteil einer Sekunde später, war es um ihn geschehen.
McGonagall und Snape sahen nur noch einige Federn durch die Luft schwirren.
„Armes Tier", sagte McGonagall traurig.
„Vergessen sie unser Problem nicht", sagte Snape missmutig.
