6 – Getrennte Wege

„Das Heu war wohl doch nicht ganz so gemütlich", grinste Harry, als Ron mit Schmerz verzogenem Gesicht und in ziemlich gebeugter Haltung zur versammelten Mannschaft auf die Zoowiese kam.

„Nein", gab Ron knapp zurück.

„Mein Bett war sehr gemütlich", sagte Hermine, woraufhin Ron sie böse anfunkelte und sich möglichst weit weg von ihr an den Gartentisch setzte.

„Das sieht alles furchtbar köstlich aus", meinte Hermine und betrachtete die vielen Leckereien, die Karl auf den Tisch gezaubert hatte.

„Danke noch mal fürs Helfen beim Aufstellen des Tisches", erwiderte Karl grinsend.

„Kein Problem", entgegnete Hermine strahlend.

„Warum habt ihr Zwei denn so gute Laune?", fragte Harry.

„Warum denn nicht?", fragte Karl.

„Genau, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Alles ist schön", ergänzte Hermine.

„Nun lasst uns aber endlich reinhauen", unterbrach Herr Tierlieb den Small-Talk.

Alle griffen nach etwas Essbarem - Benjamin hatte bereits vorher angefangen - nur Harry starrte weiterhin grübelnd Hermine an.

Irgendetwas stimmt da nicht, dachte er.

Sein Grübeln wurde unterbrochen, als er ein sirrendes Geräusch hörte, dass er sofort erkannte.

„Bibi", rief er begeistert und winkte dem Mädchen, das auf sie zugeflogen kam, zu.

„Hallo alle zusammen", sagte Bibi, als sie elegant zur Landung gekommen war.

„Habt ihr Lust mit mir den Bürgermeister ärgern zu gehen?", fragte sie stürmisch.

„Super gerne", antwortete Harry ohne zu zögern.

Von Ron kam ein gequältes Stöhnen.

„Ich geh heute nirgends hin", sagte er.

„Dann ruh dich mal aus", sagte Harry schmunzelnd, „Hermine?"

Erst jetzt bemerkte Harry, dass Hermines glückliches Lächeln plötzlich einer finsteren Miene gewichen war.

„Ja, ich komme mit", meinte sie.

„Aber ihr habt mir versprochen heute mit zu mir zu kommen, damit wir die Sache mit dem Zaubern klären können", sagte Otto vorwurfsvoll.

„Ron, kannst du nicht?", fragte Hermine flehend.

„Ich sterbe gleich vor Rückenschmerzen", entgegnete Ron entsetzt.

„Ach Hermine, dann tu Otto doch den Gefallen", sagte Harry. Ihm missfiel die Idee mit Bibi allein zu sein keineswegs.

„Wenn es sein muss", erwiderte Hermine sauer.

„Danke, vielen Dank. Das ist ja sehr nett", sagte Otto beleidigt.

„So hab ich es nicht gemeint, tut mir leid", entgegnete Hermine.

„Dann aber nichts wie los. Ihn beim Frühstück zu stören bringt am meisten Spaß", meinte Bibi grinsend.

Kurz darauf waren die beiden gen Himmel verschwunden.

„Dass du dich aber auch so anstellen musst", zeterte Hermine.

Ron und sie waren gemeinsam vom Frühstückstisch aufgestanden und hatten sich auf eine Bank beim Affenhaus verzogen.

„Du weißt ja gar nicht wie weh das tut", keuchte Ron, empört über das nicht vorhandene Mitleid Hermines.

„Es gefällt mir gar nicht die beiden allein zu wissen", sagte Hermine, ohne auf ihn einzugehen.

„Bist wohl eifersüchtig, wie?", kicherte Ron.

„So ein Unsinn", schrie Hermine und sprang wütend von der Bank auf.

„Hey, beruhig dich", sagte Ron erschrocken.

Hermine setzte sich wieder, doch ihr Gesicht glühte förmlich.

Ron war sich nicht sicher, ob Scham oder Wut der Grund dafür war.

„Mit dieser Bibi stimmt etwas nicht und wenn du mich fragst, ist bei diesem Tierlieb auch etwas faul", sagte Hermine, nun wieder im gezügelten Tonfall.

„Ich glaube du übertreibst ein bisschen. Klar sind die alle ein bisschen seltsam hier, aber sie sind nicht böse oder so etwas", entgegnete Ron kopfschüttelnd.

„Da bin ich aber ganz anderer Meinung", erwiderte Hermine stur.

„Und was willst du nun unternehmen?", fragte Ron genervt.

„Ich habe bereits das einzig Wahre unternommen", sagte Hermine mit fester, überzeugter Stimme.

„Was hast du getan?", fragte Ron alarmiert.

„Was schon? Dumbledore geschrieben natürlich", antwortete sie.

„Was?", rief Ron und sprang nun seinerseits von der Bank auf, landete jedoch nur eine Sekunde später auf allen Vieren.

Er hatte den Schmerz in seinem Rücken für einen Moment vergessen, doch nun hatte er ihn in die Knie gezwungen.

„Alles in Ordnung?", fragte Hermine kleinlaut und half ihm wieder auf die Bank.

„Ganz und gar nicht", erboste sich Ron.

Hermine sah Tränen in seinen Augen, tat jedoch als sehe sie dies nicht.

Nun erst war sie wirklich davon überzeugt, dass seine Schmerzen tatsächlich sehr schlimm waren.

„Ich bin ein Krüppel und du hetzt Dumbledore auf Harry".

„Ich hetze ihn nicht auf Harry", empörte sich Hermine.

„Er wird dich umbringen, wenn er das erfährt", entgegnete Ron.

„Soll er doch. Ich mache mir nur Sorgen, um ihn und um uns beide ebenfalls", sagte Hermine.

Sie war noch immer felsenfest davon überzeugt, dass sie das Richtige getan hatte und dass Dumbledore bald alles aufklären würde.

Sicher würde er nicht zögern zu ihnen zu kommen, wenn er erstmal den Brief gelesen hatte, den ihm der Rabe brachte.

„Ich habe den Raben ein bisschen verzaubert, damit er schneller ist und auch wirklich sein Ziel findet", erklärte Hermine dem leidenden Ron.

„Du kannst auch alles", staunte Ron leise.

„Warum kommt den Benjamin nicht mit? Ich hatte bisher den Eindruck, dass ihr so ziemlich alles zusammen macht", sagte Hermine.

„Er passt leider nicht in unsere Wohnung rein", entgegnete Otto.

„Wie weit ist es denn noch?", fragte Hermine nach kurzem Schweigen und versuchte angestrengt sich nicht anmerken zu lassen, wie froh sie über Benjamins Abwesenheit war.

„Nicht mehr weit, nur noch …", begann Otto, doch als plötzlich ein Kopf aus dem Gebüsch vor ihnen gestreckt wurde, stoppte er abrupt.

„Ich habe wichtige Informationen für euch", sagte der Junge, dessen Körper noch immer von dem Gebüsch verdeckt war, in dem er steckte.

„Worum geht es?", fragte Hermine in möglichst sachlichem Tonfall.

„Kommt mit hinein und ich erzähle es euch", antwortete der Junge und schob dabei mühsam eine Hand aus dem Gebüsch, um auf ein Hotel zu deuten, das auf der anderen Straßenseite stand.

Hermine war gestern aufgefallen, dass dies wohl das einzige Hotel in ganz Neustadt war.

„Das soll wohl ein Scherz sein", sagte Otto und sprach damit auch Hermines Gedanken aus.

„Wieso sollten wir dir trauen", ergänzte sie Ottos Ausspruch.

„Wartet einen kleinen Moment", sagte der Junge und sein Kopf verschwand wieder in dem dichten Gestrüpp.

Hermine und Otto sagten während seiner Abwesenheit kein Wort, sie starrten nur wie gebannt auf die Stelle, an der, der Fremde eben verschwunden war.

Nach kurzer Zeit kam er wieder zum Vorschein und diesmal traute er sich ganz aus dem Gebüsch heraus.

Hermine stellte fest, dass der Junge recht pummelig war, doch auch entging ihr nicht, dass seine Augen in einem wunderschön blau strahlten.

Ob diese Augen Lügen können, fragte sie sich kurz, schüttelte den Gedanken jedoch schnell wieder ab.

„Hier ist unsere Karte", sagte der Junge.

Hermine nahm die Visitenkarte entgegen und las laut vor:

„Die drei Detektive. Die Drei Fragezeichen. Wir übernehmen jeden Fall. 1. Detektiv Justus Jonas, 2. Detektiv Peter Shaw, Recherchen und Archiv Bob Andrews."

„Detektive?", fragte Otto neugierig, „richtige Detektive?"