7 - Boris Wiederkehr
„Zwar bis jetzt nur Hobby-Detektive, aber dies auch schon mit großem Erfolg seit vielen Jahren", antwortete der Fremde auf Ottos Frage.
„Dann bist du bestimmt Justus", sagte Hermine und beobachtete den Jungen abschätzend. Er schien nicht viel älter zu sein als sie, strahlte aber eine unglaubliche Sicherheit aus.
„Richtig", antwortete er lächelnd. „Ihr könnt mir wirklich vertrauen, bitte kommt mit mir. Alles Weitere erkläre ich euch dann natürlich gern".
Hermine schaute ihm noch einmal eingehend in die Augen bevor sie antwortete.
„Einverstanden", sagte sie dann mit entschlossener Stimme, obwohl sie sich noch immer nicht sicher war, ob sie in diesem Moment geradewegs in eine hinterlistige Falle tappte.
„Danke", sagte Justus, „dann folgt mir bitte unauffällig".
Gemeinsam gingen sie über die leere Straße hinüber auf die andere Seite und betraten eilig das Hotel. Die Rezeption war nicht besetzt und so kamen sie ungesehen in den ersten Stock, wo Justus einen Schlüssel hervorholte und eine Tür mit der Nummer 11 aufschloss.
„Super Chef, du hast sie tatsächlich gefunden", sagte einer von drei Jungen, die sich bereits in dem Hotelzimmer befanden.
Das Zimmer erinnerte Hermine vom Stil her erschreckend an das Büro der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, wie es in dem Jahr gewesen war, als Umbridge diesen Posten inne gehabt hatte. Es war voller kitschiger Porzellan-Figuren und die Tapete, die an manchen Stelle schon abzublättern begann, zeigte ein kunterbuntes Katzenmuster.
Im Zimmer befand sich ein Bett, ein kleiner Nachttisch und drei Stühle, die an einem winzigen runden Tisch standen.
„Das sind meine Kollegen Bob", Justus deutete auf einen eher schmächtigen Jungen, der ihnen freundlich entgegen lächelte, „und Peter".
Peter, der ziemlich gut gebaut war und dem man selbst mit Pullover ansah, dass so einige ausgeprägte Muskeln bei ihm zu finden sein würden, grinste Hermine fröhlich an.
„Und das ist Boris – Boris Blocksberg", ergänzte Bob und deutete auf den dritten Jungen am Tisch, der etwas jünger wirkte, als die beiden.
Hermine überlegte einen Moment, um sich den gehörten Satz bewusst zu machen, dann sagte sie Stirn runzelnd: „Blocksberg?"
„Genau", sagte der blonde Junge.
„Verwandt mit Bibi …"
„Bibi Blocksberg, genau", ergänzte Boris Hermines Satz. „Ich bin ihr kleiner Bruder".
Hermine überlegte angestrengt, ob die Blocksbergs auf irgendeine Weise hatten durchblicken lassen, dass es noch mehr Familienmitglieder gab, aber sie war sich sehr sicher, dass sie den Anschein erwecken wollten, dass nur sie drei da waren.
„Ich verstehe nicht", meinte Hermine nach kurzer Zeit verzweifelt.
„Setzt euch. Wir werden alles erklären", erwiderte Justus und deutete auf das Bett.
Otto und Hermine nahmen auf dem Bett platz, Justus lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand gegenüber und schien zu überlegen, wo er am besten anfangen sollte.
„Wir Drei kommen aus Rocky Beach in der Nähe von Los Angeles", begann Justus und überlegte dann einen weiteren Augenblick bevor er weiter sprach.
„Vor etwa einem Monat begegnete uns dann Boris", führte er weiter aus. „Es hat uns einige Überredungskunst gekostet, bis er uns endlich seine Geschichte erzählte, die uns dann schlussendlich wirklich umgehauen hat."
„Das kannst du laut sagen", ergänzte Peter lachend.
Hermine erwischte sich dabei, dass sie ungeduldig an ihren Fingernägeln kaute. Sie erwartete einige unerfreuliche Neuigkeiten, konnte es jedoch trotzdem nicht abwarten sie zu erfahren.
„Am besten erzählst du erstmal selbst", sagte Justus auffordernd zu Boris, der daraufhin laut hörbar schluckte und einen Moment in sich zu gehen schien.
„Bibi ist zwei Jahre älter als ich", begann er dann leise.
Hermine lächelnte ihn so freundlich es ihr möglich war, bei ihrer innerlichen Anspannung, an. Es war nicht zu übersehen, dass es ihm Qualen bereitete alles zu erzählen.
„Bei Bibi waren schon im Säuglingsalter Anzeichen von Zauberkräften zu finden, was bei mir nicht der Fall war. So gingen meine Eltern davon aus, dass ich genau wie mein Vater ohne jegliche magische Fähigkeiten geboren wurde. Dementsprechend haben mich dann auch alle behandelt", erzählte er weiter.
Hermine konnte sich nur schwer zurückhalten ihm nicht schützend ein Arm über die Schultern zu legen. Seine Augen glänzten verdächtig.
„Am Anfang hat mein Vater noch versucht mich zu unterstützen und mir zu zeigen, dass er mich mochte, aber meine Mutter hatte einfach zu viel Macht über ihn. Am Ende behandelte er mich als wäre ich Luft. Ich habe mir oft gewünscht, dass auch meine Mutter und Bibi es so gehandhabt hätten. Stattdessen genossen sie es aber mich auf alle erdenklichen Arten fertig zu machen."
Mittlerweile rannen Tränen aus seinen Augen, die er sich nun grob aus dem Gesicht wischte. Hermine hatte sich nie zuvor so sehr gewünscht, dass Harry an ihrer Seite wäre. Er hätte die richtigen Worte gefunden den Jungen aufzuheitern. Er wusste was dieser arme Kerl durchgemacht hatte, denn er hatte ähnliches erlebt.
„Als ich älter wurde, bemerkte ich irgendwann, dass sich alle geirrt hatten. Ich hatte Zauberkraft in mir", setzte Boris fort und bei diesem Satz war ein spöttischer Triumph in seiner Stimme zu hören.
„Und dann mochten sie dich plötzlich?", fragte Otto, dem die Spannung ins Gesicht geschrieben stand.
„Nein", antwortete Boris und ein abfälliges Grinsen, dass Hermine ganz und gar nicht gefiel, machte sich in seinem Gesicht breit.
„Sie haben es bemerkt, als ich die Kontrolle verloren habe. Ich schaffte es etwa ein Jahr, es vor ihnen zu verbergen, doch eines Abends platzte mir endgültig der Kragen. Meine Mutter erläuterte meiner Schwester gerade, wie gut die Welt sein würde, sobald Voldemort an die Macht kommen würde, als …"
„Was?", schrie Hermine.
„Es tut mir leid, ich hätte nicht so mit der Tür ins Haus fallen sollen", sagte Boris.
„Genau in diesem Moment ist Harry allein mit deiner Schwester unterwegs", erläuterte Hermine entsetzt.
„So ein Mist", rief Peter und sprang von seinem Stuhl auf, als wolle er keine Sekunde zögern, um Harry außer Gefahr zu bringen. Trotz ihrer Panik, entging Hermine dies nicht. Die Einsatzfreude dieser Jungs beeindruckte sie.
„Warum habt ihr das denn nicht gleich gesagt?", fragte Justus verärgert.
„Ich konnte doch nicht wissen, dass Bibi gefährlich ist. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich es bereits vermutet hatte", erläuterte Hermine.
„Wir müssen sie suchen", sagte Boris entschlossen.
„WIR werde ihn suchen. Du wartest hier", entgegnete Justus.
„Warum? Ich kann euch helfen", erwiderte Boris zornig.
„Noch weiß deine Familie nicht, dass du wieder da bist und das soll auch so bleiben. So lange sie nicht wissen, dass jemand über ihre Machenschaften bescheid weiß, fühlen sie sich sicher und das können wir zu unserem Vorteil nutzen", sagte Justus.
„Gegen die Argumente von Just kommt niemand an", sagte Peter grinsend und klopfte Boris aufmunternd auf die Schulter.
„Bob, du bleibt am besten hier bei Boris", sagte Justus, „sicher ist sicher".
„Einverstanden", erwiderte Bob.
„Boris kann euch dann später seine Geschichte weiter erzählen", meinte Justus und ging voraus aus dem Hotelzimmer.
Hermine erwischte sich dabei, dass sie den 1. Detektiv träumerisch hinterher lächelte. Seine Argumentation, sein sicheres Auftreten und sein gutes Organisationstalent hatten eine tief beeindruckende Wirkung auf sie.
