8 – Kurze Suche

„Und nun?", fragte Hermine hibbelig.

Sie hatten Otto weggeschickt, jedoch nicht ohne ihm einzubläuen, kein Wort mit jemandem über die Geschehnisse zu sprechen. Hermine hatte ihn extra deutlich darauf hingewiesen, dass dies auch seinen Freund Benjamin mit einschloss.

„Na, auf zum Rathaus", antwortete Justus und ging zügig voraus.

Peter zuckte die Achseln, zwinkerte Hermine zu und folgte seinem Freund, was Hermine ihm kurz darauf gleichtat.

Die erste Hürde kam überraschend spät, denn erst kurz vor dem persönlichen Büro des Bürgermeisters, wurden die Drei aufgehalten.

„Es tut mir leid, aber das Bürgermeisterchen wünscht keine unangemeldeten Besucher", sagte ein kleiner, überaus nervös wirkender Mann, dessen Piepsstimme Hermine für einen Augenblick an einen Hauselfen denken ließ.

„Herr …"

„Sekretär Pichler", half der kleine Mann Justus weiter.

„Herr Pichler, es ist wirklich von dringender Bedeutung, dass wir mit ihm sprechen können".

„Wie schon gesagt, es tut mir leid", erwiderte Pichler und zupfte aufgeregt an seinen Augenbrauen.

„Das Wohl vieler Menschen hängt davon ab, ob sie uns jetzt zu ihrem Bürgermeister lassen oder nicht", erklärte Justus eindringlich.

Der Sekretär schüttelte den Kopf, sagte jedoch kein weiteres Wort. Es schien als wäre er innerlich hin und her gerissen.

„Mein Gott", platzte es laut aus Hermine heraus, „Jetzt stellen sie sich mal nicht so an. Was kann ein Bürgermeister von so einem kleinen Kuhkaff denn schon groß zu tun haben, dass er nicht einmal eine Minute Zeit für wirklich wichtige Dinge hat?".

Pichler starrte sie entsetzt an und fing am ganzen Leib an zu zittern.

„Pichler, was ist denn hier schon wieder los?", erboste sich ein Mann hinter der Tür des Bürgermeister-Büros. Kurz darauf wurde eben diese Tür stürmisch aufgerissen und ein dicklicher, blasser Mann kam zum Vorschein.

„Es tut mir leid Bürgermeister-Chef, aber …", begann Pichler.

„Aber wir müssen unbedingt wissen, ob sie heute Kontakt zu Bibi Blocksberg hatten", beendete Justus ruhig den Satz.

„Bibi Blocksbergi?", fragte der Bürgermeister, dessen Stimme plötzlich ein paar Oktaven höher klang.

„Genau", antwortete Peter.

Der Bürgermeister, der eben noch schrecklich blass gewirkt hatte, bekam nun eine tiefrote Gesichtsfarbe, die sich mit dem grün seiner Krawatte biss.

„Darf ich fragen, was euch kleine Bengel das angeht?", fragte er scharf.

„War sie heute morgen bei ihnen?", fragte Justus, noch immer eisern ruhig und keine Spur von Ungeduld durchblicken lassend.

„Ja, sie war hier", antwortete der Bürgermeister.

„Zusammen mit einem Jungen?", fragte Hermine.

„Jawohl", antwortete der Bürgermeister.

„Und sie wissen nicht zufällig, wohin die beiden danach wollten?", fragte Justus.

„Ist das hier ein Kreuzverhör?", entgegnete der Bürgermeister wütend.

„Beantworten sie bitten einfach unsere Fragen", entgegnete Justus und nun schien er nicht mehr ganz so ruhig.

„Ich habe keine Ahnung, wen diese freche, kleine Hexe und ihr neuer Spielgefährte sonst noch belästigen wollten".

„Wenn ich vielleicht etwas sagen dürfte", kam es leise von Pichler.

„Was haben sie zu sagen, Pichler?", fragte der Bürgermeister grob.

„Ich … ich glaube sie wollten in den Stadtpark", antwortete Pichler, fast noch leiser als zuvor.

„Vielen Dank", sagte Justus und nickte Richtung Tür.

„Da sind sie", hauchte Hermine aufgeregt.

„Sieht nicht gerade aus, als wäre er in Gefahr", meinte Peter grinsend.

„Findest du das vielleicht komisch?", fragte Hermine ihn wütend.

„N…nein", stotterte Peter entsetzt.

„Das ist tatsächlich überhaupt nicht von Vorteil", sagte Justus mit ernster Miene.

„Es wird sicher schwer ihn davon zu überzeugen, dass Bibi nicht die ist, die sie vorzugeben versucht", entgegnete Hermine zustimmend.

„Dazu kommt noch, dass es ein weiterer schwerer Schlag für ihn wird. Er hat wahrlich schon zu viel zu erleiden gehabt in seinem Leben", ergänzte Justus frustriert.

„Wollen wir sie stören?", fragte Peter, dem das Grinsen vergangen war.

„Natürlich", antwortete Hermine entschlossen.

Angeführt von Justus gingen sie auf das ineinander verschlungene Paar zu, dass auf der Stadtpark-Wiese auf einer quietschgelben Decke lag.

„chrm chrm"

Harry wich hastig von Bibi zurück und starrte erschrocken auf.

„Mein Gott Hermine, musste das jetzt sein? Ich dachte schon die alte Sabberhexe wäre hier".

„Keine Sorge, von Umbridge ist weit und breit keine Spur", antwortete Hermine schnippisch.

Hermine registrierte einen wilden Ausdruck in Bibis Augen – sie ließ sich nicht von dem freundlichen Lächeln täuschen.

„Wer ist das denn?", fragte Harry mit einem Nicken auf Peter und Justus.

„Mein Name ist Justus Jonas und das ist mein … Freund Peter Shaw", sagte Justus und streckte Harry die Hand entgegen, der diese zögernd ergriff.

Einen Moment hatte Hermine befürchtet Justus würde „Kollege" sagen, doch sie stellte zum wiederholten Male seit ihrer kurzen Bekanntschaft fest, dass auf Justus voll und ganz Verlass war.

„Ich habe die beiden zufällig kennen gelernt und den Nachmittag mit ihnen verbracht", erklärte Hermine.

Harrys Miene hatte sich auf eine Weise verändert, die Hermine nicht zu deuten vermochte. War da Eifersucht in seinem Blick?

„Ich würde gern etwas mit dir unter vier Augen besprechen", sagte sie mit bedeutungsschwerer Stimme zu Harry.

„Klar, lass und doch kurz dort drüben auf die Bank setzen", antwortete Harry und erhob sich.

„Es könnte länger dauern", sagte Hermine, „vielleicht solltet ihr Zwei euch schon mal voneinander verabschieden".

„Das ist nicht besonders höflich", meinte Bibi beleidigt.

„Es tut mir leid, aber wir haben wichtige schulische Angelegenheiten zu regeln", entgegnete Hermine.

Harry verdrehte in Richtung Bibi die Augen, beugte sich dann zu ihr hinunter, gab ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen und half ihr auf die Beine.

„Wir sehen uns morgen wieder, versprochen", sagte er.

„Einverstanden", gab Bibi zurück. Es folgte ein fast fünfminütiger Kuss und dann erhob sie sich mit ihrem Besen in die Lüfte.

„Ich bin froh, dass es dir gut geht", sagte Hermine, die immens erleichtert war, dass sie endlich wieder unter sich waren.

„Warum sollte es mir denn nicht gut gehen?", fragte Harry überrascht.

„Das wirst du früher erfahren, als dir wahrscheinlich lieb ist", antwortete Hermine seufzend.

„Gehen wir", sagte Justus.

„Wir?", fragte Harry.

„Ja, wir", antwortete Hermine und trabte los.