10 – Kein Vorankommen

Harry lag seit über einer Stunde grübelnd in seinem Heubett im Elefantenhaus und lauschte dem Schnarchen seines besten Freundes, dass erstaunlicherweise lauter, als das Schnarchen des Elefanten war.

Es war wieder Dumbledore gewesen, der ihn in diese missliche Lage gebracht hatte. Einen Fehler – einen großen Fehler – hatte er im zugestehen können, doch ein zweites Mal würde er ihm nicht verzeihen können. Er war nicht mehr der weise, alles wissende Mann für Harry und er würde es nie wieder sein.

Er hatte ihn direkt in die Höhle des Löwen – oder genauer gesagt ins Haus des Elefanten – geschickt.

Oder war Herr Tierlieb vielleicht doch in Ordnung? Konnte Dumbledore sich tatsächlich so sehr in einem Menschen täuschen?

Er wirkte so durch und durch wie ein Muggel, dieser Tierlieb. Und konnte ein Muggel auf der Seite Voldemorts sein?

Was jedoch noch schlimmer war: Wie konnte so ein liebes, hübsches und freundliches Mädchen wie Bibi so böse sein? Sagte dieser Boris tatsächlich die Wahrheit?

Harrys Schädel brummte vom vielen Denken, doch er konnte nicht aufhören sich immer und immer wieder dieselben Fragen zu stellen.

„Krass", war Rons knappe Antwort auf die Schilderung des Vortages von Hermine.

„Schön, dass du immer wieder so aufbauende Worte für einen Freund findest", meinte Harry.

„Freut mich, wenn ich helfen konnte", antwortete Ron zwinkernd.

„Findest du es nicht auch sehr komisch, dass dein Rücken plötzlich wieder völlig okay ist?", fragte Hermine Stirn runzelnd.

„Hey, wann glaubst du mir denn endlich? Ich hatte gestern wirklich saumäßige Schmerzen", plusterte sich Ron auf.

„Erst denken, dann reden, Ron", entgegnete Hermine Kopfschüttelnd.

„Du meinst Bibi hatte etwas damit zu tun?", fragte Harry ungläubig.

„Wer weiß?", antwortete Hermine Achselzuckend.

„Ruhe, da kommt Herr Tierlieb", zischte Ron.

„Guten Morgen, meine jungen Freunde", sagte der Zoodirektor, als er vor sie trat.

„Morgen", nuschelten Harry, Ron und Hermine im Chor.

„Wohl gestern etwas zu lange unterwegs gewesen, wie?", fragte Herr Tierlieb schmunzelnd.

„Geht so", antwortete Harry.

„Und, was habt ihr heute schönes vor?"

„Noch ein bisschen die Gegend erkunden; ich habe ja noch gar nichts gesehen", antwortete Ron, wie aus der Pistole geschossen.

„Schön, schön. Dann wünsche ich euch viel Spaß", sagte Herr Tierlieb und schon verschwand er wieder in Richtung seines Büros.

„Auf zum Hotel", sagte Hermine, als er wieder außer Hörweite war.

„Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Harry sich heute zumindest kurz bei Bibi blicken lässt", sagte Justus, nachdem sich alle begrüßt hatten.

„Schon erledigt", antwortete Hermine stolz.

„War natürlich ihre Idee", gab Ron zu verstehen.

„Wir haben ihr gesagt, dass wir heute etwas für die Schule tun müssen und dass ich mich morgen wieder bei ihr melde", erklärte Harry, dem noch immer übel war.

Er hatte Bibi zur Begrüßung küssen müssen – alles andere wäre zu auffällig gewesen. Seitdem war ihm noch elender zu Mute als zuvor schon, denn, auch wenn sich alles in ihm gegen diese Einsicht sträubte, sie konnte fantastisch küssen. Und trotzdem hatte er die ganze Zeit die Schilderungen von Boris im Kopf gehabt und hatte sich vor ihr geekelt.

„Wie gehen wir jetzt weiter vor?", fragte Bob, als alle einen Sitzplatz gefunden hatten.

„Am besten ist es, wir warten erstmal ab bis Antwort von eurem Schulleiter kommt, oder?", fragte Justus.

„Das halte ich auch für sinnvoll", erwiderte Hermine und versuchte Harrys abfälligen Blick zu ignorieren.

Der weitere Tag verging wie im Fluge. Justus, Peter und Bob erzählten von unzähligen aufregenden Fällen, die sie gelöst hatten; Harry, Ron und Hermine erzählten Geschichten aus Hogwarts und Boris ließ sie an seinen Erinnerungen aus seiner Zeit in Gefangenschaft teilhaben, was alle ziemlich mitnahm.

Zur Aufmunterung besorgten Peter und Bob zwischendurch ein paar Snacks.

Irgendwann rief Ron plötzlich: „Hey Leute, wisst ihr eigentlich wie spät es ist?"

„Oh man, schon fast zwölf Uhr", erwiderte Peter.

„Und wir haben den ganzen Tag mit Schwafeln verbracht", entgegnete Justus.

„Wir sind kein Stück weiter gekommen", meinte Boris gähnend.

„Ich frage mich, warum Dumbledore sich noch nicht gemeldet hat", sagte Hermine besorgt.

„Was der wohl wieder treibt?", meinte Ron.

Zur selben Zeit in der großen Halle von Hogwarts:

„Fünf … vier … drei … zwei … EINS …."

„HAPPY BIRTHDAY TO YOU … HAPPY BIRTHDAY TO YOU : HAPPY BIRTHDAY DEAR ALBUS HAPPY BIRTHDAY TO YOU"

Albus Dumbledore lief langsam aber sicher rot an und betrachtete gerührt den vollen Saal, der noch immer begeistert dabei war ihm sein Ständchen zu bringen.

Als die Menge mit ihrem Lied geendet hatte und zahlreiche „Er lebe hoch" Rufe zu hören gewesen waren, ergriff der Schulleiter das Wort.

„Vielen vielen Dank Ihnen allen", sagte er und nur einigen im Raum war es vergönnt zu sehen, wie er sich unauffällig eine kleine Träne der Rührung aus dem Augenwinkel wischte.

Minerva McGonagall und Severus Snape erhoben sich fast gleichzeitig von einem der reich gedeckten Tische und traten nach vorne zu ihrem Chef.

„Ich hoffe es gefällt ihnen", sagte Minerva leise, drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und reichte ihm ein, in kunterbuntem Papier eingewickeltes, Geschenk.

„Meinen allerherzlichsten Glückwunsch", sagte Severus Snape, als die Professorin zurückgetreten war, reichte Dumbledore die Hand und setzte ein, für ihn enorm freundliches, Lächeln auf.

„Vielen Dank", antwortete Dumbledore strahlend, nahm nun Snape ein zweites Geschenk ab und legte es vor sich auf den Tisch.

„AUSPACKEN AUSPACKEN AUSPACKEN", kam es tosend von der Menge im Saal.

Dumbledore ergriff grinsend das Geschenk, welches ihm Snape gereicht hatte und riss vorsichtig das Papier auf.

Zum Vorschein kam eine extra-große Tüte saurer Zitronendrops.

„Vorzüglich", rief Dumbledore strahlend, zwinkerte Minerva schelmisch zu und machte sich dann daran das zweite Geschenk auszupacken.

Kurze Zeit später hielt er ein Paar dicke Wollsocken in der Hand.

„Unser Schulwappen auf meinen Socken", rief Dumbledore begeistert, „ich könnte mir kein besseres Geschenk vorstellen. Nochmals vielen Dank an Sie alle und nun lasst uns nicht länger auf Speis und Trank warten".

Die Menge in der großen Halle applaudierte, als Dumbledore sein Glas erhob.

„Sicher ist er gerade dabei einen Plan zu schmieden", antwortete Hermine mit fester Stimme auf Rons Frage.

„Wahrscheinlich hast du recht", entgegnete Harry.