Kapitel 1 – Sibyll
„Bald haben wir unser Ziel erreicht, Nagini".
Die Schlange antwortete ihrem Herren mit einem Zischen, das sich beinahe wie ein Lachen anhörte.
„Ja, sie werden es bereuen sich gegen mich gestellt zu haben", sagte die dunkle Gestalt und streichelte der Schlange über den Kopf. Die Geste hätte zärtlich wirken können, hätte man nicht das Gesicht der Gestalt dabei beobachtet.
Sein Antlitz würde den kühnsten Männern das Fürchten lehren und dessen war sich Lord Voldemort nur zu bewusst.
„Wurmschwanz", rief er mit krächzender Stimme.
Ein kleiner Mann in einem äußerst schäbigen Umhang kam in den Raum geeilt.
„Ja, Herr, ja", winselte er.
„Haben wir schon Nachricht von Bellatrix, Wurmschwanz?", fragte Voldemort den verängstigten Mann.
„Nein, Herr", stotterte Wurmschwanz, dessen wirklichen Namen, Peter, seit längerem niemand mehr in den Mund genommen hatte.
„Wenn sie es diesmal versaut, hat sie ein großes Problem", kündigte Voldemort mit einem Grinsen, das sein Gesicht wie eine Fratze wirken ließ, an.
Wurmschwanz wagte es nicht etwas zu erwidern und war aus diesem Grunde sehr erleichtert, als im Nebenraum ein Knall ertönte, der die Ankunft von jemandem ankündigte.
Ein kurzes Nicken in Richtung Tür von Voldemort reichte, um Wurmschwanz klar zu machen, dass er nebenan nach dem Rechten schauen sollte.
Doch kaum hatte sein Diener den Raum verlassen, hörte Voldemort auch schon eine Frauenstimme, die er gut kannte.
„Aus dem Weg du Gnom".
„Willkommen zurück", begrüßte Voldemort seine Todesserin in einem freundlichen Tonfall.
„Mein Lord", erwiderte Bellatrix Lestrange und deutete eine kurze Verbeugung an.
„Wo ist sie?", fragte Voldemort, dessen Stimme noch immer freundlich, gleichzeitig jedoch drohend, klang.
„Sie werden erfreut sein zu hören, dass es mir gelungen ist sie mitzubringen", antwortete Bellatrix und konnte dabei ihren Stolz nicht verbergen.
„Führe sie zu mir", befahl Voldemort ruhig.
Endlich war es so weit. Nun würde er zu guter Letzt doch noch erfahren, was es mit dieser Prophezeiung auf sich hatte.
Nach außen hin zeigte er sich völlig ruhig, doch in seinem Inneren war ein Sturm entbrannt, in dem Augenblick, als Bellatrix ihm mitteilte, dass sie die Verkünderin der Prophezeiung mit in sein Quartier gebracht hatte.
„Sie ist nicht bei Bewusstsein", entgegnete Bellatrix kleinlaut.
„Bring sie zu mir", befahl Voldemort zum zweiten Mal, nun jedoch nicht mehr mit der Ruhe wie zuvor.
„Wie Sie wünschen, mein Lord", erwiderte Bellatrix und verschwand erneut im Nebenraum.
Kurz darauf schwebte eine ohnmächtige Frau in den Raum, gefolgt von Bellatrix, die ihren Zauberstab auf sie gerichtet hielt.
„Lass sie runter und wecke sie auf", sagte Voldemort barsch.
Bellatrix ließ die Frau unsanft auf den Boden landen und sagte laut „Enervate", woraufhin die Frau sich plötzlich wieder regte.
„Wo bin ich?", fragte sie hysterisch.
„Da wo Sie hingehören Sibyll", antwortete Voldemort. „Bei mir".
Sibyll Trelawney, die Voldemort erst jetzt bemerkte, zuckte ängstlich zusammen und kroch ein Stück weiter von ihm weg.
„Was wollen Sie von mir?", fragte Trelawney, deren Stimme ihre ehemaligen Schüler nicht wieder erkannt hätten.
„Ganz einfach", entgegnete Voldemort, „Sag mir, was die Prophezeiung, die du vor vielen Jahren gemacht hast, für einen Inhalt hatte."
„Welche Prophezeiung?", fragte Trelawney aufgeregt.
„Ich denke du weißt genau, wovon ich spreche", erwiderte Voldemort und fixierte sie mit seinen Furcht einflössend roten Augen.
„Ich kann doch in Wahrheit gar nichts voraussagen", sagte Trelawney und schüttelte sich vor Angst. „Ich habe doch immer nur übertrieben".
„Ich weiß, dass du zumindest eine wahre Voraussagung in deinem Leben gemacht hast", entgegnete Voldemort, der zunehmend ungeduldiger wurde und dies auch nicht zu verbergen suchte.
„Nein", rief Trelawney, die unversehens zu schluchzen anfing.
„Wage es nicht mir zu widersprechen", sagte Voldemort laut und erhob sich aus seinem Sessel.
„Ich …. Ich kann nicht. Es ist die Wahrheit", schluchzte Trelawney.
„Bist du dir sicher?", fragte Voldemort bedrohlich.
„Es … es tut mir leid", antwortete Trelawney.
„Ich fürchte ich muss dir glauben", entgegnete Voldemort, der angefangen hatte im Raum auf und ab zugehen, dabei jedoch die Frau am Boden nicht aus den Augen ließ.
„Das wird mich nicht abhalten", sagte er schließlich nach ein paar Minuten in denen er stumm im Raum auf und ab schritt.
„Was … was haben Sie vor?", fragte Trelawney noch immer unter Tränen.
„Bleib ganz ruhig", antwortete Voldemort, der mittlerweile vor ihr stand und sie unermüdlich anstarrte.
„Was tut er da?", flüsterte Wurmschwanz, der inzwischen ebenfalls wieder den Raum betreten hatte.
„Er versucht es mit Legilimentik, du Nichtsnutz und jetzt sei ruhig", zischte sie ihm leise zu und beobachtete weiter fasziniert ihren Meister.
„Schafft Sie raus", brüllte Voldemort.
Wurmschwanz, der sich zuvor in der Ecke zusammen gekauert hatte, trat vorsichtig vor, doch Bellatrix schubste ihn grob zur Seite und benutze erneut den Schwebezauber, um Trelawney aus dem Zimmer zu befördern.
„Was nun?", fragte Bellatrix als sie zurückkehrte. Sie musste sich sehr zusammen reißen um sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr Voldemorts Handlungen immens gegen den Strich gingen.
Es hat viel Arbeit und Mühe gekostet die verrückte Kuh gefangen zu nehmen und was tat er? Bringt sie um nachdem er nur ein paar Minuten versucht hatte die Informationen aus ihr heraus zu bekommen.
„Es ist kein großer Rückschlag", entgegnete Voldemort. „Was auch immer diese Prophezeiung preisgegeben hat, sie hat etwas mit diesem Harry Potter zu tun. Ich werde ihn vernichten".
„Wie, mein Meister?", fragte Wurmschwanz, dessen Neugier nicht das erste Mal in seinem Leben seine Angst besiegte.
„Alles zu seiner Zeit", erwiderte Voldemort. „Und nun geht".
Bellatrix und Wurmschwanz eilten aus dem Raum und schlossen die Tür hinter sich.
„Lord Voldemort ist unentschlossen, Nagini", sagte Voldemort als seine Gefolgsleute ihn allein gelassen hatten.
„Ist es von Nöten weiterhin der Prophezeiung auf den Grund zu gehen oder sollte ich mich endlich daran machen meine eigentlichen Ziele zu verfolgen?"
Die Schlange blieb ruhig, denn sie wusste genau, dass ihr Herr keine Antwort von ihr erwartete. Voldemort brauchte niemandem, der ihm seine Fragen beantwortete.
Doch einer wusste dies ganz offenbar nicht.
„Keines von beiden", sagte eine tiefe Stimme.
Voldemort drehte sich erschrocken in die Richtung aus der die Stimme gekommen war, doch niemand war zu sehen.
