Kapitel 6 – Einsichten
Der letzte Geist war verschwunden und Voldemort war wieder in seinem Quartier.
Allein mit seinen Gedanken und Überlegungen.
Es war zu spät alles ungeschehen zu machen.
Er war zu weit gegangen, um nun einfach Schluss mit allem zu machen.
Dies alles hatte er doch nicht ohne Grund getan, oder?
Es hatte ein Sinn hinter allem gesteckt, ein Grundgedanke, etwas dass ihn dazu getrieben hatte.
Aber er vermochte nun plötzlich nicht mehr zu sagen, was es gewesen war, dass ihn vor vielen Jahren diese Pläne hatte schmieden lassen.
Es war Hass gewesen, sinnloser Hass.
„So ist es", gestand er sich laut ein.
Nur was sollte er tun, um alles ungeschehen zu machen?
Es war nicht möglich; es war einfach undenkbar.
Doch es gab Möglichkeiten Dinge zumindest im Ansatz wieder gutzumachen, ja die gab es.
„Wurmschwanz", rief er und erst als er es tatsächlich gerufen hatte, wurde ihm klar, dass er gerade genauso weiter machte, wie zuvor.
Er behandelte einen Menschen wie einen Untertanen, wie eine unwichtige Kreatur, die jede seiner Anweisungen ohne ein Murren ausführen musste.
„Damit ist Schluss", sagte er.
„Ja, Herr", hörte er Wurmschwanz leise hinter der Tür sagen.
Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass er die Tür mit einem unbrechbarem Zauber verriegelt hatte.
Er zog seinen Zauberstab hervor, murmelte etwas und öffnete die Tür, woraufhin Wurmschwanz ängstlich zurückwich.
„Würdest du mir einen Gefallen tun?", fragte er den verängstigten Mann.
„Ja, Herr", antwortete dieser unter heftigem Nicken.
Voldemort wurde klar, dass egal was er auch sagen würde, es seinen Gefolgsleuten Angst und Bange machen würde. So hatte er es einst gewollt und erreicht und nun wo er wirklich freundlich um einen Gefallen bitten wollte, war dies nicht mehr möglich.
Doch dagegen konnte er vorerst nichts tun.
Was er vorhatte, duldete keinen Aufschub und die vielen Jahre in denen seine Leute ihn gleichzeitig verehrt, aber eben auch gefürchtet hatten, würden nicht einfach zu vergessen für sie sein. Dies konnte er nicht an einem Abend wieder aus der Welt schaffen.
„Ich habe einen Auftrag für meine beiden treusten Anhänger", sagte Voldemort, was in seinen Ohren furchtbar klang. Aber er wusste, dass es Wurmschwanz Freude bereiten würde.
„Für wen, Herr? Soll ich sie holen?", fragte Wurmschwanz aufgeregt.
„Du brauchst nur Bellatrix bescheid zu geben, denn du bist ja schon hier", entgegnete Voldemort.
Im ersten Moment schien Wurmschwanz nicht verstanden zu haben, worauf sein Herr hinaus wollte. Einen Augenblick später dämmerte es ihm dann, doch er schien seinem eigenen Verstand nicht zu trauen.
„Sie meinen ich und Bellatrix werden einen Auftrag erhalten, mein Lord?", fragte er.
„Richtig", erwiderte Voldemort zwinkernd.
Er wollte nett klingen und freundlich wirken, doch sein Aussehen ließ das nicht zu. Sein Zwinkern verunsicherte Wurmschwanz nur noch mehr, aber er tat wie ihm befohlen und verschwand um Bellatrix zu suchen.
„Ist alles in Ordnung, Herr?", fragte Bellatrix beunruhigt als sie mit Wurmschwanz zurückkam. „Sie sehen so verändert aus", fügte sie hinzu, als sie ihn einen Moment betrachtet hatte.
„Vollkommen", antwortete Voldemort.
„Okay", sagte Bellatrix fragend.
„Ich möchte, dass ihr mir jetzt ganz genau zuhört und mich nicht mit irgendwelchen Fragen unterbrecht. Alles was ich sage, meine ich völlig ernst und ich möchte, dass ihr es auch so hinnehmt, einverstanden?", sagte Voldemort.
Wurmschwanz und Bellatrix nickten nur und warfen sich verwirrte Blicke zu.
Ihr Herr brauchte ihnen dies nicht zu sagen. Nie hatte es jemand gewagt ihn zu unterbrechen und erst recht nicht ihm zu widersprechen, wenn er seine Anweisungen verkündete.
„Wir drei werden gleich gemeinsam zum Ministerium apperieren und in die Mysteriumsabteilung eindringen. Ganz wichtig ist dabei jedoch, dass ihr niemanden, der uns aufzuhalten versucht ernsthaft verletzt oder gar tötet", erklärte Voldemort. „Habt ihr das verstanden?", fragte er, als er sah, dass die beiden sich noch mehr fragende Blicke zuwarfen.
Wieder nickten sie eifrig, obwohl es sie stark irritierte, dass sie so gnädig gegen ihre Gegner vorgehen sollten. Derartiges hatten sie noch nie aus dem Mund Voldemorts gehört.
„Dann lasst uns aufbrechen", sagte Voldemort mit entschlossener Miene.
Der erste Schritt war getan.
Es würde nicht einfach werden noch mehr solcher Dinge zu vollbringen, doch er würde sich bemühen und seine gesamte Kraft dafür einsetzen.
Wurmschwanz und Bellatrix hatten vor ein paar Stunden wohl gedacht, dass ihr Herr verrückt geworden war, doch das kümmerte ihn nicht.
Ihre Zuneigung wollte er nicht. Er wollte keine Zuneigung, die auf falsche Tatsachen beruhte.
Er war sich jedoch auch im Klaren darüber, dass er niemals wahre Zuneigung erfahren würde. Dafür hatte er zu viel Schreckliches getan, für dass es keine Wiedergutmachung gab.
Doch er konnte versuchen den Hass, den so viele Menschen gegen ihn hegten zu verkleinern. Selbst bei diesem Vorhaben war er sich nicht sicher, ob es gelingen würde, aber darum ging es ihm auch nicht.
Er wollte nur einen winzigen Teil seiner Schuld abladen und war es auch noch so ein geringer Teil.
Er rührte weiter in dem großen Kessel, der vor ihm auf der Feuerstelle brodelte und überlegte, was er als nächstes tun könnte.
„Eins nach dem anderen, Nagini, nicht wahr?", fragte er seine Schlange, die vor dem Kessel lag und die Wärme des Feuers genoss.
Mit einem leisen Zischen gab sie ihrem Herrn zu verstehen, dass sie seiner Meinung war.
„Der kleine Longbottom wird außer sich sein vor Freude", erklärte Voldemort der Schlange.
Noch wusste er nicht, ob der Trank aus den Eltern von Neville Longbottom wieder das machen würde, was sie einst gewesen waren, doch die Hoffnung war in ihm und begleitete ihn bei all seinen zukünftigen Werken.
