Denetred war stolz. Endlich, nach zwei Jahren Ausbildung war er nun seit einer Woche Mitglied der Turmwache. Heute durfte er zum ersten Mal vor den Toren zum Thronsaal Wache stehen. Er war zusammen mit Arador, einem bereits erfahrenen Turmwächter, eingeteilt, der ihm zeigen sollte, worauf er zu achten habe. So durften Südländer und Ostlinge beispielsweise nur unbewaffnet zum König vorgelassen werden. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch zu entscheiden, ob die Leute ihre Anliegen dem König vortragen durften, oder ob sie doch zu einem der untergeordneten Instanzen sollten. Der König konnte sich schließlich nicht um jede Ohrfeige und jeden gestohlenen Apfel kümmern. „Kannst Du mal für fünf Minuten alleine die Stellung halten?", fragte Arador. „Natürlich, aber wo willst du hin? Du weißt, dass wir unseren Posten nicht verlassen dürfen.", hatte Denetred geantwortet. „Schon, aber ich habe keine Lust die letzte Stunde in einer nassen Hose herumzustehen.", erwiderte Arador, wobei er ihm zuzwinkerte, „Ich werde mich beeilen!" Damit war er verschwunden.
Denetred hatte weiterhin ihre Aufgabe erfüllt, nun eben alleine. Viel war um diese Zeit nicht mehr los und so hatte er nur einen alten Mann abweisen müssen, der wegen einem neuen paar Schuhe, das ihm nicht passte zum König wollte. Der Schuhmacher, der sie gemacht hatte, hatte sich geweigert, ihm sein Geld zurückzugeben. Denetred schickte ihn zurück in den vierten Stadtring, wo ein Richter war, der sich um dieses Problem würde kümmern müssen. ‚Endlich mal ein paar Minuten Ruhe', dachte er sich, doch da wurde er enttäuscht. Ein kleiner Junge mit dunklen Locken kam auf ihn zugerannt. Denetred konnte sich ihm noch gerade in den Weg stellen, sonst wäre er einfach in den Thronsaal hineingelaufen. „Halt! Nicht so schnell kleiner Mann. Wo willst du denn hin?", fragte er den Jungen. Dieser sah ihn erstaunt an. Gerade so, als ob er sich fragte, was der Mann denn von ihm wolle. Dann schüttelte er den Kopf und wollte weiter laufen, doch Denetred hielt ihn fest. „Da kannst du nicht rein.", fuhr er den Jungen an. „Und warum nicht?", fragte dieser zurück. Denetred war einen Moment sprachlos. So ein frecher Bengel war ihm noch nicht untergekommen. Für wen hielt der sich? Er sah den Jungen noch einmal genau an. Die Kleidung wie auch der Rest vom ihm starrte vor Dreck. Er ging ihm gerade bis zum Bauchnabel. Er schätzte ihn auf sechs Jahre. „Nicht jeder dahergelaufene Bengel darf einfach so zum König, merk dir das! So und nun geh wieder spielen!", Denetred hatte sich bemüht, nicht zu aufbrausend zu sprechen. Der Junge sah ihn mit großen Augen an, machte aber keine Anstallten zu verschwinden. „Was ist denn noch? Hab ich mich nicht klar ausgedrückt? Du kannst hier nicht rein. Ich frage mich, wie du überhaupt in den siebten Stadtring gekommen bist.", schimpfte Denetred. „Ich wohne hier!", sagte der Junge schlicht. „Sehr witzig!", erwiderte Denetred ärgerlich, „Haben dir deine Eltern nicht beigebracht, dass man nicht lügt?" „Ich lüge nicht!", sagte der Junge empört, „Und nun lasst mich durch!" Ehe der verdutzte Denetred etwas tun konnte, rannte der Junge an ihm vorbei und durch die Tür in den Thronsaal. Denetred eilte hinterher, um den Jungen einzufangen und wieder nach draußen zu bringen. Doch der Junge war schneller. Er lief auf den Thron zu und blieb dort zu Denetreds Erstaunen nicht stehen. Im Gegenteil! Er lief die Stufen zum Thron hinauf und beugte sich dann zum König vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Dann drehte er sich um und grinste Denetred verschmitzt an. Jetzt, wo der Junge neben dem König stand, fiel es dem Turmwächter wie Schuppen von den Augen. Die Ähnlichkeit war einfach unübersehbar. Denetred sank auf die Knie und stammelte: „Es tut mir so leid, mein Herr, aber ich habe ihn nicht erkannt. Ich" Der König hieß ihn mit einer Handbewegung zu schweigen. Dann setzte er eine Strenge Miene auf und sah damit zu Denetreds Erstaunen nicht ihn, sondern den Jungen an. „Eldarion, so wie du jetzt aussiehst erkennen ich und deine Mutter dich kaum. Wie soll dich da ein neuer Wächter erkennen. Los! Geh in dein Zimmer, zieh dich um und wasche dich! Wir haben heute Abend Gäste.", wies der König seinen Sohn an. Der Junge lief aus dem Thronsaal und auch Aragorn kam von seinem Thron zu dem Wächter herunter. „Erhebt euch!", forderte er den jungen Mann auf. Dieser stand schüchtern auf. „So, nun kennt ihr also meinen Sohn. Nächstes Mal wenn ein Kind bis zur Unkenntlichkeit mit Dreck überzogen durch die Tür will, dann lasst es passieren.", sagte er augenzwinkernd. Dann verschwand auch er aus der Halle und lies einen erleichterten Turmwächter zurück.
