Autor : Steffi/ astrophilia
Inhalt : Harry ist nicht mehr derselbe … nicht seit dem Kampf um Hogwarts. Das Leben erscheint so sinnlos. Und dann geschieht etwas vollkommen Unglaubliches, etwas, dass Harry wieder einmal seinem ärgsten Feind gegenüberstellt …
Altersbeschränkung : Aufgrund er mangelnden Liebeszenen und der Tatsache, dass Herr der Ringe auch ab 12 freigegeben ist … ja, ab 12 eben :o)
Disclaimer : Alle hier enthaltenden Figuren und Orte (mit Ausnahme derer, die ich erfunden habe) gehören Joanne K. Rowling und Warner Bros., eine Copyright-Verletzung ist nicht beabsichtigt.
Kategorie: Mystery, Drama, Dark-Fiction
Betaleser : Die liebe, liebe Tia *wild wink* …. Danke für die Hilfe!
Anmerkung : Gaaaanz wichtig: das hier ist Stand nach Buch 4, das heißt unser Lieblingsanimagus lebt noch - mehr oder weniger… die Idee kam mir vor "Order of the Phoenix", deswegen sieht die "Realität" hier etwas anders aus … nur das ihr's wisst *gg* .
An die Leser : Okay, das hier ist meine erste Fanfiction, deswegen habt Nachsicht mit mir, falls ich etwas durcheinander gebracht habe … ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und es wäre schön von euch zu hören, wie ihr meine Geschichte findet …
P.S. Ich hab totale Probleme mit ff.net weshalb das mit dem Formatieren hier auch nicht wirklich hinhaut ....die ganze Story gibt's auch au meiner Homepage! Silent Reveries

Ulysses (Kap. 02)

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I see a bad moon a-rising.
I see trouble on the way.
I see earth quakes and lightnin'.
I see bad times today.

Don't go 'round tonight
it's bound to take your life,
there's a bad moon on the rise.

I hear hurricanes a-blowing,
I know the end is coming soon.
I fear rivers over flowing.
I hear the voice of rage and ruin.

Don't go 'round tonight
it's bound to take your life,
there's a bad moon on the rise.

Hope you got your things together.
Hope you are quite prepared to die.
Look's like we're in for nasty weather.
One eye is taken for an eye.

Don't go 'round tonight
it's bound to take your life,
there's a bad moon on the rise.

(c) Clearance Clearwater Revival, "Bad Moon Rising"

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Als er aufwachte, lag er immer noch zur Hälfte im Wasser, doch es hatte aufgehört zu regnen. Seine Glieder schmerzten ihn, als ob seine gesamte Haut verbrannt war, und ihm war so kalt, dass seine Zähne klapperten. Der Himmel über ihm hatte aufgeklart und die Sterne waren funkelnd und strahlend hervor getreten. In seinem Kopf pochte es gewaltig. Wie lange hatte er hier wohl gelegen? Hatte ihn denn niemand vermisst? Wybren und Feodora hätten ihn doch sehen müssen! Er versuchte sich zu bewegen und stellte fest, dass er es konnte, wenn er sich anstrengte und den Schmerz ignorierte. Langsam, ganz langsam kroch er die Böschung hoch, bis er schließlich auf der Wiese angelangt war. Oben angekommen, musste er sich erst mal einen Moment lang ausruhen. Keuchend sah er sich nach Hilfe um, aber da war nichts außer der schwarzen Nacht. Nichts außer der schwarzen Nacht? Wo waren die hellerleuchteten Fenster Hogwarts, die sonst in die Dunkelheit hinaus schienen? Er kniff die Augen zusammen und schüttelte ungläubig den Kopf, sie mussten da sein. Aber sie waren es nicht. Und dann sah er das Schloss. Hogwarts war noch da, oh ja … aber es waren nur die Ruinen der einst so stolzen Burg, die sich wie riesige, schwarze Stalagmiten gen Himmel erhoben.
"Großer Gott." Flüsterte Harry.

Er kroch ein paar Meter näher, ungläubig, zu geschockt um einen klaren Gedanken zu fassen. Das war vollkommen unmöglich, ganz unmöglich - gerade eben hatte die Schule doch noch gestanden … Hogwarts konnte gar nicht … vermutlich war es nur ein Traum - zwar einer der sehr realistischen Sorte, aber doch nur ein Traum. Er zwickte sich feste in den Arm, einmal, zweimal. Er schlug sich ins Gesicht, zog sich an den Haaren, aber er wachte nicht auf. DAS WAR UNMÖGLICH!!!! Vielleicht war ja der Blitz auch in die Schule eingeschlagen? Vielleicht war sie abgebrannt? Aber dann wären hier Leute, dann hätte man ihn gefunden … dann würden die Ruinen rauchen. Es sah so aus, als hätten diesen Boden seit Jahren keine Menschen mehr betreten. Was zum Henker ging hier vor? Seine Zähne klapperten erbarmungslos, aber nicht vor Kälte - vor Furcht.

Hilfe, er musste Hilfe holen. Irgendjemand musste ihm erklären, was hier vor sich ging. Harry fiel nur ein Ort ein, an dem er davon erfahren würde - Hogsmeade. Das kleine, malerische Dorf in der Nähe der Schule war der einzige Ort in ganz Großbritannien, der ausschließlich von Magiern bewohnt wurde. Vorsichtig setzte er sich auf, und versuchte seine vor Nässe und Schmerz steifen Gelenke zu bewegen. Er kniete sich hin und schaffte es schließlich, aufzustehen. Seit der Himmel sich aufgeklart hatte, war es noch kälter geworden, und Harry zog seine Robe enger an sich, obwohl der feuchte Stoff ihn nur noch mehr frösteln ließ. Mit zittrigen Fingern zückte er seinen Zauberstab und flüsterte: "Abrigadora!" . Innerhalb von ein paar Sekunden hatte der Spruch seine Kleidung getrocknet, und er spürte, wie sich auch seine Gelenke langsam aus der Versteifung lösten. Und wie er die Kontrolle über seinen Körper wieder erlangte. Hastig stolpernd machte er sich auf den Weg nach Hogsmeade.

Das Hogsmeade, das Harry kannte, war ein kleines, verschlafenes Dorf wie aus dem Bilderbuch. Die Auslagen der Geschäfte waren liebevoll ausgestaltet und dekoriert, kleine verschlungene Pfade führten zu den altmodischen Häuschen mit gelben und braunen Strohdächern und grünen Fensterläden, deren helle Fenster nachts im Dunkeln die Straßen erleuchteten. Die Wege waren erfüllt von Lachen und geschäftigem Treiben, und überall spielten Kinder auf den Straßen. Die Menschen waren freundlich, pausbäckig, warmherzig und hatten immer ein Lächeln auf den Lippen. Harry kannte keinen idyllischeren Ort.
Aber jetzt war alles anders. Als Harry das Dorf vor sich liegen sah, spürte er, wie seine Beine wackelig wurden. Dunkel lag die Straße vor ihm, die Straße, die sonst immer in das warme Licht der Fenster getaucht gewesen war. Die Häuser lagen halb verfallen am Straßenrand, die Fensterläden fest verschlossen, die sonst so liebevoll gepflegten Gärten halb verwildert. Kein Laut war zu hören, eine geradezu unheimliche Ruhe lag über dem Ort. In der Ferne hörte er das leise Heulen eines Wolfes, das Schreien eines Uhus und das Rauschen des Windes in den Bäumen. Aber Hogsmeade schien wie ausgestorben. Harry schüttelte ungläubig den Kopf.
Was um Himmelswillen war in der Zwischenzeit passiert????

Zögernd betrat er den Pfad ins Dorf. Um ihn herum waren nichts außer Dunkelheit und die scheinbar schlafenden Häuser. Ein kalter Hauch streifte seinen Nacken und ließ ihn eine Gänsehaut bekommen. Furcht überkam ihn, der Drang Hogsmeade schnellstmöglich zu verlassen, doch er musste wissen was hier geschehen war. Warum war Hogwarts zerstört? Warum war das fröhliche Hogsmeade so menschenleer? Zögernd durchquerte er einen verwilderten Garten, der nun voller Dornen und Gestrüpp war, und klopfte vorsichtig an die schwere, dunkle Holztür an. Nichts geschah. Harry wollte schon kehrtmachen und weitergehen, als er es im Innern plötzlich rumpeln hörte und eine alte, raue Stimme barsch: "Wer ist da?" rief.

"Ich …. Ich…." Begann Harry mit zitternder Stimme.

"Was willst du hier? Wer bist du?!!!!"

"Ich bin …. Ich versteh nicht warum…."

"Bist du wahnsinnig so spät noch hier rumzulaufen??? Sie werden dich kriegen!!!"

"Wer? Wer wird mich kriegen? Ich versteh ….."

"Was du machst bringt uns in Gefahr!!!" Die Stimme des Mannes wurde immer aggressiver.

"Ich will doch nur …." Erwiderte Harry hilflos.

"Geh! Verschwinde jetzt!"

"Aber …"

"Geh!!!"

Ihm war bewusst, dass der Mann keinen Widerspruch erlauben würde. Und wer wusste schon, ob er nicht plötzlich ein Gewehr herausholen und ihn über den Haufen schießen würde? Na gut, Magier besaßen normalerweise keine Gewehre, aber … war hier überhaupt noch etwas normal??? Harry drehte sich um und verließ im Eilschritt den Garten. Was würde ihn kriegen? Wovon hatte der Mann gesprochen? Warum war alles so anders? Das konnte doch nicht real sein!!!
Unschlüssig schlenderte er zum Marktplatz, der im Zentrum von Hogsmeade lag. Instinktiv war ihm klar, dass er von keinem der Einwohner eine andere Antwort bekommen würde. Die Angst ging in dem Dorf um, er spürte es, sie hing geradezu in der Luft. Wo war Lupin? Remus Lupin hätte Harry nie zurück gelassen, er hätte nach ihm gesucht, das wusste er. Hoffentlich war Remus nichts passiert.

Dann hörte er hinter sich wildes Knurren und das Geräusch von Zähnen, die gefletscht wurden. Mit einer dunklen Vorahnung dreht er sich um, um dem wohl hässlichsten Werwolf, den er je gesehen hatte, gegenüberzutreten. Es war einer der Werwölfe Voldemorts, eines der ponygroßen Monster, der vor ihm hockte, jeden Muskel angespannt, die roten Augen auf ihn fixiert, mit wässrigen Lefzen. Sein struppiges, stumpfes, dunkelbraunes Fell war verfilzt und die Kreatur stank entsetzlich nach verfaultem Fleisch und Aas. Er war auf Raubzug, und er hatte seine Beute für heute Abend auserkoren - Harry.
Geistesgegenwärtig griff Harry nach seinem Zauberstab, genau in dem Moment, als die Bestie brüllend zum Sprung ansetzte, die riesigen Pranken weit nach vorne gestreckt. "Stupefy!" schrie Harry, und der Werwolf fiel leblos vor seinen Füßen zu Boden. Schwer atmend betrachtete er die betäubte Kreatur, und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Davor hatte ihn der Mann also gewarnt. Harry runzelte die Stirn. Das konnte nicht sein - sie hatten alle Werwölfe des Dunklen Lords vernichtet, nach ihrem Sieg. Wieso tauchten sie hier plötzlich wieder auf? Und warum blieben sie nicht im Verbotenen Wald wie die anderen Kreaturen, sondern streunten durch Hogsmeade? Was war mit dem Schutzzauber, der der über dem Dorf lag, geschehen?

Aus den Gassen, die sternenförmig auf den Marktplatz zuliefen, erklang weiteres Knurren und das Geräusch von Dingen, die umgeworfen wurden. Irgendwo schienen sich zwei Werwölfe zu streiten. Offensichtlich war da ein ganzes Rudel auf nächtlichem Streifzug durch Hogsmeade. Harry spürte, wie seine Nackenhaare sich aufstellten - gegen eine ganze Meute war er machtlos. Wegrennen würde nichts bringen, die Bestien waren zu schnell und belagerten anscheinend sowieso schon das ganze Dorf. Schweiß bildete sich auf Harrys Stirn … Panik kroch in ihm hoch, sein Kopf war leer. Wo konnte er bloß hin? Wie konnte er hier weg???? Wenn doch bloß Hermione … natürlich, Hermione! Sie würde ihm mit Sicherheit erklären können, Hermione wusste alles. Und Ron - Sie würden ihm helfen. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht?????

**********************


Harry apparierte gegenüber von Ron und Hermione's Haus, auf die andere Straßenseite. Hier in Yorkshire war der Himmel bedeckt, aber es schien nicht geregnet zu haben. Die alten Straßenlaternen warfen ihr fahles Licht in die Umgebung, und ließen die Straße seltsam unwirklich und wie aus einem Traum erscheinen. Das Haus lag schlafend da, die Fenster dunkel, und wie schon in Hogsmeade zuvor war kein Laut zu hören. Von weit her erklang der Glockenschlag eines Kirchturmes, einmal, zweimal, dreimal, viermal. Harry schob die Hände in die Hosentaschen unter seine Robe, sah über den Rücken nach hinten, überquerte die Straße und schlich leise durch den Vorgarten zur Haustür. Das Gebäude war aus Backstein mit weißen Fenstern, ein altes Haus dass vor ein paar Jahren renoviert worden war. Auf der Fensterbank waren Blumenkästen angebracht, die im Moment aber leer waren. Harry stieg die Stufen zur Tür herauf und wollte anklingeln, als er bemerkte, dass Ron's Name nicht auf dem Schild stand. Harry kniff die Augen zusammen, um im Dämmerlicht besser sehen zu können, doch seine Augen täuschten in nicht - da stand S. P.Smitherby. Das Gefühl, dass ihn durchströmte, war unbeschreiblich - als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weg gezogen …

Fast 10 Minuten lang stand er auf der Treppe und starrte das Namensschild neben der Klingel an, als ob er es durch bloßes Anstarren verändern könne. Das hier war Rons und Hermiones Haus, sie hatten es ein Jahr nach ihrem Abschluss in Hogwarts gekauft. All ihr Geld und noch einiges von Rons Eltern hatten sie in den Valentine Drive 28 investiert, hatten monatelang dafür gebraucht, bis es endlich fertig zum Einziehen war. Oben rechts im ersten Stock lag Philomenas kleines Zimmer mit dem Weltall-Mobilee, links daneben das Schlafzimmer ihrer Eltern. Im Garten die Rutsche, die Harry für seine kleine Patentochter gekauft hatte. Wo war das alles? Das konnte doch nicht sein! Harry machte einen Schritt zurück und blickte zu den Fenstern im ersten Stock hinauf. Soweit er erkennen konnte, waren die Vorhänge im Schlafzimmer braun - dabei hatte Hermione auf blau bestanden - weil es angeblich dem Intellekt gut tat. Er schüttelte den Kopf. Die kleine Familie Weasley wohnte hier nicht … nicht mehr? Oder hatten sie hier nie gewohnt? Warum wusste er nichts davon? Er fühlte sich in einem bösen Traum gefangen, aus dem er nicht aufwachen konnte. War denn überhaupt noch irgendetwas so wie es sein sollte? Wie viel Zeit war vergangen, als er bewusstlos am See lag? Wie sollte er die Anderen finden?! Hogwarts war zerstört, Lupin, Ron und Hermione verschwunden … wo der Rest wohnte, wusste er nicht. Es hatte ihn in den letzten Jahren nicht interessiert. Harrys Knie waren kurz davor nachzugeben, während sich in seinem Magen alles zu drehen begann. Ein furchtbarer Gedanke kam in ihm hoch. Wenn er nun niemanden von ihnen wiederfinden würde? Was, wenn sie für immer verschwunden blieben? Warum hatte man ihn zurück gelassen?!

Langsam kehrte er zu der Stelle zurück, zu der er appariert war, und starrte unschlüssig auf das Haus. Bald würde es hell werden, bald würden die Bewohner dieses Hauses aufstehen und zur Arbeit gehen. Dann würde er sie nach den Weasleys fragen. Aber nicht vorher. Nachdem, was er in Hogsmeade erlebt hatte würde er nicht noch einmal nachts die Leute aus dem Bett klingeln. Er setzte sich auf ein kleines Mauerchen, das den Vorgarten des gegenüberliegenden Hauses begrenzte, zog seine Robe enger um sich und wartete auf den Tagesanbruch. Die Straßen waren wie leer gefegt, nichts regte sich. Fast war es, als ob er etwas Verbotenes tun würde. Ein - oder zweimal hörte er etwas im Gebüsch hinter sich knacken, und er hatte das dumpfe Gefühl beobachtet zu werden, doch wann immer er sich umdrehte war nichts zu sehen oder zu hören. Wahrscheinlich halluzinierte er schon. Wahrscheinlich war er jetzt völlig am Durchdrehen. Die Zeit schien still zu stehen, Minuten Stunden zu dauern. Als endlich die Dämmerung anbrach, in den Häusern die ersten Lichter angingen und sich Leben regte, da hatte Harry die wohl längsten Stunden seines Lebens durchgestanden. In seinem Kopf pochte es gewaltig, während seine Zähne unkontrolliert klapperten. Und dann war da noch das ständige Gefühl, sich bald übergeben zu müssen. Gegen 7 verließen die ersten Leute des Valentine Drive ihre Wohnungen, um zur Arbeit zu fahren. Vorsichtshalber nahm Harry seinen Zauberstab heraus und verwandelte seine Robe in einen dunkelblauen, dicken Wintermantel, und so gekleidet begann er, den Valentine Drive auf - und ab zu marschieren. Es wäre wohl mehr als verdächtig, den ganzen Morgen lang auf einer Mauer herum zu sitzen, zitternd mit klappernden Zähnen, in eine seltsame Robe gekleidet - wer immer auch diese Smitherbys waren, er wollte dass sie ihm Auskunft gaben, und sie nicht zu Tode erschrecken. Und in dieser gewöhnlichen Muggelkleidung würde ihm das vermutlich eher gelingen.

Gegen acht Uhr kehrte wieder Ruhe ein in den Valentine Drive. Kurz zuvor war aus der Nr. 28 ein dunkelhaariger, etwa 40jähriger Mann gekommen, mit Aktentasche (was Harry sehr an Onkel Vernon erinnert hatte), in einen silbernen Ford Mondeo gestiegen und weg gefahren. Danach konnte Harry seine Verzweiflung noch etwa 13 Minuten unterdrücken … schließlich klingelte er um 11 nach 8 mit zitternden Fingern an. Die Zeit bis die Tür geöffnet wurde kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, er glaubte, jeden Moment ohnmächtig werden zu müssen. In der Reflexion des kleinen Fensters, dass in der Tür eingesetzt war konnte er sein eigenes Gesicht sehen. Er sah gruselig aus, und erschrak beinahe vor seinem eigenen Spiegelbild. Sein Gesicht war weiß, kalkweiß, seine Augen wirkten gehetzt und waren von schwarzen Schatten umrandet, sein Haar stand wirr in alle Richtungen ab. Sehr vertrauenserweckend, Potter. Er neigte dazu, bei selbstkritischen Kommentaren im Geiste Draco Malfoys Ton und Stimme zu imitieren. Er wusste nicht, warum dass so war, aber er konnte es einfach nicht abstellen.

Eine Frau - weder hübsch noch hässlich - öffnete die Tür, etwa im Alter des Mannes, der vor 14 Minuten zur Arbeit gefahren war. Ihr aschblondes Haar war zu einem unordentlichen Dutt gebunden, und sie blickte Harry aus ihren blassblauen Augen misstrauisch an. Ihre Nase war etwas zu groß für ihr Gesicht, dafür war ihr Kinn etwas zu klein geraten.

"Ja, bitte?" fragte sie. Sie musterte ihn ohne einen Hehl daraus zu machen.

"Ich … ich bin …. Ich bin Harry Evans." erwiderte Harry nach kurzem Zögern. Etwas tief in ihm drin sagte ihm, dass es besser war wenn er unerkannt blieb. Die Frau zog gelangweilt eine Augenbraue hoch.

"Und? Ich kenne keinen Harry Evans."

"Ich …. Ich bin mit der Familie befreundet, die hier vor ihnen gewohnt hat …. Den Weasleys. Wissen sie, wo sie hingezogen sind?"

"Vor uns? Wir wohnen hier schon seit 20 Jahren…. Warst du da nicht noch etwas jung?"

Harry konnte nicht verhindern, dass er vor Schreck noch etwas bleicher wurde.

"Seit 20 Jahren???" rief er ungläubig aus.

"Ja, seit 20 Jahren." Die Frau nickte bekräftigend. "Edward hat dieses Haus damals für uns gekauft."

"A… aber mein Freund hat dieses Haus vor 3 Jahren gekauft …. " stotterte Harry, ohne sich bewusst zu sein wie seltsam es für die Frau klingen musste.

"Unmöglich. Ich sagte bereits, dass wir hier seit 20 Jahren wohnen."

"Aber … ich war dabei, als sie die Wohnung eingeweiht haben..."

"Sind sie sicher, dass sie dieses Haus meinen?" Sie blickte ihn ein wenig mitleidig an, wahrscheinlich im Glauben er sei geistig verwirrt oder zurück geblieben. Und er konnte es ihr noch nicht einmal verdenken.

"Ich … ich …. Nein, wahrscheinlich habe ich mich vertan." Gab Harry nach kurzem Zögern zur Antwort. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass die Eigentümerin bald die Polizei rufen oder zwei gefährliche Dobermänner auf ihn loslassen würde, falls er auf seiner Meinung beharrte. "Die Häuser sehen ja sowieso alle gleich aus. Ich irre mich wohl wirklich." Fügte er schnell hinzu und probierte ein entschuldigendes Lächeln, hoffend, dass es überzeugend wirkte. Die Frau erwiderte sein Lächeln freundlich, was sie direkt weniger unsympathisch erscheinen ließ.

"So wird es wohl sein."

Harry zuckte die Schultern und lächelte noch einmal. "Tut mir Leid, dass ich sie so früh gestört habe."

"Schon in Ordnung."

"Schönen Tag noch." Sagte Harry so ruhig wie möglich und verbarg seine zitternden Hände in den Manteltaschen. Er nickte leicht zum Abschied, drehte sich um und verließ langsam und so ruhig wie möglich das Grundstück. Einen Fuß nach dem Andern setzen. Ganz ruhig Harry. Er schaffte es immerhin bis er außer Sichtweite des Smitherby-Hauses war, ein bisschen links die Straße hoch, dann klappten ihm die Beine weg und fiel er zitternd auf den Bürgerstein. Seine Lungen wollten nicht atmen, Tränen verschleierten seinen Blick, seine Glieder zitterten unkontrolliert. Ron und Hermione hatten nie in diesem Haus gelebt. All seine Erinnerungen - war das alles Lüge gewesen? War er grade eben aus einem bösen Traum aufgewacht? Oder war er gerade in einem Albtraum gefangen? Ron und Hermione hatten nie dort gelebt. Aber wo waren sie dann? Ob es ihnen gut ging? Was war mit den Anderen, mit Lupin??? Wie um Himmels Willen sollte er sie hier wiederfinden, hier wo ihm alles so fremd war? Und warum war alles plötzlich so verändert???

"Hey, du, alles in Ordnung?" hörte er eine Stimme über sich. Er wandte den Blick nach oben und da stand ein älterer, grauhaariger Mann mit braunen Knopfaugen und zahlreichen Falten, der ihn besorgt anstarrte. Mit sich führte er einen großen, deutschen Schäferhund der Harry hechelnd mit der Zunge übers Gesicht schleckte.

"Was?" fragte Harry abwesend, während er versuchte nicht vollkommen zu kollabieren.

"Ob es dir gut geht." Wiederholte der Mann in einer tiefen Bass-Stimme.

"Ja … ja …. Alles bestens…." Keuchte Harry leise mit schweißnasser Stirn. Das wird er Dir bestimmt abnehmen, Potter. Der Mann legte den Kopf schief, verzog leicht den Mund und sah ihn zweifelnd an.

"Bist du sicher?"

"Ja ….." nickte Harry bekräftigend, wobei ihm sein schwarzes Haar wüst ins Gesicht fiel.

"Du meine Güte…" entfuhr es dem Älteren, als ob Harry soeben einen Kopfstand gemacht und dabei jongliert hätte.

"Was ist?" fragte Harry.

"Für einen Moment lang sahst du aus wie Harry Potter."

Harry versteifte sich merklich, er hoffte nur, dass die Augen des Mannes zu schlecht waren um es zu bemerken - allerdings hatte ihre Sehkraft gereicht, um ihn zu identifizieren. Und das der Mann wusste, wie Harry Potter aussah, ließ darauf schließen, dass er kein Muggel war. "Ich bin nicht Harry Potter." Harry hörte seine Stimme in seinem Kopf widerhallen, sie klang hohl und mechanisch.

Der Mann schüttelte nachdenklich seinen Kopf. "Nein … nein, das wäre ja auch was … das wäre so etwas wie ein Wunder."

Harry runzelte die Stirn, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr sein Gegenüber fort: "Ja, also, bist du sicher dass es dir gut geht, mein Junge? Du siehst ganz schön übel aus."

"Ja …. Ich bin bloß hingefallen." Oh wirklich, Potter, und deshalb bist du auch so bleich und schwitzt als hättest du grade gegen einen Basilisken gekämpft. Das nimmt dir doch niemand ab. "Ich …. Bin gerannt weil ich …. zu spät bin …. und hingefallen." Stammelte er.

"Ach so, verstehe. Das die Jugend es immer so eilig hat." Der Mann seufzte unüberhörbar, packte Harry am Arm und zog ihn sanft auf die Beine. "Na, dann pass aber auf, dass du dich nicht noch mal ernsthaft verletzt." Mit einem kurzen, an Harry gerichteten Grinsen, verabschiedete er sich, wechselte die Straßenseite und verschwand in einem kleinen Park, der dort von Häusern eingerahmt angelegt worden war. Harry kannte die Grünanlage, er war oft mit Philomena dort gewesen. Schwer atmend lehnte er sich an die Mauer in seinem Rücken (alle Vorgärten waren mit diesen kleinen roten Mauern eingefasst), seine Hände auf die Knie gestützt. Die Gedanken schwirrten ihm durch seinen Kopf, tausend Fragen und Gedanken, die alle keinen Sinn ergaben. Es war kein Traum, dessen war er sich mittlerweile fast sicher. Träume waren anders - jedenfalls bei ihm. Weniger real, weniger - greifbar. Aber es ergab einfach alles keinen Sinn.

Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch den Kopf, und als ob er es dadurch weniger schmerzen würde fasste er sich mit dem Daumen und Zeigefinder zwischen die Augen.
Ganz ruhig, Potter, denk nach du Idiot, DENK NACH! Hörte er seine Draco-Imitation in seinem Kopf spotten. Nachdenken, das sagte sich so einfach. Wo sollte er denn anfangen? Er hatte keinen Anhaltspunkt, nichts … die ganze Welt spielte verrückt, und er stand mittendrin und hatte nicht die leiseste Ahnung warum. Er musste Hermione, Ron und Lupin finden, das war alles, was er wusste. Ron und Hermione waren nicht hier. Wo konnten sie dann sein? Plötzlich fiel es Harry wie Schuppen von den Augen: im Fuchsbau!

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Harry stand auf der grünen Wiese und betrachtete fassungslos die Überreste des Fuchsbaus. Ruinen waren das einzige, was noch stand, hier und da lagen die verkohlten Reste des Mobiliars verstreut herum, wie achtlos zur Seite geworfener Müll. Bis zu den Grundmauern war das zu Hause der Weasleys herunter gebrannt, es schien schon vor Jahren passiert zu sein, denn zwischen den schwarzen Schutthaufen hatten einige Blumen zum Tageslicht nach oben gefunden, und in den wenigen Mauern, die noch standen hatten sich Efeu und Moos ihren Platz erkämpft. Im Gegensatz zu Yorkshire war der Himmel hier strahlend blau, die Sonne schien mit geradezu sarkastischer Genugtuung strahlend und fröhlich auf ihn nieder. Minutenlang stand der junge Mann regungslos da, außer Stande, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen oder auch nur einen Muskel zu bewegen. Er war wie betäubt. Als ob ein Stück von ihm heraus gerissen worden war. Der Fuchsbau war sein zu Hause gewesen, mehr noch als Sirius' Haus es je gewesen war. Er hatte hier so viele schöne, unbeschwerte Zeiten erlebt, und jede Erinnerung an sie war ihm so viel kostbarer als Reichtum und Juwelen für andere Menschen. Und jetzt war das alles zerstört.

Er tapste ein wenig näher, unbeholfen wie ein Kind, das seine ersten Schritte macht, den Blick fest auf das, was einmal der Fuchsbau gewesen war, gerichtet. Schritt für Schritt kam er näher, bis er mit seinem Fuß plötzlich gegen etwas Hartes, Blechernes trat, und verdutzt stehen blieb. Vor seinem Fuß blinkte etwas im Sonnenlicht, abwechselnd hellblau und silbern, die Strahlen reflektierend, etwas Metallenes, eine Schachtel aus Blech, nicht größer als ein Briefumschlag. Harry kniete sich hin und griff danach. Das Blech fühlte sich warm an in seiner Hand, und obwohl die Schachtel vom Ruß verdreckt war konnte Harry doch noch fein gearbeitete Verzierungen erkennen. Er schluckte hart, er kannte diese Schachtel - er hatte sie Ron selbst geschenkt, im 7. Schuljahr. Es war eine von Onkel Vernons Zigarrendosen gewesen, und er, Harry, hatte sie heimlich geklaut und Ron gegeben, weil er wusste wie sehr Ron Muggeldinge liebte. Ron hatte sich in dieser Hinsicht sehr nach seinem Vater entwickelt. Vorsichtig öffnete Harry die Schachtel, und staunte nicht schlecht, als er den Inhalt unversehrt vorfand, und wurde schlagartig ernst als er ihn sich genauer ansah. 20 Fotos oder mehr hatten die Zeit in dieser Kiste überdauert, Erinnerungsstücke, die Ron hier aufbewahrt hatte und die beim Brand wohl verloren gegangen oder vergessen worden waren. Mit zittrigen Fingern nahm Harry die Fotos heraus - da war er mit Ron, ein anderes zeigte Hermione und Ron auf dem Abschlussball, und dort war ein Foto von der Weasley Familie einschließlich ihm, Harry. Und dann war da eins von ihm, Ron und Sirius. Er musste hart gegen die Tränen ankämpfen, während er sich die Fotos durchsah, schließlich steckte er die Dose in seine Manteltasche. Hermione und Ron hatten gelebt, er besaß jetzt den Beweis. Hilflos starrte er den abgebrannten Fuchsbau an.

"Wo seid ihr bloß?" flüsterte er, während er sich rücklings auf das Gras fallen ließ und die Augen schloss. Komm schon Potter, du warst zwar in Gryffindor und bist auch so nicht der Hellste, aber du bist nicht dumm, also streng jetzt deine grauen Zellen an, verflucht! Das war so leicht gesagt … Hermione und Ron hatten offenbar nie in Yorkshire gewohnt … wie sollte er die Suche jetzt fortsetzen? Ron hatte bevor er nach Yorkshire gezogen war, immer hier gelebt … aber den Fuchsbau gab es nicht mehr. Wo sonst hätte er sein können? Aber Hermione … Hermione hatte nach ihrem Abschluss ein Jahr lang in Sussex gewohnt und dort als Assistentin eines Heilers gearbeitet … vielleicht wohnte sie noch dort …. es war eine Möglichkeit…. und seine einzige Möglichkeit …

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Das Haus war noch genauso, wie Harry es in Erinnerung gehabt hatte, und irgendwie beruhigte ihn das. Ein wenig schäbig, ein wenig verlottert, aber liebenswert auf seine ganz eigene Art, mit dem typischen Charme der Seebäder an der Südküste Englands. Im Hintergrund hörte Harry das Rauschen des Meeres und der Geschmack von Salz lag in der Luft. Zögernd stieg er den Treppenabsatz hoch und warf einen Blick auf die Namensschilder. Schmerzend zog sich sein Herz zusammen als er nicht Hermiones Namen fand, sondern den einer anderen Bewohnerin: Erin de Lefent. Also war seine Freundin auch nicht hier… und Ron somit auch nicht. Hoffnungslosigkeit machte sich in ihm breit, ein unbeschreibliches Gefühl der Leere durchdrang ihn. Mutlos klingelte er an der Tür, ohne große Erwartungen. Eigentlich hätte er es sich auch sparen können, aber wo er jetzt schon mal da war ….

"Ja bitte?"

Harry zuckte leicht zusammen. Er war so in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte wie die Tür geöffnet wurde. Vor ihm stand ein Mädchen in Hermiones Alter, mit braunen, glatten, schulterlangen Haaren, buschigen Augenbrauen, einer breiten Nase und blaugrauen Augen. Ihre Statur war gedrungen, und sie war in abgetragene Jeans und einen alten Pullover gekleidet, in ihrem Gesicht war ein Ausdruck bloßer Verwunderung.

"Ich bin Harry Evans." Begann Harry schleppend. "Ich suche eine Freundin von mir …. Hermione Granger …. Ich dachte sie würde hier wohnen aber ich habe mich wohl geirrt…. Tut mir leid wenn ich gestört habe…"

Er drehte sich um und war im Begriff zu gehen, als er die Stimme des Mädchens hörte:
"Sie hat hier mal gewohnt."

Harry dreht sich blitzartig um, so schnell, dass Erin vor Schreck einen Schritt nach hinten machte. Seine grünen Augen fixierten die des Mädchens.
"Was?"

"Ich sagte, sie hat hier mal gewohnt, vor 3 ½ Jahren ….. nur für ein paar Monate allerdings, dann hat sie ihre Stelle als Assistentin aufgegeben und ich hab sie übernommen."

Harry trat einen Schritt näher, stirnrunzelnd. Für einen Moment lang sahen sich Harry und das Mädchen bloß an, weil er vor Überraschung keine Worte fand. Hermione - endlich gab es jemanden, der wenigstens von ihr wusste! Aber was das Mädchen erzählte, war genauso seltsam wie der Rest der Welt, in die er aufgewacht war. Hermione hatte ein ganzes Jahr hier gelebt und gearbeitet, nicht bloß für ein paar Monaten.

"Wieso hat sie aufgehört?" fragte er, sich der Kratzigkeit seiner Stimme bewusst. Erin starrte ihn mit dem Ausdruck der Gewissheit, dass sie einen Idioten vor sich stehen hatte, an.
"Na ja, sie hat es einfach nicht gepackt, es war halt zu viel für sie. Ist ja auch verständlich, oder? Ich meine, das wäre für jeden schwer zu verkraften, und die Tatsache, dass sie es so lange geschafft hat ist schon erstaunlich."
Harry verstand nur Bahnhof. Irritiert schüttelte er den Kopf, um seine kreisenden und herumschwirrenden Gedanken wieder in Reih und Glied zu bringen.

"Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du nicht von der Ausbildung zur Assistentin redest."

"Natürlich tue ich das nicht!" sagte sie mit einem Hauch von Entrüstung in der Stimme.

"Wovon dann?"

Ihre Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen, wodurch ihre Farbe wegen des Lichteinfalls von graublau zu purem grau wechselte. Sie klang verärgert: "Sag mal, willst du mich verarschen?"

Harry hob beschwichtigend und ein wenig hilflos die Hände. "Nein… nein, ich schwöre dir, das will ich nicht! Aber …. Ich war eine ganze Zeit lang weg …. und ich komme wieder …. und ich hab keine Ahnung, was aus ihr geworden ist oder wo sie ist …. bitte … du musst mir glauben."

Sie zögerte einen Moment, schließlich seufzte sie kurz und nickte. "Na schön … sei's drum. Sie hat versucht, nach dieser Katastrophe weiter zu machen …. Aber dass sie ihn verloren hatte und Harry Potter, das konnte sie einfach nicht ertragen. Konnte sich nicht auf die Arbeit konzentrieren, ich meine, wer könnte das schon? Deshalb musste sie aufhören."

"Harry Potter???"

"Erzähl mir nicht, dass du nicht weißt, das du-weißt-schon-wer Harry Potter getötet hat?!" In ihrem Ton schwang plötzlich Misstrauen mit.

"Doch, doch klar …. Ich meinte nur, ich wusste nicht, dass sie noch befreundet waren…." Sagte Harry schnell, während sich vor seinen Augen alles drehte, als ob er auf einem übergroßen Kettenkarussell, das mit ungebremster Fahrt immer schneller wurde, sitzen würde. Er hörte Erins Stimme in seinem Kopf : …das du-weißt-schon-wer Harry Potter getötet hat? Er war tot? Voldemort hatte ihn umgebracht? Und warum lebte er dann noch? Das wurde ja immer absurder. Dann erinnerte er sich an das Gespräch mit dem alten Mann in Yorkshire : 'Ich bin nicht Harry Potter' 'Nein … nein, das wäre ja auch was … das wäre so etwas wie ein Wunder' Glaubten die Leute wirklich, dass er tot war???

"Sie kennt viele Harrys, was?" hörte er Erins Stimme und wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen.

"Was? Ja … nein …. Nur Harry Potter und mich …. "

"Ach so … Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?"

"Ja … weißt du, wo Hermione hin gezogen ist?" fragte Harry zögernd, mit einem flauen Gefühl im Bauch. Diese Frage war die Entscheidende - sie konnte das Ende dieser Suche bedeuten, dann wäre er allein, hilflos, verloren. Oder sie konnte ihm helfen, Hermione, Ron und Lupin zu finden. Wie auch immer - er hatte Angst vor der Antwort, und halb erwartete er, dass Erin mit "Nein" antworten würde.

"Sie schreibt mir ab und zu … im Moment ist sie Dublin, aber wo genau weiß ich nicht. Sie hat mir die Adresse nicht verraten. Wahrscheinlich will sie nicht, dass ich hinfahre und versuche sie zu trösten, sie versucht immer alles alleine zu schaffen, weißt du."
Harry nickte. Ja, das klang wirklich nach Hermione. Das Mädchen, das schon zu Schulzeiten zwar ihn, Harry, immer gedrängt hatte bei jeder Kleinigkeit zu Dumbledore zu rennen, sich selbst aber beharrlich geweigert hatte Hilfe anzunehmen. Dazu war sie zu schlau, zu intelligent und zu stolz gewesen. Aber das war im Moment unwichtig, denn es war egal ob sie Hilfe annahm oder nicht, die Hauptsache war, dass Harry jetzt wusste, wo seine Freundin zu finden war. Und das sie noch lebte.

"Danke…. Danke…" sagte Harry hastig und lächelte schief.

"Nach Dublin zu apparieren wird ungesund werden, mein Lieber …. So eine weite Entfernung."

Harrys Kinnlade klappte ungefähr bis zum Bordstein runter. Noch eine Zauberin? Natürlich …. Wenn sie Hermiones Platz bei dem Heiler bekommen hatte, musste sie eine Hexe sein. Erin kniff die Augen zusammen und sah ihn prüfend an.

"Was guckst du so überrascht?"

"Nichts …. Ich bin heute nur schon so vielen Hexen und Zauberern begegnet, eigentlich nur, das ist alles." Beeilte Harry sich zu sagen. Erin hob eine Augenbraue.

"Du warst wirklich lange weg, oder?"

Harry runzelte nachdenklich die Stirn. Worauf zum Teufel spielte sie jetzt schon wieder an.
"Äh … ja." Antwortete er. "Ich war bei meinem Onkel in …. Sibirien …. Für einige Zeit …"
Erin nickte, sich anscheinend mit dieser Antwort zufriedengebend, und trommelte mit den Fingern der linken Hand gegen den Türrahmen.

"Also, ich will dich wirklich nicht drängen, aber ich muss jetzt zur Praxis, und …."

"Ja ja, versteh schon, ich sollte jetzt auch gehen. Danke für deine Hilfe." Antwortete Harry.

"Grüß Hermione von mir falls du sie findest… "

Erin ließ die Tür ins Schloss allen, und da stand Harry jetzt, mit Auskünften die ihn gleichermaßen erfreuten und erschreckten, geradezu schockierten. Langsam schlenderte er die Straße zum Strand entlang. Hermione lebte also noch, wenn auch in Dublin. Man müsste sie doch finden können. Aber Hermione war auch im Glauben, er sei tot ….. großer Gott, wie sie gelitten haben musste …. Aber dass sie ihn verloren hatte und Harry Potter, das konnte sie einfach nicht ertragen … Hermione hatte jahrelang geglaubt, ihn und Sirius verloren zu haben …. Wie schrecklich das gewesen sein musste. Und wie sie wohl reagieren würde, wenn er sie finden würde? Würde er sie überzeugen können, dass er es wirklich war, und kein fauler Zauber???? Er hatte das Meer erreicht, den langen Strand, mit dem weißen, viktorianisch anmutenden Pier, der in die See führte. In der Ferne konnte Harry die Umrisse der "Seven Sisters" erkennen, hohe, weiße Kreidefelsen die in den Himmel aufragten. Im 6. Schuljahr war er hier mit Sirius im Urlaub gewesen, nachdem man den Namen seines Patenonkels vollständig von den Anschuldigungen bereinigt hatte. Es waren die glücklichsten Wochen in Harrys Leben gewesen. Über ihm schrie eine Möwe klagend und laut. Harry seufzte. Ob er Hermione in der Hauptstadt von Irland finden würde? Er wusste es nicht. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

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Er landete auf einer großen Grünfläche, zumindest das, was einmal eine große Grünfläche gewesen war, die er nach einem ersten Moment der Verwunderung als einen Park ausmachte. Erin hatte Recht gehabt, das Apparieren nach Dublin war schwer und anstrengend gewesen, und so schaffte er es nicht, festen Stand zu bekommen und sich senkrecht zu halten, sondern verlor das Gleichgewicht und stürzte auf den schlammigen Boden. "Autsch." Entfuhr es ihm, und hastig sah er sich nach Beobachtern um, vielleicht waren ja grad Eltern im Park die jetzt mit den Fingern auf ihn zeigten und "Siehst du, so macht man es nicht, der Onkel kann es nicht!" sagten, aber da war niemand. Der Park war vollkommen leer. Ächzend setzte er sich auf, vor seinen Augen drehte sich alles, er fühlte sich schwach und erschöpft. Nach Dublin zu Apparieren, das war schwer. Vorher noch nach Yorkshire und zum Fuchsbau appariert zu sein machte die Sache zu einem Iron-Man Triathlon. Und wenn man davor von einem gewaltigen Stromschlag getroffen worden war, dann war es glatter Wahnsinn. Harry schloss für einen kurzen Moment die Augen und spürte, wie die Welt vor seinen Augen aufhörte, Karussell zu fahren, und öffnete sie wieder. Ja, er war in einem Park gelandet, aber er wie der Fuchsbau schien er seit Jahren verlassen zu sein. Er befand sich am Ufer eines kleinen, ruhig vor sich hin dümpelnden Sees, auf dem eine Handvoll Enten schwammen und die bedrückende Stille mit Quaken erfüllten. Um den See herum erstreckte sich ein einst sorgsam gepflegter Rasen, dessen Gras mittlerweile nur noch braun hier und da büschelweise aus dem Lehmboden schoss, durchzogen von Schatten spendenden Bäumen, kleinen Wegen und halb verfallenen Pavillons.

Es nieselte nur, doch es dauerte nicht lange, bis Harry vollkommen nass war, seine Haare ihm in der Stirn und seine Kleidung an seinem Körper klebte. Er sah sich um und stellte fest, dass die Einsamkeit und Verlassenheit dieses Ortes nicht am Wetter zu liegen schien - am Ufer des Sees war ein großer, schwarzer Haufen, offensichtlich war hier etwas verbrannt worden. Einige Zäune lagen heraus gerissen und zerschmettert herum, und auf dem weißen Pavillon konnte Harry ein in blutroter Farbe gemaltes Zeichen erkennen - das Dunkle Mal. Er erschauderte, die Szenerie erinnerte ihn an einen dieser post-apokalyptischen Actionfilme, die Dudley so geliebt und von morgens bis abends geguckt hatte. Nur, dass das hier die Realität war.

Über ihm hörte er den Schrei einer Möwe, und dann erinnerte er sich daran, dass Dublin ja auch am Meer lag. Allerdings schien ihm das Ganze mehr aus dem Wilden Westen entsprungen zu sein, es war wie das gierige Kreischen eines Geiers der über einem Kadaver kreiste. Es war unheimlich. Harry begab sich auf die Füße und marschierte unentschlossen den Weg entlang. Ein oder zweimal drehte er sich um oder blieb stehen, weil er meinte Schritt zu hören oder verfolgt zu werden, aber wie schon in Yorkshire war um ihn herum nichts als Luft, Wiese und Wasser. Potter, sobald du wieder nach Hause kommst … wie auch immer …. solltest du dich mal im St. Mungo's durchchecken lassen … Bald erreichte er ein großes Gebilde aus hellem, grauen Stein, dass dem Arc de Triumph in Paris ziemlich ähnelte, mit einem großen, gusseisernen, doppelflügigem Tor in der Mitte, dass anscheinend das Gelände des Parks begrenzte. Ein altes, kupfernes Schild hing an der Seite, die Schrift war verwittert und unter dem Schmutz kaum zu erkennen: St. Stephen's Green . Harry vermutete, dass es der Name des Parks war und verließ denselbigen, um sich 2 Sekunden später an einer breiten Hauptstraße wieder zu finden.

Wahrscheinlich war die Gegend hier früher einmal stark befahren und belebt gewesen, die Markierungen auf der Straße waren verblichen oder abgeblättert, aber jetzt hielt sich der Verkehr in Grenzen. Er überquerte die Straße und gelangte in eine hübsche Einkaufsstraße, Grafton Street wie er auf dem Schild las, die mit roten Steinen gepflastert war und an beidseitig von bunten Geschäften eingerahmt wurde. Als er näher trat sah er, dass viele der Läden unbenutzt waren, die Auslagen dunkel und verlassen, wie die leeren Augen eines toten Geschöpfes starrten sie die wenigen, vorbei eilenden Passanten an. Es war windig und kalt. Ungläubig schüttelte Harry den Kopf als er die Aufschriften der wenigen, übrig gebliebenen Läden las. Lara Middleborough's Kräuter und Tränke, Arundhati's Robenlädchen, Shirley & Almalric - Bücher der Zauberkunde. Was ging denn hier vor? Läden die offen und am helllichten Tage inmitten der Muggelwelt ihre Ware anboten? Verstieß das nicht gegen die oberste Direktive oder so? Muggel dürfen nichts von uns wissen? Warum war er in Hogwarts fast von der Schule geflogen, als er und Ron den alten Ford Anglia benutzt hatten, wenn es hier jedem direkt unter die Nase gerieben wurde? Es fehlte nur noch ein Plakat mit der Aufschrift ZAUBEREI GIBT ES WIRKLICH! Vielleicht hätte er hier zu Schule gehen sollen. Geheimhaltung war wohl nicht die Stärke der Iren.

Er schlenderte die Straße entlang, bis er zu einer kleinen Abzweigung kam. Am Ende der kleinen Straße stand eine große, graue Kathedrale, die anderen Gebäude selbst waren nur Pubs und weitere Läden. Harry wollte schon weiter gehen, als er rechts einen kleinen Pub entdeckte, dreckiggelb war die Fassade, und in gold-geschwungener Schrift prangte der Name der Kneipe über der Tür : Davy Byrne's. Irgendwo in seinem Gehirn machte es "klick", als er den Namen las - natürlich, Hermione, die nicht nur magisch bewandt war sondern sich auch mit Muggelliteratur auskannte, hatte ihm mal davon erzählt. In irgendeinem Roman tauchte dieser Pub auf, wie sie ihm enthusiastisch berichtet hatte, und wäre das nicht phantastisch? Harry schmunzelte bei dieser Erinnerung, Hermione hatte Literatur schon immer geliebt und verständnislos drein geschaut, wenn Ron und er sich nicht so ganz begeistert zeigen konnten wie sie es gern gehabt hätte. Vielleicht war es eine Vorahnung, vielleicht auch nur ein Gefühl der Sentimentalität, dass Harry veranlasste dem Pub einen kleinen Besuch abzustatten. Er hatte noch nichts gegessen oder getrunken, und nach seinem Extrem-Apparieren der letzten Stunden brauchte er dringend eine Stärkung.

In der Kneipe war es muffig, und der Geruch von Pfeifenrauch schwebte in der Luft. Das Licht war dämmrig, und wie auch die Straße zuvor war der Pub nicht grade überfüllt. Die Atmosphäre erinnerte Harry stark an den Leaky Cauldron, was nicht gerade dazu beitrug, sich heimisch zu fühlen. Zwar war ihm der Leaky Cauldron vertraut, aber normalerweise lungerten dort immer eine Menge zwiespältiger, unheimlicher Gestalten rum, und hier war es nicht anders. Harry steuerte auf den Tresen zu, der von einem Mann bedient wurde, dessen eigentlicher Beruf Metzger zu sein schien - jedenfalls sah er mehr danach aus. Sein rotes, fleischiges Gesicht wirkte, als sei es selber schon mal unters Messer geraten, und erschrocken stellte Harry fest, dass dem Mann ein Auge fehlte.

"Ja?" fragte der Mann ruppig, und beäugte Harry misstrauisch.

"Äh …" begann Harry, und wusste nicht weiter. Du bist in einem Pub, Potter, also bestell dein Bier und setz dich in eine unauffällige Ecke, du Idiot. "Ein Guinness, bitte."

Anstatt einer Antwort nickte der Mann kurz, zapfte Harry ein Glas mit dem fast schwarzen Gebräu und knallte es anschließend auf den Tresen, so dass ein bisschen Guinness überschwappte. In diesem Moment fiel Harry ein, dass er gar kein irisches Geld dabei hatte, nur englische Pfund … oh Gott, ob der Mann ihn wohl deswegen aufspießen, braten oder sogar verzehren würde? Harry schluckte hart und wollte den Mund öffnen um zu gestehen, als der Mann: " Eine Galleone." Brummte. Harry glaubte, sich verhört zu haben.

"Was?" fragte er.

"EI-NE GA-LLE-O-NE." wiederholte der Mann laut und deutlich, als ob er mit einem Tauben reden würde. Sprachlos vor Überraschung zog Harry eine Handvoll Zauberergeld aus seiner Tasche und legte eine Galleone auf Tresen, nahm dann sein Guinness und setzte sich in der hintersten Ecke an einen Tisch. Für einen Augenblick starrte er das Glas einfach nur gedankenverloren an. Diese Iren waren seltsame Leute, wirklich. Nicht nur, dass sie es mit Geheimhaltung nicht so ganz genau nahmen, man konnte sogar in der Muggelöffentlichkeit mit Galleonen, Sickel und Knuts bezahlen. Aber das war jetzt auch egal, schließlich musste er Hermione finden… irgendwie. Seufzend hob er das Glas und trank einen Schluck des bitteren Guinness, und verzog angewidert das Gesicht, konnte sich aber gerade noch davon abhalten, das Zeug quer über den ganzen Tisch hinweg auszuspucken. Ja, das war ganz zweifelsfrei das berühmte Starkbier … ganz anders als Butterbier, und Harry war sich ziemlich sicher was er vorzog. Er verfiel wieder in sein Aufs-Glas-Starren und überlegte krampfhaft, wie er Hermione in dieser Großstadt wohl würde ausfindig machen können, als er plötzlich eine vertraute Stimme "Hau ab, ich hab genug, ich kündige!" schreien hörte.

Es war, als würde der Blitz ein zweites Mal durch seinen Körper jagen, jede Muskel, jeder Faser spannte sich an, während sich die Haare in seinem Nacken senkrecht aufstellten. Hatte er geträumt? Hatte er sich das bloß eingebildet??? Nein, es war Hermiones Stimme gewesen, zweifelfrei… er kannte den Klang ihrer Stimme so gut wie den seiner Eigenen. Konnte das möglich sein? Hermione - hier???? Kurz darauf hörte er den Mann, der ihn bedient hatte "Das kannst du nicht machen, Catriona!" brüllen, und Hermione's Stimme giftig "Und ob ich das kann du Arschloch!" antworten. Harry blieb keine Zeit um darüber nachzudenken, warum der Mann Hermione mit "Catriona" anredete, oder worum es bei diesem Streit eigentlich ging, (obwohl er das Gefühl hatte, dass seine Freundin gewinnen würde), denn einen Moment später kam sie aus einem Hinterzimmer geschossen, im Eilschritt, ihr lockiges Haar in alle Richtungen fliegend, mit hochrotem Kopf und einem Gesichtsausdruck, der selbst Geistern das Fürchten gelehrt hätte. Sie sah Harry nicht, der mit offenem Mund in der kleinen, dämmrigen Nische saß, sondern hielt schnurstracks auf die Tür zu, drehte sich am Absatz noch einmal um und streckte dem Metzger-Pub-Mann, der ihr nachgelaufen war, höhnisch grinsend den Mittelfinger entgegen. Dann rannte sie aus der Tür. "Catriiioooonaaa!" brüllte der Mann noch einmal, doch zu spät, Hermione war fort.

Das alles war so schnell passiert, dass Harry noch fassungslos und ziemlich dämlich dreinschauend am Tisch saß und zu verarbeiten versuchte, was er gerade gesehen hatte, als der Mann sich schon wieder hinter den Tresen begab. Hermione …. hier. Hermione … hier. Hermione … HIER???? Schließlich wurde ihm bewusst, dass er Zeit verschwendete, dass er Hermione einholen musste, er sprang auf, stieß dabei fast den Tisch um und stürzte aus der Tür. Zu seinem Glück hatte Hermione direkt nachdem sie den Pub verlassen hatte aufgehört, zu rennen, und war stattdessen in einen schnellen Laufschritt verfallen, so dass Harry sie erstens noch sehen und zweitens noch einholen konnte. Er war klug genug, um Hermione nicht hier am helllichten Tag inmitten einer Einkaufsstraße auf die Schulter zu tippen und anzusprechen, er wusste dass seine Erscheinung (er der doch eigentlich tot sein sollte) bei ihr wohl einen Schreikrampf und Panik auslösen würde, und das wollte er in der Öffentlichkeit nicht riskieren. Und so ging er ihr nach, folgte ihren eiligen Schritten durch das Zentrum von Dublin, durch kleine Gassen und Straßen, ohne seine Augen von ihr zu lassen, mit ausreichend Abstand um nicht verdächtig zu wirken. Tausend Fragen schwirrten durch seinen Kopf, Fragen ohne Antworten. Warum hatte der Mann sie Catriona genannt? Warum hatte sie dort gearbeitet? Und warum gekündigt? Verdiente Ron nicht genug für Beide, dass sie in so einer schäbigen Kneipe arbeiten musste?

Nach etwa 20 Minuten Verfolgungsjagd (Harry begann sich langsam wie ein Detektiv aus den 50ern zu fühlen), erreichten sie eine kleine Straße, ohne befestigten Bürgersteig, mit kleinen Häusern rechts und links die trostlos und dicht aneinander gedrängt das Bild bestimmten. An der Häuserecke blieb Harry stehen, lugte um sie herum und sah, wie Hermione auf der linken Seite in einem Haus mit dreckigweißer Fassade und einer roten Holztür verschwand, und wie die Tür ins Schloss fiel. Vor dem Haus stand ein altes, klappriges Fahrrad, die Blumen in den Blumenkästen waren verdorrt, die Gardinen der Fenster waren unterschiedlich in Farbe und Stoff und passten nicht wirklich zusammen.
Harry fühlte seine Knie weich werden. Jetzt, wo er Hermione gefunden hatte, war es ihm fast lieber er hätte es nicht getan. Er hatte Angst davor, was er Hermione damit antun würde, wenn er hier plötzlich vor ihrer Tür aufkreuzte, hatte Angst davor, wie sie bei seinem Anblick reagieren würde und noch mehr Angst davor, dass sie ihm vielleicht nicht glauben würde. Wie um Himmels Willen sollte er ihr es erklären? Er hatte ja selbst keine Antwort darauf, er hatte sich darauf verlassen, dass Hermione es ihm würde erklären können, so wie sie es immer getan hatte… Zögernd und sehr langsam steuerte er auf die Haustür zu, und als er endlich davor stand kostete es ihn mehr als bloße Überwindung, seine Hand zu heben und anzuklopfen. Der Kloß in seinem Hals schien zu einer unerträglichen Größe anzuwachsen, seine Beine jeden Moment seinem Gewicht nachzugeben. Er wartete, halb betend, dass Hermione die Tür nicht öffnen würde. Aber sie tat es.

Sie öffnete die Tür nur einen spaltbreit, doch selbst in dem dämmrigen Licht konnte Harry ihre grünen Augen und ihr lockiges Haar erkennen. Hermione starrte ihn für einen Moment lang wie vom Blitz getroffen an, ihren Augen nicht trauend, dann lief sie kalkbleich an und stieß sie einen erstickten Schrei aus. Wie in Panik stolperte sie ein paar Schritte rückwärts, bis sie wie ein in die Enge getriebenes Tier mit dem Rücken zur Wand stand, und vergaß die Tür zu schließen.
"Das ist unmöglich!" kreischte sie.

Harry trat einen Schritt in die Wohnung ein, näherte sich Hermione aber nicht näher, weil er wusste, dass sie es nicht zulassen würde. Stattdessen hob er beruhigend die Hände und versuchte, ruhig und sachlich zu klingen.
"Hermione, ich bin es … Harry."

Seine Freundin schüttelte energisch den Kopf. "Das ist unmöglich… DAS IST UNMÖGLICH!"

"Hermione, du musst mir glauben, ich BIN Harry…."

"Harry ist tot, ich war dabei als Voldemort Harry getötet hat!"

"Nein, ich…"

"ICH HABE ES GESEHN!" schrie sie voller Verzweiflung, als ob sie ihn allein dadurch zum Gehen bewegen könne. Harry fühlte einen Stich in seinem Herzen, als er sie diese Worte schreien hörte, so voller Wut und Schmerz. Er fragte sich, ob er es überlebt hätte Ron oder sie sterben zu sehen.

"Ich weiß, Hermione, ich weiß … aber …"

"Hat Voldemort dich geschickt?!"

"Voldemort? Voldemort ist tot…." Erwiderte Harry verwirrt. Hermione lachte laut und schrill, fast wie eine Wahnsinnige, und das machte Harry Angst.

"Tot sagst du???? Oh ja, tot …. Voldemort muss mich für sehr dumm halten wenn er sich keinen besseren Trick einfallen lassen kann…"

"Ich bin nicht von Voldemort …. "

"Nein, natürlich nicht…" sagte sie, und aus jedem ihrer Worte tropfte purer Sarkasmus. Dann schwang ihr Ton über zu schmerzvoller Bitterkeit. "Er nimmt mir immer das, was ich am Meisten liebe, warum sollte er mir etwas wiedergeben? Das entspräche nicht seiner Natur, seinen sorgsam ausgefeilten Plänen mich zu zerstören…"

Harry starrte sie sprachlos an, noch nie in seinem Leben hatte er Hermione etwas von sich geben hören, dass derart voll bitterer Lebenserfahrung und Hoffnungslosigkeit steckte. Wo war die optimistische, lebensfrohe Hermione geblieben, die er so liebte und schätzte?

"Mione, ich bin Harry, ich bin es wirklich …. "

Irgendetwas in Harrys Worten schien die unsichtbare Schutzmauer um sie herum durchbrochen zu haben, den plötzlich hob sie ihren Kopf ein wenig und sah ihn zum ersten Mal wirklich an.

"Was hast du gesagt?" flüsterte sie.

"Ich sagte, ich bin Harry…"

Sie schüttelte den Kopf.

"Wie du mich genannt hast."

Harry runzelte die Stirn. "Mione." Sagte er dann. Hermione schnappte laut nach Luft, als er ihren Namen aussprach, wandte den Blick wieder nach unten und begann, etwas vor sich hin zu murmeln. Harry brauchte einen Moment um zu begreifen, dass sie mit sich selber sprach.
"Ganz unmöglich …. Voldemort könnte nie wissen … oder doch? Nein, nein, so etwas wäre für ihn nicht von Belangen …. Aber der Dunkle Lord darf nicht unterschätzt werden … viele Wege kennt er, oh ja …."

Harry atmete tief durch.

"Hermione … Mione…. Ich weiß, dass es unmöglich ist. Ich weiß, dass du gesehen hast wie er mich getötet hat. Und ich weiß, dass es völlig verrückt klingt … aber du musst mir bitte glauben … ich BIN Henry James Potter, und ich kann und werde es dir beweisen wenn du mich lässt .. aber ich bin genauso erschrocken und verwirrt wie du, ich habe keine Ahnung was los ist und du bist die Einzige, die mir helfen kann… bitte, Mione, bitte." Flehte er.

Sie sah wieder hoch, in seine Augen, doch dieses mal wirkte sie entschlossen und zu allem bereit.

"Harry nannte mich immer Mione, wenn wir allein waren…." Sagte sie tonlos, hob langsam ihren Zauberstab und richtete ihn genau auf Harrys Brust. "… aber Harry ist tot, und was immer du auch bist, ich schwöre, dass ich dich töten werde wenn du nicht auf der Stelle mein Haus verlässt."

Harry öffnete den Mund, um zu antworten, doch Hermione schnitt ihm das Wort ab. "Es ist mein Ernst …. LOS!!! VERSCHWINDE!!!!" Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten. Er spürte, dass es keinen Zweck hatte mit Hermione zu reden, zu tief saß die Angst in ihr, verletzt, enttäuscht zu werden. Er nickte matt und trat wieder ins Freie, und sofort wurde die Tür hinter ihm geschlossen und verriegelt. Da stand er nun. Verlassen, hilflos allein. Hermione war seine letzte Chance gewesen, aber sie weigerte sich zu glauben, dass er es wirklich war. Es fing wieder an zu regnen.

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Ein paar Stunden lang hatte er im Regen gestanden, an die gegenüberliegende Häuserwand gelehnt und abwechselnd in den grauen Himmel und auf Hermiones Haus gestarrt. Manchmal sah er, wie sich die Vorhänge bewegten, doch sie hatte sich ihm nicht mehr gezeigt oder gar mit ihm geredet. Sein Kopf war wie leer gefegt. Das Gefühl, von einer riesigen Flutwelle überrannt zu werden, war allgegenwärtig. Es wurde früh dunkel, sogar für November. In den Häusern wurden die Lichter angeschaltet, aber nicht in Hermiones. Harry seufzte laut. Seinen Gedanken nachhängend, bemerkte er erst viel zu spät, dass sich ihm eine Gruppe von 6 Jugendlichen genähert hatte, ziemlich finster drein schauende Gestalten, bleich, mit harten Gesichtszügen, ohne Lächeln, dafür mit Baseballschlägern und niederträchtigen Grinsen ausgestattet. Als er sich ihrer Anwesenheit bewusst wurde, hatten sie sich schon lange vor ihm aufgebaut und blickten ihn erwartungsvoll aus ihren schwarzen Augen an. Ein mulmiges Gefühl stieg in Harry hoch, die dunkle Vorahnung, dass das hier nicht gut ausgehen würde - für ihn.

"Na sieh mal einer an, was haben wir denn hier?" zischte eines der Mitglieder, ein groß gewachsener, fadenblonder Typ, der Harry um mindestens einen Kopf überragte und der Anführer zu sein schien.

"Hast du dich verlaufen?" säuselte ein Mädchen, das um die 17 sein musste, ihre funkelnden blauen Augen musterten ihn gierig.

"Nein … nein …" stotterte Harry.

"Ich glaube schon. Was für eine Schande, wo du doch so ein Hübscher bist." Fuhr das Mädchen fort, sie kam ein paar Schritte näher, so nahe, dass Harry beinahe ihren Herzschlag spüren konnte. Harry schüttelte den Kopf und starrte erschrocken von einem zum andern.

"Ich … ich … was wollt ihr?"

"Wir? Wir wollen spielen." Grinste der Anführertyp.

"Spielen?"

"Oh ja … ich versprech' dir es wird lustig werden … na ja, für uns zumindest." Er lachte hohl. "Also, bevor wir spielen … hast du etwas bei dir, dass du uns aushändigen möchtest? Geld vielleicht?"

Da Widerstand sowieso zwecklos schien und die Anderen in der Überzahl waren, griff Harry in seine Hosentasche und zog ein paar englische Pfundnoten heraus. Der Fadenblonde sah ihn an, kochend vor Wut, dann holte er aus um Harry hart ins Gesicht zu schlagen. Die Wucht des Aufpralls ließ Harry taumeln.

"Halt uns nicht zum Narren, du Winzling, was denkst du eigentlich wer du bist??? Rück jetzt das verfluchte Geld raus! Oder ich breche dir jeden Knochen einzeln!"

Langsam ließ Harry seine and in seine andere Hosentasche gleiten bis er die Sickel-, Knut- und Galleonenmünzen fühlte, umschloss sie, zog sie hervor und steckte sie dem Kerl auf der flachen Hand entgegen. Der Fadenblonde nickte schief grinsend.

"Na also … es geht doch … " Er nahm die Münzen und ließ sie in seine Taschen gleiten.
"Ist das alles was du hast?"

Harry nickte kurz. Fast unwahrnehmbar gab der Anführer dem Rest seiner Truppe Zeichen, und bevor Harry so recht wusste wie ihm geschah, hatte der Junge rechts neben ihm ausgeholt und ihm mit dem Baseballschläger mit voller Kraft in die Rippen gehauen. Irgendetwas in seinem Körper gab ein lautes, unangenehmes Geräusch von sich, Harry schrie auf vor Schmerz und Entsetzen, und fiel wie ein Sack Beton zu Boden. Er schlug hart mit dem Ellbogen auf, wieder knackte etwas und er verlor das Gefühl in seinem rechten Unterarm. Geistesgegenwärtig rollte Harry sich auf den Rücken und wollte nach seinem Zauberstab greifen, doch er war zu langsam, der schwarzhaarige Anführer trat ihm gegen den linken Arm, und ohne sich irgendwie verteidigen zu können hatte der Kerl ihn mit übermenschlicher Kraft am Kragen hochgezogen und seine Kehle fest umschlossen. Harry strampelte und versuchte sich gegen den tödlichen Griff seines Feindes zu wehren, doch er war zu schwach, und er spürte wie die Luft in seinen Lungen weniger wurde, bald konnte er nur noch röcheln, sein Körper begann nachzugeben, während seine Angreifer um ihn herum höhnisch lachten.

Und dann war da plötzlich der Schmerz in seinem Nacken, der Schmerz von zwei Reißzähnen die in das Fleisch gerammt wurden. Vampire fuhr es Harry halb benommen durch den Kopf. Seit wann … ... doch weiter kam er nicht, der Vampir saugte ihm das Blut aus seinen Adern und mit ihm alle Lebenskraft. Bald ist es zu Ende. Dachte Harry, während ihm immer schwindeliger wurde und er das Gefühl über seinen Körper zu verlieren begann, und wieder empfand er keine Angst. Schwärze umhüllte ihn, gnädiges Nichts, die Geräusche wurden gedämpfter und schienen sich von ihm zu entfernen, Frieden überkam ihn, eine unbeschreibliche Ruhe. Dann hörte er plötzlich das Geräusch von Wasser, welches verschüttet wurde, gefolgt von entsetztem Schreien, er wollte wissen wer ihn in seinem Frieden störte, dann wurde er los gelassen und stürzte halt - und hilflos zu Boden und er wusste nichts mehr. .