Inhalt : Harry ist nicht mehr derselbe … nicht seit dem Kampf um Hogwarts. Das Leben erscheint so sinnlos. Und dann geschieht etwas vollkommen Unglaubliches, etwas, dass Harry wieder einmal seinem ärgsten Feind gegenüberstellt …
Altersbeschränkung : Aufgrund er mangelnden Liebeszenen und der Tatsache, dass Herr der Ringe auch ab 12 freigegeben ist … ja, ab 12 eben :o)
Disclaimer : Alle hier enthaltenden Figuren und Orte (mit Ausnahme derer, die ich erfunden habe) gehören Joanne K. Rowling und Warner Bros., eine Copyright-Verletzung ist nicht beabsichtigt.
Kategorie: Mystery, Drama, Dark-Fiction
Betaleser : Die liebe, liebe Tia *wild wink* …. Danke für die Hilfe!
Anmerkung : Gaaaanz wichtig: das hier ist Stand nach Buch 4, das heißt unser Lieblingsanimagus lebt noch - mehr oder weniger… die Idee kam mir vor "Order of the Phoenix", deswegen sieht die "Realität" hier etwas anders aus … nur das ihr's wisst *gg* .
An die Leser : Okay, das hier ist meine erste Fanfiction, deswegen habt Nachsicht mit mir, falls ich etwas durcheinander gebracht habe … ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und es wäre schön von euch zu hören, wie ihr meine Geschichte findet …
ACHTUNG: Da meine Betal-Leserin zurzeit leider im Kranken haus ist (Gute Besserung Tia!!!) habe ich mich entschlossen, vorläufig die unlektorierte Fassung online zu stellen ... aber sobald Tia wieder auf den Beinen ist (toi toi toi ....) kommt hier die "endgültige" Version hin!
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I've had many times I can tell you
Times when innocence I'd trade for company
And children saw me crying
I thought I'd had my share of that
But these miss you nights are the longest
Midnight diamonds stud my heaven
Southward burning like the jewels that are your face
And the warm winds that embrace me
Just as surely kissed your face
Yet these miss you nights they're the longest
(Lay down) Lay down all thoughts of your surrender
It's only me who's killing time
(Lay down) Lay down all dreams and feelings once remembered
It's just the same this miss you game
Thinking of my going
How to cut the thread and leave it all behind
Looking windward for my comfort
I take each day as it arrives
But these miss you nights are the longest
But these miss you nights are the longest
(c) Cliff Richard/Westlife, "Miss You Nights"
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Sie lag rücklings auf der grünen Wiese, das Gras stand hoch und duftete herrlich nach den letzten Strahlen des Sommers. So hoch war es, dass sie die Welt um sich herum wie durch einen Dschungel wahrnahm. Sie hörte das Zirpen der Grillen, das Singen der Vögel und das Rauschen des Windes in den Gräsern. Um sie herum war es friedlich, der Himmel war makellos blau und obwohl die Sonne auf sie nieder schien fühlte sie nur angenehme Wärme und Glück. Sie war zufrieden. Wohlig schloss sie die Augen und spürte das Leben der Pflanzen und Tiere um sie herum als seien sie ein Teil von ihr selbst, ihre Kinder, ihre Schützlinge.
Sie wartete. Worauf? Sie wusste es selber nicht. Sie wusste nur, dass sie warten musste, eine Stimme in ihrem Kopf befahl es ihr. Und warum auch nicht? Warum sollte sie an solch einem herrlichen Tag nicht warten … worauf auch immer. Sie würde es schon erfahren, immerhin war das hier ein Traum. Sie lauschte. Lauschte angestrengt. Und dann hörte sie, wie ihr Name leise gerufen wurde. Zufrieden lächelte sie in sch hinein… genau wie sie gedacht hatte. Vorfreude stieg in ihr hoch - er war gekommen.
"Hermione!" hörte sie ihn rufen, seine Stimme wurde lauter als er näher kam. Als er fast vor ihr stand und sie meinte, er müsse jeden Moment über sie stolpern, setzte sie sich auf. Er blieb stehen, erschrak sich aber nicht, als ob er von ihrer Anwesenheit gewusst hätte. Sie betrachtete ihn einen Moment lang, er hatte sich so gar nicht verändert, sein Gesicht war noch immer das des lebenslustigen Jungen, der sie verlassen hatte. Vor vier Jahren. Eine Welle puren Glücks schoss durch ihren Körper, als sie ihn erblickte, füllte ihrer Adern mit nichts als Freude und dem unbeschreiblichen Gefühl, zu Hause zu sein.
"Ron." Flüsterte sie. "Du hast mich gefunden."
"Natürlich habe ich das." Er lächelte sie an, und griff nach ihrer Hand. Sie schluckte.
"Ich habe so lange auf dich gewartet."
"Ich weiß … aber jetzt bin ich ja da."
Er trat näher und nahm ihr Gesicht in die Hände, sie schloss die Augen und spürte seine Wange an ihrer ruhen, und fühlte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Reflexartig umklammerte sie Rons Unterarme mit ihren Händen, um ihn festzuhalten und nie mehr los zu lassen.
"Warum warst du so lange fort?" schluchzte sie, und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Wie sie ihn vermisst hatte. Wie sehr sie ihn vermisst hatte!!! Ein Anflug von Traurigkeit überschattete plötzlich sein Gesicht.
"Ich konnte nicht, Hermione. Du warst nicht bereit. Du hättest es nicht verkraftet. Aber jetzt ist es anders."
"Wegen Harry?"
"Ja, wegen Harry." Sagte er ruhig. Seine Stimme lang so unglaublich sanft, wie die eines Engels. "Er wird dir helfen, mich wiederzufinden. Er wird dir helfen, wieder zu leben."
Sie runzelte die Stirn. "Das verstehe ich nicht."
"Du wirst." Sagte er, und griff wieder nach ihrer Hand. "Komm, wir gehen ein Stück spazieren."
Er zog sie sanft mit sich, und Hand in Hand gingen sie nebeneinander spazieren, schweigend, die Vollkommenheit des Augenblicks genießend. Es war, als hätte der Schöpfer sie persönlich eingeladen, ein Weilchen in seinem Paradies zu verbringen. Es dauerte nicht lang, und sie hatten den Saum eines Waldes erreicht, dunkel und unheimlich ragten die hohen Bäume vor ihnen auf. Es wurde kalt, dunkel und totenstill. Sie waren an die Grenze des Paradieses gelangt.
"Hier muss ich dich verlassen, meine Liebe." Sagte Ron und sah ihr fest in die Augen.
"Nein." Flüsterte Hermione. "Bitte geh noch nicht."
"Ich muss."
Er trat näher an sie heran und küsste sie sanft. Dann machte er einen Schritt zurück, den Blick unaufhörlich auf ihr ruhend. "Auf Wiedersehen, Hermione."
"Nein!" rief sie verzweifelt, und versuchte ihn festzuhalten, doch er entzog sich ihrem Griff.
"Versteh doch Hermione, ich muss zurück."
"Bitte Ron, nur noch ein Weilchen…"
"Pass auf Harry auf, Hermione. Er braucht deine Hilfe. Und gib auf dich selbst Acht, meine Liebe."
"Ron, bitte…. Du darfst nicht…"
Er lächelte sie traurig an, wie ein Clown, dem die Tränen die Camouflage verschmieren.
"Ich liebe dich Hermione. Vergiss das nicht."
Und er wandte sich ab, trat in den dunklen Wald ein und war verschwunden. Kraftlos sank Hermione auf die Knie, weinend, zitternd.
"Komm zurück, Ron!" schrie sie, blind vor Verzweiflung und Kummer. "Komm zurück! KOMM ZURÜCK! KOMM ZURÜCK!!!! KOMM……"
Sie weinte und schrie immer noch, als sie aufwachte. Die Tränen rannen ihr wie Bäche über das Gesicht, verschleierten ihren Blick; so sehr, dass sie erst nach ein paar Sekunden bemerkte, dass Harry in der Tür stand und sie ansah. Sie zuckte leicht zusammen vor Schreck und wischte sich eilig die Tränen von den Wangen, was aber zwecklos war, weil immer Neue nachkamen. Harry stand im Türrahmen und betrachtete sie stirnrunzelnd. Er trug den alten blaurot gestreiften Morgenmantel von Sirius, den er ihm geliehen hatte und der ihm etwas zu groß war, seine Haare standen in alle Berge ab und seine Brille saß etwas schief auf der Nase. Er schien noch ziemlich wackelig auf den Beinen zu sein, und war blass und matt.
"Harry!" rief Hermione aus, und wandte das Gesicht ab. Sie wollte nicht, dass er sie weinen sah, was natürlich Blödsinn war, weil er anscheinend schon vorher ein Weilchen in der Tür gestanden hatte.
"Hermione, was ist? Ich hab dich schreien gehört."
"Nichts…." Brachte sie zwischen zwei Schluchzern hervor. Harry fragte nicht weiter, sondern ging zu ihrem Bett, setzt sie neben sie und blickte ihr in die Augen. Er wusste nicht recht, was er tun sollte, und so wartete er ab. Hermione erwiderte seinen Blick, aber nur ein paar Sekunden, dann fiel sie ihm plötzlich schluchzend um den Hals. Harry spürte wie sich ihre Finger in seinen Rücken bohrten, weil Hermione verzweifelt versuchte sich irgendwo festzuhalten, sich an etwas zu klammern, etwas Reales. Sie wurde so von Weinkrämpfen geschüttelt, dass sie weder reden noch ihn loslassen konnte.
"Hermione, was ist? Was ist los?" fragte er erneut, kurz davor stehend in Panik auszubrechen, weil er Hermione noch nie so vollkommen aufgelöst erlebt hatte, aber er bekam keine Antwort. Stattdessen weinte sie unerbittlich weiter, minutenlang, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Es war, als ob sie die Tränen jahrelang in einem großen Stausee aufgestaut hatte, und jetzt war der Damm eingestürzt worden, warum auch immer. Harry konnte nichts weiter tun, als sie weinen zu lassen, so lange, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Und vielleicht war es ja auch genau das, was sie jetzt brauchte - eine Schulter zum Ausweinen.
Schließlich hatte sie sich einigermaßen beruhigt, zumindest hatte sie aufgehört zu weinen, aber vielleicht lag es auch bloß daran, dass sie keine Tränen mehr hatte. Sie löste sich zitternd aus der Umarmung und starrte auf den Boden vor ihr. Als ob sie sich Harrys Anwesenheit gar nicht bewusst war. Harry schwieg einen Augenblick, dann versuchte er es noch mal.
"Hermione, was ist passiert? Was hast du?"
Dieses Mal schüttelte sie wenigstens den Kopf zur Antwort, um zu zeigen, dass sie ihn zwar verstanden hatte aber nicht antworten wollte. Harry seufzte und kratzte sich innerlich am Kopf. Und dann wusste er, dass er die Frage stellen musste, vor deren Antwort er sich so sehr fürchtete, dass er es bisher nicht gewagt hatte sie auszusprechen. Er schluckte.
"Hermione? Wo ist Ron?" fragte er schließlich. Er sah, wie sie erstarrte, und sich langsam zu ihm umdrehte, aber seinem Blick auswich. Sie war furchtbar blass. Sie öffnete den Mund um zu antworten, doch es kam kein Ton heraus. Sie schüttelte wieder leicht den Kopf, wobei ihr ihre lockigen Haare ins Gesicht fielen, und schwieg.
"Wo ist Ron?" wiederholte Harry eindringlicher.
"Er …. Er ist fort." Erwiderte sie schließlich mit brüchiger Stimme.
"Wohin ist er gegangen?" fragte Harry, obwohl ihm schmerzlich bewusst wurde, dass er die Antwort bereits kannte.
"Er ist für immer fort gegangen …. Er wird nie mehr zurückkehren…." Sagte sie leise. Sie konnte es nicht aussprechen … sie konnte es einfach nicht …. Jedes Mal, wenn sie das Wort sagte oder auch nur dachte, brachte sie ihn immer wieder ein bisschen mehr um. Harry packte sie sanft am Arm und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Er sah, dass sich ihre Augen schon wieder mit Tränen füllten, und den Ausdruck jener schrecklichen Verzweiflung hatten, wenn man einer unfassbaren Tatsache ins Gesicht sehen muss. Harry schluckte hart.
"Er … er ist tot, nicht wahr?" fragte er. Sie nickte bloß und erwiderte leise, fast unhörbar: "Ja."
"Hat …. hat Voldemort ihn getötet?"
Wieder nickte sie. Harry wusste nicht, was er sagen sollte …. Es war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weg gezogen und er in ein tiefes Loch fallen, als würde eine meterhohe Welle mit voller Wucht über ihn hineinbrechen, als würde ihn eine eiskalte Hand von hinten an ihn ranschleichen um ihn langsam zu erwürgen. Ron war tot. Nicht dass nur Remus tot war … nein, sein erster und bester Freund, für den er sein Leben gegeben hätte, ohne auch nur einen Moment zu zögern, er war tot. Umgebracht von Voldemort. Er fühlte sich wie betäubt, nichts schien mehr etwas zu bedeuten, die Zeit, was um ihn herum war - nichts. Ron war tot. Wie konnte das sein? Das war einfach nicht wahr, konnte es gar nicht sein. Ron konnte einfach nicht sterben … Harry hatte sich in den letzten Jahren so an Rons Freundschaft gewöhnt, dass er sich ein Leben ohne gar nicht vorstellen konnte - nie im Leben, nicht mal im entlegensten Teil seines Herzens hatte er je damit gerechnet, einmal ohne Ron Weasley da zu stehen. Ron war einfach immer da gewesen, und irgendwie hatte Harry angenommen, dass es auch so bleiben würde. Selbst beim Kampf um Hogwarts hatte er der Möglichkeit, dass er selber es nicht überleben würde ins Auge gesehen - aber das Ron sterben könnte, das hatte er nie in Betracht gezogen. Weil Ron und er einfach zusammen gehörten …. Harry war so geschockt, dass er noch nicht einmal antworten konnte.
Hermione sah ihn besorgt an, während sie selbst immer noch hart gegen die Tränen ankämpfen musste, die unerbittlich in ihr hochstiegen. Jetzt wusste er es also, Gott, hätte es keinen besseren Zeitpunkt dafür geben können? Sie hätte Sirius' Hilfe gebraucht … aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Und vielleicht war sowieso jeder Zeitpunkt dafür schlecht. Da saß er, Harry Potter, der immer der beste Freund ihres geliebten Rons gewesen war, er war wieder da, hier und sie konnte ihn anfassen und umarmen und mit ihm lachen. Warum hatte es nicht Ron sein können? Sie erschrak über diese Frage, erschrak darüber, dass sie überhaupt so etwas denken konnte … wie konnte sie sich bloß wünschen, dass Ron Harrys Platz einnahm??? Wie konnte sie nur? Sie war so glücklich, dass Harry wieder bei ihr war, war es wirklich aber … irgendetwas tief in drin wünschte sich, dass es Ron statt Harry war. Seit sie mit ihm geredet hatte, war ihr schmerzlich bewusst geworden, dass da etwas fehlte - noch mehr als sonst. Die vergangenen Jahre war sie allein gewesen, aber jetzt war Harry da und ihr Trio war fast wieder komplett, bis auf einen fehlenden Teil - Ron. Die Lücke, die er hinterlassen hatte wurde umso deutlicher, je länger sie Harry betrachtete. Sie kannte ihren Kameraden eigentlich nur in Begleitung von Ron, von dem Tag an, an dem der kleine, schmächtige, schüchterne Junge nach Hogwarts gekommen war, waren Ron und er unzertrennlich gewesen.
Und jetzt saß Harry hier, allein, irgendwie wirkte er schutzlos ohne Ron. Hermione musste scher schlucken. Harrys Anwesenheit ließ sie Ron nur noch umso mehr vermissen. Es war Harry gegenüber unfair, aber so war es nun mal…
Harry schwieg immer noch, und starrte wie in Trance in die Luft. Er zeigte keine Anzeichen von Weinen oder überhaupt irgendeiner Gefühlsregung, er war wie versteinert. Seine Augen waren angefüllt mit Unverständnis und Schmerz, und doch irgendwie leer. Es war unheimlich. Von allen möglichen Reaktion war diese pure Teilnahmslosigkeit die letzte gewesen, mit der sie gerechnet hatte. Und es ließ sie nur in Ansätzen ahnen, was für einen Schock diese Nachricht Harry verpasst hatte.
"Harry?" fragte sie. "Alles in Ordnung?" Was für eine saudumme Frage du blöde Kuh. Hörte sie ihre eigene Stimme in ihrem Kopf.
"Wie hat er ihn getötet?" kam es von Harry zurück. Sein Tonfall war nüchtern, keine Spur von Wut oder Trauer. Hermione antwortete nicht, sie wollte sich nicht an diesen Augenblick erinnern, an diesen Tag der ihr so viel im Leben genommen hatte. "Hermione, bitte." Sagte Harry und zum erstenmal war das etwas Flehendes in seiner Stimme. Sie seufzte.
"Es …. Kurz nachdem Voldemort dich getötet hatte, kam Ron auf die Wiese gerannt, irgendwie musste er mitbekommen haben wie Sirius dir gefolgt war. Er kam auf uns zugerannt, vollkommen schutzlos … in Panik, weil er schemenhaft deinen Körper im Gras liegen sehen konnte und wie Sirius sich weinend darüber beugte, und mein gelähmter Körper der wie tot da lag … und Voldemort feuerte den Avada Kedavra auf ihn, einfach so, ohne ein Wort oder eine Gefühlsregung…. Und im nächsten Moment war er auch schon tot…." Die letzten Wörter waren leiser gewesen, als der Anfang ihrer Erzählung, brüchig weil schon wieder Tränen in ihr hochstiegen und runter geschluckt werden wollten. Harry senkte leicht den Kopf, und schien in Gedanken versunken zu sein. Er schwieg für etwa eine Minute, dann sagte er:
"Alles ist so anders …. Als ob ich in einer vollkommen anderen Welt wäre … ich laufe hier rum, und fast alles ist verlassen, die Zaubererläden pfeifen auf Geheimhaltung … ihr denkt ich wäre tot... und ich war beim Fuchsbau und … er war zerstört… ich habe keine Ahnung was los ist … ihr wollt es mir nicht sagen, ich weiß …. wahrscheinlich denkt ihr es wäre zuviel für mich …. vielleicht ist es das auch …. aber ihr müsst mir erzählen, was geschehen ist." Er stoppte kurz und sah Hermione fest in die Augen. ‚Ihr müsst.'
Hermione antwortete nicht sofort, sie hatte Harry noch nie so reden hören, und sie wollte die Ereignisse nicht wieder in ihr Gedächtnis rufen. Aber sie verstand ihn - er hatte ein Recht darauf, es zu erfahren. Schließlich nickte sie.
"Also gut … du hast Recht. Ich werde es dir erzählen …. Am besten fragst du mich, was du wissen willst… ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte."
"Warum war der Fuchsbau zerstört? Wo sind die Weasleys?" fragte Harry, obwohl er die Antwort schon wieder vorher kannte.
"Der Fuchsbau wurde von den Todessern zerstört, kurz nachdem der Krieg zu Ende war…." Begann Hermione zögernd. "… und die Weasleys wurden alle …."
"…ermordet." Vollendete Harry den Satz tonlos. Hermione nickte langsam.
"Ja, das wurden sie… Fred und George überlebten als Einzige den Kampf und Hogwarts und wurden später von Voldemorts Dienern öffentlich hingerichtet… "
"Oh mein Gott." Entfuhr es Harry entsetzt. Die Mauer, die ihn in seinem Schock umgeben hatte war zusammen gebrochen, und erlaubte ihm nun erstmals Gefühle wie Schmerz und Angst.
"Das … heißt sie sind alle tot?"
Hermione biss sich auf die Unterlippe und runzelte die Stirn, anscheinend gab es da etwas von dem sie nicht wusste, wie sie es Harry klarmachen konnte.
"Ja …. Und nein."
Harry starrte sie mit einem Gesichtsausdruck, der bloßes Unverständnis verriet, an.
"Wie meinst du das?"
"Ginny lebt noch… aber sie ist nicht mehr die Ginny, die du kennst … sie hat sich nach Ende des Krieges Voldemort angeschlossen."
Harry hatte das Gefühl, dass ihm jemand mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hatte. Ihm war, als würde er taumeln.
"Was hat sie getan???"
"Sie gehört zu seinen Dienern."
"Aber sie …. Sie war doch tot …. Sie ist in den Ruinen von Hogwarts umgekommen…"
"Das dachten wir auch, aber sie lebt..."
"Ginny hätte sich niemals Voldemort angeschlossen!" rief Harry erhitzt aus.
"Ich weiß … aber sie hat es trotzdem getan."
"Oh Gott….."
Sie sah ihn prüfend an und versuchte festzustellen, wie sehr ihn diese Neuigkeit getroffen hatte. In seinen Augen konnte sie das Entsetzen erkennen, und Angst, er fuhr sich nervös durch die Haare, seine Hand zitterte. Sie wusste nicht, ob sie ihn umarmen oder ihm etwas Tröstendes sagen sollte, irgendwie kam ihr Beides unpassend und lächerlich vor. Für das, was sie Harry so eben mitgeteilt hatte und für das, was noch kommen würde, gab es keinen Trost.
"Harry…. Begann sie zögernd, doch sie wurde von ihm unterbrochen.
"Und warum wohnt Sirius hier?"
Sie holte tief Luft. "Das ist … schwer zu erklären… "
"Versuche es."
Wieder sah sie ihn einen Augenblick lang prüfend an, bevor sie schließlich antwortete.
"Voldemort tötete Ron, und er tötete dich…. Und Sirius und mich ließ er am Leben, um uns zu bestrafen, weil er wusste dass es für uns viel schlimmer sein würde, am Leben zu sein in dem Bewusstsein, dass man uns das Liebste auf Erden genommen hatte, als zu sterben. Voldemort war sich darüber klar, dass für mich das Leben ohne Ron - und auch ohne Dich sinnlos erscheinen würde, und bei Sirius war es genauso. Du warst sein ein und alles. Und noch schlimmer - ich würde mit den ewigen Schuldgefühlen leben, dass du nur meinetwegen getötet wurdest, und Ron auch. Weil ich nicht genug aufgepasst hatte. Und Sirius würde sich ewig Vorwürfe machen, nicht schnell genug gewesen zu sein. Und genauso war es auch. Voldemort wusste, dass die größte Strafe für uns sein würde, am Leben zu bleiben während ihr tot wart."
Harry merkte, dass es ihr einige Mühe bereitete darüber zu sprechen. Wieder machte sich Taubheit in seinem Körper breit …
"Sirius verschwand…" fuhr sie schließlich fort, "…und war unauffindbar. Aber irgendwann fand ich raus, dass er sich hier nieder gelassen hatte, und ich stattete ihm einen Besuch ab. Er war …. Wie soll ich das sagen …. Nicht mehr er selbst …. Er saß nur noch in dem Haus hier rum und starrte in die Gegend …. Und dachte über dich nach."
Harry schluckte kurz - Hermione hatte ja keine Ahnung, dass er selber nach Sirius' Tod genauso reagiert hatte.
"Mir ging es zu der Zeit auch nicht besonders, wie du dir sicher vorstellen kannst. Also zog ich kurzerhand hier ein … und haben uns seitdem geholfen, weiterzumachen…. Weiterzuleben…" schloss sie ihren Bericht.
Harry sah sie sprachlos an, weil er keine Ahnung hatte, was er sagen sollte. Nie hätte er gedacht, dass sein Tod Sirius so viel Kummer bereiten könne …. Sirius Black, dem Rebell, der 12 Jahre Gefängnis in Azkaban überlebt hatte und so furchtlos Voldemort gegenüber getreten war… dass dieser Sirius an seinem Tod beinahe verzweifelt war …. Harry wusste genau, wie sein Patenonkel sich gefühlt hatte und konnte es trotzdem nicht nachvollziehen. Vielleicht war das der Preis den man dafür zahlte, in einer Muggelfamilie aufzuwachsen die einen eigentlich gar nicht haben wollte. Er schüttelte den Kopf und zwang sich, nicht darüber nachzudenken ….. nicht jetzt….
"Was … was hat es mit den leeren Straßen auf sich? Warum sind die Zaubererläden in der Öffentlichkeit?" fragte er deshalb schnell.
"Weil … es nur noch Zauberer gibt." Erwiderte Hermione zögernd. Harrys Gesicht hatte den Ausdruck eines Mannes, dem man gerade erzählt hatte Giraffen wären gute Börsenmakler und der Amazonas fließe durch Polen.
"Hermione ich muss dich falsch verstanden …."
Sie seufzte. "Nein, leider nicht."
"Aber das ist doch vollkommen unmöglich … das … das…." Er schüttelte den Kopf, als ob er die Gedanken in seinem Kopf wieder zurechtrücken wolle… gut hier war wirklich vieles merkwürdig, noch viel mehr tragisch und schrecklich, aber DAS …. Das überstieg doch jede Logik …
Hermione sah ihn an, und konnte das, was in seinem Kopf vorging, beinahe akustisch hören. Sein Gesicht sprach Bände, sie hatte das Gefühl, dass sein Kopf jederzeit zu zerspringen drohte. Irgendwie konnte sie ihm sogar ansehen, dass er Kopfschmerzen hatte. Es half nichts, sie würde es ihm erklären müssen, die Dinge, die sie so gerne vergessen hätte… aber nicht einfach beiseite wischen konnte. Dinge, die sie fast zerbrechen ließen …
"Harry, es ist so … Tatsache ist, dass es anscheinend weitaus mehr Zauberer auf der Welt gab als Muggel." Begann sie, und -als sie Harrys ungläubigen Gesichtsausdruck sah- fügte hinzu: "Aber jedes Land hat sein eigenes Ministerium, die diese haben nicht gerade gut nebeneinander kooperiert. Um genau zu sein, gar nicht. Deswegen konnte niemand abschätzen, wie groß der Anteil der Zauberer nun wirklich war. Keiner hat damit gerechnet, dass wir so in der Überzahl sein würden …. Aber Voldemort hat es gewusst, und es genutzt. Du weißt, wie wenige Zaubere den Mumm hatten, sich ihm entgegenzustellen, nicht wahr? Der Ausgang des Krieges hat sein Übriges getan … keiner wagt es, zu rebellieren, sie laufen ihm nach wie räudige Hunde. Und tun alles für ihn. Auf seinen Befehl …. überwältigten sie die Muggel. Töteten Viele und nahmen den Rest gefangen, überall auf der Welt."
"A… aber warum haben sie sich nicht zusammengeschlossen und ihn entmachtet?" fragte Harry, der noch nicht wirklich begriffen hatte, was Hermione ihm da gerade erzählt hatte. Zauberer übernehmen die Weltherrschaft? Das war doch absolut lächerlich!
"Weil Voldemort mehr Anhänger hatte, als du glaubst …. Nicht viele unterstützten wirklich seine Thesen, die Meisten hatten einfach nur Angst um ihr Leben …. Aber die Zahl der Todesser überragte die Zahl der anderen Zauberer bald fast. Und dieser Rest hatte zuviel Angst, um sich gegen Voldemort zu erheben. Um genau zu sein, sie fürchten sich immer noch zu sehr."
Harry blinzelte, weil die Welt vor seinen Augen plötzlich zu flimmern begann. "Also noch mal Hermione …. Du versuchst mir zu erklären, dass die Zauberer die Muggel überwältigt haben und Voldemort jetzt die ganze Erde regiert?"
Sie nickte stumm. Harry starrte sie kurz an, dann, ganz ohne Vorwarnung, brach er in schallendes Gelächter aus. Er lachte und lachte und lachte, schrill und so laut, dass Hermione befürchtete Sirius würde jeden Moment davon aufwachen. Seine Augen weit aufgerissen, das Lachen übernatürlich schallend, sah er aus wie ein Wahnsinniger. Hermione bekam es mit der Angst zu tun …. Vielleicht war es wirklich zuviel auf einmal, sie hätte es wissen müssen, aber wie hätte sie die Informationen denn aufteilen sollen? Er lachte weiter, unaufhörlich, nach Luft schnappend aber er lachte weiter, wie besessen, dann ließ er sich rücklings aufs Bett fallen, vergrub den Kopf unter der Decke und wurde abrupt still, lag vollkommen reglos da. Hermione betrachtete ihn, sie zitterte leicht, weil sie keine Ahnung hatte, was sie jetzt tun sollte. Harrys Reaktion hatte ihr so viel Angst eingejagt, dass sie sich davor fürchtete, noch einen Ausbruch heraufzubeschwören. Als von Harry kein Mucks mehr zu hören war, und er sich nach einer Minute immer noch nicht bewegt hatte, fragte sie schließlich zögernd: "Harry?"
Keine Reaktion.
"Harry, ist alles in Ordnung?"
Sie sah, wie sich sein Körper langsam anspannte und wieder erschlaffte, offensichtlich hatte Harry einmal tief ein- und ausgeatmet um sich zu beruhigen. Sie biss sich auf die Unterlippe, sah sich kurz hilfesuchend um und zog Harry dann, als sie sich sicher war dass sie sich dem Problem wirklich allein stellen musste, die Decke weg.
Er hatte die Beine angezogen, wie ein kleines Kind, die Augen fest zusammen gekniffen und die Hände auf die Ohren gelegt, um nichts mehr zu hören, zu sehen oder zu fühlen. Es hatte etwas Surreales, den Harry Potter, der so mutig gegen Voldemort gekämpft hatte jetzt so zu sehen, klein, hilflos, verängstigt. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Schopf und begann instinktiv, ihn beruhigend über den Kopf zu streicheln.
"Harry? Harry kannst du mich hören?" fragte sie sanft. Er antwortete nicht, doch sie wusste, dass er ihre Worte gehört hatte. Wie verkrampft er da lag! Als ob ihn jemand mit einem Zauber belegt hätte… "Harry, hör mir zu, bitte. Ich weiß, wie schrecklich das für dich sein muss, aber du wolltest die Wahrheit erfahren, und das ist sie … und du weißt noch nicht alles." Sie spürte, wie er leicht zusammen zuckte, und seufzte.
"Harry, ich hab dir erzählt, dass die überlebenden Muggel gefangen genommen wurden, richtig? Das ist nicht ganz korrekt …. Eigentlich wurden sie versklavt. " Sie hörte, dass Harry erschrocken nach Luft schnappte. "Ja, es ist wahr. Voldemort ließ den Rest der Menschheit versklaven, und seine Anhänger folgten ihm bereitwillig. Ich weiß es klingt unglaublich, geradezu verrückt aber … manchmal ist die Wahrheit unglaublicher als die größte Lüge."
Harry gab immer noch keine Antwort. Seine Hände bedeckten jetzt nicht mehr seine Ohren, sondern klammerten sich mit aller Kraft an der Wolldecke fest.
"Aber du weißt, dass es die Wahrheit ist." Fuhr sie mit ruhiger, fester Stimme fort. "Denn du hast die verlassenen Muggelstraßen gesehen, den Park, die Zaubererläden überall, du hast mit Erin gesprochen und du hast in der Öffentlichkeit in einem normalen Pub mit Zauberergeld bezahlt. Welch andere Erklärung könnte es dafür geben, als das die Muggel nicht mehr hier leben? Du weißt, dass es stimmt, tief in dir drin weißt du es."
Sie schwieg einen Moment lang, ihr Blick ruhte besorgt auf Harry, schließlich vernahm sie ein kaum merkliches Nicken seinerseits. Sie fuhr ihm weiter sanft durch die Haare.
"Man sagt, sie müssen in Steinbrüchen, unterirdischen Mienen aber auch als Haussklaven dienen, aber niemand weiß es genau. Man spricht nicht darüber, selbst jene nicht, die Sklaven haben. " Sie pausierte wieder kurz, und war sich ziemlich sicher dass sie jetzt endgültig Harrys Aufmerksamkeit hatte. Er schien angestrengt zuzuhören, war nicht mehr ganz so verkrampft wie am Anfang.
"Wie dem auch ei, ein paar Muggel konnten diesem Schicksal entfliehen. Es gibt immer noch genug Zauberer, die Voldemort nicht unterstützen, und einige unter ihnen, die den Muggeln helfen wo sie können. Es gibt versteckte Dörfer und Kolonien in abgelegenen Bergen, zum Beispiel in Tibet, die von Zauberern mit den besten und wirksamsten Schutzzaubern belegt wurden. Weder Voldemort noch irgend ein anderer Todesser wird sie jemals aufspüren können, wenn die Muggel vorsichtig sind und sie nicht verraten werden."
Sie stoppte wieder, und gab Harry somit Zeit, das, was er soeben gehört hatte einigermaßen zu verdauen, jedenfalls vorläufig.
"Wie …. Wie viele sind noch übrig? Muggel meine ich?" hörte sie Harrys gedämpfte Stimme aus der Tiefe der Wolldecke erklingen.
"Ich weiß nicht." Sagte sie, und pfiff Luft durch die Zähne. "Ein paar Hunderttausend, schätze ich … meine Eltern sind unter ihnen."
Es war, als hätte Harry jemand mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen - natürlich, Hermiones Eltern waren ja ganz gewöhnliche Muggel. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Gott sei Dank hatte Hermione sie nicht AUCH noch verloren, obwohl er bezweifelte dass seine Freundin ihre Eltern in all den Jahren auch nur ein einziges Mal gesehen hatte. Plötzlich fielen ihm die Dursleys ein … ob sie wohl auch …? Hatten sie sich retten können? Waren sie von den Todessern ermordet worden? Wahrscheinlich war es … immerhin hatten die Dursleys ihn groß gezogen … und dann wurde ihm schmerzlich bewusst, dass wenn Tante Petunia tot war, damit auch jede letzte, wirkliche Verbindung zu seiner Mutter verschwunden war. Zwar hatten die Dursleys ihn rausgeschmissen, direkt nachdem Voldemort besiegt worden und Harry volljährig geworden war, aber trotzdem hatte er - egal wie groß der Hass auch gewesen sein mochte - immer das beruhigende Gefühl gehabt, dass ein Teil seiner Familie noch lebte. Und obwohl Sirius und Hermione da waren, fühlte er sich urplötzlich einsamer als jemals zuvor.
"Muss ich noch was wissen?" fragte er dann. Hermione atmete innerlich aus. Er schien sich wieder einigermaßen gefangen zu haben, seine Stimme klang ruhig und rational.
"Nein … nein ich glaube, das war alles."
"Okay."
"Kommst du damit klar? Bist du in Ordnung?"
Er nickte und wandte den Blick hoch zu ihr. Sie sah ihn zweifelnd an.
"Bist du sicher?"
"Ja…"
"Möchtest du darüber reden?"
"Nein …"
"Harry, ich …."
"Ich denke, ich wird jetzt wieder ins Bett gehen…" erwiderte er tonlos, und setzte sich auf. Er bemerkte ihren äußerst besorgten Gesichtsausdruck, und sagte schnell: "Es ist wirklich in Ordnung, Hermione. Ich komme damit klar."
"Wenn du meinst …" antwortete sie zweifelnd.
"Ja."
Er erhob sich, und beugte sich hinunter um Hermione einen Kuss auf die Stirn zu geben, und verließ dann ihr Zimmer. Hermione starrte ihm nach. Hatte er es wirklich so gut aufgenommen? Sie konnte es kaum glauben …. Das konnte gar nicht die Wahrheit sein. Aber sie konnte ihn genauso wenig zwingen, mit ihr darüber zu reden, er war schließlich erwachsen. Sie hoffte bloß, dass er wusste was er tat, und legte sich schlafen.
Harry lag in Hermiones Bett (Hermione schlief immer noch in Sirius' Bett und dieser wiederum nächtigte auf der Couch im Wohnzimmer), und starrte an die Decke. An Schlafen war nicht einmal zu denken, nicht nachdem, was Hermione ihm gerade erzählt hatte. Er fühlte sich, als wenn ihm jemand etwas Schweres vor den Kopf geworfen hätte, wie eine dunkle Gewitterfront, die sich in ihm breit gemacht hatte. Ron ist tot sagte eine Stimme in seinem Kopf. Die anderen Weasleys auch. Deine eigentliche Familie. Ginny dient Voldemort. Die Muggel sind weg, die Dursleys wahrscheinlich auch. Die Stimme hörte nicht auf, ihn mit diesen Gedanken zu quälen, egal ob er die Augen schloss oder ihr befahl zu verschwinden. Es war zwecklos. Ron ist tot …. Alle sind tot …. Muggel verschwunden …. Voldemort Herrscher … Es dauerte nicht lang und seine sorgsam wieder aufgebaute Mauer brach zusammen, und ließ einen Strom aus Tränen frei, er schluchzte so stark in sein Kopfkissen hinein, dass er fast keine Zeit zum Atmen mehr hatte. Er weinte hilflos, unaufhörlich und verzweifelt, alleine in der Dunkelheit, bemüht niemanden aufzuwecken. Als die Morgendämmerung heran brach, fiel er schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Die Nacht, oder besser gesagt die Dunkelheit, war in den letzten Jahren zu seinem Freund geworden, mehr noch als jemals zuvor. Die Dunkelheit gewährte ihm Schutz und Sicherheit, sie nahm ihn unter ihren schwarzen Mantel und verbarg ihn vor allem, was ihn hätte schaden können. Ja, die Nacht war zu seinem Freund, seinem treuen Helfer und Sympathisant geworden, sie verriet ihn niemals.
Die Nacht war unangenehm kühl, aber sternenklar, die Sichel des zunehmenden Mondes war deutlich und hell am Nachthimmel zu erkennen. Kein Laut war zu hören, nicht aus den Häusern und nicht aus der Umgebung herum. Alles war völlig still. Noch nicht mal das Rufen einer Eule war zu vernehmen, als ob sie von seinem Kommen gewusst hatten.
Die Straße lag ruhig und wie ausgestorben da, das fahle Licht der Straßenlaterne beleuchtete nicht mehr als einen kleinen Umkreis um sich herum, und überließ die Häuser in der Dunkelheit sich selbst. Bestens. Das war perfekt. In seinen schwarzen Umhang verhüllt, die Kapuze fast Dementor-artig ins Gesicht gezogen, verharrte er einen kurzen Moment auf der gegenüberliegenden Straßenseite, den Blick auf das kleine, verlotterte Haus am Ende der Straße gerichtet. Das Haus lag wie tot da, die kleinen, schiefen Fenster wie die Höhlen einer Leiche, leblos, leer. Die Farbe blätterte an den meisten Stellen ab, das Dach war leicht schief vom Wind, die Fensterläden wurden gerade noch so von den Angeln daran gehindert, zu Boden zu fallen. Die Gardinen waren schmutzig und zerknittert, die Haustür aus dunkelbraunem, uraltem Holz mit einem vergitterten Fenster in der Mitte. Der Garten war völlig verwildert, und hätte er nicht gewusst, dass hier jemand wohnte, dann hätte er das Haus für verlassen gehalten.
Lautlos, schleichend wie eine Katze wechselte er die Straßenseite und durchquerte den Garten des Hauses, blieb vor der Tür stehen, zögerte kurz und klopfte schließlich feste an, so feste, dass er schon Angst bekam die Tür würde jede Sekunde nach hinten weg stürzen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Tür geöffnet wurde, und eine Stimme "Komm rein." Flüsterte. "Schnell!"
Das brauchte er sich nicht zweimal sagen lassen. Er trat in den dunklen Flur, schloss die Tür, schlug die Kapuze zurück und obwohl er sie nicht sehen konnte wusste er, dass sie da war, und ihn betrachtete.
"Das ging aber schnell …. Lass mich raten, dein Inneres Auge hat es schon vorher gewusst." Bemerkte er trocken.
"Nein", kam die Stimme zurück, "Ich konnte einfach nicht schlafen und wollte mir gerade einen Tee machen. Willst du auch einen?"
Da er sich sehr unterkühlt vorkam, antwortete er mit ‚ja'.
"Tante Sybill, warum machst du kein Licht an?" fragte er, um die Unterhaltung nicht zu sehr einschlafen zu lassen.
"Also wirklich, ich hätte etwas mehr Intelligenz von dir erwartet. Meinst du nicht es fällt auf, wenn hier mitten in der Nacht Licht an ist? Die Nachbarn verdächtigen mich sowieso schon, denke ich, und wir brauchen ja nicht noch mitten in der Nacht Festbeleuchtung. Aber warte hier - an dem Schein einer Kerze dürften sogar sie nichts Merkwürdiges finden."
Sie zündete eine Kerze an, und reichte sie ihm. Das Licht der Kerze erhellte den Flur augenblicklich, und tauchte ihn in ein sanftes braun. In ihrem Schein tauchten plötzlich silberblonde Haare und ebenso helle Augen auf.
"Also, Draco, lass uns ins Schlafzimmer setzen, nur sicherheitshalber. Nur, falls jemand vorbeigeht. Und dann erzählst du mir alles."
"In Ordnung." Antwortete Draco, und folgte ihr in das ebenso dunkle Schlafzimmer. Der Raum war wie immer mit -so schien es jedenfalls - Hunderten von Tüchern dekoriert, die mystisch über die Schränke gelegt waren oder von der Decke hingen. Es roch verdächtig nach ätherischen Ölen und Räucherstäbchen, was nicht gerade dazu beitrug, Dracos leichte Kopfschmerzen, die er schon seit ein paar Tagen mit sich rumschleppte, zu verbessern. Da sonst kein Platz frei war, setzte er sich auf das altmodische Eisenbett und legte seine Robe ab. Alles was er darunter trug war ein paar alte Hosen und ein ebenso alter, grüner Pullover - mehr gab es nicht. Mehr hatte er nicht. Sybill verließ den Raum kurz, um den Tee zu holen, und kam kurz darauf mit einer Kanne und zwei Tassen in der Hand wieder, die sie auf ihrem Nachttisch abstellte.
"Also, wie geht es dir so?" fragte sie, während sie vorsichtig Tee eingoss, ihm eine Tasse gab und sich dann neben ihn setzte. Ihre Augen wirkten durch das Kerzenlicht noch größer als sonst.
"Wie immer." Sagte Draco, mit einem Hauch Bitterkeit in der Stimme, der Sybill nicht entging.
"Warst du wieder in Schwierigkeiten?"
"Nein, ich hatte ein paar ruhige Tage. Relativ ruhig jedenfalls. Vermutlich hatten sie grad keine Lust, mich zu jagen."
"Oder deine Taktik wird besser." Erwiderte sie und grinste schief. Draco sah sie an und grinste zurück. Es war schon seltsam, wie Menschen sich verändern konnten. In Hogwarts war Sybill Trelawney eine alte, mystisch-tuende Hochstaplerin gewesen, mehr oder weniger. Sie hatte betont affektiert gesprochen, so gut wie nie gelächelt und versucht, wie eine Fee durch die Gegend zu schreiten. Und jetzt …. Draco hatte den starken Verdacht, dass das alles bloß Show gewesen war, um von den Schülern in einem Fach wie "Wahrsagung" überhaupt ernst genommen und respektiert zu werden. Vielleicht hatte sie gedacht, dass ihr normale Erscheinung nicht zu einer Frau aus alter Wahrsagerdynastie passen würde. Aber diese Zeiten gehörten jetzt der Vergangenheit an. Hogwarts war zerstört, und Sybill Trelawney musste sich nicht mehr um ihren Ruf kümmern. Es war beinahe erschreckend, wie normal sie von einem Tag auf den andern geworden war.
"Hoffentlich ist dir niemand gefolgt." Sagte sie, und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Draco schüttelte den Kopf, so dass seine kinnlangen Haare ihm wild ins Gesicht fielen.
"Nein, das glaube ich nicht. Die werden mittlerweile wohl auch andere Sorgen haben."
"Hm." Machte seine Tante nur, und goss sich Tee nach. Draco hatte erst nach seinem Abschluss erfahren, dass Sybill Trelawney seine Tante 3. Grades war. Dumbledore hatte seinem Vater verboten, ihm davon zu erzählen, aus Angst er, Draco, wolle dann bevorzugt werden. Und wenn er so zurück dachte, dann war das eine sehr kluge Entscheidung von Albus Dumbledore gewesen - eine der Vielen. Und obwohl Lucius Malfoy Dumbledore schon immer für einen klapprigen, alten Spinner gehalten hatte, hatte er es nicht gewagt Draco davon zu erzählen. Vielleicht war es ihm aber auch einfach zu peinlich gewesen, mit einer derartig schrulligen Frau verwandt zu sein. Lucius Malfoy war Sybill nie persönlich begegnet, konnte also nicht wissen, dass die Maskerade, die sie in Hogwarts trug, zu Hause von ihr abgelegt wurde. Und die restlichen Zaubererfamilien konnten davon ja erst Recht nichts wissen. Lucius hatte Draco erst nach Ende des Krieges davon erzählt.
Sybill sah ihn einen Moment lang prüfend an.
"Und? Hast du ihn gefunden?" fragte sie schließlich, und den Blick konzentriert auf ihn gerichtet. Draco nickte.
"Ja, hab ich."
"War er in Ordnung?"
"Das kann man nicht grad behaupten …. Ich bin ihm ein ganzes Weilchen gefolgt, bis hin nach Dublin …. Er ist nicht dumm, er hat mich bemerkt aber nicht gesehen …. Es wäre trotzdem fast ins Auge gegangen. Die Vampire haben ihn erwischt … vor Hermiones Haus …. Ich konnte sie gerade noch rechtzeitig vertreiben. Und dann musste ich Hermione noch davon überzeugen, dass sie ihn bei sich aufnehmen muss. Sie hat nicht geglaubt, dass es wirklich Harry war …. aber wer würde das auch glauben, nach allem, was passiert ist." Draco seufzte leise.
"Hat sie dich erkannt?"
"Ja … obwohl ich mich vermummt hatte. Aber sie unglaublich klug, wahrscheinlich hat sie meine Stimme wieder erkannt."
"Ich erinnere mich …. Sie war wirklich eine der klügsten Hexen der ich je begegnet bin …. Sie hat mich direkt durchschaut." Sybill lächelte bei diesem Gedanken still in sich hinein.
"Hat sie nicht. Sie hat nie daran geglaubt, dass du das zweite Gesicht hast."
"Das nicht, aber sie hat sofort gewusst, dass mein Unterricht nicht viel bringen würde. Aber das konnte ich damals ja nicht zugeben, oder?"
Draco erwiderte nichts darauf, wo sie Recht hatte, hatte seine Tante Recht. Er beschloss, das Gespräch wieder auf das Ursprungsthema zu lenken.
"Also, warum ist er hier plötzlich wieder aufgetaucht, Tante Sybill? Immerhin ist er schon seit langer Zeit tot …. Er sollte hier nicht quick lebendig rumspringen."
"Mein lieber Draco, ich wünschte ich könnte es dir sagen. Leider bin ich nicht allwissend …. Ich habe nur gesehen, dass er wieder erscheinen würde, in der Nähe von Hogwarts …. Und dass sein Wiederkommen unser aller Geschicke bestimmen wird … in welcher Weise auch immer."
"Irgendetwas Seltsames geht da vor sich."
"Ich weiß. Aber es scheint kein Zauber zu sein."
Draco hob überrascht die Augenbrauen. "Nicht?" Sybill schüttelte den Kopf. "Nein … ich… ich kann es nicht erklären, aber ich weiß einfach das Magie damit nichts zu tun hat."
"Das macht es noch seltsamer."
Sybill seufzte. "Oh ja."
"Lebt Harry denn noch? Hat Hermione ihn retten können?" fragte Draco. Er hätte nie gedacht, dass er noch mal den Tag erleben würde, an dem er sich um Harry sorgen würde. Es war nicht alltäglich, dass ein vermeintlich Toter plötzlich aus dem Nichts wieder auf der Bühne erschien, und es gab ihm ein mulmiges Gefühl wenn seine Tante von Unser aller Geschicke bestimmen wird. sprach.
Sybill zuckte die Schultern, und nahm noch einen Schluck Tee. "Und noch etwas, worauf ich keine Antwort habe. Cassandra wäre wahrlich stolz auf mich. "Sie seufzte erneut. "Aber wenn er lebt, Draco, wird es nicht lange dauern, bis Du-Weißt-Schon-Wer davon Wind bekommt. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis seine Diener Jagd auf ihn machen werden, um ihn zu dem Dunklen Lord zu bringen."
"Und … und jetzt? Was sollen wir tun?"
Seine Tante schaute ihm fest in die Augen. "Bleib in seiner Nähe Draco … beschatte ihn weiterhin. Aber zeig dich ihm nicht. Sie werden ihn nicht töten, das wird Du-Weißt-Schon-Wer selber erledigen wollen. Auf jeden Fall ist es besser, wenn du ihm auf den Fersen bleibst. Das ist alles was wir im Moment tun können."
Draco nickte müde. "In Ordnung." Sybill verzog den Mund ein wenig und runzelte die Stirn.
"Du kannst hier schlafen, für ein paar Stunden …. Bis zur Dämmerung, würde ich sagen. Wenn du zu lange hier bleibst, werden sie es merken."
Der Mann mit dem silberblonden Haaren nickte wieder, und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. "Ja, das wäre schön ….. ich nehme die Couch, ja? Wie immer?"
Sybill Trelawney nickte ihrerseits auch. "Ja, wie immer. Tut mir leid, dass ich dir nicht mehr anbieten kann."
Draco sah sie einen Moment lang an. "Das ist schon in Ordnung." Antwortete er schließlich leise. "Es ist immer noch mehr, als jeder Andere mir anbieten würde."
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Harry schließlich aufwachte. Sein Kopf fühlte sich an, als ob jemand mit einem Hammer kräftig darauf geschlagen hätte, während der Rest seines Körpers anscheinend durch einen Fleischwolf gedreht worden war. Jeder einzelne Muskel schien verspannt zu sein. Er ächzte, als er sich aufsetzte und griff nach seiner Brille. Aus dem Wohnzimmer drangen Hermiones und Sirius Stimme zu ihm. Gerne wäre er liegen geblieben, in sein Bett gekuschelt um einfach weiter zu schlafen, um all die Sachen zu vergessen, die Hermione ihm erzählt hatte. Aber es ging nicht, er wusste es, er musste sich dem allen stellen …. Und so stand er schließlich auf.
Er war immer noch wackelig auf den Beinen, und fühlte sich matt. Er fand Hermione und Sirius gebeugt über vielen, altertümlich-anmutenden Büchern vor, die quer verteilt über allen Sesseln, Tischen und in den Schränken lagen.
"Habt ihr die Bibliothek von Hogwarts ausgeraubt?"
Hermione und Sirius sahen beide gleichzeitig erschrocken auf, weil sie ihn nicht bemerkt hatten. "Harry!" rief Hermione aus. "Wie geht es dir?" "Ganz gut." Log Harry als er sah, wie Sirius abwechselnd ihm und Hermione nervöse Blicke zuwarf. Natürlich - Hermione hatte ihn bereits eingeweiht, dass sie ihm, Harry, alles erzählt hatte. Unschlüssig zeigte er mit dem Finger auf die Bücherstapel und fragte: "Was machen die Bücher hier?"
"Ach …. Wir suchen nach Anhaltspunkten, danach, was dir passiert sein könnte. Gehen die Bücher nach Zaubersprüchen durch, die man vielleicht verwendet haben könnte. So was in der Art." Erwiderte Hermione als ob es sich um eine Nebensächlichkeit handeln würde und blätterte weiter. Das Buch schien seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden zu sein, denn die Seiten staubten entsetzlich sobald Hermione sie umblätterte, und veranlassten Sirius jedes Mal dazu in einen kleinen Hustenanfall auszubrechen.
"Wo habt ihr die her? Sind das deine?"
"Nein, die hab ich heute Morgen aus der Bibliothek des Trinity College geholt…."
"ALLE?"
"Na ja …" druckste sie herum. "Ich war ein paar Mal da … und hab immer noch ein paar unsichtbar gezaubert…. "
"Und das war nicht auffällig?"
"Ach was, die Bibliothekarin ist halb blind und fast taub. Und für Bücher interessiert sich ohnehin keiner mehr, die Leute haben andere Probleme." Erwiderte Hermione und strich fast zärtlich über das Leder, in dem dass Buch, das sie gerade las, eingebunden war.
"Wo sind deine eigenen Bücher?" fragte Harry, dem aufgefallen war, wie leer Hermiones Schränke doch waren. Einmal war er bei Hermione zu Hause gewesen, damals als sie noch zur Schule gegangen waren, und selbst da hatten sich die Regale unter den Lasten der Bücher schon gebogen. Und in dem Haus, das Ron und Hermione gekauft hatten, gab es sogar ein extra Studierzimmer für seine Freundin, voll mit Büchern. Und hier? Hier gab es fast nichts …. Es sah Hermione so gar nicht ähnlich.
"Ich hab sie verkauft." Antwortete sie tonlos. "Ich musste. Ich hatte kein Geld, nichts, und wenn ich mal was verdient habe war es auch nicht gerade viel. … und außerdem hatte ich eh keinen Verwendungszweck für sie."
Harry schluckte. Bücher hatten Hermione immer so viel bedeutet, sie waren wirklich ihre Freunde gewesen… dass sie jetzt so mir nichts dir nichts ihre gesamte Sammlung abgegeben hatte …. Daraus ließ sich erahnen, wie sehr Rons Tod sie getroffen hatte. die Tatsache, so gut wie allein zurück gelassen worden zu sein. Hermione ohne Bücher - das war einfach nicht Hermione. Er schob den Gedanken beiseite.
"Schon was gefunden?"
Diesmal antwortete Sirius: "Nein, nichts. Bisher haben wir noch keinen Spruch gefunden, der mächtig genug wäre so etwas zu verursachen … oder deine Erinnerungen so zu beeinflussen, um vier Jahre deines Lebens auszulöschen. Aber wir suchen weiter. Wir werden schon etwas finden."
Harry fand, dass er nicht wirklich überzeugend klang. Er schien selber nicht wirklich daran zu glauben. Harry seufzte laut.
"Willst du etwas essen, Harry?" fragte Sirius plötzlich. Erst jetzt bemerkte Harry, dass sein Magen knurrte. Er nickte.
"Ja, ich hab Hunger."
"Sehr schön, ich könnte nämlich auch was vertragen. Komm mit in die Küche, Harry."
Sirius erhob sich, und Harry folgte ihm in die winzige Küche, in der nicht viel mehr stand außer einer Spüle, einem Herd und einem Schrank, und einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, den man irgendwie noch hinein gequetscht hatte.
"Möchtest du Rühreier?"
"Hm." Erwiderte Harry, was soviel heißen sollte wie "ja". Sirius kramte eine Pfanne hervor und begann, Frühstück für seinen Patensohn zu machen. So wie er es sich jahrelang gewünscht und vorgestellt hatte. Die Tatsache, dass Harry, den er liebte wie sein eigen Fleisch und Blut, hier saß, und mit ihm redete, einfach da war, erfüllte ihn mit unbeschreiblichen Glück. Während sich Hermione immer noch nicht richtig traute, sich zu freuen, war diese Barriere bei Sirius längst zusammen gebrochen. Sein Patensohn war hier, und das war alles was zählte. Er verteilte das Rührei auf zwei Teller und stellte sie auf den Tisch, gab Harry eine Gabel und setzte sich. Harry nahm das Besteck, und obwohl sogar Sirius seinen Magen knurren hörte, aß er langsam und lustlos. Sirius runzelte die Stirn. Genau wie er befürchtet hatte. Harry hatte schon immer viel von seinen Sorgen und Nöten verschwiegen, nicht weil er den Leuten um sich herum nicht vertraute, sondern weil er sie nicht belasten wollte. Wie Hermione war er ein Typ, der sich nur ungern Hilfe anbieten ließ. Natürlich war es gelogen gewesen, als er vorhin behauptet hatte, es ginge ihm gut.Sirius sah genau, wie Harry mit sich kämpfte, er konnte es in seinen Augen sehn, in seiner Körperhaltung, sogar in der Art wie er aß.
"Harry, wie fühlst du dich?" fragte er schließlich.
Harrys Gabel stoppte auf halbem Weg.
"Besser", erwiderte er betont gelassen, "ich bin nicht mehr ganz so klapprig… ich glaub, ich erhole mich langsam."
Sirius schüttelte den Kopf.
‚Nein, ich meine wie es dir geht? Nachdem, was Hermione dir erzählt hat?'
"Oh." Machte Harry bloß, und schwieg einen Moment. "Ganz gut." Sagte er dann.
‚Blödsinn, Harry. Blödsinn.' Erwiderter Sirius. 'Du hast gerade eben erfahren, dass dein bester Freund und die Leute tot sind, die dir am Nächsten waren. Und dass die Welt, für die du immer gekämpft hast in Trümmern liegt. Es kann dir gar nicht gut gehen.'
Harry starrte ihn an, und wusste nicht was zu sagen. Sein Kopf war wie leer. Er dachte an Ron, an die glücklichen Tage in Hogwarts, er dachte an die Weasleys und den Fuchsbau, an die kleine, unschuldige Ginny … und dann sah er den Fuchsbau in Trümmern liegen, er sah Ron tot auf der Lichtung zu Boden fallen … er bekam Kopfschmerzen bei dem Gedanken daran, er hatte das Gefühl jeden Moment zusammenbrechen zu müssen. Er stützte den Kopf in die Hände und senkte den Kopf, verbarg das Gesicht während er verzweifelt versuchte, die Schluchzer zu unterdrücken. Er musste stark sein, er durfte sich nicht so gehen lassen …
"Harry?" hörte er Sirius Stimme neben sich, sein Patenonkel war wohl aufgestanden und hatte sich neben ihn gestellt. Er fühlte Sirius große Hand auf seiner Schulter ruhen. "Harry es ist okay … du darfst weinen … keiner kann von dir erwarten, dass du so tun könntest, als wenn nichts passiert ist …. Es ist in Ordnung, wenn du das Gefühl hast, überrollt zu werden … . Das ist völlig normal …. aber Harry, ich weiß dass du es packen kannst. Du bist stark, auch wenn du dich gerade schwach fühlst… und du bist auch stark, wenn du deine Schwäche zugibst… und du bist nicht allein, Hermione und ich sind auch da…"
An diesem Punkt schlang Harry die Arme um Sirius Taille (der immer noch aufrecht stand) und brach in Tränen aus. Sirius kniete sich zu ihm hinunter, und umarmte Harry feste, wie ein Vater seinen Sohn. "Es ist okay, Harry, wenn du weinst … es ist okay…" beruhigte Sirius ihn leise. Es tat dem Mann weh, Harry so leiden zu sehen und er wünschte sich irgendetwas tun zu können, um den Schmerz zu lindern.
Harry klammerte sich an Sirius und spürte, wie der Druck, der auf ihm lastete, langsam weniger wurde. Sein Patenonkel hatte Recht - er war nicht allein, es wurde nicht erwartet, dass er es gefasst trug und als Tatsache abstempelte. Komischerweise fühlte er sich direkt besser.
Harry! Harry wo bist du????
Die Stimme war direkt neben ihm gewesen, so schien es jedenfalls, und hatte ihn gerufen. Mit einem Satz war Harry aufgesprungen, und sah sich hektisch nach allen Seiten um. Das war nicht möglich, das war einfach nicht möglich.
Harry wo bist du????
Da war sie schon wieder! In Panik schüttelte er den Kopf…. Wurde er denn jetzt vollkommen wahnsinnig???
"Harry, was ist?" fragte Sirius zu Tode erschrocken. Da stand Harry, zitterte wie Espenlaub, der blanke Schweiß auf der Stirn … die Augen vor Furcht weit aufgerissen.
"Harry, um Gottes Willen…."
"Da … da war Remus!" schrie Harry voller Entsetzen. "Er hat mich gerufen, ganz deutlich ….!!!"
"Harry beruhige dich, da war nichts …."
HARRY!!!!! Wo bist du??????
"Da! Da war sie schon wieder!" kreischte Harry, die Angst lähmte ihn mittlerweile fast. Er war sich so sicher, dass es Remus Lupin war, er kannte seine Stimme, und es war so real, so unglaublich real…. Und dann spürte er wieder diese schwarze Welle auf sich zurollen, unaufhaltsam, wie eine schreckliche Naturgewalt. Er begann zu husten, stärker und stärker und konnte nichts dagegen tun, die Luft blieb ihm weg, dann spürte er wie sich um ihn herum alles auflöste, alles wurde dunkel, er hörte Sirius' und Hermiones entsetztes Schreien, er fiel zu Boden und verlor entgültig das Bewusstsein.
