Inhalt : Harry ist nicht mehr derselbe … nicht seit dem Kampf um Hogwarts. Das Leben erscheint so sinnlos. Und dann geschieht etwas vollkommen Unglaubliches, etwas, dass Harry wieder einmal seinem ärgsten Feind gegenüberstellt …
Altersbeschränkung : Aufgrund er mangelnden Liebeszenen und der Tatsache, dass Herr der Ringe auch ab 12 freigegeben ist … ja, ab 12 eben :o)
Disclaimer : Alle hier enthaltenden Figuren und Orte (mit Ausnahme derer, die ich erfunden habe) gehören Joanne K. Rowling und Warner Bros., eine Copyright-Verletzung ist nicht beabsichtigt.
Kategorie: Mystery, Drama, Dark-Fiction
Betaleser : Die liebe, liebe Tia *wild wink* …. Danke für die Hilfe!
Anmerkung : Gaaaanz wichtig: das hier ist Stand nach Buch 4, das heißt unser Lieblingsanimagus lebt noch - mehr oder weniger… die Idee kam mir vor "Order of the Phoenix", deswegen sieht die "Realität" hier etwas anders aus … nur das ihr's wisst *gg* .
Anmerkung: Tja, daran habt ihr wohl selbst nicht mehr geglaubt, was? Die beiden Kapitel hier waren schon lange geschrieben, aber ich hatte ne zeitlang keine Lust, bzw. keine Zeit zum Schreiben und außerdem gab's Probleme mit ff.net bezüglich des Einloggen's ... na ja ich hoff jedenfalls, die neuen Kapitel gefallen euch(auch wenn sie gar nicht mehr SO neu sind :o) ) ...
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It's a beautiful day I heard everybody say
The sun shines down for all of us
Just the same you know I like the rain
That ain't so obvious
It's a beautiful sight I guess everybody's right
This day belongs to all of us
Even still I like with a chill
That ain't so obvious
We are the normal
We live and we die
With no reason why
We are the normal
We live and we die
With no reason why
It's a beautiful life and I've got it in my sights
And that ain't for all of us
It's a beautiful sound
When my life comes crashin down
That ain't so obvious
It's a beautiful sin and I'm doin' it again
And that ain't for all of us
It's a beautiful life and I've got it in my sights
Ain't that so obvious
We are the normal
We live and we die
With no reason why
We are the normal
We live and we die
With no reason why
(c) Goo Goo Dolls, "We Are The Normal"
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"Was hast du gesagt?" fragte Sirius Black, der glaubte sich verhört zu haben. Harry wandte den Blick von ihm ab und sah zu Hermione, die mindestens genauso ungläubig dreinschaute wie sein Patenonkel.
"Ich will nicht zurück." wiederholte Harry schließlich, dieses Mal etwas lauter. Hermione und Sirius schwiegen entsetzt, weil keiner wusste, was er sagen sollte. Sirius wagte es nicht, Hermione anzusehen, aber er wusste genau, woran sie dachte … an dasselbe, was auch ihm durch den Kopf schoss. Harry wollte nicht zurück, und damit sprach er das aus, worauf sie seit seinem Auftauchen gehofft hatten. Zumindest hatten sie alle beide insgeheim dafür gebetet, dass man ihnen Harry nicht schon wieder wegnehmen würde, dass er bei ihnen bleiben könnte. Das sie ihn für immer zurück hatten. Doch jetzt, wo er seinen Wunsch ausgesprochen hatte wurde ihnen ebenso klar, dass es unmöglich war.
Harry Potter gehörte nicht hierher, dies war nicht seine Welt. Umso rätselhafter erschien es Sirius, dass Harry nicht nach Hause wollte, fort aus dieser Realität wo es nur Schmerz, Zerstörung und Tod gab. Er kratzte sich am Kopf, legte dann eben jenen schief und sah seinen Patensohn nachdenklich an.
"Harry…." Sagte er langsam. "Lass uns einen Abendspaziergang machen …. Frische Luft tut dir bestimmt gut. Du musst schließlich zu Kräften kommen."
Harry blickte ihn mit einem Hauch von Misstrauen in den Augen an, denn er war nicht dumm ….dass sein gesundheitliches Wohlbefinden nicht der einzige Grund für den Abendspaziergang sein würde, war ihm sofort klar. Dennoch hatte er keine Lust sich zu weigern, und es war ihm lieber Sirius würde ihm allein einen Vortrag halten als vor Hermiones Augen. Er nickte.
"In Ordnung."
Sirius schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
"Gut, dann hol schnell …. Ich leih dir lieber eine Jacke von mir, dein Mantel scheint mir nicht grad besonders warm. Moment."
Er sprang auf, lief ins sein Zimmer und kehrte kurz darauf mit einer dick gefütterten Lederjacke zurück. Sie war dunkelbraun, fast schwarz und Harry ein bisschen zu groß, doch wunderbar warm und weich. Sirius erschauderte kurz, als er Harry so sah: In ihrer Jugendzeit hatten James und er sich diese Jacken gekauft und waren sich darin unheimlich cool und männlich vorgekommen. Es war unglaublich, wie sehr Harry seinem Vater glich, jede Handbewegung, jeder Blick schien Sirius so unheimlich vertraut und versetzte ihn zurück in glücklichere Tage, als James und Remus noch gelebt hatten.
"Was ist?" fragte Harry, dem Sirius' entrückter Gesichtsausdruck nicht entgangen war. Sein Patenonkel zuckte kurz zusammen, als ob Harry ihn aus einem Traum aufgeweckt hatte und sagte schnell:
"Nichts. Lass uns gehen."
Sie gingen Richtung Norden, zum Stadtzentrum, passierten die Arbeiterviertel mit den dicht aneinander gedrängten Häusern und den kleinen angeschlossenen Höfen, den unebenen Straßen, sahen in der Ferne die hohen Gebäude des Hafens und erreichten schließlich nach etwa einer halben Stunde Fußmarsch die Liffey, der Fluss der Dublin in Norden und Süden teilt. Die Straßen waren relativ leer, und nur hier und da begegneten sie Passanten, die umhereilten und schnell in den Geschäften verschwanden. Auf einer Bank am Ufer des kanalisierten Flusses setzten sich Patenonkel und Patensohn hin. Eine Weile lang sprach keiner ein Wort, Harry starrte auf den Fluss, das Wetter hatte aufgeklart (wie es in Irland immer innerhalb von nur 10 Minuten geschehen konnte) und nun schimmerte die Liffey in satten Gelb- und Rottönen des Sonnenuntergangs, während die Fassaden der Häuser jetzt orange und gelb schattiert waren. Die Luft war kalt aber angenehm. Er beugte sich ein wenig vor und ignorierte Sirius' immer noch nachdenkliche Blicke.
"Wie friedlich es hier ist." Sagte er leise.
"Das scheint nur so …. In Wirklichkeit herrschen hier bloß Angst und Schrecken. Die Gewalt verursacht die Stille, das ist alles." Antwortete Sirius und seufzte.
"Hm." Machte Harry bloß. Er spürte Sirius Blicke auf sich ruhen und wünschte sich, sein Patenonkel möge doch endlich damit anfangen, ihm eine Standpauke zu halten, ihm zu erklären, dass er komplett wahnsinnig war. Aber nichts davon geschah. Harry hob einen kleinen Kieselstein auf, der auf dem Boden lag und warf ihn ins Wasser. Kleine Ringe bildeten sich auf der Oberfläche und verzerrten das Spiegelbild der Häuser. Die Warterei war das Schlimmste.
"Harry, vorhin als wir uns unterhalten wollten, wurden wir unterbrochen …. " begann Sirius schließlich endlich, "… ich würde gerne … "
"Ja?"
"Unsere Unterhaltung fortsetzen, wenn es dir Recht ist."
Harry hob einen weiteren Kieselstein auf, warf ihn ins Wasser und zuckte die Schultern. "Meinetwegen." Murmelte er. Sirius räusperte sich kurz.
"Verstehst du Harry, jetzt wo ich erfahren habe, dass deine Erinnerungen genauso real sind wie meine … ich möchte wissen, wie es dir so ergangen ist. Was ist in deiner Welt alles passiert? Wie geht es den Leuten? Was treibst du so?"
Harry sah ihn einigermaßen erstaunt an. Mit diesen Fragen hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Wieder zuckte er die Schultern.
"Was willst du denn wissen? Ich wüsste nicht, wo ich anfangen soll…."
"Wie geht es Remus?" platzte es aus Sirius heraus, so schnell als ob diese Frage seit Tagen in seinem Kopf darauf gewartet hatte, eine Gelegenheit zu bekommen um gestellt zu werden. Und genauso war es auch. Hermione hatte Sirius jedes Mal unterbrochen, wenn er von Remus geredet hatte, Sirius wusste zwar, dass sie es im Grunde nur gut mit ihm meinte, ihn keinen falschen Hoffnungen zum Opfer werden lassen wollte, aber dennoch … sie war nicht er, und er wollte es wissen. Musste es wissen.
"Remus?" wiederholte Harry und dachte kurz nach. "Es geht ihm gut …. Wie gesagt, sie haben ihm zum Direktor von Hogwarts gemacht, und er wird von ihnen auf Herz und Nieren geprüft …. Der neue Minister ist Werwölfen nicht viel besser gesonnen als Fudge … aber Remus macht es prima. Die Schüler lieben ihn, und er wird von seinen Kollegen sehr respektiert. Natürlich gibt es Einige, die aus Protest ihre Schüler von der Schule genommen haben …. Vor allem die Größe des Slytherin - Hauses ist dramatisch gesunken …. Aber der Großteil der Eltern war vernünftig genug, Remus eine Chance zu geben. Er war es auch, der mich überredet hat Lehrer zu werden." Bei dem Gedanken daran und an seine erste Unterrichtsstunde musste er unwillkürlich grinsen.
"Irgendwie hab ich immer geahnt, dass aus dir mal ein Lehrer wird." Sagte Sirius schmunzelnd.
"Glaubst du mein Vater wäre auch Lehrer geworden?" fragte Harry ihn vorsichtig. Seine giftgrünen Augen fixierten die Braunen seines Gegenübers. Sirius atmete nachdenklich aus.
"Ich glaub schon … weißt du, in unseren ersten Jahren in Hogwarts waren, hätte das keiner von ihm gedacht. Ich schätze er war zu sehr wie ich." Sirius lachte kurz. "Aber dann, nachdem er in das sechste Jahr kam, und als sich die Sache mit Voldemort als ernst heraus zu kristallisieren begann, da wurde er plötzlich stiller… fast mit einem Schlag erwachsen. Und das war auch ungefähr der Zeitpunkt, wo sich deine Mutter in ihn verliebt hat."
Er machte eine kurze Pause, und seufzte. Sein Blick war entrückt und schien in eine andere Welt zu sehen. Schließlich fuhr er fort.
"Alle dachten damals, aus ihm würde etwas Großes werden. James war verdammt klug, weißt du, und als er sein arrogantes, pubertierendes Verhalten abgelegt hatte wurde er von allen respektiert und geachtet. Er hätte einen guten Lehrer abgegeben, ich glaub er hat es sogar mal in Betracht gezogen. Dann kam Voldemort an die Macht, und James traf die einzige, für ihn richtige Entscheidung. Er und Lily schlossen sich dem Phönixorden an … den Rest kennst du."
Harry nickte langsam. Ja, den Rest kannte er. James und Lily waren gestorben, für ihre Überzeugung und für ihn, Harry. Abwesend malte er mit seiner Fußspitze seinen Namen in den feuchten Lehm. "Warum war er überhaupt so arrogant?" murmelte er dann, mehr zu sich selbst. Aber Sirius hatte ihn gehört.
"Oh, er war nicht wirklich arrogant …. Er dachte lediglich es wäre nur fair, wenn die Welt ihm zu Füßen liegen würde." Sirius grinste schelmisch und Harry musste unwillkürlich lachen. Dann wurde sein Patenonkel plötzlich ernst, wieder war da dieser sanfte, liebevolle Ausdruck in seinem Gesicht, den man von einem Mann wie Sirius nicht erwartet hätte.
"Und Remus? Kümmert er sich gut um dich?" fragte er leise. Etwas lag in seiner Stimme, das Harry eine Gänsehaut verursachte, etwas Verletzliches, Schwermütiges … Trauriges. Er konnte es nicht genau definieren, doch es jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
Harry nickte.
"Ja …. ja das tut er. Er ist immer für mich da …. und passt gut auf mich auf."
Sirius schmunzelte.
"Ich glaube, Harry, das kannst du mittlerweile auch alleine."
Harry lachte kurz und bitter.
"Ich wünschte, das wäre so."
Weil er nicht wusste, wie er diesen Satz deuten sollte, schwieg Sirius Black und betrachtete wieder stirnrunzelnd seinen Patensohn, der es vorzog wieder auf den Fluss zu starren. Harry war verändert, zumindest war er anders als Sirius ihn in Erinnerung gehabt hatte. Von dem lebenslustigen, fröhlichen Jungen war nicht viel übrig geblieben. An ihre Stellen schienen Melancholie und Traurigkeit getreten zu sein. Er war verschlossener denn je, und wenn er etwas sagte dann tat er es, ohne eine wirkliche Botschaft mitzuschicken. Obwohl Harry jetzt seit ein paar Tagen bei ihnen war, wusste Sirius immer noch nicht viel mehr über ihn als am Anfang. Der Animagus vermutete, dass Harry durch eine harte Zeit gegangen war und verstand nicht, warum sein Patensohn ihm nicht davon erzählen wollte.
Umso mehr beruhigte es ihn, dass sein alter Freund Remus sich während der letzten Jahre um Harry gekümmert hatte. Der Werwolf besaß ein Herz und Gold, und konnte es nicht ertragen andere Menschen leiden zu sehen. Wahrscheinlich war das so, wenn man Zeit seines Lebens einsam, noch einsamer als Sirius in Azkaban, gewesen war. Sirius hatte jahrelang einen besten Freund gehabt und mit der Gewissheit gelebt, dass da noch ein Junge war, der - mehr oder weniger - zu ihm gehörte. Remus hatte niemanden gehabt während dieser Zeit. Gar niemanden. Der einzige, zu dem er so was wie eine Beziehung hatte war Harry. Schließlich kannte er Harry noch als Baby, er hatte James und Lily gekannt … Harry musste für Remus so was wie der verlorene Teil einer Familie sein, die er nie gehabt hatte.
Aber das war nicht der einzige Grund, denn Sirius wusste, wie sehr Remus Harry schätzte. Er hatte den Jungen immer gemocht und da war eine Gewissheit in Sirius die ihm sagte, dass Remus auch den jungen Mann respektierte, der hier grad vor ihm saß.
Sirius hatte Remus nie das Versprechen abgenommen, dass er sich um Harry kümmern würde falls ihm, Sirius, etwas zustieß. Er hatte einfach gewusst, dass Remus es tun würde … Remus Lupin hätte Harry nie im Stich gelassen, nie. Sirius hatte sich darauf verlassen und war nicht enttäuscht worden. Er lächelte still in sich hinein, glücklich darüber, dass wenigstens Remus sich nicht zu sehr verändert zu haben schien und immer noch der sanftmütige, warmherzige Mann war den er gekannt hatte. Der Mann seufzte.
"Harry … warum willst du nicht zurück?" fragte er schließlich.
Als sein Patensohn diese Frage hörte, zuckte er leicht zusammen. Da war sie also, die Frage die er gefürchtet hatte. Er wollte es Sirius nicht sagen, weil seine Antwort Fragen mit sich ziehen würde, Fragen die er wiederum nicht beantworten wollte. Er hatte nicht die Absicht Sirius unnötigerweise zu beunruhigen, und mehr noch hatte er Angst davor Sirius zu enttäuschen. Sein Patenonkel war immer so stolz auf ihn gewesen, hatte ihn immer wie einen Erwachsenen behandelt. Wenn er jetzt erfuhr dass er, Harry, es nicht geschafft hatte Sirius' Tod wie ein Erwachsener zu verkraften …. Harry mochte gar nicht daran denken …
"Weiß nicht." Sagte er schließlich, wagte aber nicht, Sirius dabei anzusehen. Es klang so sehr nach einer Lüge, dass es ihm peinlich war. Der Animagus seufzte und starrte Harry eindringlich an. Dann hob er zweifelnd eine Augenbraue.
"Du erwartest doch nicht im Ernst, dass ich dir das glaube oder?"
Harry lächelte bitter.
"Nein."
"Also, was ist dann der Grund?"
"Ich …. Kann es dir nicht sagen…"
"Du kannst mir alles sagen, Harry, ich dachte du wüsstest das…."
Der junge Mann schüttelte den Kopf, so stark, dass ihm das schwarze Haar in die Stirn fiel.
'Nein, ich kann nicht ….'
"Kannst du oder willst du nicht?"
Harry antwortete nicht. Sirius nickt kurz, als ob er sich selbst eine Vermutung bestätigen wollte.
Daher weht der Wind also …. Du willst es nicht sagen. Sieht dir gar nicht ähnlich.'
Harry hörte die Enttäuschung in der Stimme seines Patenonkels und fühlte einen Stich in seinem Herzen. Er hatte Sirius verletzt …. Er atmete tief durch.
"Wenn ich es dir erzähle, dann tue ich dir damit nur weh, das will ich nicht."
"Aber du tust mir mehr weh, wenn du nicht genug Vertrauen zu mir hast es mir zu sagen."
Das saß. Harry rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her. Er wusste nicht, was er tun sollte … vor allem, was er mehr bereuen würde …
"Ich möchte hier bleiben …" begann er schließlich, "…weil du hier bist."
Sirius sah für einen kurzen Moment aus, als hätte ihn der Schlag getroffen. Seine Stirn legte sich in Falten, wie bei einem Kind das konzentriert über etwas Neues nachdenkt, dann blickte er Harry mit bloßem Unverständnis in den Augen an.
"Harry, das verstehe ich nicht … weil ich hier bin? Das ist der einzige Grund??"
Der junge Mann nickte langsam und schluckte kurz, bevor er "Ja." Antwortete.
"Aber …. Wieso??? Die Welt hier ist nichts als ein Trümmerhaufen … alle, die wir geliebt haben sind tot, nur Hermione und ich sind übrig geblieben … alles ist so schrecklich. In deiner Welt ist Frieden, Voldemort ist tot und Ron und Remus leben noch … ich versteh nicht, warum du dann hier bleiben willst. Es muss dir doch vorkommen, wie die Hölle." Sirius schüttelte ungläubig den Kopf.
"Mir kam mein altes Leben wie die Hölle vor…" sagte Harry leise.
"Was?" flüsterte Sirius entsetzt. "Aber … warum???"
Harry atmete wieder tief durch. Zweimal öffnete er den Mund um zu antworten, doch beide Male wollte kein Ton herauskommen. Schließlich setzte er ein drittes Mal an, und diesmal gelang es ihm, seine Gedanken in Worte zu fassen.
"In meiner Welt …. bist du tot Sirius. Hier lebst du."
Harry sah seinen Patenonkel an, und erkannte sofort, dass Sirius immer noch nicht verstand, was sein Patensohn ihm eigentlich sagen wollte. Der junge Mann seufzte und starrte für einen kurzen Moment aufs Wasser. Er würde ihm also doch alles erzählen müssen.
"Ich hatte nie eine Familie … die Dursleys haben mich gehasst, und die Weasleys … sie sind eine tolle Familie, wirklich und ich liebe sie alle, aber … sie sind nicht meine Familie… aber du …." Er machte eine kurze Pause und überlegte, wie er fortfahren sollte. Es war so einfach, so logisch und doch so schwer zu erklären …
"Du warst der beste Freund meines Vaters, und mehr noch, mein Vater wollte dass DU mein Vater wirst falls ihm etwas passieren würde. " Wieder stoppte Harry kurz und holte tief Luft. Warum war es so kompliziert, warum machte es ihm so zu schaffen, Sirius all das zu erzählen?
"Ich …. habe dich seit meinem dritten Jahr in Hogwarts als Vater gesehen, nicht so wie James mein Vater war …. aber als den Vater, den er für mich ausgesucht hatte, verstehst du? Jemand, der nur für mich da war …. Ich habe wirklich zu dir gehört, und das tue ich jetzt auch noch. Und dann hat Voldemort dich getötet …. Und ich war plötzlich wieder einsam, einsamer als ich es davor jemals war."
Er bemerkte, dass Sirius' Augen feucht waren, sie hatten einen seltsamen Glanz der Harry nicht behagte, aber jetzt war es eh zu spät, jetzt konnte er seinen Bericht auch beenden…
"Alles kam mir so …. leer vor…. Du warst fort. Ron und Hermione haben ihre eigene Familie … alle leben ihr eigenes Leben …. nur ich bin zurück geblieben… ohne Plan oder Ziel. Ich hab dich so schrecklich vermisst … es ging mir nicht besonders gut. Genaugenommen hab ich es nur Remus Lupin zu verdanken, dass ich wieder unter Leute gekommen bin."
Wieder machte er eine kurze Pause.
"Die Leute sagen mir, dass ich weiterleben muss, aber sie haben keine Ahnung wie schwer das ist, wenn man alleine ist. Ich will nicht zurück, ich möchte hier bleiben ….bei dir."
Seine letzten Sätze waren leise gewesen, fast nur noch ein Flüstern. Er wagte nicht, Sirius anzusehen, aus Scham über seine eigene Schwäche, sondern starrte wieder aufs Wasser. Er wartete darauf, dass Sirius ihm sagen würde, wie enttäuscht er von ihm war, dass er von Harry erwartet hätte, dass er damit klarkommen würde aber nichts dergleichen geschah. Eine Weile kam kein Ton von Sirius, doch schließlich hörte Harry die Stimme seines Patenonkels, die sich anhörte als ob er verzweifelt versuchte Tränen zu unterdrücken.
"Harry … ich weiß nicht was ich sagen soll…. "
Der junge Mann kickte mit dem rechten Fuß kleine Steine ins Wasser.
"Probier's doch mit ‚Ich bin sehr enttäuscht von dir'." antwortete er dann trotzig.
"W…was zum Teufel redest du da?"
"Willst du mir jetzt nicht sagen, dass du genau das bist? Enttäuscht von mir? Ich weiß, dass es so ist…"
"Ich …. Ich könnte NIE enttäuscht von dir sein, NIE…"
Harry wandte den Kopf und blickte seinem Patenonkel ins Gesicht. Er hatte diese Worte schon oft als leere Floskeln von andern gehört, aber jetzt schienen sie zum ersten Mal mit so was wie Wahrheit gefüllt worden zu sein … keine Worte, die einfach dahin gesagt waren ...dem Mann schien es wirklich ernst zu sein. Harry schluckte kurz, ahnungslos was er jetzt tun sollte.
Sirius Black saß da und schaute seinen Patensohn nachdenklich an. Er wirkte so … klein und hilflos, wie der 13jährige Junge, als den er ihn kennen gelernt hatte, damals, vor einigen Jahren. Der Mann konnte Harry ansehen, wie unbehaglich ihm zumute war, wie er auf der Bank hin und her rutschte, und sich nicht traute ihm länger als 2 Sekunden in die Augen zu sehen. Etwas zog sich schmerzvoll um seine Brust wenn er daran dachte, dass Harry jetzt seit vier Jahren mit dem Gefühl gelebt hatte, alleine zu sein und ihn, Sirius, enttäuscht zu haben. Harry hatte immer so ein starkes Bedürfnis nach Liebe und Freundschaft gehabt, vielleicht gerade weil er in den ersten prägenden Jahren seines Lebens so wenig davon erfahren hatte. Und jetzt hatte er seit Jahren mit dem Gefühl gelebt, allein da zu stehen.
Sirius sah ihn dort sitzen und erkannte die Einsamkeit, die Harry schon so lange mit sich herum geschleppt hatte, in der Art wie er sich in sich selbst zusammen kauerte, die Schultern leicht hoch gezogen, den Kopf gesenkt. Er wirkte abweisend und gleichzeitig so unglaublich verletzlich. Der Mann hatte das Verlangen, seinen Patensohn zu beschützen, aber Harry war doch mittlerweile erwachsen … nur wenn Sirius den jungen Mann so betrachtete, kam er ihm immer noch mehr wie ein verängstigtes Kind vor.
Harry wandte den Kopf wieder zu ihm, fast schüchtern, wie ein kleiner Junge; und verzog unbeholfen die Mundwinkel. Das war der Punkt an dem Sirius es nicht mehr aushielt, diesen mitleidserregenden Anblick nicht mehr ertragen konnte und so zog er Harry an sich heran und umarmte ihn feste. Harry, der damit am allerwenigsten gerechnet hatte, brauchte einen Moment um zu begreifen, wie ihm geschah. Anstatt einer Standpauke und dem Vorwurf, dass er enttäuscht war drückte Sirius ihn an sich wie einen wertvollen Besitz, den er nicht verlieren wollte. Er spürte, wie sich die Kälte ihn ihm auflöste, und begriff, dass Sirius ihn liebte und zu ihm halten würde, egal ob er, Harry, schwach oder stark war. Er schluckte wieder, doch diesmal weil Tränen in ihm hochstiegen.
Sirius Black ließ seine Hand tröstend durch Harrys Haare fahren, schweigend, weil Worte nicht ausdrücken konnten, was er empfand, nicht annähernd. Er wünschte, James wäre da, um Harry zu sehen. Um zu sehen, was für ein kostbarer Mensch sein Sohn geworden war … Sirius konnte es nicht erklären, aber irgendwie schien Harrys größte Charaktereigenschaft zu sein, dass er so unglaublich …. nun ja, menschlich war. Und auch wenn Harry es sich vielleicht nicht vorstellen konnte und sich dafür strafte, so waren es doch auch gerade seine Schwächen, die es für Sirius so wertvoll machten den jungen Mann kennen zu dürfen. Er seufzte leise, während er Harry immer noch an sich drückte, den beinahe zarten Körper … konnte er es wirklich tun? Konnte er Harry überreden, sogar befehlen zurück zu kehren? Konnte er das wirklich tun???
Für einen kurzen Moment hatte sich Harry von seinen Ängsten und Sorgen losgelöst und genoss einfach die Nähe zu dem Menschen, der seine komplette Familie bildete. Er vergaß, dass er in Dublin war, Rons Tod oder den zerstörten Fuchsbau … er war einfach nur da, er und Sirius, sie beide allein.
Und dann war da wieder dieses Gefühl, dieses unbeschreibliche Gefühl, dass etwas Schreckliches auf ihn zukam. Um ihn herum begann sich alles zu drehen, wie in einer irren Karrusselfahrt, schneller und schneller, während ihm eine unsichtbare Macht die Kehle zuzuschnüren schien. Er begann unkontrolliert zu zittern, als hätten 1000 Volt seinen Körper getroffen, die Luft blieb ihm weg, irgendwo schrie Sirius entsetzt auf und rief seinen Namen, und dann war da wieder die Welle aus Dunkelheit, die donnernd auf ihn zurollte. Er hörte sich selbst schreien, doch dann brach die Welle über ihm zusammen und begrub ihn unter sich.
Das letzte, was er hörte bevor er bewusstlos in Sirius' Arme sackte war Remus' Stimme, die seinen Namen rief..
Draco merkte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, und ein unangenehmes Kribbeln durch seinen Körper kroch. Normalerweise hätte er spätestens jetzt das Weite gesucht, die Gefahr war also ziemlich nah. So gut wie da, um genau zu sein … Alles in ihm, jeder einzelne Muskel, jede Faser die es gab wollte flüchten, panikartig wegrennen aber seine Füße bewegten sich nicht. Wie versteinert blieb er stehen und starrte bewegungslos auf Hermiones Haus. Er hatte Sirius und Harry gehen sehen und wusste nicht ob ihn das beruhigte oder nervös machte … Voldemorts Truppe war hierher in Anmarsch, soviel stand fest, darum war er beruhigt, dass die Beiden fort waren …. Aber sollte etwas außerhalb dieser Straße passieren würde er, Draco, wahrscheinlich nie davon erfahren …
Der Drang fortzulaufen wurde so stark, dass er sich an der Hausmauer, an deren Ecke er gut versteckt hinter ein paar Büschen stand, festhalten musste. Er konnte jetzt nicht weg …. Und wenn es ihn das Leben kosten würde…
Als er die eiligen, schweren Schritte hörte, zuckte er so heftig zusammen dass er fast das Gleichgewicht verloren hätte. Schweißperlen bildeten sich innerhalb von Sekunden auf seiner Stirn, dann erkannte er, dass es sich nicht um Voldemorts Truppe handeln konnte. Es war Sirius. Dracos Körper entspannte sich ein wenig, dann lugte er vorsichtig um die Ecke und suchte die Umgebung nach Black ab. Er sah ihn sofort, den großen, muskulösen Mann wie er die Straße hinauf stolperte, beinahe rannte, in seinen Armen eine leblose Gestalt tragend, Harry. Sprachloses Entsetzen durchfuhr Draco, als er seinen ehemaligen Mitschüler so sah, und für einen kurzen Augenblick glaubte er, Harry Potter sei tot. Dann passierte Sirius ihn ohne auch nur nach rechts oder links zu sehn und Draco erkannte, dass Harrys Brust sich langsam senkte und hob - er war noch am Leben. Aber was um Himmels Willen war ihm zugestoßen??? Er beobachtete wie Sirius hektisch an die Haustür klopfte, eingelassen wurde, er hörte Hermione leise entsetzt aufschreien und dann war alles still.
Draco spürte, wie ihm schlecht wurde … Voldemorts Leute waren schon fast da …
Sirius ließ seinen Patensohn vorsichtig auf die Couch gleiten, Harry stöhnte leise, er atmete schwer. Hermione stand kalkweiß und zitternd daneben, und starrte Sirius mit einem Hauch von Panik in den Augen an. Wie oft ….. wie oft würde sie Harry noch so sehen müssen, warum um Merlins Willen musste jedes Mal wenn sie sich gerade von einem Schock erholt hatte der Nächste kommen??? Sie glaubte, das Gleichgewicht zu verlieren und stützte sich an der Lehne der Couch ab, wandte den Blick zu Harry und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Sirius plötzlich um Jahre gealtert zu sein schien. Die Sorge um Harry zehrte an ihm genauso wie an ihr. Vielleicht sogar noch mehr.
"Was …. Was ist denn passiert?" brachte Hermione schließlich raus, während sie verzweifelt von Harry zu seinem Patenonkel sah. Sirius fuhr sich ratlos mit der Hand durch die Haare.
"Ich weiß es nicht, Hermione …. Wir haben uns unterhalten, und dann … hat er plötzlich angefangen zu zittern, nach Luft geschnappt und die Augen verdreht …. Wie beim letzten Mal. "
"Wie geht es ihm?!"
"Ich dachte DU könntest mir das sagen als ehemals angehende Heilerin…" Er lächelte sie an, aber das Lächeln war nicht echt und sie wusste dass er es nur tat, um sie zu beruhigen. Sie zwang sich zurück zu lächeln und kniete sich neben Harry, griff seine Hand und legte ihr Ohr auf seine Brust. Sie hörte sein Herz schlagen, laut und beruhigend irgendwie, und wandte den Blick wieder zu Sirius.
"Sein Puls ist etwas höher als sonst, aber nicht viel …"
"Und …. Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?"
Hermione seufzte laut und deutlich.
"Ich hab keine Ahnung … aber er scheint nur bewusstlos zu sein. Ich verstehe das nicht… das ist doch kein Zufall, dass er zweimal so in sich zusammensackt ….."
"Glaubst du…. Meinst du es geht ihm bald besser?"
Hermione verzog bloß zweifelnd den Mund und wandte sich wieder zu Harry, schüttelte sanft seine Schulter. "Harry?" fragte sie leise. "Harry, kannst du mich hören?"
"Hermione, was geht hier vor sich …?" fragte Sirius flüsternd. Die junge Frau schüttelte nur den Kopf.
"Ich bin nicht sicher. Aber es hat bestimmt mit dem Realitätswechsel zu tun…"
Sie brach ab als Harry langsam den Kopf drehte und ihnen erschöpft entgegen blinzelte. Das Haar klebte ihm verschwitzt in der Stirn, und er war genauso blass wie Hermione. Er runzelte die Stirn, während seine Augen verwundert die Umgebung erkundeten, offenbar hatte er noch nicht begriffen wo er war. Schließlich sah er wieder zu seinem Onkel und seiner Freundin und fragte mit kratziger Stimme "Was ist passiert?"
Sirius kniete sich zu ihm herunter und legte seine Hand väterlich auf Harrys Arm.
"Du bist ohnmächtig geworden. Schon wieder."
Harry riss ängstlich die Augen auf, dann nickte er leicht. "Ja … ja ich erinnere mich…." Er schloss die Augen und atmete tief durch. "Es war wie letztes Mal…" murmelte er dann träge, mehr zu sich selbst. Hermione warf Sirius nervöse Blicke zu, er verstand sofort.
"Ähm … Harry, war …. hast du wieder …. Remus gehört?" fragte Sirius vorsichtig. Harry antwortete nicht direkt, sondern nickte nur kaum merklich.
"Ja." Sagte er dann schließlich. "Er war da …. Und hat meinen Namen gerufen…"
Sirius tauschte besorgte Blicke mit Hermione aus. Sie sah ratlos aus, und wirkte darüber verzweifelt. "Das ….. das verstehe ich nicht….." stammelte sie. "Was hat das zu bedeuten???"
"Ich hab keine Ahnung…." Erwiderte Sirius leise.
"Wir müssen es herausfinden…" sagte Hermione drängend.
Einen Moment später gab es einen lauten, ohrenbetäubenden Knall.
Hermione und Sirius waren gleichzeitig panisch wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen, und sahen sich entsetzt um. Irgendetwas war anscheinend durch eine Art Explosion aus den Angeln gefallen, die Haustür. Staub angefüllt mit Dreck drängte sich in den Flur und ins Wohnzimmer, und Hermione hustete leicht. Harry war bleich geworden, für einen Augenblick bewegte sich keiner, sie wagten kaum zu atmen, es herrschte Totenstille. Dann trat eine Figur aus der Dunstwolke, vollkommen in schwarz gekleidet, mit scharlachroten Haaren, die von schwarzen Strähnen durchzogen waren, bleich, fast bläulich die Gesichtsfarbe. Es war Ginny. Harry traute seinen Augen kaum, am Liebsten wäre er zu ihr gelaufen und hätte sie umarmt, immerhin war Ginny in seiner Realität seit Jahren tot, aber er konnte und durfte es nicht, denn sie war der Feind, so schwer es auch zu Glauben war. Und er hatte Angst vor ihr, was ihn noch mehr erschreckte. Angst vor Ginny Weasley? Das konnte doch nicht sein!
Sie starrte Sirius, Hermione und Harry kalt und ausdruckslos an, die Arme vor der Brust verschränkt, sie wirkte stolz und unverwundbar. Unwillkürlich setzte Harry sich aufrecht hin, seine Hände krallten sich am Polster fest, jeder Muskel seines Körpers spannte sich. Das war es also, Voldemort hatte ihn gefunden. Und Ginny kam als Todesbotin zu ihm. Er bemerkte, wie sein Patenonkel sich schützend vor ihn schob, und wie ein Blitz zischte die Erinnerung an Sirius' Tod durch seine Gedanken, er wollte den Mann zur Seite schieben, aber konnte es nicht. Er war wie versteinert. Hinter der jungen Frau traten nun auch einige, düster wirkende Männer. Eine Weile schwieg Ginny, doch dann begann sie zu sprechen, mit einer schallenden, toten Stimme die Harry einen Schauer über den Rücken jagte:
"Da bist du ja Granger, und du, Black." Ihre Worte waren verächtlich, abwertend. "Ihr habt euch gut versteckt, aber wirklich Granger, hast du gedacht ‚Malente' würde mich austricksen können???" Sie setzte ein falsches Lächeln auf, eine Grimasse mehr, sie wirkte abstoßend. Hermione schluckte leise, als Ginny den Namen Malente erwähnte, während sich die Dienerin des Dunklen Lords nun zu Harry wandte und ihr Lächeln noch breiter wurde.
"Und da bist du ja, Potter. Der Grund meines Kommens." Sie kam ein paar Schritte näher. "Mein Herr möchte dich sprechen."
"Und? Ich ihn aber nicht." Erwiderte Harry trotzig, doch konnte er die Furcht in seiner Stimme nicht verbergen. Ginnys krampfhaftes Lächeln blieb bestehen.
"Ich fürchte, was du willst Potter, ist vollkommen bedeutungslos."
"Ich werde nicht mitkommen."
"Ich fürchte, auch das ist nicht von Belang."
"Weasley, wir werden das nicht zulassen."
Es war Sirius, der das sagte, und er klang weitaus überzeugender als Harry. Seinen Patenonkel dabei zu hören, wie er Ginny herablassend mit ihrem Nachnamen ansprach war seltsam und für einen kurzen Moment glaubte Harry wieder, sich in einem Albtraum befinden zu müssen. Ginny starrte ihn ausdruckslos an.
"Black ... " begann sie, doch anstatt weiterzusprechen zückte sie plötzlich ihren Zauberstab und feuerte eine Salve blauen Lichts, dass aussah wie pure Elektrizität, auf den Mann, der von der Wuchte durch die Luft flog, sich überschlug, gegen die Wand knallte, auf den Boden fiel und reglos liegen blieb.
Bleich vor Schock starrte Harry Ginny ungläubig an, es kam ihm so unwirklich vor, Ginny in den Fußstapfen Voldemorts zu sehn, und registrierte gar nicht, was Sirius so eben zugestoßen war. Im Gegensatz zu Hermione. Mit einem fürchterlichen Schrei der Angst war sie zu Sirius gestürzt und hatte sich neben ihn gekniet, schüttelte ihn sanft an der Schulter und sah Ginny hasserfüllt an.
"Du bist ein Monster, Ginny! Ein Monster!!!" Sie war außer sich und brüllte so schrill und laut, dass Harry sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte, aber er konnte nicht, der Schreck saß zu tief.
Virginia zuckte emotionslos die Schultern und wandte sich wieder Harry zu.
"Wir müssen jetzt gehen, Potter."
Ahnungslos, was er jetzt tun sollte, wanderte Harrys Blick unruhig von Hermione zu Ginny und wieder zurück. Seine Freunde sah ihn angespannt an, während sie mit ihren zarten Händen unentwegt durch Sirius' Haar fuhr. Sirius lag seltsam verkrümmt und bleich auf dem Boden, und grauenhafte Bilder aus der Vergangenheit zuckten durch Harrys Gedanken.... Sirius, tot, im grünen Gras...
"Du hast ihn umgebracht..." flüsterte Harry schließlich entsetzt, ungläubig.
"Umgebracht? Nein... er lebt noch... " erwiderte Ginny in demselben, toten Tonfall in dem sie schon die ganze Zeit über gesprochen hatte. "Aber ich werde ihn töten, wenn du Ärger machst, Potter. Und glaub ja nicht, dass du dich irgendwie davor retten kannst. Du wirst mit mir kommen. Blacks Leben liegt in deiner Hand, wenn du freiwillig mitkommst und keinen Ärger machst, werde ich ihn verschonen."
Wieder blickte Hermione zu Harry hinüber, sie schüttelte zaghaft den Kopf, doch er wusste nicht, was sie ihm damit sagen wollte. Es galt also sein Leben gegen das von Sirius, einer von Beiden würde sterben müssen, mindestens. Wieder zwangen sich die Bilder von Sirius' Tod in seinen Kopf, das Bild seines Patenonkels, wie er leblos im Gras lag, nur noch eine leere Hülle. Nein... Sirius würde nicht noch einmal sterben, nicht wegen ihm. Das würde er nicht ertragen können, nicht schon wieder ... sein Vater hätte das nicht gewollt...
"Ich kann dir nicht trauen..." erwiderte er dann zögerlich. Ginny lachte kurz.
"Ich bitte dich, Potter ... was hast du schon für eine Wahl ???"
Wieder warf er einen Blick zu Hermione, wieder schüttelte sie ihren Kopf, diesmal verstand er. Sie wollte nicht, dass er auf Ginnys Angebot einging ... aber die Weasley hatte Recht, was für eine Wahl blieb ihm schon? Er würde in den Tod gehen, so oder so.... und er würde Sirius nicht dafür opfern. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, sein Atem ging schwer, er sprach stockend als er schließlich "In Ordnung... ich komme freiwillig ...mit." antwortete. Ginny grinste zufrieden.
"Ich wusste doch, dass selbst du nicht dumm genug für eine andere Entscheidung bist."
Langsam erhob sich Harry, seine Beine zitterten, während er auf Ginny zuging. Er warf einen wehmütigen Blick auf Sirius und Hermione, die jetzt bitterlich weinte, er schluckte, dies war der Abschied. Das letzte Mal, dass er sie sehen würde ... der junge Mann wusste, dass es diesmal keine Flucht geben würde, er war schwach, angeschlagen, diese Welt war ihm fremd und er war unbewaffnet. Sirius war vielleicht tot, wer wusste schon, ob er nicht noch sterben würde, Ron, Fred, George und Remus lebten nicht mehr ... Hermione war die Einzige, die übrig geblieben war, und sie würde ihm nicht helfen können, egal wie klug sie sein mochte. Nicht gegen Voldemort.
Er trat neben Ginny, mit der Fassung eines Menschen, der in das Angesicht des Todes blickt und die Gewissheit hat, dass dies der letzte Akt sein wird. Sie musterte ihn kurz, und nickte ihren Kumpanen dann unauffällig zu.
"Wir werden apparieren... ich werde dich am Handgelenk festhalten, Potter, und Gnade dir Gott, wenn du versuchst dich loszureißen wird man dich in einer Streichholzschachtel zurückschicken können. Und deinen Onkel hier auch."
Sie deutete kurz auf Sirius, der immer noch vollkommen leblos am Boden lag. Harry folgte ihrem Blick kurz und da war Hermione, sie kniete immer noch neben Sirius und schüttelte verzweifelt den Kopf... "Nicht Harry, bitte tu es nicht..." Ihre Worte waren nur ein Flüstern, für mehr schien ihre Stimme nicht mehr zu reichen. Ihre Augen waren voller Angst während sie verzweifelt versuchte, nicht zu Weinen.
"Es geht nicht anders..." erwiderte Harry leise, und Hermione brach erneut in hilflose Tränen aus. "Pass auf Sirius auf." Fügte er langsam hinzu. Hermione sah auf, und schniefte laut, dann sah sie an ihm vorbei zu Ginny, die dem Schauspiel einigermaßen belustigt beiwohnte, dann wandte sie den Blick wieder zu Harry und nickte. "Ja." Sie beide wussten, dass es ein Abschied war, ein Abschied für immer, und Harry ertrug den Gedanken nicht, dass er wieder keine Gelegenheit hatte, sich vorher von Sirius zu verabschieden. Wieder würden so viele Dinge ungesagt bleiben. Aber die Hoffnung, dass Sirius weiterleben würde, half ihm die hilflose Ohnmacht, die er empfand, zu unterdrücken. Ginny tippte ungeduldig mit Fuß auf den Boden.
"Mir kommen gleich die Tränen. Sind wir jetzt endlich fertig? Komm schon Potter, der Meister wartet nicht gern."
Harry warf einen letzten Blick auf die Zwei, jetzt war die Zeit gekommen, um den letzten Schritt zu tun. Er nickte Ginny zu, sie packte ihn am Handgelenk, zählte von Drei runter und Harry wurde in die Schwärze des Raumes gezogen. Das Letzte, was er hörte war Hermiones verzweifelter Schrei:" Neeeiiin!!!!"
Hermione beugte sich hilflos, von Weinkrämpfen geschüttelt über Sirius, der immer noch kein Lebenszeichen zeigte. Ginny hatte sie belogen... natürlich hatte sie das, und Harry war kampflos mit ihr mitgegangen... er hatte sich ihr einfach ausgeliefert, und sie wusste nicht, was sie mehr in den Wahnsinn trieb... sie schüttelte sanft Sirius Blacks Schulter, doch er bewegte sich nicht.
"Sirius, komm ... wach auf, bitte; sie hat Harry, sie hat Harry, du MUSST aufwachen..."
"Er wird nicht aufwachen." Hörte sie plötzlich eine Stimme über ihr. Sie blickte hoch, nur um dort Draco stehen zu sehn. Er schaute sie und Sirius abwechselnd besorgt und nachdenklich an. Seit ihrer letzten Begegnung schien er schon wieder an Gewicht verloren zu haben, und auch wenn er schon immer blass gewesen war, so wirkte er jetzt so gut wie weiß, fast wie ein Vampir. Seine Augen waren deutlich schwarz umrandet, er wirkte erschöpft. Es war erschreckend zu sehen, wie der einst so arrogante Draco Malfoy sich in ein menschliches Wrack verwandelt hatte.
"Er wird nicht aufwachen." Wiederholte er. "Jedenfalls noch nicht, Erst wenn sie sicher ist, dass er ihr nicht mehr gefährlich werden kann."
"W... was tust du hier?" fragte sie perplex und vergaß für einen Moment ihre Angst um Harry und Sirius.
"Ich war in der Nähe..."
"Blödsinn!" schnaubte Hermione, ihre Augen hatten sich gefährlich verkleinert. Draco öffnete den Mund um zu antworten, doch kein Ton kam heraus. Sein blondes, strähniges Haar fiel ihm wüst in die Stirn, und nervös schob er es sich mit dem Handrücken hinters Ohr. Sie bemerkte, dass er es vermied ihr direkt in die Augen zu sehen.
"Blödsinn." Wiederholte sie eindringlich. "Du bist nicht zufällig hier, und du warst es auch nicht, als die Vampire Harry angegriffen haben."
Wieder sagte er nichts. Hermione wartete kurz auf eine Antwort seinerseits, die jedoch nicht kam, und fuhr wütend fort:
"Also, sag mir jetzt bitte was hier los ist ....... steckst du mit ihnen unter einer Decke? Willst du wieder mal Leben zerstören??? Das kannst du doch so gut!!!"
Draco schüttelte zaghaft den Kopf. "Nein... will ich nicht ... ich will helfen..."
Hermione lachte kurz und schrill auf.
"Du? Uns helfen? Hältst du mich für komplett durchgeknallt??? Glaubst du, ich habe vergessen, was du bist???"
"Warst..." korrigierte Draco sie leise.
"Was?" fragte Hermione irritiert.
"Warst." Sagte Draco erneut, diesmal lauter. "Was du warst".
Hermione runzelte die Stirn. "Was soll das bedeuten?"
"Genau das, was ich gesagt habe. Es ist Vergangenheit.... es ist vorbei..."
Die junge Frau kniff die Augen zweifelnd zusammen. "Wie kommt es bloß, dass ich dir das nicht abnehme???" fragte sie scharf. Draco zuckte hilflos die Schultern... Hermione würde ihm nicht glauben, dass er sich geändert hatte. Er hatte ihr zu viel angetan, seine Familie hatte zu viel Schreckliches angerichtet.... es war ein Wunder, dass sie noch mit ihm sprach. Oder sich nicht direkt vor Hass auf ihn stürzte.
"Ich helfe dir, ihn auf die Couch zu legen." Sagte er dann, und trat näher an sie heran. Sie zuckte kurz zurück, ängstlich, in ihren Augen erkannte sie die Zweifel, ob sie ihn an Sirius heranlassen sollte. "In Ordnung." Nickte sie schließlich langsam. Draco griffschweigend Sirius unter die Arme, während Hermione seine Beine nahm. Zwei Minuten später lag Sirius, immer noch wie tot, auf der Couch. Er hatte sich nicht einmal bewegt, seine Glieder hingen schlaff herunter. Wenigstens Herzschlag und Atmung konnte Hermione ganz schwach ausmachen. Sie hatte sich neben die Couch gekniet, neben Sirius' Gesicht und streichelte ihm vorsichtig durch die Haare. Draco ignorierte sie, vielleicht hatte sie ihn auch vergessen. Ihre Gedanken kreisten nur um Sirius, der vielleicht bald tot sein würde und Harry, der vielleicht schon tot war. Wer wusste das schon?
Harry war bei ihnen gewesen, wenn auch nur für ein paar Tage, sie hatte ihn wiedergesehen, sie hatte ihn berührt, mit ihm geredet... jetzt war er wieder fort, das Loch in ihrem Herzen war wieder aufgerissen, diesmal noch tiefer als zuvor, Ginny oder Voldemort würden ihn töten... sie hatte ihm Lebwohl gesagt... sie hatte es in seinen Augen gesehen, dass es ein Abschied war... er hatte es gewusst, genau wie sie... er hatte es für Sirius getan... um seinem Patenonkel das Leben zu retten.
Sirius hatte ihm immer viel bedeutet, er war wie ein Vater für Harry gewesen.... und umgekehrt. Sirius war nie über Harrys Tod hinweggekommen... wie sollte sie ihm das jetzt bloß erklären? Wenn er jemals aufwachte? Wie sollte sie ihm sagen, dass Harry seinetwegen gestorben war? Wie würde SIE jemals wieder ohne ihn leben können?
Für eine kurze Weile, ein paar Tage hatte es so ausgesehen, als ob das Schicksal doch noch Erbarmen mit ihr zeigen würde, denn Harry war da.... wieder da .... für eine kurze Zeit hatte sie geglaubt, dass das Leben wieder einigermaßen erträglich werden würde .... doch jetzt war es vorbei, alles war noch schlimmer als zuvor... sie hatte ihn zweimal verloren...
Draco starrte Hermione einen Moment lang schweigend an, wartete, ob sie noch etwas sagen würde, zu ihm vielleicht, doch sie saß nur da und sah Sirius an, zumindest waren ihre Augen auf ihn gerichtet, doch es schien als sei sie mit ihren Gedanken sehr, sehr weit weg. Er wandte sich zum Gehen, doch bevor er zwei Schritte gemacht hatte, hörte er ihre Stimme :
"Wo willst du hin?"
Er zuckte leicht zusammen, drehte sich um und erschrak noch mehr als Hermione plötzlich vor ihm stand und ihn durchdringend anblickte.
"Ich wollte gehen..." antwortete er dann wahrheitsgemäß. Sie musterte ihn wieder kritisch, und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du hier eigentlich willst..."
Draco sah sie einen Moment lang an, dann sagte er leise :"Du würdest es mir sowieso nicht glauben.", drehte sich um und wollte gehen, doch Hermione packte ihn blitzschnell an der Schulter und zog ihn zurück. Sie bemerkte die ehrliche Überraschung in seinem Gesicht, etwas, dass sie früher nie von ihm gekannt hatte. Mochte er auch vielleicht lügen, etwas stand fest - er hatte Leid erfahren, sehr viel Leid. Seine Augen waren zu einem Fenster seiner Seele geworden.
"Teste mich."
Draco hob überrascht eine Augenbraue. Es war das Letzte, womit er gerechnet hatte.
"Was?" fragte er irritiert.
"Teste mich. Sag mir, was du hier treibst. Vielleicht glaube ich dir ja."
Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke nicht."
"Du wirst es nie erfahren, wenn du's nicht versuchst. Was hast du schon zu verlieren?"
"Ich... ich...." Er wusste nicht, was er antworten sollte. Er konnte Hermione nicht sagen, was passiert war in der Zeit. Er schämte sich zu sehr für das, was er getan hatte, damals. Wieder war da der prüfende Blick von Hermione, er senkte seine Lider, er wollte ihr nicht ins Gesicht sehen.
"Du bist verändert." Stellte sie schließlich verwundert fest.
"Vielleicht lüge ich ja." Murmelte Draco abwesend. Sie schüttelte leicht den Kopf, und ihr braunes, lockiges Haar flog ihr ins Gesicht.
"Nein." Erwiderte sie dann entschieden. "Du bist verändert. Ich erkenne dich ja kaum wieder..."
"Ich muss jetzt wirklich gehen..." Draco klang mittlerweile fast verzweifelt. Er hustete kurz, und verzog entschuldigend die Mundwinkel. Hermione konnte sich nicht erklären warum - wenn sie nur an das dachte, was Draco ihnen angetan hatte, bekam sie das Verlangen ihn zu erwürgen und zu vierteilen- aber sie empfand Mitleid für ihn. Vielleicht lag es daran, dass die Person, die in ihrer Erinnerung den Namen Draco trug so ganz anders war als jene, die jetzt vor ihr stand, dünn, matt, müde und offensichtlich beschämt. Sie spürte den tiefen Wunsch, ihm zu helfen.
"Draco - warte..." Sie stoppte kurz, holte tief Luft und fuhr fort: "Willst ... willst du nicht hier bleiben und dich aufwärmen? Du siehst nicht gut aus..."
Der blonde, junge Mann konnte die bloße Überraschung, die ihn durchfuhr, nicht verbergen. Auf alles war er gefasst gewesen; auf Hass, auf Vorwürfe, auf verachtendes Schweigen, sogar auf Gewalt - aber dass Hermione es jetzt anscheinend kümmerte, wie es um sein Wohlbefinden stand, brachte ihn derart aus der Fassung; dass er sie für einen kurzen Moment sprachlos anblickte.
"Bist du sicher....? Dass ich nicht gehen soll?" fragte er dann zögernd.
"Ja, bin ich... setz dich hin, ich mach dir einen Tee."
"Hermione...."
"Draco? Setz dich einfach hin."
Da Diskutieren mit ihr anscheinend keinen Sinn zu haben schien, schaute Draco sich unsicher um und nahm schließlich auf der Couch gegenüber von Sirius Platz. Der Mann lag immer noch bewusstlos da, bleich und mit schlaffen Gliedern, doch wenn man genau hinsah konnte man beobachten, wie seine Brust sich langsam hob und senkte. Draco seufzte leise und betrachtete den Raum. Es war ziemlich kahl und undekoriert, was auffiel waren die vielen, fast unzähligen Fotos von Hermiones Familie und den Weasleys. Draco schluckte. Panik überkam ihm... wie konnte er hier ruhig in Hermiones Haus sitzen, zwischen all diesen Fotos? Er wollte fortlaufen, aufspringen und auf die Straße rennen, aber es ging nicht, er blieb sitzen als ob man ihn an die Couch geklebt hätte. Seine Beine fühlten sich so schwer an, dass er bezweifelte sie überhaupt noch bewegen zu können. Die Erinnerungen schossen durch seine Gedanken, schreckliche Bilder von Taten die zu ihm gehörten und ihn begleiteten... er stützte den Kopf in die Hände und versuchte, die Bilder zu verjagen, aber es ging nicht; er wollte schreien, aber auch das konnte er nicht...
"Draco?"
Hermiones Stimme kam so plötzlich, dass er erschrocken zusammenfuhr. Sie stand neben ihm, eine dampfende Tasse in der Hand und starrte ihn verwundert, auch ein wenig entsetzt an. Er wusste nicht, was er sagen sollte, er konnte ihr nicht ins Gesicht, schon gar nicht in die Augen schauen. Und alles, was er sagen oder tun würde, es wäre alles so lächerlich, so widerwärtig angesichts dessen, was passiert war.
"Was ist los?" fragte Hermione, während sie die Tasse auf dem Tisch absetzte und musterte ihn wieder eindringlich. Auch wenn Draco sich grundlegend verändert zu haben schien, so war da dennoch ein Gefühl tief in ihr drin das ihr riet vorsichtig zu sein. Sie blieb stehen und verschränkte erneut die Arme vor der Brust. Es war die Haltung, die sie immer einnahm wenn sie verunsichert war oder Situationen nicht klar einschätzen konnte. Der blonde, junge Mann schüttelte bloß den Kopf und schwieg. Hermione hatte ihrerseits auch keinen blassen Schimmer, was sie noch sagen sollte... sie würde bestimmt nicht um Informationen betteln. Und schon gar nicht bei Draco. Aber das brauchte sie auch gar nicht, denn plötzlich hörte sie ihn unvermittelt "Es tut mir alles so leid." flüstern. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, fragte dann aber betont gelangweilt "Was tut dir leid?".
Draco blickte auf, sein Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht; er schien kurz vorm Weinen zu sein, er war blass und verkrampft, er war ein Anblick des Jammers. Hätte es sich nicht um Draco gehandelt, dann hätte sie sich neben ihn gesetzt und ihn tröstend in den Arm genommen. Da es aber nun mal der junge Malfoy war, der hier vor ihr saß, blieb sie weiter stehen und versuchte gelassen auszusehen. Wohlgemerkt, auszusehen. In Wirklichkeit kehrte sich ihr gesamtes Inneres nach Außen.
"Alles. Es tut mir Alles leid." Fuhr er dann fort, und als Hermione darauf nicht antwortete sondern ihn weiter ausdruckslos ansah :"Ich weiß, dass du mich hasst. Du musst nicht so tun, als ob es nicht so wäre."
Hermione wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Ihr erster Gedanke war, dass sie ihn wirklich nicht hasste, doch dann fragte sie sich, ob sie es so einfach leugnen konnte. Es war seltsam... sie wollte Draco hassen, aber es ging nicht, selbst nicht wenn sie sich anstrengte. Sie hatte jahrelang gehasst, und es hatte sie nur Kraft gekostet. Außerdem konnte sie die Verbindung zwischen dem Mann, der hier grade im Wohnzimmer saß und dem Mann, der ein Mörder war, nicht ziehen. Sie erinnerte sich an den Roman von Alexandre Dumas, den sie in ihrer Kindheit gelesen hatte ... der böse, eitle und selbstsüchtige König Louis und sein Zwillingsbruder Philippe, gutmütig, edel und sensibel, fast zerbrechlich. Louis war gegen Philippe ausgetauscht worden... irgendwie kam es ihr so vor, als hätte sich die Geschichte wiederholt. Draco war jetzt vollkommen anders.
"Ich hasse dich nicht." Erwiderte sie schließlich mechanisch. Draco lachte bitter.
"Doch, das tust du. Wie könntest du auch nicht?"
"Ich ... habe schon seit einiger Zeit begriffen, dass Hass zu nichts führt. Es macht dich bloß kaputt."
Einen Herzschlag lang sah Draco sie bloß staunend an. Diese Theorie war wirklich etwas, dass ihm völlig neu war. Nach allem, was er getan hatte.... und jetzt stand sie da und erklärte ihm seelenruhig, sie würde ihn nicht hassen. Machte sie sich vielleicht über ihn lustig? Er konnte es nicht einschätzen. Hermione schien seine Gedanken zu erraten.
"Das heißt aber nicht, dass ich je vergessen werde, was du getan hast." Fügte sie hinzu. Draco nickte.
"Ich weiß." Er machte eine kurze Pause. "Ich ... ich wünschte ich könnte alles rückgängig machen. Ich würde alles dafür geben, es ungeschehen zu machen. Auch wenn du es mir nicht glaubst."
"Seltsamerweise tue ich das aber." Stellte Hermione fest, während sie ihn aufmerksam beobachtete. Dann setzte sie sich neben ihn, es kam ihr dumm vor, noch stehen zu bleiben.
"Ich .... ich weiß nicht, wieso ich das getan habe .... ich weiß es nicht...."
"Aus Hass." Erwiderte sie tonlos. Draco hob den Kopf und sah ihr zum ersten Mal seit Beginn ihrer Unterhaltung direkt in die Augen. "Du hast es aus Hass getan, Draco, aus purem Hass."
Sie sah den Schrecken in Dracos Augen; den Schock eines Menschen, der gerade etwas Fürchterliches über sich erfahren hatte; dann senkte er wieder die Lider, biss sich unruhig auf die Unterlippe und erhob sich schließlich, um nervös wie ein Tier im Käfig im Wohnzimmer auf und ab zu gehen. Hermione beobachtete ihn angespannt, sie warf einen kurzen Blick auf Sirius, Harry fiel ihr wieder ein doch sie schob den Gedanken beiseite. Sie war auf sich gestellt... wenn Draco jetzt durchdrehen oder sein wahres Gesicht zeigen würde... dann würde ihr niemand zur Hilfe eilen können. Er war und blieb ein gefährlicher Mörder; alles was er tun musste, um sie umzubringen war mit der Hand zu wedeln. Auch wenn er harmlos wirkte - sie wusste, dass er ein mächtiger, schwarzer Zauberer war. Zumindest war es immer so gewesen.
Nachdem er ein paar Mal auf- und ab gegangen war, blieb er plötzlich wie erstarrt stehen, offenbar hatte eines der Fotos seinen Blick gefangen, zögernd streckte er seine Hände aus und griff danach. Hermione schluckte. Sie wusste, welches Foto er dort in der Hand hielt... es war ihr Lieblingsbild von Fred und George, dass bei ihrer Abschlussfeier entstanden war. Die gesamte Familie Weasley war gekommen, natürlich. Zum wahrscheinlich ersten Mal in ihrem Leben waren Fred und George schick angezogen gewesen, aber aus ihren Gesichtern sprühte der Schabernack. Sie winkten fröhlich in die Kamera während sie sich gegenseitig Hasenohren zeigten. Draco betrachtete das Foto schweigend, dann sagte er plötzlich:
"Ich habe sie immer sehr bewundernd."
Hermione kniff die Augen zusammen. "Ja, " sagte sie mit ungewohnter Schärfe in ihrer Stimme, "und du hast ihnen deine Anerkennung deutlich gezeigt als du sie erst gefoltert und dann öffentlich hingerichtet hast."
Sie sah wie Draco zusammenzuckte und mit hochgezogenen Schultern hektisch das Foto zurück stellte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Er schien schon so verletzt und zerbrechlich, sie hätte wirklich nicht noch einen oben drauf setzen müssen. Er sah sie an, er wirkte nicht wie ein Mörder sondern wie ein großes Kind.
"Ich sollte besser gehen." Sagte er. Hermione schüttelte den Kopf.
"Nein... bleib hier ... es tut mir leid."
Dracos Gesichtsausruck wechselte von Scham zu bodenlosem Entsetzen, zumindest wirkte er derart überrascht, dass es schon fast Entsetzen glich. Wahrscheinlich konnte er es nicht fassen, dass sie sich bei ihm entschuldigte... warum sie das getan hatte, war ihr selbst nicht ganz klar. Warum hatte sie ihm gesagt, dass es ihr leid tat? Sie hätte es wirklich nicht tun brauchen. Und warum tat es ihr überhaupt leid? Sie schwiegen wieder, Hermione ließ den Blick durchs Zimmer wandern und er blieb an Sirius hängen. Sie schluckte kurz.
"Glaubst du wirklich, dass er gesund wird?"
Draco nickte abwesend.
"Sie wird ihn aufwachen lassen, sobald sie in Sicherheit ist."
"Woher weißt du das?"
"Weil ich sie kenne, darum."
Hermione antwortete nicht. Weil er sie kannte, natürlich. Wie hatte sie das vergessen können. Sie atmete kurz tief durch.
"Dann setzen wir uns jetzt hin und du erzählst mir deine Geschichte."
Er sah sie unsicher an. "Willst du das wirklich?"
"Ja."
Er seufzte. "Na schön. Du sollst alles wissen..."
Zuerst waren da die Geräusche um ihn herum, Schritte, gedämpfte Stimmen und der Geruch von Feuer, von Fackeln. Der Untergrund war kalt und hart. Alle Knochen taten ihm weh. Ginny musste ihn während des Apparierens betäubt haben. Langsam öffnete er die Augen. Über ihm war hohes Gewölbe, einige Meter hoch, und doch wusste Harry instinktiv sofort, dass er sich irgendwo unterirdisch befinden musste. Die Decke, der Geruch, der kalte Boden ... alles wie in einer Katakombe. Dann tauchte über ihm verschwommen Ginnys Gesicht auf, sie stand offenbar neben ihm und hatte ihn die ganze Zeit über beobachtet.
"Was ist mit Sirius?" war das Erste, was Harry noch völlig benommen fragte. Während seine Sicht klarer wurde, sah er dass Ginny ein ironisches Lächeln aufgesetzt hatte.
"Wie kommst du darauf, dass ich Wort halten werde?"
"Du hast noch nie gelogen." Erwiderte Harry matt. Es war das Einzige was ihm einfiel, er wusste noch nicht einmal, ob es der Wahrheit entsprach ... aber offenbar war es, was Ginny hatte hören wollen. Sie nickte kurz und schnippte dann wortlos mit den Fingern. Ein paar silberne Funken entstanden.
"Es geht ihm gut." Sagte sie dann. Harry atmete erleichtert auf, und gleichzeitig wurde er von Angst übermannt. Was passierte jetzt? Wo war er hier? Würde Ginny ihn töten? Sie schien seine Gedanken zu erraten, denn plötzlich sagte sie ohne Vorwarnung:
"Der Meister erwartet dich."
Harry erwiderte nichts, doch als sie mit der rechten Hand hinter ihn wies, rollte er sich einmal herum und erschrak. Etwa 5 Meter vor ihm, auf einer Art Thron, der vollkommen aus Smaragden und Silber bestehen zu schien, mit grünen Wandteppichen entlang der mächtigen Mauer gespannt im Hintergrund, saß Lord Voldemort. Seine totemschädelähnlichen Gesichtszüge traten in dem trüben Licht noch mehr hervor, seine leeren Augen gafften ihn begierig an, sein scheinbar unendlicher Mund hatte sich zu einem höhnischen Grinsen verzogen. Er hatte den Kopf gelangweilt auf die knochigen Finger seiner bleichen Hand gestützt, während ein Gewandt aus den feinsten Stoffen seinen dürren Körper umhüllte. Eine Weile lang sagte der Dunkle Herr gar nichts, sondern schien sich in Harrys offenkundigem Entsetzen zu suhlen, darin zu baden. Beinahe war es, als würde er daraus Kraft beziehen. Schließlich sagte er:
"Harry Potter. Und wieder einmal treffen wir uns wieder. Ich hoffe, du hast für die nächsten Tage nichts geplant. Ich habe nämlich Einiges mit dir vor."
