Autor : Steffi/ astrophilia
Inhalt : Harry ist nicht mehr derselbe … nicht seit dem Kampf um Hogwarts. Das Leben erscheint so sinnlos. Und dann geschieht etwas vollkommen Unglaubliches, etwas, dass Harry wieder einmal seinem ärgsten Feind gegenüberstellt …
Altersbeschränkung : Aufgrund er mangelnden Liebeszenen und der Tatsache, dass Herr der Ringe auch ab 12 freigegeben ist … ja, ab 12 eben :o)
Disclaimer : Alle hier enthaltenden Figuren und Orte (mit Ausnahme derer, die ich erfunden habe) gehören Joanne K. Rowling und Warner Bros., eine Copyright-Verletzung ist nicht beabsichtigt.
Kategorie: Mystery, Drama, Dark-Fiction
Betaleser : Die liebe, liebe Tia *wild wink* …. Danke für die Hilfe!
Anmerkung : Gaaaanz wichtig: das hier ist Stand nach Buch 4, das heißt unser Lieblingsanimagus lebt noch - mehr oder weniger… die Idee kam mir vor "Order of the Phoenix", deswegen sieht die "Realität" hier etwas anders aus … nur das ihr's wisst *gg* .
Anmerkung: Tja, daran habt ihr wohl selbst nicht mehr geglaubt, was? Die beiden Kapitel hier waren schon lange geschrieben, aber ich hatte ne zeitlang keine Lust, bzw. keine Zeit zum Schreiben und außerdem gab's Probleme mit ff.net bezüglich des Einloggen's ... na ja ich hoff jedenfalls, die neuen Kapitel gefallen euch(auch wenn sie gar nicht mehr SO neu sind :o) ) ...

In den Händen von Voldemort (Kapitel 07)

The last that ever she saw him,
Carried away by a moonlight shadow.
He passed on worried and warning,
Carried away by a moonlight shadow.
Lost in a river that Saturday night,
Far away on the other side.
He was caught in the middle of a desperate fight
And she couldn't find how to push through.

The trees that whisper in the evening,
Carried away by a moonlight shadow.
Sing a song of sorrow and grieving,
Carried away by a moonlight shadow.
All she saw was a silhouette of a gun,
Far away on the other side.
He was shot six times by a man on the run
And she couldn't find how to push through.

I stay, I pray
See you in heaven far away.
I stay, I pray
See you in heaven one day.

Four a.m. in the morning,
Carried away by a moonlight shadow.
I watched your vision forming,
Carried away by a moonlight shadow.
Stars move slowly in a silvery night,
Far away on the other side.
Will you come to talk to me this night,
But she couldn't find how to push through.

I stay I pray….

Far away on the other side.
Caught in the middle of a hundred and five.
The night was heavy and the air was alive,
But she couldn't find how to push through.

Carried away by a moonlight shadow.
Carried away by a moonlight shadow.
Far away on the other side.
But she couldn't find how to push through.

© Mary Reilly, written by Mike Oldfield; "Moonlight Shadow"


*********


Draco zögerte kurz, er war nicht gut darin, von sich zu erzählen, es war eine Tugend die ihm völlig abhanden war. Schließlich war er ein Malfoy, stammte also aus einer Familie die zwar für Kälte, Reinheit und Ehrgeiz, auch Machtgier bekannt waren, aber auf keinen Fall für so was wie soziale Intelligenz oder gar dafür, sich selbst und seine Gefühle zu analysieren. Hermione saß neben ihm und wartete geduldig, geradezu als ob seine Gedanken für sie sichtbar durch den Raum schwebten, und wartete. Er räusperte sich kurz, und nahm Anlauf in dem er kurz durchatmete.

"Also..." begann er schließlich unbeholfen. "Du weißt was ich war.... oder?"

"Du bist ein Todesser." Sagte Hermione tonlos. "Und zwar einer von der Sorte, die selbst das Urböse erzittern lassen."

"War..." korrigierte Draco sie leise. "Ich war ein Todesser." Die junge Frau schwieg einen Moment lang, weil sie nicht wirklich wusste, wie sie auf diese Aussage reagieren sollte. Auch wenn ihr Gefühl dafür sprach, ihm zu glauben so sagte ihr Verstand ihr doch deutlich, dass Draco Zeit seines Lebens gelogen hatte.

"Aha?" machte sie schließlich. Draco seufzte.

"Ich wusste, dass du mir nicht glauben würdest."

"Nein, es ist bloß so, dass du der Liebling Voldemorts und sein Augapfel warst, und die Todesser sind kein Verein, wo du einfach deine Mitgliedschaft kündigst. Es ist immerhin eine Lebensanschauung, wenn ich mich recht erinnere. Man kann nicht einfach zum Dunklen Lord gehen und sagen, dass man keine Lust mehr hat."

Der weißblonde Mann nickte. "Das ist korrekt."

"Und du hast es getan oder was?"

Ihr alter Mitschüler lächelte bitter. "So war es nicht ganz."

"Sondern?"

Er zögerte. "Ich bin abgehauen... ich wusste, dass Voldemort mich niemals am Leben lassen würde, er verzeiht es niemanden, wenn man sich von ihm abwendet. Genau wie mein Vater ... eher würde er mich töten. Ich bin seit meiner Flucht die Schande der Familie, musst du wissen."

Hermione sah ihn nachdenklich an, nickte dann kurz um ihn aufzufordern, weiter zu erzählen.

"Während wir in einer kleinen Truppe in Venedig unterwegs waren, habe ich mich heimlich abgesetzt und das Weite gesucht. Seitdem bin ich auf der Flucht. Voldemorts Truppen verfolgen mich, unter dem Kommando meines Vaters. Bisher hab ich Glück gehabt, aber ich bin nirgendwo sicher ... ab und zu kann ich mich bei meiner Tante Sybill verstecken, aber mehr als eine Nacht ist nicht drin. Ich kann nirgends lange bleiben... ich kann mich nicht zu erkennen geben, ich habe kaum Geld. Meistens muss ich draußen schlafen ... mit einem offenen Auge natürlich, um schnell abhauen zu können wenn es nötig ist. Aber wenn ich dafür am Leben bleibe, ist es mir recht."

Hermione nickte im Geiste. Das erklärte zumindest warum er so erbärmlich aussah.

"Warum bist du von den Todessern weg?" fragte sie dann.

"Ich schätze die Frage müsste eher lauten warum ich überhaupt zu einem Todesser geworden bin."
"Nein." Sagte Hermione langsam. "Jeder wusste, dass du dich Voldemort anschließen würdest. Daran hat nie jemals jemand gezweifelt". Draco nickte und seufzte.

"Ja, ich weiß. Ich kann es trotzdem nicht begreifen." Erwiderte er leise, als ob es ihm peinlich wäre. Wahrscheinlich war es das sogar, immerhin hatte er grad sich und seine Wurzeln verraten. Er hatte zugegeben, dass der Großteil seines Lebens ein Fehler gewesen war; ein schrecklicher, dummer Fehler. Er machte eine Pause und sammelte sich kurz.

"Wie dem auch sei... nach Voldemorts Sieg hätte es für mich das Paradies sein müssen, so wie es mein Vater immer prophezeit hatte ... die Welt befreit vom Unrat und wir Reinblütler als herrschende Klasse, aber - so war es nicht." Wieder stoppte er kurz, er schien nach den richtigen Worten zu suchen. Schließlich fuhr er fort: "Da waren wir nun, die Welt lag in Trümmern.... unser Ziel war erreicht und ... da war nichts mehr. Verstehst du?" er sah sie fragend an, doch bevor sie antworten konnte sprach er schon wieder weiter: "Ich hatte mein ganzes Leben lang auf diesen Tag hingearbeitet ... und als der Tag da war, da erkannte ich, dass ich NUR auf diesen Tag hingearbeitet hatte .... in meinem Leben hatte es nichts Anderes außer dem Wunsch, die Welt zu säubern, gegeben ... und das machte mir Angst. Es war als würde ich am Ende meines Daseins stehen.... ohne Zukunft. Ich begann, mir die Welt genauer anzuschauen, die wir geschaffen hatten ... und sie wurde mir zuwider. Es ......... mir wurde klar, dass wir nicht ohne Muggel und Schlammblüter existieren können... und dass wir kein Recht hatten, sie zu vertreiben. Das dauerte natürlich seine Zeit .... es ging nicht von heute auf Morgen... aber ich sah die leeren Straßen, wo früher einmal Kinder gespielt hatten. Ich erinnerte mich an meine Schulzeit, an meine schönen Tage in Hogwarts, dass jetzt zerstört war, und fragte mich, ob das richtig sein konnte."

Er machte eine weitere Pause und schaute Hermione schüchtern an, die bis jetzt stumm zugehört hatte. Sie begann, ihn zu verstehen; er entschlüsselte sich vor ihr wie ein komplizierter Code, ein komplexes Puzzle das in Tausend Stücke zerfiel. Es war erstaunlich zu sehen, dass Draco Malfoy zu solch einer präzisen und doch fast poetischen Formulierung imstande war. Hermione konnte sich nur entfernt vorstellen, was diese Erkenntnis für den Mann bedeutet hatte, wie es war, wenn sich seine Welt in nichts auflöste. Harry konnte das vielleicht.

"Und dann bist du abgehauen?" fragte sie, um ihn zum Weitererzählen zu bringen. Draco nickte.

"Ja... und vor etwa einer Woche hat mir meine Tante Sybill prophezeit, dass Harry auftauchen würde .... und er ist der Einzige, der diese Welt vielleicht noch ins Lot bringen kann."

Sie starrte ihn ungläubig an. "Sybill TRELAWNEY?"

"Ja, genau."

"Ist deine TANTE???"

Er lächelte kurz, es war das erste Mal, dass sie ein ehrliches Lächeln an ihm sah und es war erstaunlich, wie viel jünger und freundlicher er plötzlich wirkte. "Glaub mir, ich hab es auch nicht wahrhaben wollen."

Hermione sah ihn sprachlos an, und plötzlich verstand sie, warum Draco immer aufgetaucht war, wenn Harry Schwierigkeiten am Hals hatte; und sie begriff, warum er ihnen helfen wollte, es war so einfach. Alles ergab plötzlich einen Sinn. Harry konnte die Prophezeiung erneut erfüllen. Darum war Draco gekommen; um zu helfen; und Ginny, um zu vernichten.

"Harry wird es nicht alleine schaffen." Flüsterte sie. "Niemals."

Draco nickte bedächtig. "Alleine nicht. Aber wir werden ihm helfen."

"Wenn er noch lebt." Sagte Hermione leise. In dem Moment, hörten sie von der Couch ein leises Stöhnen. Sirius war erwacht, er sah sich einen Augenblick lang verwirrt um, verzog erschrocken das Gesicht als er Draco sah und richtete sich anschließend noch vollkommen benommen an Hermione.

"Wo ist Harry?" war das Erste, was er fragte.

********************


Der Regen prasselte sanft auf ihn hinab, schon seit Stunden. Jeder Muskel eines Körpers schien erfroren zu sein, erstarrt in der Kälte, seine Kleidung war durchnässt, seine Haut aufgeweicht. Seine Brille war auf den Boden gefallen und er konnte sie nicht aufheben, jede Bewegung war unmöglich. Voldemorts Diener hatten ihn mit verbundenen Augen in eine Art Innenhof geführt, um ihn herum waren nichts als meterhohe, schwarze Mauern und der wolkenverhangene Himmel darüber. In der Mitte des verschlammten Platzes war ein Pfahl aufgestellt, an den ihn die Männer gefesselt hatten... wohlgemerkt, sie hatten ihm die Arme auf den Rücken gedreht und hinter dem Pfahl an einer Art Öse festgekettet, so straff und tief, dass Harry nur in gehockter Haltung verharren konnte, weder Aufstehen noch hinsetzen war möglich. Seit Stunden war er nun in dieser Position, alles schmerzte ihn, doch selbst wenn er gekonnt hätte - seine Glieder waren mittlerweile vor Nässe und Kälte so steif, dass es nur noch mehr schmerzen würde, wenn er sie zu bewegen versuchte.

Immerhin die Augenbinde hatten sie ihm abgenommen.

Schlimmer war allerdings, dass in regelmäßigen Abständen Todesser vorbeischauten, sich vor ihm aufbauten und ihn demütigten. Manche von ihnen blieben in respektvoller Entfernung, andere traten nahe an ihn heran, es war unterschiedlich. Aber sie alle verachteten ihn, und das bekam er zu spüren... er wurde verspottet, bespuckt, ignoriert, geschlagen und getreten, sie erzählten ihm was für Feiglinge seine Eltern, was für ein Versager Remus Lupin gewesen war; sie ließen abwertende Kommentare über Ron fallen und sagten ihm immer wieder, sie würden zu gerne dabei sein, wenn Voldemort ihn endgültig tötete. Ein paar Todesser wendeten rohe, menschliche Gewalt an, der grossteil jedoch Zaubersprüche.... Dutzende Male belegten sie Harry mit dem Cruciatus-Fluch oder ähnlichen Dingen, fügten ihm seelische und körperliche Qualen zu. Harry erduldete sie, stumm und fast emotionslos, er würde sich nie mehr provozieren lassen. Das jedoch schien die Todesser nur noch anzufeuern, sie versuchten sich geradezu darin zu übertreffen, einen Wutausbruch aus Harry herauszulocken oder gar ein Flehen danach, aufzuhören, es war fast ein sportlicher Wettbewerb. Harry vermutete, dass Voldemort seinen Gefolgsleuten erlaubt hatte, alles mit ihm zu tun, außer ihn zu töten... nur deshalb war er noch am Leben. Wäre er doch nur schon tot... aber Voldemort würde ihm diesen Gefallen nicht tun... daran bestand kein Zweifel.

Als die Abendstunden hereinbrachen, der Wind kälter und der Regen stärker wurde, war Harry mehr tot als lebendig. Virginia hatte den Befehl erhalten ihn reinzuholen, damit er am Ende nicht noch erfror, und obwohl sie Harry Potter hasste, verabscheute; war das Erste, was sie bei seinem Anblick spürte, Mitleid. Sie blieb kurz stehen, als sie die arme Kreatur sah, am Pranger zur Schau gestellt, bewusstlos und blutverschmiert. Sein klatschnasses Haar klebte ihm im Gesicht, und ab und zu durchfuhr ein leises Zittern seinen Körper. Er war in sich zusammen gesackt, so weit die Fesseln es zuließen, Virginia bemerkte sofort, dass sein linkes Bein seltsam verkrümmt war. Der rechte Ärmel seines Pullovers war an einer Stelle aufgerissen und darunter konnte sie nacktes, verbranntes Fleisch sehen. Sein linkes Auge war entsetzlich angeschwollen und violett, seine Lippen aufgesprungen, auf beiden Wangen prangten hässliche Schnittwunden, deren eingetrocknetes Blut in seinem Gesicht klebte. Seine Jeans waren zerrissen, die Knöchel seiner Hand blutig. Die Brille, die sonst sein ständiger Begleiter war, lag zerbrochen auf der Erde.

Das ist nicht richtig. Schoss es ihr durch den Kopf, doch sie schüttelte jenen sofort energisch, wie konnte sie so was nur denken, natürlich war das in Ordnung. Ihr Herr hatte es angeordnet, und sie hatte zu gehorchen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn an, den hilflosen, jungen Mann; erbärmlich zu Grunde gequält. Unerklärlicherweise bildete sich in ihrem Hals ein Kloß, und bevor sie richtig wusste, wie sie geschah, war sie zögerlich auf die Kreatur zu gegangen, bis sie ganz dicht vor ihm stand. Langsam hob sie die Brille auf, flüsterte "Occolus Reparo" und setzte sie Harry dann behutsam auf.

Sie erschauderte, als sie seine warme Haut berührte, es war lange her, seit sie das zum letzten Mal gespürt hatte. Für einen kurzen Moment wurde ihr klar, dass das kein Spiel und keine Illusion war, Harry Potter saß hier vor ihr, so wirklich wie es nur sein konnte, gedemütigt und gequält, und sie war nur Zuschauerin. Dann öffnete Harry plötzlich seine Augen, langsam und müde, vielleicht hatte ihn die Berührung mit neuen Lebensgeistern gefüllt; und der Moment war verflogen. Eilig zog sie ihre Hand zurück und beeilte sich aufzustehen, doch Harry hatte mitbekommen, dass sie ihn berührt und ihm die Brille wieder gegeben hatte.

"Was tust du hier Ginny?" murmelte er. Die Worte kamen unverständlich heraus, weil seine Lippen ebenfalls geschwollen waren. Virginia hatte sich unterdessen wieder gefangen, ihre Fassung wiedergewonnen und ihr Ton war so kalt und emotionslos wie zuvor.

"Mein Herr schickt mich, dich zu holen."

"Wieso?" fragte er mit gequälter Stimme, weil ihm jede Bewegung entsetzlich schmerzte. Doch er wollte ihr diesen Triumph nicht gönnen. Noch hatte er seine Selbstachtung nicht verloren. "Ist doch gemütlich hier."

Virginias Augen verengten sich zu Schlitzen. "Ruhe." Sagte sie scharf und bestimmt. Harry zwang sich zu einem breiten Grinsen, dass ihm vor Qual fast die Tränen in die Augen trieb.

"Nein, im Ernst, ist doch prima hier..." fuhr er unbeirrt fort, "...genug Wasser und haufenweise netter Besuch. Was könnte ich mehr wollen?"

Virginia, die mit dieser Art von Sarkasmus nicht umgehen konnte, und keine Ahnung hatte, wie sie reagieren sollte, starrte ihn kurz sprachlos an. Ihr Sinn für mehr oder weniger unterschwellige Ironie war ihr in den letzten Jahren völlig abhanden gekommen. Nichts desto Trotz ahnte sie, dass Harry sich über sie lustig machte. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich dramatisch. Harry spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.

"Ich habe gesagt, du sollst ruhig sein." In ihrer Stimme schwang ein bedrohlicher Unterton mit.

"Sonst was? Tötest du mich?" fragte Harry spöttisch, den Blick fest auf sein Gegenüber gerichtet. "Ich glaube nicht, dass das deinem Herrn gefallen würde."

"Ich könnte andere Dinge mit dir tun, Potter. Fordere mich nicht heraus." Erwiderte sie kalt. Ihre Augen hatten sich nun so weit verkleinert, dass man von der Pupille nichts mehr sehen konnte, ihre Lippen waren vor Zorn so schmal wie ein Streichholz geworden. Harry schüttelte kraftlos den Kopf.

"Ich erkenne dich nicht wieder, Ginny."

Virginia lachte kurz laut und schallend auf.

"Ginny Weasley ist tot, Potter. Sie starb, weil sie zu feige war der Seite der Macht beizutreten, genau wie ihre Brüder."

Harry hob zweifelnd eine Augenbraue, worauf die Kruste platze und ihm ein kleines Rinnsal Blut an der Schläfe entlang zu laufen begann. Aber es kümmerte ihn nicht.

"Ach, und du bist?" fragte er.

"Das geht dich nichts an, du Idiot."

"Ich schätze, du hast Recht. Ginny Weasley ist wirklich tot."

Ginny kniff die Augen zusammen und kam wieder einen Schritt näher, bis sie direkt vor ihm stand. Für einen kurzen Moment verharrte sie so, Harry schluckte kurz, weil er nichts Gutes ahnte, dann trat sie ihm mit der Spitze ihres Stiefels mit voller Wucht in die Rippen. Harry jaulte kurz auf, und Tränen traten ihm in die Augen. Ein schadenfrohes Grinsen huschte über Virginias Gesicht, und entstellte es geradezu. Harry starrte sie entsetzt an. Wie hatte das kleine, rothaarige Mädchen nur so grausam, so kalt und brutal werden können? Er konnte es nicht verstehen.

"Na los, komm Potter, der Meister und seine Gäste erwarten dich." Sie zückte einen Zauberstab hervor, murmelte ein paar Worte und sofort waren Harrys Fessel verschwunden. Der junge Mann nahm die Arme nach vorne, langsam weil es ihn so furchtbar schmerzte, und besah sich seine roten, wunden Fingerknöchel. Er konnte die Hände kaum bewegen, denn die Ketten waren zu eng gewesen und hatten seine Handgelenke blutig gescheuert und eine widerlich aussehende Einkerbung hinterlassen. Ein schrecklicher Schmerz durchfuhr Harry, doch er biss die Zähne zusammen und blickte Ginny trotzig an. Die junge Frau hingegen war beim Anblick der Wunden kurz zusammengezuckt, hatte sich aber sofort wieder gefasst.

"Komm Potter, steh endlich auf." Kommandierte sie und stupste Harry kurz mit dem Fuß an. Der junge Mann erhob sich langsam, so weit es seine steif gefrorenen Glieder zuließen, und atmete schwer. Er fühlte sich elendig, er war am Ende, psychisch und physisch. Er spürte seine Beine nicht, als ob sie nicht zu ihm gehören würden, sie zitterten wie Espenlaub, er war außerstande, sie zu kontrollieren. Er hustete kurz, und verlor das Gleichgewicht, er fiel auf die Knie und stütze sich auf den Händen ab; und obwohl es Ginny's erster Impuls war, ihm zu helfen verharrte sie in ihrer Position und sah ihn verärgert an.

"Lass das Theater, Potter."

"Ich .... ich kann nicht mehr..." keuchte Harry, der glaubte seine Lungen müssten gleich zerspringen, die kalte Luft schnitt in seine Bronchien wie ein scharfes Messer. Seine steifen Gelenke schienen jeden Moment unter der Last seines Körpers zusammen zu brechen.

"Potter, steh auf!"

"Ginny ....... ich ....."

Irgendetwas begann, ihm die Luft abzuschnüren, da war wieder der Unsichtbahre der ihn von hinten zu erwürgen drohte, die Welle, die erneut auf ihn zurollte, ein Schmerz mit der Wucht eines Blitzschlages durchfuhr ihn, "Ginny... hilf mir!" japste er verzweifelt, wohl wissend dass sie es nicht tun würde oder konnte, Remus rief seinen Namen, dann wurde es schwarz und er fiel und fiel und fiel.... über ihm rief jemand seinen Namen, doch es war nicht Remus.

**********


Sirius starrte Draco mit einer Mischung aus Entsetzen, Misstrauen und Hass an. Hermione saß neben dem Mann und hatte die Hände in den Schoß gelegt, während die Draco fast entschuldigend anblickte. Draco war der einzige, der stand, seine Augen wanderten unruhig umher, weil er es nicht wagte, Sirius Black direkt in anzusehen. Das Schweigen dauerte mehrere Minuten, grauenvolle, endlose Minuten, in denen Draco sich wünschte, er hätte Hermione und den Animagus nie aufgesucht. Schließlich lehnte sich Sirius etwas nach vorne, doch der misstrauische Ausdruck in seinem Gesicht verschwand nicht.

"Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle umbringen sollte."

Draco hob den Kopf leicht und blickte Sirius kurz in die Augen, kein bisschen überrascht, geradezu als ob dies die Frage war, auf die er die ganze Zeit gewartet hatte, die ihm von Hermione aber nicht gestellt worden war.

"Ich weiß nicht, Sir." Sagte er dann leise. Sirius' Augen verkleinerten sich dramatisch.

"Nur um dich dran zu erinnern: Du hast Fred und George gefoltert und hingerichtet, du hast dabei geholfen den Fuchsbau zu vernichten, du hast die Hälfte meiner Freunde ermordet und Remus Lupin an Voldemort verraten…. Du hast geholfen ihn gefangen zu nehmen … deinetwegen wurde er in dieses Verlies mit dem Werwolf des Dunklen Lords gesperrt, gegen den er nicht die geringste Chance hatte." Während Sirius sprach, hatte sich seine Stimme mit immer mehr Zorn gefüllt. "Du hast mitgemacht und zugesehen, du widerst mich an."

"Ich weiß, Sir." Sagte Draco leise.

"Ach ja, tust du das? Das denke ich kaum, genauso wenig wie dir jemals etwas leid getan hat, Draco Malfoy. Und wenn Hermione mir nicht vorhin das Versprechen abgenommen hätte, dich nicht tu töten hätte ich es schon längst getan."

Draco nickte langsam, und senkte die Lieder, Hermione biss sich auf die Unterlippe. Sirius hatte Recht, natürlich hatte er das, sie konnte sich nicht auf Dracos Seite schlagen, das war unmöglich. Aber da war der Ausdruck in seinen Augen, den sie schlecht ertragen konnte, und der so unglaublich stark an Harry erinnerte.

"Warte doch erstmal, was er zu sagen hat." Bat sie Sirius schließlich zögernd. Der Mann wandte den Kopf zu ihr und in seinem Gesicht spiegelten sich Verwunderung und Missfallen wieder, Hermione schluckte ängstlich doch dann hörte sie ihn "Meinetwegen." sagen. Sie warf Draco einen aufmunternden Blick zu.

"Na los."

Draco kratzte sich unschlüssig am Kopf, nervös und unsicher, vielleicht wusste er nicht wie er anfangen oder welche Worte er wählen sollte, vielleicht hatte er auch Angst Sirius versehentlich zu provozieren, er wirkte sehr hilflos dabei. Hermione schüttelte innerlich den Kopf bei dem Gedanken daran, dass Draco sich bemühte, die richtigen Worte zu finden um niemanden zu verletzen. Es waren wirklich komische Zeiten. Schließlich räusperte Draco sich kurz, und er begann mit leiser Stimme - die so gar nichts mit dem schrillen, lautstarken Tonfall seiner Jugend zu tun hatte- zu sprechen:

"Ich weiß, dass sie mir nicht glauben, Sir, und ich bin mir auch nicht sicher ob Hermione das wirklich tut. Aber ich bin her gekommen, um Harry zu helfen. Ich wusste, dass er hier erscheinen würde, auch wenn ich die Gründe nicht kenne…. Ich wollte ihn vor Virginia und ihrer Truppe schützen, aber es hat nicht funktioniert."

"Natürlich." Knurrte Sirius, worauf Hermione ihn sanft am Arm griff.

"Sirius, bitte…."

"Ja ja. Weiter?" fragte der Mann dann.

"Virginia wird ihn zu Voldemort bringen."

Sirius hob gelangweilt eine Augenbraue.

"Na, DAS sind wirklich Neuigkeiten, Malfoy. Was erzählst du uns als Nächstes? Das Voldemort ganz, ganz böse ist?"

Draco atmete tief durch.

"Harry wird nicht sterben, jedenfalls nicht sofort. Voldemort wird ihn vorher quälen und foltern, so lange bis Harry gebrochen ist. Der Dunkle Lord hat das schon oft versucht, aber niemals geschafft, und das macht ihn rasend. Er ist besessen davon, Harrys Willen zu besitzen… deswegen wird er ihn foltern und höllischen Schmerz durchleiden lassen, so lange bis Harry nur noch ein willenloses Stück Fleisch ist. Und wenn das passiert ist, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis Voldemort sein Interesse an Harry verliert und ihn tötet."

Hermione war blass geworden, sie hatte das Gefühl der Boden würde ihr unter den Füßen weggezogen und klammerte sich verzweifelt mit den Fingern im Polster fest. Bilder zuckten durch ihren Geist, sie sah Harry in irgendeinem dunklen Verlies liegen, blutverschmiert, wimmernd, zum Tier degradiert. Tränen stiegen in ihr hoch, aus den Augenwinkel sah sie Sirius, der zu Stein erstarrt sein zu schien.

Dann hörte sie Draco "Im Grunde ist das unser Vorteil." Sagen, sie wollte ihn vor Entsetzen packen und würgen, aber bevor sie das tun konnte spürte sie wie Sirius ihr Handgelenk packte, ruhig und doch bestimmt, und war zu überrascht um irgendetwas zu tun.

"Voldemort wird lange brauchen, bis er ihn so weit hat…." Fuhr Draco schließlich fort, während er Hermione aufmerksam fixierte. "… Harry hat einen ausgeprägten Charakter und einen noch stärkeren Willen… vielleicht sogar den Stärksten, der momentan auf dieser Erde zu finden ist. Wir wissen alle, dass Harry gegen den Imperiusfluch immun ist, und Occlumency beherrscht. Voldemort ist Meister der Selbstüberschätzung, vor Allem wenn es um Harry Potter geht. Natürlich wird er es früher oder später schaffen, kein Mensch kann auf Ewig Schmerz und Qualen ertragen…. Aber es wird länger dauern, als der Dunkle Lord jetzt vorschnell annimmt. Der Punkt ist, je länger Voldemort braucht, desto länger wird Harry leben."

"Ja?" fragte Sirius, in dessen Stimme jetzt zum ersten Mal so was wie Interesse lag.

"Es gibt uns mehr Zeit, ihn daraus zu holen." Vollendete Draco seinen Vortrag.

Auf diese Aussage folgte ein minutenlanges, drückendes Schweigen. Sirius hatte sein Pokerface aufgesetzt und starrte Draco an, Draco hingegen verzog nervös die Mundwinkel und versuchte mit Hermione Blickkontakt aufzunehmen, die wiederum versuchte aus Sirius' Mine Aufschluss über seine Gedanken zu erhalten. Dann endlich brach der schwarzhaarige Mann das Schweigen:

"Du willst uns helfen, Harry zu retten? Wieso?"

"Es ist eine lange Geschichte… aber im Prinzip geht es darum, dass ich erkannt habe, das Voldemort und seine Anhänger nur Tod und Zerstörung mit sich ziehen, und Harry ist der Einzige, der es beenden kann."

"Verzeih mir, Draco, wenn sich in meinem Kopf Zweifel anmelden." Sagte Sirius tonlos, und blickte Hermione fragend an. Die junge Frau warf nervös mit ihrer Hand ihre braunen Locken über Schulter und holte tief Luft:

"Er hat mir die ganze Geschichte erzählt, Sirius und - ich glaube ihm. Draco hatte mehr als einmal die Chance, Harry zu töten oder in seine Gewalt zu bringen, aber er hat es nicht getan."

Sirius wandte den Kopf wieder zu dem weißblonden, jungen Mann und hob erneut misstrauisch eine Augenbraue.

"Vielleicht ist es auch alles bloß ein äußerst raffinierter Trick."

"Sir, sie wissen genau, dass ich das Gegenteil nicht beweisen kann." Erwiderte Draco leise.

"Warum sollten wir dich brauchen, Draco?" fragte Sirius, nachdem er einen kurzen Augenblick geschwiegen und anscheinend die Worte seines Gegenübers bedacht hatte. "Zu Zweit ist es praktisch genauso unmöglich wie zu Dritt."

Draco schüttelte leicht den Kopf.

"Voldemorts Katakomben und Gemächer sind sehr raffiniert versteckt. Sie und Hermione würden die Burg noch nicht einmal entdecken, wenn sie genau davor stünden. Um es kurz zu machen - ICH weiß, wo sich sein Sitz befindet, nur ICH kann sie dorthin bringen. Auch wenn ich ihnen sagen würde, wo sich die Katakomben befinden, sie würden nicht weit kommen, Sir. Sie würden sich verlaufen, oder von den Todessern entdeckt werden noch bevor sie ‚Quidditch' sagen können. Wenn sie Harry finden wollen, bin ich der einzige Weg."

"Und wenn du uns in eine Falle führst?"

"Das werde ich nicht. Sie müssen mir vertrauen."

Sirius antwortete nicht.

***********************


Harry träumte. Er war im Fuchsbau, zusammen mit Ron, Fred, George und Ginny, Charlie erzählte ihnen Geschichten von seiner Arbeit mit dem Drachen und Bill saß am Tisch und trank einen Kaffee. Arthur war bei der Arbeit, doch Molly war da und wuselte geschäftig durch die Küche. Charlie machte einen Witz und sie alle lachten, Ginny zupfte Harry am Ärmel und flüsterte:

"Ich habe Angst vor dem Dunkeln, und Charlie lacht mich deswegen aus."

"Das ist gemein von ihm." erwiderte Harry. Ginny nickte.

"Ich habe Angst, dass im Dunkeln Vampire und Werwölfe kommen."

"Es wird dir nichts geschehen, Ginny, das würde ich nicht zulassen."

Ginny lächelte und dann verschwamm der Traum und Harry war wieder im Dunkeln…. Er erinnerte sich, dass der Traum kein wirklicher Traum gewesen war, dass alles war so passiert, an irgendeinem Nachmittag vor ein paar Jahren. Er hatte Ginny versprochen, auf sie aufzupassen und was war aus ihr geworden?

Durch die Benommenheit hindurch spürte er jeden einzelnen Knochen und Muskeln, seine Haut fühlte sich an vielen Stellen verbrannt an und Harry wusste, dass es sich nicht bloß so anfühlte- sie war verbrannt. Er konnte sich nicht bewegen, ohne höllische Schmerzen zu versuchen, noch größer als jene, die er ohnehin schon empfand. Und so blieb er in der gnädigen Dämmrigkeit der Ohnmacht, die neben ihm zu warten schien.

Ab und zu glaubte er, dass ihn jemand berührte, um ihn zu beruhigen vermutlich, aber das war vollkommen unmöglich. Hermione und Sirius waren weit, weit weg… wenn Ginny nun gelogen hatte? Was, wenn Sirius tot war? Dann würde auch hier alles seine Bedeutung verlieren.

Er zuckte kurz zusammen, als etwas Kaltes seine Stirn berührte und fiel erneut in die Schwärze um ihn herum.

Virginia hatte lange Zeit neben Harry Potter gestanden, so lange dass sie sich mehr wusste wie lange eigentlich genau. Bewegungslos hatte sie auf die Kreatur gestarrt, die leblos und schwer atmend vor ihr auf dem Boden lag, in der Dunkelheit und Nässe des Verlieses. Der Dunkle Lord hatte nach Potters Zusammenbruch befohlen, den Gefangenen hierher zu bringen und sie sollte acht geben, dass er nicht zu fliehen versuchte… Virginia fragte sich ernsthaft, wie Harry das anstellen sollte. Er war mehr tot als lebendig.

In ihr war etwas, dass sie schon seit Jahren nicht mehr empfunden hatte; ein Gefühl, dass sie verdrängt zu haben geglaubt hatte …. Mitleid. Es durchströmte, seltsam warm und zog ihr das Herz zusammen… Virginia wollte es abschütteln, doch sie konnte nicht. Es pochte in ihrer Adern, es ließ sie von Innen heraus kribbeln, es fühlte sich schrecklich und zugleich wohlig an. Als würde die Kälte die sich seit so unendlich langer Zeit in ihr verankert hatte langsam verdrängt und sie selbst mit Wärme gefüllt. Unheimlich war es, wirklich gruselig.

Ihr Blick ruhte auf Harry, er bemerkte alles, jede kleine Wunde, jede Prellung, jede Kruste, jeden gebrochenen Knochen. Die junge Frau konnte ihm seine Schmerzen fast nachempfinden.… und obwohl ihr Kopf ihr sagte, dass Harry kein Mitleid verdiente und man ihn "rechtmäßig" gequält hatte, obwohl sie bereit war Voldemort zu gehorchen und sie Harry Potter hasste; sagte ihr Herz doch, dass es nicht richtig war. Das hatte der junge Mann nicht verdient. Kein Mensch hatte so etwas verdient.

Ein Schauer durchfuhr Harry und er stöhnte leise vor Schmerz, er schien zu Träumen. Virginia biss sich auf die Unterlippe, während sich in ihr Verstand und Gefühl unerbittlich bekämpften. Das letzte Mal, dass dergleichen passiert war lag so lange zurück dass sie sich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte.

Du musst Voldemort gehorchen. Er ist dein Herr und Meister. Wenn du Harry hilfst, tötet er dich. Wenn du nur Sympathien für Potter empfindest, wird er dich genauso quälen wie ihn... schoss es ihr durch den Kopf, den sie daraufhin leicht schüttelte. Nein, es ging nicht. Sie wollte es auch gar nicht. Oder doch? "Nein." Hörte sie sich leise sagen, und im selben Augenblick hatte sie sich neben Harry gekniet und ihre Hand auf seine Haare gelegt.

"Virginia, steh auf, es ist falsch was du hier tust." Flüsterte sie, aber sie konnte nicht. Sie konnte nicht aufstehen, und bevor sie wirklich wusste wie ihr geschah, hatte sie begonnen Harry beruhigend mit den Fingern über den Kopf zu fahren. Sofort ging sein Atem ruhiger und sie lächelte grimmig bei dem Gedanken, dass das nur geschah weil Harry nicht wusste, dass SIE es war. In seinen Fieberträumen dachte vermutlich, es sei Hermione.

Sie betastete seine Stirn und erschrak bei ihrer Hitze. Instinktiv griff sie nach ihrem Dolch, den sie immer bei sich führte und drückte die kalte Klinge gegen seine verschwitzte Stirn, sie merkte wie sich Harrys Körper ein wenig entspannte. Sie seufzte.

Wenn Voldemort das herausfinden würde, wäre sie so gut wie tot. Es wurde Zeit sich zu entscheiden, auf wessen Seite sie nun eigentlich stand.

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Die Tür zu Sirius' Zimmer war seit einer Stunde verschlossen, um genau zu sein, seitdem er sich dort eingeschlossen hatte, um nachzudenken. Er hatte gesagt, er bräuchte Zeit um sich zu entscheiden, ob er Dracos Vorschlag annehmen würde oder nicht. Hermione stand an der Zimmertür und lauschte, doch von Drinnen kamen keine Geräusche. Wahrscheinlich saß er wieder reglos am Fenster, wie immer, und starrte hinaus in die Welt. Hermione wusste, was es für ihn bedeuten würde sein Leben Draco Malfoy anzuvertrauen. Es war für sie selbst nicht viel anders.

Draco hatte damals geholfen, Remus Lupin dem Dunklen Lord auszuliefern; und das würde Sirius nie vergessen oder auch nur für einen Moment verdrängen können. Wenn er Draco anschaute, dann sah er nur den kaltblütigen Mörder, der vor ihm stand, ganz gleich wie sehr Draco sich geändert haben mochte…. WENN er sich überhaupt wirklich zum Guten gewandt hatte. Sirius Black war nicht wie sie; Hermione. Sie war bereit, Draco wenigstens eine Chance zu geben, auch wenn sie ihm seine Vergangenheit niemals würde verzeihen können… aber sie würde versuchen, ihn beweisen zu lassen, dass er ein anderer Mensch geworden war. Sirius hingegen hasste ihn, hasste ihn abgrundtief und nicht, gar nichts würde daran etwas ändern. Draco zu vertrauen bedeutete für ihn, seine ermordeten Freunde, vor allem Remus Lupin, zu verraten.

Nervös biss sie sich auf die Unterlippe, das Warten machte sie vollkommen wahnsinnig. Sie durfte gar nicht daran denken, dass Harry in diesem Augenblick wahrscheinlich grausam gefoltert wurde. Gott was würde Ginny ihm bloß alles antun? Hermione wollte es auf den Versuch ankommen lassen, sie wollte mit Draco gehen, nicht hier rum sitzen und Harry unter Schmerzen wissen. Ihre Hände kribbelten, ihr war schlecht. Wenn Sirius doch nur "ja" sagen würde, wenn sie doch nur etwas tun würden, jetzt und sofort…

Hermione seufzte laut und bitterlich, es hatte ja doch keinen Sinn. Es wäre wahrscheinlich das Beste, wenn sie noch mal die Bücher durchstöbern würde, vielleicht gab es ja irgendetwas über den Realitätswechsel, das sie übersehen hatte, etwas Wichtiges. Sie MUSSTE etwas tun …. Irgendetwas. Entschlossen dreht sie sich um, ein wenig zu schnell, den in ihrer Eile übersah Hermione den Garderobenständer, der hier platziert war und streifte ihn, worauf ein paar Mäntel und Jacken zu Boden fielen.

"Scheiße." Knurrte sie, und machte sie daran, die Sachen wieder aufzuheben. Da war ihr schwarzer Mantel, Sirius braune Cordjacke, ihr Schal, ein paar Handschuhe, Sirius' Wintermantel, eine regendichte Windjacke die sie und der Animagus abwechselnd trugen…. und dann stutzte die junge Frau. Auf den dunklen Fliesen, lag ein Kleidungsstück, dass sie nicht zuordnen konnte… ein dunkelblauer Herrenmantel Sie runzelte die Stirn, und dann begriff sie, dass er Harry gehörte. Natürlich, als er mit Ginny gegangen war, hatte er Sirius' Lederjacke getragen. Der Mantel war hier geblieben.

Wortlos und unbeweglich starrte sie auf den dunkelblauen Stoff, minutenlang. Dann tastete sie mit ihrer rechten Hand zitternd danach, ihre Finger griffen in den weichen Stoff und sie zog den Mantel an sich heran und legte ihn auf ihre Knie. Um sie herum schien die Zeit stehen zu bleiben… sie betrachtete Harrys Mantel so eingehend, als würde es sich um eine wertvolle Kostbarkeit handeln. Der Stoff sah an den Ärmeln bereits verschlissen auf, ein war Knopf abgerissen und wieder angenäht worden. Hermione musste lächeln. Die Vorstellung, dass Harry einen Knopf annähte, war einfach zu schön.

Der Stoff war unglaublich weich, der Mantel musste ein Vermögen gekostet haben. Unwillkürlich drückte sie ihn an sich, es war Harrys Mantel, er roch sogar noch nach dem jungen Mann. Warum? Warum war Harry zu ihnen gekommen und so schnell wieder verschwunden? Es kam ihr wie ein Traum vor, wie ein schrecklicher Albtraum, aber das war er nicht, denn Harrys Mantel war hier. Ihr Freund war wirklich hier gewesen, er lebte noch, irgendwo da draußen. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber Hermione schluckte sie tapfer herunter.

Plötzlich bemerkte sie, dass sich in einer der Manteltaschen ein Gegenstand befand. Nach einem kurzen Moment des Zögerns griff sie entschlossen herein und zog zu ihrer Verwunderung eine blecherne, rechteckige und reichlich verrußte Blechdose heraus. Wieder starrte sie für einige Zeit bloß darauf, als ob um sie herum die Zeit angehalten worden wäre, und öffnete es schließlich langsam. Sie stieß einen leisen Schrei aus, als sie den Inhalt entdeckte. Fotografien. Zahllose, alte Fotos. Vorsichtig nahm Hermione sie heraus, eins nach dem Andern, und diesmal machte sie sich nicht die Mühe ihre Tränen aufzuhalten. Da war ein Foto von ihr und Harry, ein Portrait von Harry, die Weasley-Zwillinge, Molly, Arthur, das kleine Mädchen Ginny, Bill, Charlie, Percy, Familienaufnahmen, alle nur erdenklichen Aufnahmen in allen Kombination. Und Ron. Ron war fast auf allen Fotos vertreten, meistens lachte er fröhlich und winkte oder zwinkerte in die Kamera… er war in den letzten beiden Hogwarts-Jahren sehr nach den Zwillingen geschlagen, sein trockener Sarkasmus hatte sie oft zur Weißglut getrieben… aber sie hatte ihn geliebt. Sie tat es immer noch, jeden Tag vermisste sie ihn; seine Scherze, sein Lächeln, die Art wie er zuhörte oder auch eben nicht; wie er sich um Pigwidgeon kümmerte, am Meisten vermisste sie ihn dabei zu beobachten, wie er mit Harry umging.

Ron hatte Zeit seines Lebens geglaubt, in Harrys Schatten zu stehen, aber das Gegenteil war der Fall gewesen. Natürlich, da war Harrys bekannte Narbe, jedes Kind kannte seinen Namen; jeder wusste von der Legende. Und er war ein Ausnahme-Sucher beim Quidditch. Nur abgesehen davon, war Harry immer ein unauffälliger Junge gewesen. Sie erinnerte sich noch lebhaft and den mageren, schüchternen Jungen damals im Hogwarts Express, der so gar keine Ahnung davon gehabt hatte, wie es war, Freunde zu haben. So viel hätte schief gehen können, und Harry hätte sich vielleicht für immer den anderen gegenüber verschlossen. Er, der es gewohnt war, allein zu sein und gemieden zu werden. Aber Ron hatte ihn mit viel Gespür für die richtigen Worte oder Gesten -selbst wenn es ihm bis zu seinem Tod nicht bewusst gewesen war- aus der Reserve gelockt und ihm gezeigt; das auch er, Harry, Freunde haben konnte. Der Rotschopf war immer der Wortgewandtere, der Witzigere von den Beiden gewesen… und auch durch seine Größe und Haarfarbe immer mehr aufgefallen. Bis auf die Slytherins hatten ihn alle gemocht, weil er auch noch als Prefect lieber Unfug getrieben als ihn zu verhindern versucht hatte.

Sie betrachtete sich die Fotos, die sie in ihrem Leben noch nie zuvor gesehen hatte, und brach in haltloses Schluchzen auf, die Tränen flossen ihre Becherweise übers Gesicht, es scherte sie nicht, auch nicht, dass sie noch immer auf dem kalten Flurboden hockte und am ganzen Körper zitterte.

Warum? Warum hatte man ihr Ron genommen? Warum hatte er nicht weiterleben dürfen? Er war so ein guter Mensch gewesen, er hatte doch nie irgendjemand etwas getan….

"Hermione?"

Als sie Draco ihren Namen sagen hörte, erschrak sie so sehr, dass ihr die Dose aus der Hand glitt und schallend zu Boden fiel. Sie drehte sich um, Draco stand hinter ihr, wie lange schon wusste sie nicht; dann fiel ihr ein dass sie immer noch weinte und sie versuchte die Tränen mit dem Ärmel wegzuwischen, aber es kamen immer Neue nach. Draco schaute sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Verwunderung an, dann fiel sein Blick auf die Fotos, die nun überall verstreut auf dem Boden lagen, und er verstand. Am Liebsten wäre er schreiend aus dem Haus gerannt. Das Alles war bloß seine Schuld…

Er kniete sich bedächtig neben sie und sammelte behutsam die Fotos ein, legte sie in die Blechdose zurück und drückte sie Hermione fast zärtlich in die Hand. Sie schaute ihn an und schwieg.

"Ich…. Ich…." Begann Draco schließlich, doch seine Stimme versagte. Er wollte doch irgendetwas sagen, aber es ging nicht. Worte konnten nicht annähernd beschreiben, was passiert war, damals so wie heute.

"Nein…." Murmelte Hermione abwehrend. "Bitte, sag nichts…"

Der blonde, junge Mann nickte und schwieg. Er kam sich so verabscheuungswürdig vor, auch wenn er an Ron's Tod keine Schuld hatte…. Aber hatte geholfen die anderen Weasleys zu töten. Sirius hatte Recht. Er, Draco, hatte zugesehen und mitgemacht… er war genauso schuldig wie alle Anderen auch. Wie konnte er es wagen, hier neben Hermione zu sitzen, als wenn nichts wäre? Wie konnte er nur?

"Ron hat Muggelkinos geliebt." Begann Hermione schließlich unvermittelt, und riss Draco aus seinen Gedanken. "Sie haben ihn fasziniert. Das hatte er von Arthur. Er konnte nur nie verstehen, dass die Charaktere in den Filmen ihm nie geantwortet haben, wenn er etwas gefragt hat. Er fand das immer sehr unhöflich…." Sie lächelte bei der Erinnerung in sich hinein. Draco wusste nicht warum, aber er schauderte als er sie reden hörte. Er hatte noch nie in seinem Leben, in all den Jahren, niemanden jemals so zärtlich von einer anderen Person sprechen hören wie es Hermione grade getan hatte. Sie musste gar nicht beteuern, wie sehr sie Ronald Weasley liebte. Die Zärtlichkeit in ihrer Stimme, die Wärme verriet mehr als tausend Worte.

"Ich habe wirklich immer gedacht, du würdest mit Harry zusammen kommen." Sagte Draco dann, um die Stille mit irgendetwas zu füllen. Außerdem hatte er das unbestimmte Gefühl, dass Hermione über Ron sprechen wollte. Sie schüttelte leicht den Kopf.

"Nein. Harry und ich haben uns dafür zu gut verstanden." Sie lachte leise. "Er war nur mein Freund… er wollte immer Streit vermeiden. Ron dagegen hat mir immer kontra gegeben… auf diese Weise hat er mir gezeigt, dass es ihm nicht egal war, was ich gedacht habe. Er war voller Überraschung, und er hat mich oft zum Lachen gebracht. Ich… ich könnte Harry niemals LIEBEN… nein. Ich schätze, dafür sind wir uns in den falschen Dingen zu ähnlich und in Anderen zu verschieden."

Draco nickte, sah Hermione an und schwieg. Sie weinte immer noch, aber ruhiger und lautlos, die Tränen liefen ihr einfach übers Gesicht. Er hätte sie gerne tröstend in den Arm genommen, aber das durfte er nicht wagen. Mochte Hermione ihn auch nicht hassen, so hätte sie es doch niemals geduldet. Er konnte nichts weiter tun als hier zu sitzen und ihre stumme Trauer zu ertragen. Eine Weile saßen sie bloß so da, reglos und schweigend; Draco wusste nicht einmal ob Hermione sich seiner Anwesenheit überhaupt noch bewusst war. Seine Beine begannen ihm wehzutun, aber er konnte doch jetzt nicht einfach aufstehen…

Er wurde erlöst, als sich die Tür zu Sirius' Zimmer öffnete, Harrys Patenonkel in den Flur trat und so Hermione aus ihren Gedanken riss. Sie dreht sich leicht erschrocken um und sah Sirius, der ziemlich verwirrt und überrascht wirkte, entschuldigend an.

"Was ist denn hier los?" fragte er, dann entglitten ihm seine Gesichtszüge. "Hermione… du weinst ja!"

Die junge Frau schniefte leise und wischte sich eilig die Tränen weg. Sirius' Züge verhärteten sich.

"Ist es seine Schuld?" fragte er in einem eiskalten Tonfall, während er mit dem Kopf auf Draco deutete. Hermione beeilte sich, den Kopf zu schütteln.

"Nein, Draco hat damit nichts zu tun… ich…" Sie brach ab, schluckte kurz und reichte Sirius dann die Blechdose. "Das war in Harrys Manteltasche."

Der Mann nahm die Dose entgegen, öffnete sie stirnrunzelnd und wurde blass. Er machte einen Schritt rückwärts und suchte mit der freien Hand nach etwas, an dem er sich abstützen konnte. Fast entsetzt schaute er Draco und Hermione an.

"Oh mein Gott."

Hermione nickte. "Ich weiß."

"Wieso sollte er so etwas mit sich herum tragen?" flüsterte der Mann, und schaute die junge Frau verwirt an.

"Ich habe keine Ahnung." Erwiderte diese ruhig. Sirius starrte noch einen Moment geistesabwesend auf die Fotos, dann schloss er die Blechdose und räusperte sich kurz, nachdem er sich wieder einigermaßen gefangen hatte.

"Ich habe mich entschieden." Sagte er dann.

Hermione wollte aufstehen, aber als sie merkte, wie sehr ihre Beine zitterten, blieb sie auf den Knien. Ihr Herz schlug wie wild, und die Übelkeit, die sie vorhin gespürt hatte, war zu einem extremen Brechreiz gestiegen. Kalte und heiße Schauer durchströmten sie abwechselnd…. Bitte, bitte, lass ihn sagen dass wir mit Draco gehen werden…

"Um es kurz zu machen, Draco: ich verabscheue dich… in meinen Augen bist du ein Verräter und ein Mörder, nichts weiter. Und ich könnte dir niemals vertrauen."

Hermione spürte, wie ihr Herz ein Stückchen tiefer sank.

"Aber noch weniger könnte ich es mir verzeihen, wenn ich dein Angebot abschlage und Hermione und ich vielleicht nie die Möglichkeit bekommen, Voldemort ausfindig zu machen. Darum… " Er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen. "Darum wirst du uns zu Voldemorts Versteck führen. Ich möchte ihm lieber in die Hände fallen und sterben, als Harry im Stich lassen. Und wenn du uns verrätst…. Ist das immer noch besser, als nichts zu unternehmen."

Jetzt endlich war Hermione in der Lage, sich zu rühren. Sie sprang auf, warf sich Sirius an den Hals um ihn zu umarmen, und rief abwechselnd: "Danke" und "Wir werden ihn finden!" Draco verharrte etwas abseits des Geschehens und beobachtete die junge Frau und den Animagus schweigend, mit einem Hauch von Neid. Sirius drückte Hermione kurz und löste sich dann sanft aus ihrer Umarmung.

"Hermione, bevor wir aufbrechen möchte ich, dass du noch mal alle Bücher zum Thema Realitätswechsel durcharbeitest… vielleicht gibt es noch irgendetwas Wichtiges, das wir übersehen haben… etwas, dass uns helfen oder nützlich werden könnte… oder etwas, auf das wir Acht geben müssen. Ich will kein Risiko eingehen."

Hermione nickte und rannte beinahe ins Wohnzimmer, um sich über die Bücher zu hocken. Sie würden Harry helfen, sie würden ihn befreien, sie würden ihn nicht noch einmal verlieren…

Die beiden Männer blieben im Flur zurück, schweigend sahen sie einander an, fast eine Minute lang, schließlich senkte Draco seine Lider und folgte Hermione still ins Wohnzimmer.

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Als Harry nach einer scheinbaren Ewigkeit schließlich doch den Weg aus der Dunkelheit ins Licht fand, hörte er als erstes lautes Gemurmel. Er öffnete die Augen, ein zuckender Schmerz durchfuhr ihn, und starrte ins Licht. Verschwommen nahm er mehrere Menschen wahr, als er endlich wieder klarer sehen konnte bemerkte er, dass es mindestens fünfzig waren. Wieder befand er sich in dem, was anscheinend Voldemorts Audienzsaal war, wieder lag er hilflos auf dem kalten Steinboden. Ein scharfer Wind schoss durch die Halle und ließ ihn frösteln. Sein linker Arm schmerzte höllisch, dort wo ihm der eine Todesser die Verbrennung zugefügt hatte. Harry biss die Zähne zusammen und sah sich um.

Die Anhänger des Dunklen Lords, alle in schwarze Umhänge gekleidet, hatten sich in zwei Reihen positioniert, und bildeten so eine Art Spalier, in dessen Mitte Harry saß. Am Kopfende der Halle saß Voldemort auf seinem "Thron", und starrte den jungen Mann grimmig lächelnd an. Ginny stand neben ihm; als Einzige von allen hatte sie ihre Kapuze zurück geschlagen; ihr Haar leuchtete feuerrot, ihr Blick ruhte hochmütig auf Harry. Falls er draußen im Hof je eine Reaktion bei ihr zu sehen geglaubt hatte, so war das jetzt alles verschwunden. Ginny war wieder die kaltblütige Dienerin des Dunklen Lords.

"Harry Potter!" dröhnte Voldemorts hallende, übernatürliche Stimme durch den Saal. Harry merkte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, doch er hob trotzig das Kinn.

"Harry Potter!" schallte es noch einmal. Die Schwingungen des Schalls schnürten dem jungen Mann fast die Luft ab, als würde ihm etwas feste gegen die Stirn drücken. Keuchend rang er nach Atem.

"Bist du denn gar nicht tot zu kriegen?!" fuhr der Dunkle Lord fort, sichtlich amüsiert über Harrys Hilflosigkeit. Er erhob sich und marschierte, nein schwebte fast, auf Harry zu, bis er so gut wie über ihm war. Der Hexenmeister legte die Hände auf den Rücken und beugte sich leicht vor, sein Totenkopfähnliches Gesicht war zu einem höhnischen Grinsen verzogen.

"Und dabei haben wir uns solche Mühe gegeben, jahrelang, nicht wahr? Das kannst du doch bestätigen, oder?" Voldemort legte einen Ton an den Tag, der vermuten ließ er würde mit einem Kind von grade mal vier Jahren sprechen. Harry kniff die Augen zusammen und antwortete nicht. Die bloße Anwesenheit des Dunklen Lords schien seine Kraft zu schwächen.

"Am Ende schien es wirklich, wir hätten dich vernichtet …. Aber wir hätten es besser wissen müssen, nicht?"

Der Geruch, den Voldemort mit sich führte, raubte Harry fast den Verstand, eine widerliche Mischung aus Tod und Verwesung… das letzte Mal, als er ihn gerochen hatte war Sirius kurz darauf …. Nein, daran durfte er jetzt nicht denken…

"Denn du tauchst immer wieder auf, wie Ungeziefer …aber dieses Mal…. Dieses Mal werden wir dich endgültig eliminieren…. Du wirst nie wieder das Licht der Sonne sehen, das verspreche ich dir. Und noch bevor der Tag zu Ende ist wirst du mich anflehen, dich zu töten."

"Wenn… du …. meinst…" erwiderte Harry während er nach Atem rang.

"Oh ja, das meine ich." Voldemort richtete sich wieder auf und begann, bedächtig in kleinen Kreisen um Harry herum zu gehen. Schließlich blieb er stehen und beugte sich erneut leicht zu Harry vor. "Spürst du es, Potter?" fragte er geradezu sanft, was die gesamte Szenerie nur noch mehr ins Grauenhafte trieb:
"Spürst du, wie meine Anwesenheit dir die Kraft raubt? Nur einer von uns kann bestehen Potter, nur Einer. Und derjenige bin ich. Ich habe die Prophezeiung erfüllt… und bin mächtiger geworden, als du es in deinen schlimmsten Albträumen befürchtet hast…"

Dann wandte er sich an seine Untergebenen:

"Aber bevor wir den letzten Potter vernichten, würde es uns sehr interessieren, wie er es geschafft hat, zurück zu kehren…. Potter war tot, ihr alle habt seinen Leichnam gesehen… viele feierten den Tag als sein toter Körper endlich verscharrt wurde…. Und jetzt ist er wieder hier…."

Während Harry immer noch verzweifelt nach Luft schnappte, hatte Voldemort sich umgedreht und grinste ihn höhnisch an.

"Sag uns Potter …. Wie hast du es geschafft, den Tod zu überlisten? Wieso bist du wieder hier?"

"Ich will…. dich töten …. Voldemort…" erwiderte der junge Mann schwer keuchend, aber nicht ohne Trotz. "Ich kehrte zurück …. um dich zu vernichten…." Er schaute sich kurz um. "Und mit dir … all deine Anhänger…."

Unter den Todessern entstand Unruhe, es wurde aufgeregt und erstaunt geflüstert, mit dieser Antwort hatte offenbar keiner gerechnet. Noch nicht einmal Voldemort selbst. Für einen kurzen Augenblick verlor er die Fassung und starrte Harry sprachlos an.

"Du bist mutig Potter. Etwas, dass ich an dir schätze. Es macht dich zu einem interessanten Gegner. " Erwiderte er dann ruhig, und verzog das Gesicht wieder zu einem Grinsen. "Ich würde dich sogar am Leben lassen, wenn ich mit dir fertig bin. Aber das geht nicht … nur einer von uns kann bestehen, Harry, nur einer … du bringst das Gleichgewicht durcheinander …. Deswegen musst du sterben, du kleiner törichter Narr. Wir werden es uns schon lustig gestalten, dessen kannst du dir sicher sein. Ich hoffe, du hattest bisher einen netten Aufenthalt?"

Ein paar der Todesser lachten höhnisch, Voldemorts messerscharfe Zähne blitzen auf, als er übertrieben freundlich lächelte. Harry erwiderte einen kurzen Moment lang nichts, doch schließlich sagte er so feste wie er unter den Umständen nur konnte:

"Ja danke, bestens…."

"Nun denn, dann bist du ja gestärkt und ausgeruht für unser kleines Spiel…"

Langsam, fast entspannt schritt Voldemort zu seinem Thron zurück und setzte sich, die Fingerspitzen seiner Hände berührten sich und er nickte den Todessern unauffällig zu. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren bildeten diese daraufhin einen Kreis um den wehrlosen jungen Mann, der immer noch auf den Knien war und schwer atmete.

"Die Regeln sind wie folgt … der reih um werden meine treuen Anhänger Flüche auf dich schleudern… kein Spruch darf doppelt benutzt werden… das Spiel ist erst zu Ende, wenn meinen Anhängern die Flüche ausgehen … " fuhr der Dunkle Lord fort.

Harry blickte ihn mit einem bodenlosen Entsetzen an, dass er beim besten Willen nicht verbergen konnte. Ginny stand immer noch teilnahmslos neben ihrem Herrn, sie sah gelangweilt aus. Voldemort grinste erneut und nickte kurz.

"Also, Atrox, du beginnst….."

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Hermione starrte entsetzt, mit aufgerissenen Augen auf das Buch, das aufgeschlagen vor ihr lag und las die Passage zum vierundzwanzigsten Mal. Sie konnte und wollte nicht glauben, was dort stand. Hastig trank sie einen Schluck Kaffee, ihre Hand zitterte wie verrückt, und so verschüttete sie einen Teil des braunen Getränks auf den Teppich. Sie merkte es nicht einmal. Das konnte nicht sein ….. das durfte nicht sein. Sie stützte den Kopf auf ihre linke Hand und fuhr sich mit der Rechten nervös durch die Haare. Sie musste etwas falsch verstanden haben … nein, das war es nicht. Alles sprach dafür, sie hatte genug Beweise. Sie spürte, wie eine schreckliche Lähmung sie überkam und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Jetzt war alles verloren…. Alles. Sie konnte nichts mehr tun. Ohne es zu merken, fing sie an zu weinen, leise und regungslos. Die Tränen rannen einfach über ihr Gesicht, wie ein aufgebrochener Damm, aber vollkommen lautlos. Alles, alles würde vergebens sein …. Alles.

"Hermione!"

Da war Sirius, der sie besorgt ansah und sich zu ihr niederkniete; warum tauchte er überhaupt immer auf, wenn sie weinte? Sie schluchzte kurz aber antwortete nicht. Jetzt kam auch Draco ins Zimmer, wahrscheinlich hatte Sirius' Ausruf dazu veranlasst. Er blieb kurz hinter der Tür stehen, ein wenig unschlüssig, und musterte sie ebenfalls besorgt.

"Hermione, warum weinst du?" fragte Sirius alarmiert. Hermione schüttelte nur den Kopf. Sie wollte nichts sagen, sie hatte auch das Gefühl nicht genug Kraft dafür zu besitzen. Ihre Glieder fühlten sich schlaff und leblos an.

"Was ist los?" hörte sie wieder die Stimme des Mannes, doch diesmal wie aus weiter Ferne …. Wenn sie doch nur weg könnte, raus hier und allein sein, weit, weit weg… doch es ging nicht, Sirius war da, er hatte sie an den Schultern gepackt und schüttelte sie sanft.

"Hermy, sag jetzt was los ist, bitte!"

Sie hob den Kopf leicht, und sah, dass Draco jetzt neben ihr saß und vorsichtig ihre rechte Hand hielt, er sagte nichts aber sein Gesichtsausdruck genügte. Er war besorgt, wirklich besorgt. Sie schniefte wieder ….

"Ich ….. es …. Es ist alles zwecklos…. " brachte sie schließlich matt hervor. Sirius und Draco tauschten verständnislose Blicke aus.

"Was ist zwecklos?" fragte Sirius.

"Alles…." Schniefte Hermione.

"Aber warum? Warum?"

"Weil…" begann sie, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie konnte es nicht aussprechen. Sie hatte das Gefühl, sie müsse sich jeden Moment übergeben. Oder ohnmächtig werden.

"Warum?" drängte Sirius weiter. Hermione erkannte, dass es kein Entkommen gab. Draco und Sirius würden nicht eher aufgeben bis sie wussten, worum es hier ging. Sie atmete tief durch und flüsterte:

"Harry wird sterben."
Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen, sie bemerkte dass Sirius und Draco kurze Blicke wechselten, dann sagte der Animagus mit einer betont beruhigenden Stimme:

"Hermione wir werden ihn retten, bevor Voldemort ihm etwas antun kann…."

Die junge Frau schüttelte mit einer Energie, die sie gar nicht zu haben glaubte, den Kopf. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glänzten fieberig.

"Nein…." Sagte sie hitzig. "Nicht Voldemort ….. Voldemort hat damit nichts zu tun… Harry wird nicht getötet werden… aber er wird sterben…"

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Die schwere Stahltür krachte laut hinter ihm ins Schloss und tauchte das feuchte, muffige Verlies wieder in Dunkelheit. Aus der Ferne drang das Wimmern und Schreie der anderen Gefangenen zu ihm, dumpf durch die Wände, aber laut genug, um sie nicht ignorieren zu können. Der Boden war eiskalt, er hörte das leise Quietschen von Ratten, das Rascheln ihrer Bewegungen als sie durch die dünne Strohschicht huschten. Gott er wünschte sich, er wäre tot.

Er hatte keine Ahnung wie lange die Todesser ihn gefoltert hatten, es kam ihm wie ein ganzer Tag vor aber vermutlich waren es nur ein paar Stunden gewesen. Stunden, die an Schmerz und Qual wohl kaum zu übertreffen waren… wie viel Haut sie ihm im Endeffekt verbrannt, wie viele Knochen gebrochen und wie viele Organe zerquetscht hatten, wusste er nicht, am Ende der Prozedur war er sowieso schon halb bewusstlos gewesen und hatte nur noch die Schmerzen gespürt, jedoch nicht mehr unterscheiden können, wo sie herrührten. Alles, woran er sich erinnern konnte war das höhnische Gelächter, die demütigenden Sprüche, die Qual …. und dass sie ihm Ende wieder halbwegs zusammengeflickt hatten. Jedoch nur so weit, dass er die Verletzungen überleben würde, verstand sich. Seine Schmerzen hatten sie auch ein wenig gelindert, warum war ihm nicht klar. Vielleicht wollte Voldemort nicht, dass er zu schnell wahnsinnig wurde. Das hätte ihm sicher den Spaß verdorben.

Scheinbar eine ganze Ewigkeit lang lag Harry auf dem kalten Steinboden, reglos weil jede Bewegung zu sehr schmerzte, die Augen geschlossen weil sie zu sehr geschwollen waren um sie zu öffnen. Er versuchte die Pein zu vergessen, sich auf das stumpfe Tropfen von Wasser in der Zelle zu konzentrieren, zu schlafen, wegzudämmern aber die erlösende Ohnmacht wollte nicht kommen. So öffnete er schließlich seine Augen, soweit die Schwellung es erlaubte, und begann ohne sich zu bewegen die Umgebung zu studieren. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war es nicht mehr vollkommen finster, sondern nur noch äußerst dämmrig. Er befand sich in einem fensterlosen Verlies, scheinbar tief unter der Erde, und es gab nichts außer ein wenig Stroh. Er seufzte und wollte seine Augen wieder schließen, als er plötzlich etwas sah. Etwas, dass ihn seine Schmerzen für einen kurzen Moment vergessen ließ.

In der linken Ecke gegenüber der Tür, fast unsichtbar weil sie so zusammengekrümmt war und ihm den Rücken zugekehrt hatte, lag eine weitere Person.