Autor : Steffi/ astrophilia
Altersbeschränkung : Ab 12
Disclaimer : Alle hier enthaltenden Figuren und Orte (mit Ausnahme derer, die ich erfunden habe) gehören Joanne K. Rowling und Warner Bros., eine Copyright-Verletzung ist nicht beabsichtigt.
Betaleser : Et Tiale ...
Anmerkung: Wunder gibt es immer wieder ... Voila le Kapitel 8. Ich WERDE das Ding zu Ende schreiben... aber durch mein 'echtes Leben' usw. komm ich halt nicht so oft zum Schreiben wie ich möchte, außerdem hat mir dieses Kappi ziemliches Kopfzerbrechen bereitet, weil ichs nicht komplett ins Kitschige abdriften lassen wollte... keine Ahnung, ob ichs geschafft habe ... :o)

Ach ja, irgend jemand hat mich gefragt ob Sirius & Remus zusammen waren ...ich weiß zwar nicht wie du drauf gekommen bist aber .... NEIN ;o)

Das Machtprinzip (Kapitel 08)



Man goes beyond his own decision
Gets caught up in the mechanism
Of swindlers who act like kings
And brokers who break everything
The dark of night was swiftly fading
Close to the dawn of day
Why would I want him just to lose him again

(c) Alison Krauss, 'The Scarlet Tide'


Sirius schaute Hermione vollkommen verwirrt an, blickte dann zu Draco der ebenso verständnislos wirkte wie der schwarzhaarige Mann, und sagte schließlich:

"Ich verstehe nur Bahnhof, Hermione."

"Harry wird sterben." Wiederholte die junge Frau mit Tränen in der Stimme. Sirius atmete tief durch und legte Hermione beruhigend die Hände auf die Schultern, während er ihr fest in die Augen sah.

"Harry wird nicht sterben, weil wir ihn da raus holen werden…."

Doch Hermione schüttelte nur den Kopf und packte Sirius an den Handgelenken, er konnte die nackte Verzweiflung in ihren Augen sehen und das erschreckte ihn. Für gewöhnlich war sie eine unglaublich starke Persönlichkeit, die es sogar geschafft hatte, mit Ron's UND Harry's Tod zu leben, und die immer noch genug Kraft gehabt hatte um ihm, Sirius, zur Seite zu stehen wenn der Schmerz des Verlustes ihn zu überwältigen drohte. Seit Harry wieder aufgetaucht war, hatte sich das allerdings dramatisch geändert, sie war viel zerbrechlicher geworden. So schien es jedenfalls.

"Du verstehst nicht…Ihr versteht nicht… Voldemort hat damit nichts zu tun, überhaupt gar nichts… nicht mal er könnte es verhindern. Niemand kann etwas tun, niemand…"

"Hermione, beruhige dich bitte " flehte Sirius schließlich, und sah ihr eindringlich in die Augen. "Und noch mal langsam und von vorne…Was versuchst du uns zu sagen?"

Hermione schwieg einen Moment lang und für kurze Zeit glaubte Sirius, sie wieder verloren zu haben; doch dann sagte sie:

"Er wird sterben… nicht durch Menschenhand… diese Anfälle die er hat… sie werden ihn umbringen…"

Sirius starrte sie an, als ob ihm jemand mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hätte; er wurde kreidebleich, sein Atem schneller und flacher.

"Ich…Ich verstehe immer noch nicht…" flüsterte er. Hermione schniefte, sie hatte sich mittlerweile etwas beruhigt, so dass sie zumindest vollständige Sätze zustande brachte. Dennoch zitterte ihre Stimme immer noch bedrohlich; und es war nicht einzuschätzen wie lange sie sich wohl noch im Griff haben würde.

"Es hat mit dem Realitätswechsel zu tun. Ich weiß nicht wie, aber…Es war klar, dass sein Körper das nicht mitmachen würde. Er… er gehört nicht hier rein, versteht ihr? Ich…Ich würde es am ehesten mit einer Allergie vergleichen. Diese Anfälle die er hat… sie werden ihn schwächen und schlussendlich umbringen. Irgendwann wird er aus der Bewusstlosigkeit nicht mehr aufwachen…" Sie hielt kurz inne, als würde sie sich erst neu sammeln müssen, und sagte dann ruhig und gefasst: "Mit jedem Anfall den er hat stirbt er ein kleines bisschen mehr."

Eine grausame Stille folgte, die erst nach einigen endlosen Sekunden unterbrochen wurde.

"Oh mein Gott."

Sirius und Hermione wandten den Kopf zu Draco, denn er war es, der die Worte völlig fassungslos geflüstert hatte. Der junge Mann runzelte die Stirn als er die Blicke des Animagus und Hermione bemerkte; und dann wurde ihm erst klar, was er so eben gesagt hatte. Fast entschuldigend zuckte er die Schultern und schwieg dann. Draco wagte es nicht, mehr in Sirius' Gegenwart zu sprechen als unbedingt notwendig war.

"Bist du ganz sicher, Hermione?" Sirius Tonfall ließ erahnen, wie schwer er um seine Fassung kämpfte. Sein Gegenüber nickte.

"Das bin ich."

"Und" begann Sirius, nach Worten ringend die ihm nicht einfallen wollten. "Und…wenn… bist du sicher, dass…"

"Ja Sirius, bin ich… Harry wird sterben." Erwiderte Hermione - die letzten Worte waren in lautem Schluchzen untergegangen - und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen. Ihre braunen Locken fielen wild und zerzaust darüber, wie ein fast schwarzes Meer. Sirius hatte das Gesicht abgewandt und starrte auf den Boden, er konnte und wollte nicht verstehen, was Hermione ihm so eben gesagt hatte. Harry würde sterben, noch einmal, sie würden ihn wieder verlieren. Er würde qualvoll sterben, und alleine. Und wieder würde er, Sirius seinen Patensohn nicht retten können.

Die Welt lag in Trümmern, war in lauter kleine Stücke zerfallen, die man unmöglich wieder zusammensetzten konnte. Das Licht war der endlosen Dunkelheit und Kälte gewichen, die in jede Pore, jede Faser des Körper und Geistes krochen und sich dort für immer niederließen. Sein Leben war nichts als ein Scherbenhaufen, auf dem er wie ein Tier auf allen Vieren kroch; getrieben von schmerzhaften Erinnerungen und furchtbaren Schuldgefühlen. Es gab nichts, wofür es sich überhaupt zu leben lohnte.
Und dann war Harry aufgetaucht; wie ein Licht der Hoffnung in ewiger Finsternis. Er hatte einen Funken der Hoffnung im Herzen des Animagus entfacht, unbeabsichtigt natürlich, aber er hatte es getan. Plötzlich hatte alles wieder einen Sinn gemacht. Voldemort hatte doch nicht alles, was jemals gut und schön gewesen war, zerstören können. Für eine kurze Zeit war der Schmerz, die Dunkelheit, die Traurigkeit Glück und helleren Zeiten gewichen. Es hatte so ausgesehen, als ob es doch noch irgendwo da draußen Hoffnung gab. Hoffnung auf das Gute; das Aufrechte, die Hoffnung selbst. Für Sirius hatte Harry immer genau das repräsentiert, schon als Säugling. Zuerst war es die Unschuld des Kindes gewesen, später sein Mut und Glaube an die Gerechtigkeit, die Sirius Kraft und Hoffnung geschenkt hatten. Denn an Harry gab es nichts Böses, selbst sein Zorn und Hass entsprangen aus der Liebe zu den Menschen, die er zu verteidigen suchte.

Jetzt würde Harry sterben. Unverschuldet und sinnlos würde sein Tod sein, genau wie damals, als Voldemort ihn kaltblütig umgebracht hatte. Sirius fühlte, wie sich eine eiskalte Hand um seine Kehle zu legen schien. Wie, wie sollte er nur weiterleben, wenn Harry wieder sterben würde? Wie würde er mit dem Wissen weitermachen können; Harry für kurze Zeit bei sich gehabt und wieder verloren zu haben? Er würde in die Dunkelheit fallen, haltlos; und nie wieder auch nur einen Hoffnungsschimmer sehen.

Wie durch eine dicke Wand hörte er plötzlich Dracos Stimme, leise und vorsichtig; als sei er auf der Hut vor etwas. Vor ihm, Sirius wahrscheinlich.

"Wenn Harry wieder in seine Welt wechseln würde; dann wäre doch wieder alles in Ordnung oder?"

Hermione hob den Kopf leicht und wischte sich die Tränen von der Wange, sah Draco aber nicht direkt an als sie schniefend antwortete.

"Wahrscheinlich schon." Sie atmete tief durch. "Aber wie willst du das anstellen? Willst du ihn noch mal von einem Blitz treffen lassen? Mal ganz davon abgesehen, dass wir es gar nicht schaffen könnten ein Gewitter heraufzubeschwören dessen Blitz Harry dann trifft; er würde einen Blitzschlag nie überleben. Es ist schon mehr als ein Wunder, dass er den ersten einigermaßen heil überstanden hat."

"Und… wenn es einen anderen Weg geben würde?"

Endlich sah auch Sirius Black auf, wie vom Donner gerührt starrte er Draco Malfoy an; und zum ersten Mal lag in seinem Blick nichts Verachtendes. Die Verzweiflung ließ keinen Platz dafür.

"Wie meinst du das?" murmelte der Mann, seine Stimme klang wie die eines alten Mannes, kraftlos und schwer. Draco schaute ihn unbehaglich an, er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und die Schultern ein wenig hochgezogen.

"Ich meine, wenn es einen Zauberspruch geben würde, der…"

"So was gibt es nicht." Warf Hermione immer noch schniefend ein. "Jedenfalls nicht innerhalb unserer Reichweite. Bis wir so etwas aufgetrieben haben ist Harry längst…" Sie wagte nicht, die letzten Worte laut auszusprechen. Es war zu unerträglich um auch nur daran zu denken. Draco atmete tief durch, als ob er Anlauf für etwas nehmen würde.

"Ich weiß, wo es so etwas geben könnte." Sagte er dann. Hermione und Sirius waren zu überrascht, um antworten zu können. Sie tauschten untereinander verständnislose Blicke aus; doch als keiner von ihnen antwortete ergriff Draco erneut das Wort:

"Meine Familie besitzt eine riesige Bibliothek mit Aufzeichnungen fast aller Zaubersprüche; von ganz Einfachen, Alltäglichen bis zu längst Vergessenen oder Verbotenen, über jahrhunderte hinweg gesammelt und archiviert. Alle Katakomben, die sich unter unserer Villa befinden sind voll mit dem Zeug."

Sirius war der Erste, der antwortete.

"Und wieso glaubst du, dass die Malfoys Aufzeichnungen über Zaubersprüche haben, die uns hier weiterhelfen könnten?"

Draco räusperte sich leise.

"Weil ich sie gesehen habe."

"Dein Timing für Scherze ist äußerst schlecht, Malfoy."

Der junge Mann schüttelte vehement den Kopf.

'Nein, ich meine es vollkommen ernst. Als ich noch ein kleiner Junge war, hab ich mir einen Spaß daraus gemacht; in den unterirdischen Räumen umher zu schleichen und mir die Bücher anzusehen. Wahrscheinlich, weil mein Vater es mir strikt verboten hatte. An einen Titel kann ich mich noch genau erinnern, weil ich ihn nie verstanden habe … es war ein spanisches Buch und der Titel lautete Viajar a los mundos.'

"In den Welten reisen." Flüsterte Hermione gebannt. Draco nickte.

"Damals konnte ich nichts damit anfangen, dennoch blieb der Titel in meinem Gedächtnis; und jetzt da ich ihn übersetzen und verstehen kann macht er durchaus Sinn…"

Ungläubig warf Sirius erst Hermione, dann Draco einen skeptischen Blick zu.

"Und du glaubst, dass sich der Titel auf Realitätswechsel bezieht?"

Der Blonde zuckte die Schultern.

"Worauf denn sonst?"

"Aber wenn es eine komplette Abhandlung darüber gibt, Draco, wie kommt es; das weder Hermione noch ich jemals etwas über dieses Phänomen erfahren haben?!"

"Vielleicht ist es ein Einzelstück, oder man hat dem Autor damals nicht geglaubt…" Erwiderte Draco leise, fast unsicher. Er hatte Angst vor Sirius, oh ja. Er fürchtete sich davor, wie die Rache des Animagus aussehen könnte, sollte er die Kontrolle über sich verlieren. Jeder Mensch konnte zur Bestie werden, das hatte Draco Malfoy im Laufe der Jahre gelernt. Niemand war ein Heiliger.

"Und wie kommen wir an dieses Buch ran?" fragte Hermione, die eine aufkeimende Auseinandersetzung zwischen Sirius und Draco heraufziehen sah. Das war wirklich das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten.

"Ganz einfach: Ich hole es."

Sirius lachte schallend auf.

"Den Teufel wirst du tun… verzeih mir, wenn ich skeptisch bin, aber ein Malfoy, der etwas von seiner Familie klauen will, um Harry Potter zu helfen… das klingt doch sehr nach einem Märchen. Oder besser noch: Nach einem Trick."

Draco seufzte. "Sie würden mir nie glauben, dass ich es ernst meine, richtig?"

"Gegenfrage: Wieso sollte ich?"

Sirius sah Draco herausfordernd an, doch sein Gegenüber antwortete nicht.

"So kommen wir nicht weiter." Sagte Hermione schließlich, in einem verzweifelten Versuch einen möglichen Ausbruch der beiden Männer zu vermeiden. Dann wandte sie sich an Draco.

"Du hast mir erzählt, dass dein Vater dich hasst und versucht, dich umzubringen."

Draco nickte. "Stimmt." Hermione holte tief Luft.

"Und da willst du's riskieren, von ihm geschnappt zu werden?"

"Er wird mich nicht erwischen. Ich kenne mehr Geheimgänge in unserer Villa als jeder Andere, mal abgesehen von demjenigen der sie gebaut hat vielleicht."

"Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache… Was wenn man dich erwischt und sie von unserem Plan erfahren???" Wieder zuckte Draco die Schultern.

"Ich habe nichts zu verlieren. Gar nichts."

"Sie werden dich töten."

"Ich sagte doch, ich habe nichts zu verlieren."

"Und jetzt noch mal langsam…." Schaltete sich Sirius plötzlich wieder ein. "Ich glaube nicht, dass du so einfach ungesehen in eure Villa spazieren kannst… ihr werdet doch sicher Wachmänner, Hunde, Wölfe oder was-weiß-ich als Schutz haben, oder? Was willst du machen? Da einfach hinein apparieren???"

"Eigentlich hatte ich genau das vor…"

"Sieh mal an, du bist nicht nur ein Mistkerl, du bist auch noch dumm dabei…" knurrte der Animagus ärgerlich. "Das ist mit Abstand das Blödeste, was ich seit Langem gehört habe…"

"Bei allem Respekt, Sir…" erwiderte Draco, dessen Stimme plötzlich an Schärfe gewonnen hatte. "Ich bin nicht dumm. Ich weiß genau, was ich tue. Das letzte, was mein Vater erwartet ist, dass ich plötzlich bei uns zu Hause auftauche. Außerdem liegt über unserer Villa ein Schutzzauber… aber ich weiß, wie ich ihn umgehen kann. Ich habe das schon hundertmal gemacht, damals bevor…" er machte eine kurze Pause, und als er weiter sprach klang er sicherer als jemals zuvor. "Ich werde das Buch holen. Wie wollen Sie Harry sonst retten? Selbst wenn Sie ihn aus Voldemorts Händen befreien können; wird er doch früher oder später sterben. Und dann werden Sie sich wünschen, Sie hätten mich gehen lassen."

Sirius antwortete nicht, aber seine klaren, grauen Augen ruhten durchdringend auf Draco Malfoy, der zum ersten Mal seit ihrer Begegnung diesem Blick nicht auswich, sondern fast trotzig zurückstarrte. Vielleicht lag es daran, dass Sirius ihm nicht glaubte und ihn weiterhin als den Verräter und Mörder sah, der er gewesen war. Draco wusste, dass er den Hass und die Abscheu verdient hatte … er hatte damit gerechnet, sich darauf eingestellt. Und dennoch nagte es tief in seinem Innern an ihm, dass Sirius nicht glauben wollte, dass er, Draco, sich geändert hatte. Aus seiner jahrelangen Blindheit aufgewacht war. Dass er helfen wollte. Es verletzte ihn, dass die Hilfe, die er anbot, mit nichts als Misstrauen gedankt wurde. Sirius hasste ihn mit einer Leidenschaft, wie Draco es selbst selten zuvor erlebt hatte.

"Ich traue dir nicht über den Weg, Malfoy." Knurrte Sirius.

"Ich weiß. Aber die Frage ist - was für eine Wahl haben sie?" antwortete Draco kühl.

Mit wachsender Sorge beobachtete Hermione, wie sich die beiden Kontrahenten gegenüber saßen, sich wie Raubtiere beobachteten, jede Muskelfaser angespannt, und den geeigneten Moment abwarteten, um sich zu attackieren. Zwar nur verbal, aber das war gefährlich genug. Sie hatte Angst davor, dass Sirius die Kontrolle über sich selbst verlieren und Draco Malfoy angreifen könnte… und dann war da noch Draco selber, der langsam in Ton und Haltung zu seinem alten Ich zurück zu finden schien… oder vielleicht durch Sirius' Benehmen dazu gezwungen wurde. Die Angelegenheit stand auf Messers Schneide, und nur ein falsches Wort würde genügen, hier und jetzt eine Katastrophe zu verursachen. Und dafür stand einfach zu viel auf dem Spiel.

"Draco," sagte sie ruhig, aber bestimmt. "Bist du sicher, dass du es schaffst, das Buch zu holen?"

Der junge Mann wandte den Kopf zu ihr und nickte dann.

"Bin ich."

Hermione seufzte leise. Sie wusste, dass Sirius sie für das hassen würde, was sie im Begriff war zu tun. Aber es gab keinen anderen Weg. Sie sah Draco fest in die Augen.

"Gut… dann tu es. Du musst schnell sein und bitte, sieh dich vor… es ist wirklich wichtig, dass wir dieses Buch bekommen."

"Ich weiß." Erwiderte Draco und stand auf. Er war ein wenig blasser geworden und Hermione hatte das unbestimmte Gefühl, dass Dracos Plan nicht ganz so ungefährlich für ihn war wie er behauptet hatte.

"Nein!" hörte sie Sirius entsetzt rufen, aber weder würdigte sie den Animagus eines Blickes noch antwortete sie; stattdessen nickte sie Draco langsam zu.

"Viel Glück." Flüsterte sie. Draco lächelte dankbar, aber nicht ehrlich; dann konzentrierte er sich und war mit einem leisen "Plop" aus dem Wohnzimmer verschwunden. Hermione rührte sich nicht, sie konnte nicht glauben, was sie so eben getan hatte. Plötzlich packte sie eine Hand fest und grob am Handgelenk, es war Sirius; mit wilden Augen sah er sie an, unfähig zu glauben, was sich hier so eben abgespielt hatte. Die junge Frau versuchte sich dem Griff zu entziehen, doch der Mann war zu stark.

"Bist du wahnsinnig???" brüllte er wie ein Irrer. "Das ist doch nur ein Trick!!!"

Hermione sah ihn einen Moment lang zögernd an, bevor sie antwortete.

"Vielleicht. Aber er hat nichts zu verlieren. Und wir auch nicht. Egal was passiert, es kann nicht schlimmer werden."

Unendlich langsam war Harry Zentimeter um Zentimeter näher an die andere Person heran gekrochen, jede Bewegung war zu einem Höllentrip geworden; und er schien kein Stückchen näher gekommen zu sein. Wer immer auch dort liegen mochte hatte ihn entweder noch nicht bemerkt, oder er war… Harry schluckte bei der Vorstellung. Gerührt hatte die Person sich jedenfalls nicht.

Nach fünf schier endlosen Minuten war Harry endlich über den feuchtkalten Boden in Reichweite gekrochen, hatte sich so weit nach vorne geschoben, dass er den vor ihm liegenden Körper immerhin erreichen konnte, wenn er seinen Arm ausstreckte. Seine Hand griff nach dem, was wohl mal ein Pullover gewesen war, jetzt aber mehr aus Löchern und Rissen bestand als aus Stoff. Die Fasern fühlten sich nass und aufgeweicht auf Harrys Haut an. Er zog leicht am Pullover der Person, der Körper bewegte sich, doch die Person rührte sich immer noch nicht. Mittlerweile war Harry nahe genug gekommen um erkennen zu können, dass die Schulterblätter des Menschen vor ihm wie spitze Gebirge unter dem Stoff hoch stachen, und sich die Wirbelsäule ebenfalls deutlich abzeichnete. Wieder schluckte Harry.

"He, du da…." Sagte er zögernd, doch er erhielt keine Antwort. Eine Gewissheit drängte sich in ihm auf, die Tatsache, dass dieser Mensch hier nicht mehr lebte… und dennoch, er musste sicher gehen. Mechanisch kroch er weiter, bis er endlich neben der Person war, keuchend setzte Harry sich auf und wischte sich mit dem Ärmel über die verschwitzte Stirn. Im fahlen Licht glaubte er zu sehen, wie sich der Brustkorb des Menschen fast unmerklich hob und senkte… ob er doch noch lebte? Harry zögerte kurz, dann packte er den Körper an den Schultern und drehte ihn auf den Rücken.

Einen Augenblick lang starrte Harry fassungslos auf den jungen Mann, der dort fast zu Tode gequält vor ihm lag. Irgendetwas schien ihm die Kehle zu zuschnüren, verzweifelt schnappte er nach Luft die nicht kommen wollte. Gelähmt vor Entsetzten konnte Harry den Blick von dem Mann nicht abwenden; wie benommen, nicht bereit zu glauben was er dort sah.

Es war Ron.

In einem ersten Impuls stürzte Harry vorwärts und nahm seinen Freund vorsichtig in die Arme; er dachte nicht daran, dass Hermione ihm noch kurz zuvor von Ron's Tod erzählt hatte. Dass Ron an sich nicht hier sein durfte. Sein konnte. Vielleicht lag es daran, dass Ron für Harry nie wirklich tot gewesen war, er hatte nie genug Zeit gehabt, um es wirklich zu begreifen, zu akzeptieren. Natürlich, Hermione hatte es ihm erzählt… aber in den vergangenen Tagen war so viel passiert, so viel Neues auf den jungen Mann eingestürzt, dass ihn kaum noch etwas überrascht hätte. Und wahrscheinlich hatte er tief in seinem Innern sowieso nie wirklich geglaubt, dass sein bester Freund ihn so einfach verlassen hatte. Nicht, nachdem Harry ihm noch vor wenigen Tagen versprochen hatte, Weihnachten bei den Weasleys zu verbringen. In seiner alten Welt natürlich, aber immerhin… vielleicht war Harry in diesem Moment, nach den endlosen Qualen und Erschöpfung auch einfach nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

Vorsichtig nahm er Ron in die Arme, als ob er Angst hätte, ihn zu zerbrechen. Harry konnte deutlich spüren, wie die Knochen unter der Kleidung des Rotschopfes heraus stachen, er fühlte jeden Einzelnen von ihnen.

"Ron!" flüsterte er, und schüttelte den jungen Mann sanft. "Ron… bitte wach auf… bitte!"

Doch Ron bewegte sich nicht. Vielleicht hörte er Harry nicht. Vielleicht schaffte er es auch einfach nicht, sich zu bewegen.

"Ron, ich bin's Harry!" versuchte Harry es erneut. Mittlerweile hatte er sich so weit von dem Schock erholt, dass Tränen in ihm hochstiegen… Tränen darüber, dass man Ron so etwas angetan hatte… Tränen darüber, dass Ron nicht auf sein Flehen reagierte. Hatte man ihn etwa in den Kerker geworfen, um ihn noch mehr zu quälen? Ihm seinen besten Freund zu zeigen, wie er fast zum Krüppel geprügelt einfach nur so da lag, dem Tod näher als dem Leben?

Harry schluckte und biss die Zähne zusammen. Er würde Ron nicht einfach so aufgeben. Niemals. Er schüttelte Ron noch einmal, diesmal etwas fester. Doch der Körper in seinem Armen blieb so leblos wie zuvor.

"Komm schon Ron… bitte… ich bin's doch, Harry… ich bin hier… bitte, wach auf… lass mich hier nicht alleine… tu mir das nicht an…"

Gerade in dem Augenblick, als Harry glaubte es wäre vergebens, und dass man ihn wirklich hierher gebracht hatte um Ron beim Sterben zuzusehen, öffnete sein Freund langsam die Augen. Langsam und unter unendlichen Qualen, so schien es; doch als er Harry erblickten huschte ein seichtes Lächeln über sein eingefallenes Gesicht, und seine Augen leuchteten ein wenig.

"Harry." Sagte er. Seine Stimme war alt geworden, alt und brüchig. Ron's Tonfall war erfreut, aber nicht überrascht. "Du warst lange nicht mehr hier." Fügte der Rotschopf dann hinzu, die letzten Worte undeutlich murmelnd. Harry runzelte verständnislos die Stirn.

"Was zum Teufel redest du denn da?"

Wieder lächelte Ron, er schien weit entrückt zu sein. "Du hast mich schon lange nicht mehr in meinen Träumen besucht."

Jetzt verstand Harry… Ron glaubte, zu träumen. Darum war er auch nicht überrascht… energisch schüttelte der schwarzhaarige Mann den Kopf.

"Nein Ron, ich bin es wirklich… du träumst nicht… ich bin hier…"

"Du bist tot, Harry…" erwiderte Ron ruhig… er schien diese Diskussion schon öfter geführt zu haben.

"Ron glaub mir … ich weiß dass ich tot sein müsste… aber bitte glaub mir, du träumst nicht… ich BIN es…"

Behutsam nahm Harry Ron's Hand, und sein Freund schien auf einmal zu begreifen.

"Du hast mich noch nie zuvor berührt… in meinen Träumen… wir reden nur…" stotterte er leise; dann sah er wieder auf und in seinen Augen lag plötzlich so etwas wie ungläubige Aufregung, sein Atem wurde flacher und er packte Harry am Arm. Es war nicht mehr als ein sanfter Druck, kraftlos, zu mehr war Ron körperlich nicht in der Lage. Seine Finger waren dünn und knochig wie die Voldemorts, und sein Arm stach gespenstisch dürr aus dem Pullover heraus.

"Weil ich es wirklich bin…" antwortete Harry behutsam. Er wollte Ron nicht noch mehr aufregen, auch wenn das so gut wie unmöglich war… Ron hielt ihn für tot, so wie alle anderen. Aber wer wusste schon, was Ron zuviel Aufregung in dem erbärmlichen Zustand, in dem er war, antun konnte oder würde?

Ron starrte ihn für einen kurzen Moment mit weit aufgerissenen Augen an, dann hob er wortlos die linke Hand und berührte Harry vorsichtig an der Wange. Erschrocken zog er die Hand zurück.

"Du bist es wirklich…" flüsterte er dann. Harry nickte langsam.

"Ich bin es…"

Nach Luft schnappend schüttelte Ron den Kopf, Harry konnte spüren wie der Puls seines Freundes sich verdoppelte, sein Herz schien ihm aus der Brust springen zu wollen.

"Das ist unmöglich…"

"Ich weiß. Aber ich bin hier…"

Ron verzog den Mund zu einem Lächeln, plötzlich sah er sehr glücklich aus. Harry schluckte.

"Es ist schön, dich wieder zu sehen." sagte Ron leise.

"Und dich…" erwiderte Harry ruhig.

Plötzlich wurde der Rotschopf ernst.

"Töte mich." sagte er dann nach einer kurzen Pause. Harry zuckte zusammen, als hätte ihm jemand mit voller Wucht in den Magen getreten, er glaubte, sich verhört zu haben.

"W… was?" fragte er, das Zittern in seiner Stimme war kaum zu überhören.

"Töte mich," wiederholte Ron ruhig, fast sachlich, und schob, als er Harrys entsetzten Gesichtsausdruck sah, ein "Bitte." hinterher.

"Ich… ich verstehe nicht…" flüsterte Harry. Ron sah ihn einen Augenblick lang einfach nur an; als ob er nach Worten suchen würde die Harry verstehen konnte…

Es machte Harry Angst. Am Liebsten wäre er fortgelaufen. Stattdessen hielt er Ron weiter fest in seinen Armen, ihm war nach Weinen, doch er konnte nicht. Er ertrug den Anblick seines Freundes nicht länger, er sah so anders aus, um Jahre gealtert, wie ein Schatten seiner selbst. Harry fühlte sich dieser Person eigentümlich fremd, als ob es nicht wirklich Ron wäre… sondern bloß eine Person, die genauso aussah wie sein bester Freund. Und dennoch war das hier Ron Weasley… die gebrochene, geschundene Kreatur zu seinen Füßen. Wieder schluckte er.

"Du… du musst mich töten… Ich flehe dich an… bitte… ich… ich ertrage das hier nicht mehr… ich…" Wieder machte er eine kurze Pause, seine Augen waren nun schreckgeweitet und er sprach panisch flüsternd, als ob er Angst davor hätte, dunkle Geister zu wecken. "Du… sie holen mich, Harry… immer wieder. Sie tun mir weh, so lange bis ich glaube den Verstand zu verlieren… ich… ich kann… ich will… " Er holte tief Luft, und sammelte sich kurz.

"Ich bin kein Mensch mehr, Harry. Ich weiß nicht, was sie aus mir gemacht haben… ich… ich bin nicht mehr wirklich am Leben… ich fühle nichts mehr. Nichts außer Kälte und Schmerz… ich kann das nicht mehr… bitte Harry bitte… ich flehe dich an…"

"Du hast keine Ahnung, worum du mich bittest…" erwiderte Harry leise.

"Bitte Harry… wenn ich wirklich dein Freund bin… bitte Harry, bitte…"

Der schwarzhaarige junge Mann schüttelte langsam den Kopf. Die Verzweiflung in Rons Stimme war ins Unermessliche gewachsen und kaum noch zu ertragen. Aber Harry wusste, dass er niemals tun könnte, was Ron hier von ihm verlangte… und wahrscheinlich wusste sein Freund es auch.

"Ich werde uns hier raus holen, irgendwie…"

Ron lächelte bitter, er sprach stockend als er antwortete.

"Du… kannst uns nicht immer retten, Harry."

Dann wurde sein Gesicht wieder ernst.

"Bitte Harry… bitte…"

Harry antwortete nicht.

Hermione saß auf der Couch und hat zur Tarnung ein Buch aufgeschlagen auf den Knien liegen. Nicht, dass sie wirklich darin gelesen hätte. Die Anspannung war einfach zu unerträglich, die Stille des Hauses zu erdrückend. Sirius hatte begonnen, wie ein Tiger im Käfig durch das Haus zu wandern, durch jedes einzelne Zimmer, und wenn er im Wohnzimmer ankam, dann warf er Hermione jedes Mal zornige, vorwurfsvolle Blicke zu. Doch er sagte kein Wort, und das war noch viel schlimmer.

Ein paar Stunden waren bereits vergangen, und während die Zeiger der Uhr unbarmherzig weiter ticken, krochen in Hermione erste Zweifel hoch. Draco hätte längst zurück sein müssen… wenn sein Vater oder die Leibwächter oder weiß der Teufel wer ihn jetzt erwischt hatten? Würde Draco sie verraten? Wie lange sollten sie noch auf seine Rückkehr warten? Vielleicht war er inzwischen schon lange in Voldemorts Händen und wartete in seinen Katakomben darauf, dass Sirius und sie den Weg alleine fanden…

Hermione atmete tief durch, ihre Hände zitterten vor Anspannung und Angst. Es war ihre Entscheidung gewesen, sie hatte sich über Sirius hinweg gesetzt. Wenn Draco jetzt Mist baute oder - und das durfte einfach nicht passieren - sie in eine Falle locken würde dann… ja dann war es ganz allein ihre Schuld. Dann hatte sie es verbockt, und sie würde nicht wissen, wie sie damit würde umgehen können…oder ob sie überhaupt damit umgehen können würde. Sirius würde sie dann jedenfalls hassen, so viel stand fest. Er war ein leidenschaftlicher, emotionaler Mensch… er würde sie verabscheuen, sein Leben lang. Hermione hatte nicht den geringsten Zweifel daran.

Sein Schweigen war unerträglich, ein stummer Vorwurf der ihr deutlich zeigen sollte, wie sehr er ihr Verhalten, ihre Entscheidung, missbilligte. Nun, daran war jetzt auch nichts mehr zu ändern. Sie hörte Schritte näher kommen, dann trat Sirius ins Wohnzimmer und starrte sie einen Moment lang mit zusammen gepressten Lippen an, stumm und angespannt.

Schließlich Hermione klappte das Buch lautstark zusammen und starrte trotzig zurück. Sie hatte genug.

"Sirius, er wird es schaffen…" begann sie.

"Und wenn nicht? Er wird uns alle ins Unheil treiben…" erwiderte Sirius kühl, Hermione weiter wütend anstarrend.

"Hast du schon mal daran gedacht, dass Draco uns vielleicht wirklich helfen kann? Dass er vielleicht derjenige ist, durch den wir Harry retten können?" Hermiones Ton hatte an Schärfe und Leidenschaft gewonnen, etwas, was Sirius schon lange nicht mehr an ihr gesehen hatte.

"Mir reicht es schon, dass diese blonde Kanalratte anscheinend unsere einzige Möglichkeit ist, in Voldemorts Versteck zu gelangen. Und jetzt warten wir hier wie Lämmer die zur Schlachtbank geführt werden darauf, dass er mit diesem ominösen Buch, das es wahrscheinlich gar nicht gibt, zurückkehrt."

"Er wird damit zurück kehren…" sagte Hermione ruhig, aber bestimmt. Sie durfte jetzt nicht die Nerven verlieren oder sich gar zu einem Streit mit Sirius hinreißen lassen. Nicht jetzt, wo sie doch alle zusammenhalten mussten. Jetzt, wo es um Harrys Leben ging. Sirius musterte sie zweifelnd mit hochgezogener Augenbraue.

"Eins würde mich interessieren… wieso glaubst du ihm? Was hat dich zu der Überzeugung kommen lassen, dass er der neue Mensch ist, den er vorgibt zu sein?"

Hermione antwortete nicht gleich, vielleicht, weil sie im Grunde ihres Herzens selbst nicht genau wusste, warum sie Draco eigentlich glaubte. Sie wusste nur, dass es so war.

"Ich… ich glaube wenn er es wirklich nur spielen würde dann… wäre er netter, schleimiger. Er scheint so… gebrochen. Das Leben hat ihm zugesetzt, er hat zuviel gesehen und erlebt, was er nicht unverändert überstehen konnte. Ich glaube ihm, dass er sich verändert hat. Es ist zu echt…"

"Schon mal dran gedacht, dass er wahrscheinlich nur ein verdammt talentierter Schauspieler ist?" fragte Sirius mit beißendem Unterton. Hermione schüttelte den Kopf.

"Ich glaube, es ist echt. Ich kann es in seinen Augen sehen… und du, Sirius … ich weiß, dass dein Hundeinstinkt bei dir sofort die Alarmglocken läuten würden, wenn er etwas Verdächtiges spüren würde… aber das hat er nicht getan oder? Draco ist anders geworden…"

"Das ist mir eigentlich auch so ziemlich egal, Hermione… er ist ein Malfoy…" knurrte der Animagus dann. "Und du weißt ganz genau, dass man ihnen nicht trauen kann. Noch nie hat ein Malfoy jemals irgendetwas getan, was in die Richtung "gut" oder "hilfreich" oder sogar "nett" gehen würde… er ist und bleibt ein Verräter, und das weißt du."

"Weißt du", sagte Hermione leise und erhob sich. "Ich dachte von allen Leuten wärst du der Letzte, der einen anderen Menschen über seine Familie beurteilt."

Sie ging zur Tür und drehte sich auf der Schwelle noch mal um.

"Manche Leute haben eine zweite Chance verdient, meinst du nicht?"

Harry konnte die Tränen, die in ihm hochstiegen, nicht stoppen. Es war zwecklos, dagegen anzukämpfen, und so begann er, hemmungslos zu weinen. Ron lag in seinen Armen, er hatte wieder das Bewusstsein verloren. Wahrscheinlich war es sogar das Beste so. Harry konnte den Anblick kaum ertragen und Hass stieg in ihm hoch, unbändig, wie ein wildes Tier. Natürlich hatte Harry Voldemort schon immer gehasst, doch was er jetzt empfand war der Wunsch, dem Schwarzen Lord einen grausamen, qualvollen und langsamen Tod zu bescheren.

Harry schluchzte laut, unheimlich und bedrohlich wirkte es in der Stille des Kerkers. Gott, wie lange hatte Ron hier drin vor sich vegetieren müssen, ohne Hoffnung auf ein Ende oder Rettung, mit der Gewissheit immer und immer wieder gefoltert zu werden? Es mussten Jahre sein… lange, endlose Jahre in denen man seinem Freund alles genommen hatte, sogar seine Würde. Seinen Lebenswillen. Wie unvorstellbar schrecklich hatte es sein müssen wenn Ron ihn anflehte, ihn zu töten… aus Freundschaft.

Harry hatte seine eigenen Schmerzen, die ihn noch vor weniger als zwei Stunden fürchterlich gequält hatten, vergessen. Vielleicht hatte der Schock ihn auch nur betäubt. Er dachte nicht an seine eigene Folter durch die Todesser oder an Ginnys kaltes Lächeln. Er hob Rons Körper etwas an, so dass sein Gesicht näher an seinem eigenem war und umklammerte ihn etwas fester. Er durfte Ron nicht alleine lassen, er musste ihm helfen… und wenn alles, was er tun konnte einfach nur das hier war, ihn schützend in seinen Armen zu halten. Harry atmete tief durch und schaffte es tatsächlich, wieder Kontrolle über seine vor Wut und Furcht zitternden Glieder zu bekommen. "Reiß dich zusammen…" hörte er seine Stimme leise knurren.

"Weißt du eigentlich, was für ein Glück du hast Ron? Jedenfalls dort, wo ich her komme…" begann er dann leise. Harry hatte keine Ahnung warum, aber plötzlich schienen die Worte von selbst zu kommen. Es war etwas, dass er Ron sagen musste… vielleicht würde es seinem Freund ja helfen, eine Stimme zu hören. Zu spüren, dass jemand bei ihm war. Vielleicht wollte Harry sich aber auch nur ein wenig ablenken. Er wusste es nicht. Wieder atmete er tief durch bevor er fort fuhr.

"… du hast deine Hermione geheiratet, ihr habt ein hübsches kleines Haus und… und du hast eine Tochter Ron. Ja, eine kleine, wunderschöne Tochter. Sie heißt Philomena und weißt du was? Ich bin ihr Patenonkel. Ich hab zwar keinen blassen Schimmer warum du ausgerechnet mich dafür ausgesucht hast… ich bin wirklich keine große Hilfe gewesen… aber ich verspreche dir, falls ich jemals wieder nach Hause kommen sollte, dann werde ich mich bessern. Ich wünschte du könntest sie sehen, Ron. Ihr seid so eine glückliche, kleine Familie… ich hab euch immer beneidet. Und deine Brüder Ron… und deine Eltern… ihr seid immer noch meine zweite Familie. Gott, ich weiß nicht, was ich ohne euch und Remus getan hätte."

Harry schluckte kurz, denn wieder stiegen Tränen in ihm hoch, unaufhaltbar und unerbittlich. Er spürte, wie Ron sich in seinen Armen etwas entspannte und sein Atem ruhiger wurde. Harry verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln, dann wurde er wieder ernst. Er beugte sich ein wenig vor und flüsterte dann:

"Das alles kann dir gehören Ron, du darfst bloß nicht aufgeben. Ich werde uns hier irgendwie raus holen, ich versprech's dir. Du musst kämpfen… bitte."

Ron antwortete ihm nicht, aber das hatte Harry auch nicht erwartet. Er erwartete überhaupt nichts mehr, wie hätte er auch? Alles, woran er geglaubt hatte… das alles war jetzt nicht mehr. Es gab nichts, an dass er sich hätte halten können, nichts, das(s) irgendwie von Bestand schien. Gesetze und Ordnungen waren durcheinander geworfen und umgekehrt worden, die Welt spielte verrückt. Und er, Harry, stand mittendrin und wusste nicht wohin, es war, als wenn sich jede Minute der Boden unter seinen Füßen auftun könnte. So etwas wie Wahrheit existierte nicht mehr. Jedes Mal wenn er glaubte, wieder festen Halt zu haben, dann geschah etwas Neues, das seine mühsam aufgebaute Sicherheit über den Haufen warf.

Ron lebte also doch. Innerhalb weniger Tage, weniger Stunden hatte man seinen besten Freund für tot erklärt, und grade als Harry es akzeptiert hatte war er von den Toten wieder auferstanden. Und das Schlimmste war, dass es ihn noch nicht einmal überraschte. Was ihn viel mehr schockte, ins Grübeln brachte war, dass Hermione und Sirius Ron für tot hielten. Er kannte Hermione. Er wusste, dass sie ihn niemals aufgegeben hätte, so lange es noch einen Funken Hoffnung gab, dass Ron am Leben sein könnte. Sie mochte sonst klug und rational sein… aber nicht, wenn es um Ron ging.

Das sie felsenfest in dem Glauben war, dass Ron Weasley seit vier Jahren tot war konnte nur eins bedeuten: Voldemort hatte viel Mühe auf sich genommen, um ihr und dem Rest der Welt glauben zu machen, Ronald sei nicht mehr am Leben. Die Frage war bloß: warum?

Ron war nie ein großer Zauberer gewesen, seine Stärke hatte immer in Loyalität zu Freunden und seinem Mut gelegen. Seiner Bereitwilligkeit, sich für andere einzusetzen, ohne an die Konsequenzen für sich zu denken. Warum hatte Voldemort ihn am Leben gelassen? Warum quälte er ihn so schrecklich? Welchen Nutzen trug Voldemort davon?

Und dann kam ihm ein ganz anderer Gedanke: Ob Ginny davon wusste? Wusste sie, dass ihr tot geglaubter Bruder im untersten Verlies von Voldemorts Sitz wie ein Tier gehalten wurde? War es ihr egal? War sie vielleicht sogar dabei gewesen, als man Ron so zugerichtet hatte? War sie immer dabei gewesen wenn sie ihn holten und folterten? Bei dem Gedanken schoss es Harry kalt den Rücken hinunter. Nein, dass hätte Ginny nicht zugelassen. Sie mochte sich geändert haben… böse, verräterisch und grausam geworden sein. Aber sie hatte Ron immer abgöttisch geliebt. Hätte sie von Ron gewusst, dann hätte sie ihm zu helfen versucht. Er hatte zwar keinen Schimmer warum er sich da so sicher war, aber Harry glaubte fest daran. Irgendwo in Ginny musste noch etwas von ihrer Warmherzigkeit und Liebe zu ihrem Bruder übrig geblieben sein… Harry konnte nicht glauben, dass sie zu einer von Grund auf bösen Person mutiert war. Vielleicht wollte er es auch einfach nicht glauben.

Ein Zittern durchfuhr Ron's Körper, und seine knochigen Finger krallten sich in Harrys Pullover. Harry drückte Ron etwas fester an sich und biss sich auf die Unterlippe. Er musste sich jetzt zusammen reißen. Seine eigenen Schmerzen waren so gut wie vergessen, die Sorge um Ron schien seinen Körper betäubt zu haben.

Hermione kam ihm in den Sinn, er sah sie vor sich; wie sie alte Fotoalben durchblätterte in der Gewissheit, Ron nie wieder zusehen. Wie sie sich in den Schlaf weinte, bis keine Tränen mehr kamen. Und irgendwann nicht mehr weinte, nicht mehr aufhorchte wenn sie Schritte hörte, ihn nicht mehr an jeder Straßenecke zu sehen glaubte. Wie sie ihr Leben weiterlebte, mechanisch und ohne Sinn. Und das alles umsonst. Alles was sie und Sirius durchgemacht hatten, es war umsonst gewesen, denn Ron lebte. Noch.

Harry spürte Müdigkeit in sich hoch kriechen. Er fühlte wie seine Glieder, Arme und Beine schwer wurden. Für einen kurzen Moment ruhten seine Augen auf Ron in seinen Armen, dann ließ er ihn vorsichtig auf den Steinboden nieder. Harry seufzte, er begann die Schmerzen wieder zu spüren, seine Knochen waren steif von der Nässe und der Kälte hier unten.

Und dann war sie da wieder, Harry bemerkte sie schon bevor er sie sah. Die dunkle Welle rollte wieder auf ihn zu, unaufhaltsam und bedrohlich, um alles unter ihr zu begraben. Das letzte, was Harry hörte bevor er bewusstlos neben Ron auf den Boden fiel war Remus, der seinen Namen rief.

Irgendwann war Hermione vor Erschöpfung eingeschlafen. Sirius hatte sie mit einer braunen Wolldecke zugedeckt und betrachtete sie nun, wie sie mit bleichem Gesicht auf der Couch lag, die lockigen Haare wild durcheinander, und selbst im Schlaf noch besorgt aussah. Es war spät geworden, sehr spät. Mitternacht war schon lange durch, und mit jeder Minute die verrann bestätigte sich Sirius' Verdacht nur noch mehr. Draco hatte sie wie erwartet reingelegt. Eiskalt auflaufen lassen.

Der Animagus seufzte und schaute auf die Uhr, und dann seufzte er wieder. Tiefer, schwerer. Er versuchte, nicht an Harry zu denken, obwohl das unmöglich war. Das Ticken der Uhr erinnerte ihn schmerzlich daran, dass Harry in diesem und jedem folgenden Augenblick ein kleines bisschen mehr starb. Wenn er nicht schon längst tot war. Wenn Voldemort seinen Kopf nicht schon irgendwo hatte aufspießen lassen…

Und dann kehrte Draco zurück.

Ganz plötzlich stand der Blondschopf im Wohnzimmer, keuchend, mit hochrotem Kopf und verschwitzten Haaren, und schaute sich nervös, fast ängstlich um. Seine schwarze Robe beulte sich auf der rechten Seite verdächtig aus, als ob er dort etwas versteckt hielt. Draco blickte sich suchend um, und schien ein wenig zu erstarren, als er Sirius entdeckte. Seine Haltung wurde aufrechter, sein Blick zynischer und stolzer, seine Lippen wurden schmal. Der Animagus beobachtete diese Veränderung mit Erstaunen, und fragte sich zum ersten Mal, ob Hermione nicht vielleicht doch Recht hatte. Vielleicht war Draco anders geworden, zumindest hatte er, als er sich noch unbeachtet gefühlt hatte, nichts von seinem früheren Selbst gehabt. Doch er schob den Gedanken schnell zur Seite.

Einen Moment lang starrten sie sie sich abschätzend, musternd an; dann zog Draco schließlich wortlos ein altes, in Leder gebundenes Buch unter seiner Robe hervor und übergab es einem recht erstaunten Sirius. Ein Blick auf den Einband verriet dem Animagus, dass es sich tatsächlich um ‚Viajar a los mundos' handelte. Behutsam ließ er seine Finger über das glatte, braune Leder fahren. Dies hier war kostbar, unersetzlich… es war vielleicht ihre einzige Möglichkeit, Harry zu retten. Schließlich sah der Animagus auf und blickte Draco, der ihm die ganze Zeit schweigend angesehen hatte, direkt in die Augen.

‚Du hast es geschafft.' Sagte Sirius anerkennend. Draco zuckte die Schultern.

‚Das hatte ich doch gesagt, oder?' erwiderte der junge Mann, doch es klang nicht mehr so kalt und überheblich wie vor wenigen Stunden. Vorsichtig öffnete Sirius das Buch, Staub schlug ihm entgegen und er hustete.

‚Das hat wohl ewig keiner mehr benutzt.' Keuchte er, und sah aus den Augenwinkel (bevor ihm vor Husten Tränen in die Augen stiegen), dass Draco ein schadenfrohes Grinsen übers Gesicht huschte. ‚Blödmann…' knurrte der Animagus leise und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. Als er zum zweiten Mal einen Blick auf die Seiten des Buches warf, spürte er, wie Panik in ihm hoch stieg.

‚Das ist ja alles in Spanisch!' rief er aus. ‚Wer um Gottes Willen spricht schon Spanisch?'

‚Na, ich…' hörten sie plötzlich Hermiones Stimme. Wie lange sie den beiden schon zugehört oder zugesehen hatten, wussten sie nicht; aber der Animagus und Draco fühlten sich, als ob sie bei etwas Schlimmen ertappt worden wären.

‚Woher kannst du denn Spanisch'? fragte Sirius schnell.

‚Och… Urlaub mit meinen Eltern an der Costa Brava… außerdem hab ich mich damit mal in den Sommerferien zwischen dem fünften und sechsten Schuljahr beschäftigt, als ich nichts zu tun und alle meine Bücher fürs nächste Schuljahr schon ausgelesen hatte… was guckt ihr denn so?'

Sirius schüttelte grinsend den Kopf. ‚Nichts, nichts.' Dann gab er ihr das Buch und zeigte mit dem Zeigefinger auf die alten, dicken Pergamentseiten. ‚Meinst du, du kannst das übersetzen?'

Hermione kratze sich am Kopf, kniff die Augen zusammen und starrte konzentriert die Zeilen vor ihr an, als könne sie sie dadurch bewegen, mit ihr zu reden. Schließlich seufzte sie laut, schwer, und es jagte Sirius einen kalten Schauer über den Rücken.

‚Es ist Alt-Spanisch.' Sagte sie dann.

‚Ja klar … ich meine … das Buch ist ja auch sehr alt oder?' fragte Sirius stirnrunzelnd. Hermione schüttelte den Kopf.

‚Nein, ich meine es ist kein gewöhnliches Spanisch, sondern eine Vorform… die sich vom Spanisch, dass ich kenne, sehr stark unterscheidet.'

‚Aber… aber du wirst es doch übersetzen können, oder?' Es war nicht Sirius, der diese Worte aussprach, sondern Draco. Hätte Sirius es nicht besser gewusst, man hätte glauben können; dass ein Anflug von Verzweiflung von Draco Besitz ergriffen hatte.

‚Ich … ich weiß nicht.' Sie blätterte gedankenverloren durch das Buch. ‚Ja, wahrscheinlich… aber das wird etwas dauern…'

‚Hermione, so viel Zeit haben wir nicht…'

‚Ich weiß…' sagte sie. ‚Aber es ist der einzige Plan, den wir haben.'

‚Harry…'

Eine Stimme rief ihn, leise, schwach, doch er konnte sie hören. Ein vertrauter Klang, der tief ihn ihm ein Gefühl der Geborgenheit und Wärme auslöste.

‚Harry… wach auf, bitte…'
Harry öffnete die Augen, und sah, dass Ron neben ihm war, halb liegend, halb sitzend. Vielleicht hatte ihm die Sorge um Harry neue Kräfte verliehen, jedenfalls schien er mehr… Ron zu sein. Harry lächelte ihn an, und sofort war er wieder da… der Schmerz, der seinen gesamten Körper erfüllte, jeden Muskel, jede Sehne… doch mittlerweile hatte Harry gelernt, ihn zu ignorieren. Fast jedenfalls.

‚Was ist passiert…?'

‚Ich weiß nicht… ich… ich bin aufgewacht und du lagst hier… blass und hast gezittert… geht es dir gut?'

Harry nickte. Nein, es ging ihm nicht gut… langsam wurden ihm diese Anfälle unheimlich, und mit jeder neuen Ohnmacht fühlte er sich, als ob man ein Stückchen von ihm weggenommen hätte. Aber er hatte nicht vor, es Ron zu sagen… er durfte ihn nicht aufregen, nicht in diesem Zustand. Es hätte den Rotschopf bloß wahnsinnig gemacht, Harry nicht helfen zu können.

‚Alles bestens… war wahrscheinlich nur der Hunger…'

Ron nickte, aber es kam Harry so vor, als würde er ihm nicht wirklich glauben. Er bemerkte, dass Rons Atem flacher wurde und das beunruhigte ihn.

‚Ron… ?'

‚Mir ist nur so schrecklich kalt…'

Harry setzte sich behutsam auf, mit dem Rücken zur Wand, und lehnte sich an.

‚Komm her…' sagte er. ‚Vielleicht kann ich dich wärmen…'

Langsam, unendlich langsam krabbelte Ron zu Harry, auf allen Vieren, wie ein Kind. Für mehr reichte seine Kraft nicht, und als er Harry schließlich erreicht hatte, ließ er sich erschöpft an seine Arme fallen. Harry drückte Ron etwas an sich, er konnte jeden einzelnen Knochen fühlen, und das trieb ihm Tränen in die Augen. Der Herzschlag seines Freundes wurde wieder ruhiger und etwas kräftiger, und grade als er glaubte, Ron sei vor Erschöpfung eingeschlafen hörte er ihn fragen:

‚Hast du Hermione gesehen?' Seine Stimme klang müde, alt, gebrochen… und dennoch war etwas wie ein Hauch von Hoffnung in ihr. Eine Spur von Leben. Seit Harry Ron hier drin gefunden hatte, war es das erste Mal. Harry nickte.

‚Ja, habe ich.'

‚Wie… wie geht es ihr?' Harry merkte, wie schwer es Ron gefallen war, diese Frage zu stellen - weil er die Antwort nicht kannte. Weil er nicht wusste, ob Voldemort auch ihr etwas angetan hatte.

‚Ganz gut, soweit… ‚ Harry zögerte einen Augenblick. Wie viel würde er Ron erzählen können, ohne ihn zu sehr aufzuregen? ‚Sie lebt mit Sirius in einem Haus weil… ‚ er überlegte kurz… konnte er es Ron sagen? Er blickte hinunter zu dem Rotschopf, der offensichtlich darauf wartete, eine Erklärung zu hören. Harry seufzte. Er wollte Ron nicht anlügen. Er konnte es nicht.

‚Remus ist tot, Ron… und… und Hermione glaubt, du bist es auch.'

Hatte er einen heftigen, verstörten Ausbruch von Ron erwartet, so hatte er sich geirrt. Eigentlich kam von dem Rotschopf als Reaktion nicht mehr als ein kurzes Nicken, als würde ihn diese Nachricht nicht im Geringsten überraschen. Harry öffnete seinen Mund, um Ron zu fragen doch dieser kam ihm zuvor.

‚Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, weißt du….' Begann er und er klang müde, sehr müde. ‚Ich habe lange überlegt, warum Voldemort mich hier am Leben gelassen und mich nie getötet hat… all das was er mir angetan hat, was seine Diener mir antaten… es war nie genug, um mich umzubringen und ich bin sicher, dass es auf seinen Befehl geschah…'

Er machte eine kurze Pause um sich zu sammeln, seine Gedanken zu ordnen und Harry runzelte nachdenklich die Stirn. Worauf zum Teufel wollte er hinaus? Schließlich fuhr Ron fort:

‚Weißt du, Voldemort ist nicht dumm… und er lebt vom Leid anderer. Er wollte uns strafen, alle, die sich gegen ihn gestellt hatten, alle, die es gewagt hatten, sich gegen ihn zu erheben. Und so suchte er sich für jeden von uns die Schlimmstmögliche Strafe aus… er ließ Remus vor Sirius' Augen töten… damit Sirius für den Rest seines Lebens mit diesem Anblick leben muss. Mit dem Wissen, hilflos dabei zugesehen zu haben. Hermione machten sie glauben, ich sei tot… und mich ließ er am Leben in dem Wissen, dass Hermione da draußen ist… und sie lebt, aber sie hält mich für tot. Und sie quälen mich und foltern mich und ich wünsche mir nichts mehr, als endlich Erlösung zu finden… aber er gibt es mir nicht. Und er weiß, dass mich das in den Wahnsinn treibt… ‚

Wieder machte er eine Pause. Harry spürte, dass etwas Warmes über seine Wange lief, eine Träne. Hastig wischte er sie weg.

‚Es geht nicht ums Töten Harry. Um blindes Morden, oder darum, Feinde aus dem Weg zu schaffen. Es geht um Macht, Harry. Voldemort hat die Macht zu entscheiden, ob er uns in Hoffnungslosigkeit stürzen lässt, oder in Einsamkeit, oder in Schmerz. Er hat die Macht, uns zu Strafen. Darum geht es hier wirklich.'

Harry wusste nicht, was er sagen sollte.

Hermione klappte das Buch zu, und das Geräusch, das dabei entstand, durchschnitt die Stille wie ein Pfeil. Sirius und Draco zuckten gleichzeitig zusammen, und blickten Hermione, die konzentriert an ihrem Stift kaute, erwartungsvoll an.

‚Und?' fragte Sirius schließlich, als klar wurde, dass die junge Frau von sich aus wohl nichts sagen würde. Draco bemerkte, dass Sirius' Hände zitterten… das war es nun. Alles oder nichts. Konnte Hermione den Text nicht übersetzen, würde Harry Potter sterben und der Dunkle Lord weiter herrschen. Seltsamerweise hatte Draco den Eindruck, dass es Hermione und Sirius Black wesentlich weniger um die Vernichtung Voldemorts als um das Leben Harry Potters ging, und das war etwas, das sein Verstand sich beharrlich zu begreifen weigerte. Große Ziele, große Pläne waren wichtiger als einzelne Menschenleben… das hatte er gelernt, war ihm sein Leben lang eingetrichtert worden. Selbst nach seiner Flucht von den Todessern waren nie Zweifel in ihm entstanden, dass diese Theorie richtig war. Es ging hier um die Befreiung der Welt, die Vernichtung des Bösen… und weder Hermione noch Sirius schien das wirklich zu interessieren. Für sie ging es in erster Linie um das Leben ihres Freundes, und das verwirrte Draco. Aber komischerweise empfand er es nicht als Schwäche… sondern leise Bewunderung. Und schmerzlich wurde ihm bewusst, dass es niemanden gab, der ihn genug schätze und liebte, um für ihn, Draco, sein Leben zu riskieren. Ohne auch nur zu zögern.

‚Ich glaube, ich habe es geschafft.' Erwiderte Hermione. ‚Es gibt einen Weg, mit dem wir Harry zurück schicken können… wir müssen ein Tor bilden, ich habe die Beschwörungsformel übersetzen können, oder zumindest glaube ich es… aber wir können das nicht dort tun, bei Voldemort meine ich. Wir brauchen dafür Ruhe und Platz, und vor Allem, Zeit… es dauert etwas, bis sich das Tor gebildet hat und dann ist es nur für wenige Sekunden geöffnet… wir müssen Harry erst da raus holen, bevor wir ihn zurück schicken können…'

‚Hermione,' begann Sirius langsam, ‚Was ist, wenn du bei deiner Übersetzung Fehler gemacht hast? Wenn du… wenn du etwas falsch verstanden hast?'

Sie antworte nicht sofort.

‚Hermione?' fragte Draco.

‚Ich weiß es nicht … wenn das Tor sich nicht bildet, oder sich falsch bildet dann… wird er sterben. So oder so….'