Kapitel 5

Hermine lief die Treppe hinunter in die hübsche Eingangshalle, als sie von einer bekannten Stimme zurückgerufen wurde.

"Hey Hermine, warte auf mich!". Es war Ginny, die in ihr Blickfeld kam. Sie trug eine fliederfarbene Bluse und einen schwarzen Rock, der ihr bis über das Knie reichte.

"Hallo Ginny, du siehst toll aus.", sagte Hermine und ging mit ihr auf die Flügeltüren zu.

"Du aber auch. Aber dein Ausschnit sitzt ganz schön gefährlich.", grinste Ginny. "Wen willst du denn damit verführen?"
"Niemand!" Hermine unterdrückte ein Lächeln.

Hinter der Tür verbarg sich ein breiter Flur, mit einem großen Panoramafenster auf der linken Seite, von dort aus man das wallende Meer beobachten konnte. An dessen Ende befand sich ein schwarzer Vorhang.

"Da müssen wir durch?", fragte Hermine skeptisch.

"Ich denke schon." Ginny hob den Vorhang zur Seite und ließ sie hindurchschlüpfen.

Die Mädchen befanden sich nun auf einer Galerie, die den riesigen runden Saal säumte. Ihnen gegenüber endete diese und zwei Treppen führte in das eigentiche Restaurant. Der Holzboden ging in vier breiten Stufen, wie in einer Arena, immer tiefer. Die runden Tische waren auf den Stufen und dem unteren Bereich verteilt. Die Möbel waren schwarz, welche gut zu der bordeauxroten Wand harmonierten. Kleine Lampen auf den Tischchen hüllten den Saal in ein gedämpft goldenes Licht.

" Nicht das ich etwas anderes erwartet hätte, aber dieses Restaurant ist auch ohne das ganze Glitzerzeug sehr gut gelungen.", schloss Ginny und Hermine nickte.

"Guten Abend. Dürfte ich ihre Namen erfahren?" Hermine erschrak ein wenig, als ein vornehm aussehender Portier sie von der Seite ansprach.

"Ähm, Hermine Granger und Ginny Weasley!", sagte sie hastig. Der Portier schaute auf eine lange Liste. "Hermine Granger, sie haben Tisch 27 mit Ronald Weasley und Harry Potter. Ginny Weasley, sie teilen sich Tisch 14 mit Colin Creevey und Neville Longbottom.", sagte er mit einem gekünstelten Lächeln. Er wand sich von ihnen ab und ging nun auf Lavender und Parvati zu, die gerade die Galerie betreten hatten.

"Na toll.", murmelte Ginny und folgte Hermine die Treppe hinunter.

Viele waren schon anwesend, als die beiden sich in dem Saal umschauten. Doch diesmal war es eine ganz andere Atmosphäre als sonst in der großen Halle herrschte. Jeder, den Hermine sah, hatte versucht das Beste aus seinem Aussehen zu machen. Die Jungen trugen Anzüge und die Mädchen hatten sich in enge Kleider gezwängt. Sogar Crabbe und Goyle versuchten möglichst geplegt in ihren Anzügen auszusehen, auch wenn Hermine sie mit ihren klebenden Haaren jetzt noch wiederlicher fand. Man sprach besonders gedämpft außer-

"Hermine, hier sind wir. Hier oben!" Ron war von einem der Tische auf der vorletzten Stufe aufgesprungen und fuchtelte wild mit den Händen. Hermine, die diesen Auftritt besonders peinlich fand, verabschiedete sich schnell von Ginny und ging auf Ron zu. Erst als sich die meisten im Raum wieder ihren Tischpartnern zuwendeten hauchte sie ein "Schrei doch nicht so!" in Rons Richtung.

Harry saß schon am Tisch und winkte ihr freudig zu. "Hermine du siehst klasse aus.", sagte er.

" Danke, ihr aber auch. Ich wusste gar nicht, dass ihr Anzüge besitzt.", flüsterte sie und setzte sich zu ihnen.

"Ich auch nicht.", sagte Ron."Könnten die vielleicht ihre Augen wieder einsetzen?"

Hermine sah ihn fragend an und drehte sich um. Die meisten Jungs musterten sie interessiert und erst als sie Hermines Blick bemerkten, wendeten sie sich schnell von ihr ab. Es war ihr nicht bewusst, dass sie so viel Aufmerksamkeit bekam. "Liegt das an meinem Ausschnitt?", flüsterte sie den Jungs an ihrem Tisch zu.

" Wohl eher an deiner allgemeinen positiven Erscheinung, Hermine. Die haben wohl auch gemerkt, wie gut du heute Abend ausschaust!", schmeichelte ihr Harry. Gleichzeitig freute sie sich, gut genug auszusehen, so dass sich die Jungs nach ihr umdrehten.

"Schleimer!", sagte Ron und kassierte dafür einen unauffälligen Tritt von Harry.

Als sich Hermine erneut umschaute, fiel ihr auf, dass es keine Bedienungen gab, die man hätte rufen können. Auch keine Karten lagen auf den Tischen, wie sie es vom Weihnachtsball kannte.

Die beiden Lehrer saßen an einem Tisch ganz in der Mitte an der tiefsten Stelle des Raumes und unterhielten sich. Snape hatte wohl versucht gut auszusehen, in dem er seine Haare mit Gel überschüttete, so dass sein ohnehin fettiges Haar jetzt in zwei klebrigen Bündeln hinunter hing. Angeekelt drehte sie sich wieder zu ihren Freunden. "Wie sollen wir denn das Essen bestellen?", fragte Hermine."Haben sie schon was gesagt?". Sie nickte zu den Lehrern.

"Nein, keine Ahnung, vielleicht müssen wir danach rufen?", sagte Ron und rief: " Kürbissaft!"

"Nein! Bitte Ron, schrei doch nicht so!" sagte Hermine verzweifelt. Doch keiner schien es bemerkt zu haben. "Kannst du dich nicht einmal benehmen?", blaffte sie ihn an.

Ron, der gerade etwas entgegnen wollte, wurde von Harry unterbrochen: "Hey, hört auf, McGonagall will was sagen." Peinlich berührt verstummten die beiden und sahen die Lehrerin an, die sich erhob.

"Guten Abend, Schüler von Hogwarts! Ich werde hier keine Ansprache zu dem Thema Schulanfang halten, sondern sie nur kurz über den Aufenthalt hier informieren.

Als erstes möchten ich sie alle darauf hinweißen,dass sie sich als Gäste auf diesem Schiff befinden und ich von ihnen erwarten kann, sich dementsprechend zu verhalten. Die hier anwesenden Vertrauensschüler und natürlich auch Professor Snape und ich haben das Recht ihnen schon auf der Fahrt Hauspunkte abzuziehen."

Ein allgemeines Stöhnen ging durch die Reihen.

"Außerdem werden wir nur heute Abend und am letzten Morgen gemeinsam essen. Ansonsten können sie nach belieben dieses oder ein anderes Restaurant des Schiffes, zur welchen Zeit auch immer, aufsuchen. Alle Einrichtungen können von ihnen genutzt werden. An Deck, und sonst natürlich auch, hat sich jeder so zu verhalten, dass keiner verletzt wird oder in Gefahr gerät. Am letzten Tag werden wir um 11Uhr anlegen und dann mit den Schulkutschen in das Schloss gebracht. Wie ich eben erfahren habe, können diejenigen, die noch kein Schulmaterial haben, sich ihre Bücher in den Boutiquen des Schiffes kaufen." Sie machte eine Pause." Nun wünsche ich aber einen guten Appetit." In allgemeinem höflichen Beifall setzte sie sich wieder und kurz darauf erschienen strahlend weiße Karten auf den Tischen.

"Na also.", sagte Ron und griff nach der seinen.

"Mrs. Granger ich möchte sie unter vier Augen sprechen. Jetzt." Professor McGonagall war hinter sie getreten. Hermine, die sich fragte, was denn wieder passiert sei, stand schnell auf und folgte ihrer Lehrerin zu der Treppe, wo sie stehen blieb. Sie sah in den Augenwinkeln, dass Harry und Ron sie beobachteten.

"Mrs. Granger, ich muss ihnen etwas sehr bedauerliches mitteilen. Bitte verzeihen sie, dass ich es jetzt sage, aber ich möchte es nicht aufschieben.", sagte Professor McGonagall leise. Aus der Nähe betrachtet sah die ansonsten so strenge und aufrichtige Lehrerin müde und traurig aus. Hermine missfiel dieser Anblick sehr. "Ist gut.", sagte sie erwartungsvoll.

"Ihre Mutter,", begann sie. "Sie hatten ihre Mutter, MrsGranger. Die Todesser."

Hermine versuchte zu atmen, aber ihre Lungen waren wie zugeschnürt. Sie hustete ein paar Mal.

"Sie haben sie nach ihnen ausgefragt. Welche Freunde sie haben, ihre Leistungen in der Schule etc, und haben sie, Merlin sei Dank, unversehrt zurückgelassen." Sie sah Hermine betroffen an. Tränen liefen Hermines Wangen hinunter, die versuchte sich an dem Geländer der Treppe zu stützen. "Wieso? Was ist jetzt mit ihr?", weinte Hermine und wischte sich die Augen.

"Wir wissen nicht, warum er hinter ihnen her ist, Mrs. Granger, aber ihre Mutter ist in Behandlung. Sie wird keinen Schaden davon tragen." Sie legte eine Hand auf Hermines Schulter.

"Machen sie sich keine Sorgen, wir werden sie und ihre Eltern schützen. Es ist nur wichtig, dass sie dieses Schuljahr das Schlössgelände nicht verlassen. Bleiben sie nach Einbruch der Dunkelheit im Gemeinschaftsraum, haben sie verstanden? Ihre Eltern werden in ein Schutzprogramm aufgenommen, welches sie 24 Stunden am Tag überwacht. Sie sind nicht mehr in Gefahr."

"Ich will zu ihr!", schrie Hermine und zog damit die Aufmerksamkeit erneut auf sich. Aber ihr war das egal.

"Das geht nicht Mrs. Granger. Jede Entfernung des Schiffes oder später von Hogwarts wäre gefährlich für sie.", sagte Professor McGonagall und schaute zu Boden..

"Darf ich ihr wenigstens schreiben?", schrie sie noch lauter und stampfte mit dem Fuß auf.

"Ja, aber erst wenn sie in Hogwarts sind. Die Briefe würden die Todesser zu ihnen führen."

Das war zu viel für Hermine. Nicht einmal schreiben durfte sie? Das Einzige was ihr blieb war die erneute Angst? "Nein..." wisperte sie und fing an zu rennen. Dass sie Professor McGonagall fast von den Füßen riss, war ihr ebenso egal als dass die komplette Schülerschaft sie bei ihrer Flucht beobachtete. Sie rannte durch die Tür, die ihr am nächsten war und ließ nun ihre Tränen hemmungslos laufen. Sie ging durch ein paar Gänge, als sie dann endlich durch eine Tür ins Freie stolperte. Der Wind bließ ihr durch ihr Haar und ließ ihre Locken tanzen. Hermine stellte sich an die Reling und überlegte sich, wie es wäre jetzt einfach zu springen. Sie beugte sich weit über die Reling. Ja, die Todesser bekämen sie sowieso und durch ihren Tod wären zumindest ihre Eltern außer Gefahr.

Sie müsste einfach nur loslassen. Nur loslassen...

Doch sie besann sich. Wenn sie Tod wäre, würde weiterhin Voldemort sein Unwesen treiben. Doch wenn er sie zu fassen bekommt, könnte sie ihm zumindest einmal in den Arsch treten. In ihrem Bauch begann es zu brennen. Sie spürte Hass, puren Hass. Aber dann kam wieder die schrecklich betäubende Angst. Was wollte er von ihr? Sie hatte doch gar nichts was er haben möchte!

Das schwarze Wasser unter ihr kräuselte sich.

Sie drehte sich hastig um. Vielleicht wurde sie genau in diesem Moment beobachtet? Aber dies war absurd, Professor McGonagall sagte doch, hier wäre sie nicht in Gefahr. Doch trotzdem hatte sie noch immer schreckliche Angst. Sie gegen Voldemort? Hermine musste sich beherrschen nicht vor Angst das Bewusstsein zu verlieren.

Auf einmal hörte sie es. Die Tür, aus der sie trat, öffnete sich und eine Person betrat das Deck.

Hermine drehte sich um und starrte in das traurige Gesicht von Harry.