Kapitel 9

Am nächsten Morgen ging Hermine zusammen mit Harry zum Früstücken in das Restaurant. Zu dieser Zeit hatte man die Lampen entfernt und ließ nun den Saal von grellen Scheinwerfern beleuchten. Hermine gefiel dieses Licht nicht. Es zauberte eine eher kantinen-ähnliche Atmosphäre.

"Findest du es nicht seltsam, dass hier alle Gemälde stillstehen und sich nicht bewegen wie sonst?", unterbrach Ron ihre Gedanken und zeigte auf das Gemälde, welches am Nächsten bei ihrem Tisch hing.

"Das liegt vielleicht daran, dass Landschaften und keine Menschen abgebildet sind.", antwortete Hermine und erinnerte sich an das Bild in ihrer Kabine. Dort hatte der Maler einen wunderschönen Strand verewigt. Ron zuckte mit den Schultern.

Als endlich alle Nachzügler hereingetröpfelt sind, erhob sich Professor McGonagall und hielt die Hände nach oben, um die Schüler zum Schweigen zu bringen. Dies war das erste Mal, dass sie die Professorin nach ihrem unangenehmen Gespräch wieder sah. Augenblicklich fühlte sie sich daran erinnert und ein dicker Knoten in ihrem Bauch machte sich bemerkbar.

Hermine wollte nicht daran denken. Bald könnte sie ihren Eltern schreiben.

"Guten Morgen, liebe Gryffindor und Slytherin!", begrüßte sie die Lehrerin." Heute geht unsere Reise zu Ende. Ich hoffe doch, dass sie einen angenehmen Aufenthalt hatten."

Ein allgemeines Klatschen ging durch den Saal.

"Nun aber zum organisatorischen Teil. Wir werden heute, nicht wie geplant um 11Uhr, sondern erst um viertel vor zwölf anlegen. Der Grund dieser Änderung ist, dass man davon ausgehen kann, dass viele Schüler in den Kutschen vermeitbarer Gefahr ausgesetzt sind. Daher werden wir, mit einem speziellen Zauber versteht sich, die Küste umfahren und direkt am Ufer des Sees von Hogwarts anlegen. Sie werden ihr Gepäck um halb zwolf bei der Rezeptionistin abgeben, welche ihre Koffer in ihre Zimmer hexen wird. Das Festsessen beginnt um 12 Uhr. Nun aber zum Wohl!", schloss sie ihre Rede und Hermine klatschte, wie all die anderen Schüler, höflich in die Hände.

"Vermeidbarer Gefahr ausgesetzt?", flüsterte Harry, aber Hermine sah ihn nicht an. Sie wusste genau was das bedeutete. Wenn sie doch nur reinblütig wäre! Sie beobachtete in den Augenwinkeln wie Harry, Ron einen verwirrten Blick zuwarf. Sie hatte ihm gestern alles über ihre Eltern erzählt. Selbstverständlich nur bis zu ihrem Gespräch mit McGonagall.

Nach dem Frühstück eilte Hermine in ihr Zimmer, um sich für die Abreise fertig zu machen. Als sie dann alles gepackt hatte und mit einen letzten prüfenden Blick ihr Zimmer überschaute, klopfte es kurz vor halb zwölf an ihrer Tür.

"Herein", sagte sie. Harry betrat die Kabine und lehnte sich wieder so unvorstellbar cool an den Rahmen. "Hi, alles fertig?"

"Ja, ich denke schon. Locomotor Koffer! ", rief Hermine und drängte sich an Harry vorbei, der gar nicht daran dachte Platz zu machen. Sie war jedoch fest entschlossen, sich nicht mehr von ihm ablenken zu lassen und passierte so schnell wie möglich den Weg. Harry folgte ihr grinsend. Wieso versuchte er es auch?

"Lass uns lieber die Treppe nehmen, der Lift ist doch jetzt so voll." sagte sie ausweichend und blickte in die drückend volle Einganshalle.

"Wie sie wünschen, madame." Harry verbeugte sich so lächerlich, dass Herrmine lachen musste und ging dann die Treppe hinunter zu Ron und Ginny, welche schon in einer Ecke warteten.

"Gebe mir doch deinen Koffer, Mrs.Granger, ich werde ihn für dich abgeben.", sagte Harry wieder in dieser streckenden Stimme und verbeugte sich erneut.

"Spinner!", lachte Hermine. Sie ließ den Zauber von ihrem Koffer, so dass Harry ihn wieder aufnehmen konnte.

Um die Zeit, die ihnen noch blieb, voll auszunützen, lästerten die Mädchen über Parvati Patils neues Outfit, welches sie wohl in der Einkaufstraße erstanden haben musste. Das Kleid war knallpink und mit schillernenden Puffärmeln versehen. Die Beiden hielten sich die Bäuche, als plötzlich das Schiff ratternd zum Stehen kann.

"Endlich runter von diesem Schiff!", sagte Ron erleichtert und reihte sich hastig bei den Anderen ein, so dass er so schnell wie möglich von Bord kam.

Als Hermine ins Freie trat, fand sie sich auf den Ländereien von Hogwarts wieder. Das Schiff hatte an einem Hafen angelegt, welcher wohl, wie Hermine vermutete, provisorisch hergezaubert wurde, um die Schüler ohne weitere Unterbrechungen an Land zu bringen. Es war sehr kalt für diese Jahreszeit und Hermine fröstelte ein wenig. Zusammen mit ihrem Freunden ging sie an dem Quidditchfeld vorbei durch das Stück Wald, bis sie an dem riesigen flach abfallenden Rasen zum Stehen kamen. Sie blickte auf das Schloss empor.

"Endlich wieder zuhause!", sagte Harry und Hermine konnte sein Glück geradezu fühlen.

Ginny verabschiedete sich in Richtung Fünftklässler. Ron sag etwas missmutig drein, als sie Michael Corner begrüßte.

"Ich dachte sie steht jetzt auf Dean Thomas?", fragte er wie nebenbei Hermine." Tja, keine Ahnung. Lass uns lieber hineingehen.", antwortete sie grinsend und zog ihn mit sich .

In der Eingangshalle trafen sie die Hufflepuffs und Ravenclaws, die höchstwarscheinich schon früher angelegt haben. Hermine bemerkte, wie Harry Cho winkte, doch sie ignorierte ihn mit hochgezogener Nase. "Zicke.", murmelte er und Hermine konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Da ist ja unser Lieblingspaar!", rief eine laute Stimme hinter ihnen. Die drei Freunde drehten sich um und zu Hermines Missfallen erkannte sie Malfoy und seine Bodyguards, welche gerade zur Türe hereinkamen.

"Was meinst du?", fragte Ron angriffslustig. In den Augenwinkeln sah sie, wie Harrys Hand seinen Zauberstab suchte.

"Du weißt es noch nicht Weasley? Sie haben es dir nicht gesagt? Das Schlammblut lässt sich öfters mal von Potty durchficken! Aber ich habs dir schon mal gesagt, Granger, das schädigt deine Lebensgeister!! Also würde ich es an deiner Stelle lieber sein lassen noch mehr Schwänze zu beschmutzen."

"Du Arschloch!", schrie Harry und wollte einen Fluch abfeuern, doch Ron lief dazwischen .

Er schaute erst Hermine und Harry an, schüttelte dann mit dem Kopf und verließ lautstark die Halle. Hermine sah, wie Cho es ihm gleichtat, nicht ohne ein Wer in Harrys Richtung zu murmeln. Der ganze Saal war totenstill. Alle Augen richteten sich auf Harry und Hermine.

Wie auf Bestellung trat Professor McGonagall ein.

"Was ist hier denn los? Würde es ihnen etwas ausmachen, in die große Halle zu gehen, oder auf was warten sie?, sagte die Lehrerin barsch und drängte die Schüler in die große Halle. Hermine fühlte sich miserabel. Alle Schüler beobachteten sie und tuschelten unter vorgehaltenen Händen. Auch Harry schien es nicht besser zu gehen. Mit hängenden Schultern setzte er sich neben sie. Doch Hermine war dies alles ein Rätsel.

Wie? Wie in Gottes Namen hatte er davon erfahren?

"Wem hast du es alles erzählt?", fragte Harry kühl.

"Hey, ich hab es nur Ginny erzählt. Wie ich dir gesagt habe. Ehrlich." Hermine wollte auf der Stelle losheulen. Wie unfassbar peinlich das alles doch war! Jetzt wusste es die ganze Schule!

"Wir haben ein Problem." sagte er genauso desinteressiert.

"Ich weiß, Harry. Wir sollten gleich nach dem Essen Ron suchen gehen." Sie bemühte sich ihre Stimme ruhig zu halten. Aber diese lästernden Schüler um sie herum waren einfach unerträglich.

"Nein, wir warten besser bis morgen. Er wird uns jetzt nicht zuhören." Harry sah sie nicht an. Was sollte das? War das Schlamassel jetzt etwa ihre Schuld?

Nach dem Festessen begab sich Hermine eilends in ihren Schlafsaal und zog die Vorhänge zu. Das Letzte was sie wollte, war von Lavender und Parvati über diese Peinlichkeit ausgefragt zu werden. Stattdessen entschied sie sich den lang ersehnten Brief an ihre Eltern zu schreiben. Die Uhr zeigte viertel vor elf, als Hermine ihn ein letztes Mal durchlas.

Liebe Mama und lieber Papa,

ich darf erst jetzt in Hogwarts diesen Brief an euch schreiben. Professor McGonagall hat mir erzählt, welch Unglück dir wiederfahren ist, meine liebe Mama. Ich hoffe es geht dir gut und das Ministerium hat für euren Schutz gesorgt. Ich möchte das du dich davon erholen kannst. Bitte schreibt mir ganz genau was in jener Nacht passiert ist, denn ich möchte mich auf vermeintliche Angriffe vorbreiten. Und bitte: Wenn du irgendwelche Nachwirkungen hast, dann gehe doch in das St.Mungo Hospital und nicht zu einem normalen Arzt. Vertraue mir, diese Heiler können weit mehr als gewöhnliche Ärzte.

Mir geht es soweit gut und fühle mich hier sicher. Ich frage mich nur, wo Professor Dumbledore wohl sein könnte, denn er ist noch nicht angekommen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas darüber wisst.

Schreibt mir so bald es geht zurück!

In Liebe

eure Tochter Hermine

Ja, so kann ich es lassen, dachte sich Hermine. Doch sie war zu müde um noch hoch in die Eulerei zu gehen, so dass sie einfach den Brief zur Seite schob und ihren Kopf auf das Kissen fallen ließ.