Kapitel 14

Nach ein paar Tagen ungewohnter Überwachung begann Hermine immer öfter die neuen Regeln zu brechen. So kam es, dass sie meistens in den Abendstunden mit Harry unter dem Tarnumhang den Turm verließ und ein ungestörtes Plätzchen suchte. Doch trotz allem wollte sie wenigstens einmal wieder alleine, ohne Angst, ein paar Stunden außerhalb des Schlosses verbringen, denn ihr zweites Zuhause verwandelte sich Tag für Tag mehr in ein Gefängnis. Manchmal starrte sie sehnsüchtig aus dem Fenster ihres Schlafsaals und beobachtete die Anderen bei ihren Spaziergängen auf dem Schlossgelände. Doch was konnte sie tun? Sie sah keinen Ausweg.

Eines frühen Abends saß Hermine im Gemeinschaftsraum und las in einem Buch, welches besonders schwere Zaubertränke erläuterte. Ihre Freunde waren alle bei ihrem Quidditschtraining. Auch Harry durfte mitspielen. Für ihn gab es eine Ausnahmeregelung, so dass mindestens ein Lehrer das Training überwachen sollte. Nach einer Weile stummen Lesens hörte Hermine ein vertrautes Klopfen an dem Fenster, welches ihr am Nächsten war.

Tock, tock, tock.

Eine Schuleule bat um Einlass. Schnell öffnete Hermine das besagte Fenster und die Eule flatterte herein. Wer sollte denn um diese Zeit einen Brief an sie schicken? Ist wieder etwas passiert? Sie entledigte den recht kurzen Brief und begann zu lesen:

Liebe Hermine,

bitte komm jetzt sofort in das Klassenzimmer für Verwandlung. Sag keinem etwas. Es ist sehr wichtig.

Harry

Das sollte nichts Gutes bedeuten.

Ohne sich bei der Eule zu bedanken, schlüpfte sie durch das Poträtloch und begann sich langsam auf den Weg zu machen. Sie schlich leise an den Wänden entlang, so dass sie keiner sofort entdecken konnte. Die Gänge waren jedoch wie ausgestorben. In diesem Moment verfluchte sie ihre Mary-Janes, die bei jeden Schritt ein klackendes Geräusch hinterließen. So gut es ging tapste sie durch die Gänge und betete zu Gott, dass keiner ihr entgegenkommen würde. Ihr Gebet wurde erhört und dadurch war sie unentdeckt an die Tür des Klassenzimmers angekommen. Mit flatterdem Herzen klopfte sie ein paar Mal kräftig. Keine Antwort. Ob er noch nicht da war? Das konnte eigentlich nicht sein. Ihre Neugier siegte, so dass sie vorsichtig den stillen Raum betrat. Hermine sah sich um. Die Sonne ging gerade unter und setzte das Zimmer in ein zauberhaft rötliches Licht.

"Harry?", fragte sie vorsichtig. Wie zu erwarten keine Reaktion. Genau in dem Moment als sie umdrehen wollte, hörte sie ein Stimme, die aus einer Ecke im Schatten kam.

"Expelliarmus!"

Hermines Zauberstab schnellte aus ihrer Bluse hervor und wurde von einer Hand aufgefangen. Sie wollte aus dem Zimmer rennen, aber die Tür flog mit einem lauten "Klick" in das Schloss. Es gab kein Entkommen. Und jetzt? Ihrer betäubenden Angst zum Trotz drehte sie sich mutig in die Richtung der dunklen Ecke. In das Licht trat----Draco Malfoy.

Hermines Herz schlug ihr jetzt bis zum Hals. Sie war nun ganz alleine mit Draco Malfoy. Dem widerlichen, frauenverachteten und vielleicht auch gefährlichen Draco Malfoy. Er setzte sich jedoch mit einem Grinsen im Gesicht in aller Seelenruhe auf die Fensterbank.

"Was willst du von mir, Malfoy?!" Ihre Stimme zitterte ein wenig, aber sie hielt seinem Blick stand. Seine kalten Augen lachten.

"Wieso denn so nervös, Granger? Ich will doch nur ein wenig mit dir plaudern.", antwortete er in einem eklich überheblichen Tonfall.

"Lass mich hier raus." Ihre Stimme war noch völlig ruhig, doch langsam wechselte sich ihre Angst in Wut. Was sollte das denn? Er stand auf.

"Hast du etwa Angst vor mir, Granger? Ich werde dich sicherlich nicht angreifen."

"Ich habe keine Angst vor dir!", schrie sie. Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige gegeben, aber sie zwang sich zur Besinnung. "Was willst du nun?"

Hermine versuchte sich unter Kontrolle zu halten. Schon alleine dieses Grinsen brachte sie zur Weißglut!

"Wie gesagt, nur ein wenig mit dir plaudern. Aber du glaubst mir nicht, was? Hier!" Malfoy warf ihren Zauberstab zurück in ihre Hände. Der Seine flog gleich hinterher. Verdutzt bedrachtete sie die beiden Zauberstäbe in ihrer Hand. Wut baute sich im ihrem Körper auf.

"WAS WILLST DU? Was willst du denn von einem Schlammblut wissen, hä?", rief sie jetzt schon richtig sauer. Er lachte.

"Na gut, Granger, ich werde mich kurz fassen. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass du endlich aufhören solltest, mit diesem Narbengesicht deinen Körper zu verunreinigen. Verstehst du mich nicht? Er schadet dir." Beinahe hätte sie ihm geglaubt, wenn seine Stimme nicht diesen Sarkasmus durchblicken lassen würde. Er würde es nie lernen.

"Du überheblicher Idiot! Was geht es dich denn an, mit wem ich meinen Spaß habe? Und woher zum Teufel weißt du überhaupt davon? Und Harry ist ja wohl der Letzte der mir Schaden zufügen möchte! Und seit wann kann ein Schlammblut seinen Körper verschmutzen, er ist doch schon dreckig und unwürdig genug?! Du redest kompletten Müll an mich hin!!! Und hör endlich auf zu grinsen!!!!" Hermine kochte. Sie ging einen großen Schritt auf ihn zu und schrie ihm das alles in sein Gesicht. Während ihres Anfalls hatte er sie nicht angesehen, denn er zog es vor, belustigt an die Decke zu schauen. Jetzt kam er ihr noch einen Schritt näher und beugte sich, noch immer grinsend, über die im Verhältnis zu ihm kleine Hermine.

"Du hast ja doch Angst vor mir."

"Nein, hab ich nicht.", sagte sie etwas ruhiger, den Blick starr an seine Brust geheftet.

Malfoy deutete mit einem Finger auf die beiden Zauberstäbe. welche Hermine wie zwei Schwerter in der Hand hielt. "Wenn du keine Angst vor mir hast, warum legst du sie dann nicht einfach weg?", fragte er in einem Unschuldston. Hermine setzte ein böses Grinsen auf.

"Netter Versuch, Malfoy. Dann wirst du mich erst recht angreifen.", antwortete sie bissig. Er rollte mit den Augen. "Scheiße man, Granger! ICH WERDE DICH NICHT ANGREIFEN! Glaubst du etwa, ich würde einen kostbaren Fluch an deinem dreckigen Körper verschwenden?"

Hermine starrte ihn verwundert an. War das nur für sie ein Rätsel? Schulterzuckend gab sie ihm seinen Zauberstab wieder. Aus Mut? Aus Trotz? Aus Ratlosigkeit? Malfoy warf ihn weg. Einfach so. Seine kalten Augen blickten sie unverwandt an, als ob er sie hypnotisieren wollte. Ihr Herz schlug schneller.

"Was soll das, Malfoy?", versuchte sie gleichgültig zu fragen, aber ihre Knie fingen kaum merklich an zu zittern. Malfoy jedoch, griff nach ihrem Zauberstab und zog ihn vorsichtig aus ihrer Hand, gerade so, als ob er höflich nach einer Erlaubnis fragen würde. Ihr Griff lockerte sich und Malfoy warf ihn in eine gegenüberliegende Ecke. Jetzt waren sie beide unbewaffnet. Eigentlich sollte Hermine vor Angst in Ohnmacht fallen, schon allein weil Malfoy auch im körperlichen Sinne weit überlegen war, doch zu ihrer Überraschung entspannte sie sich und hielt seinem Blick stand. Er kam ihr in Zeitlupe näher, so dass er schon fast auf ihre Füße getreten wäre. Er war ihr zu nah. Viel zu nah. Er atmete gleichmäßig in ihr Ohr. Keiner von ihnen machte Anstalten einen Schritt zurück zu treten. Er roch sehr gut. Anders als Harry, der etwas sehr Sanftes, Warmes, Beruhigendes ausstrahlte. Malfoy war ganz anders. Kalt, verachtend, verführerisch. Oder etwa nicht?

"Hast du noch immer keine Angst?", fragte er fast fürsorglich. Als Antwort schüttelte sie trotzig den Kopf. Sein Mund umspielte ein Lächeln. Kein freudiges, sondern ein überlegendes Lächeln. Plötzlich zuckte sie zusammen. Malfoy hatte seine Hände auf ihren Hintern gelegt und fing an kleine Kreise zu ziehen. Wie jetzt? Sie holte tief Luft, als er mit seiner linken Hand an ihrer Seite hochfuhr, an ihrem Hals endete und mit seinem Fingerspitzen ihr Kinn in seine Richtung drückte. Hermine spürte fast seine Lippen die Ihren streifen, als er flüsterte: "Und noch immer keine Angst?"

Sie sagte nichts. Seine Augen faszinierten sie. So kalt und unergründlich. So betörend.

Er öffnete leicht seinen Mund und küsste sie vorsichtig. Hermine wusste in dem Moment nicht wie ihr geschah, aber sie erwiederte. Ihr Verstand war völlig ausgeschaltet. Ihr war es egal. Er küsste anders. Nicht so sanft und verspielt, sondern härter, tiefer, inniger. Seine Zunge umspielte ihre schneller und gekonnter, als sie es je erwarten konnte. Sie wollte immer weitermachen, aber dann unterbrach er ihren Kuss äußerst unsanft.

Hermine öffnete die Augen und sah in das mal wieder überheblich grinsende Gesicht von Malfoy. "Na, da konnte sich aber jemand nicht zurückhalten.", sagte er und schnalzte mit der Zunge.

"Falsch gedacht, du hast angefangen.", erwiederte sie genervt. "Und weitergemacht."

"So?", fragte er gehässig und lehnte an einen Tisch. Er hatte ein scheußliches Grinsen.

Hermine beobachtete ihn und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch es schien ihr, als ob er sie in einem Bann gefangen hielt. Er sieht schon gut aus, und dies war er sich mit Sicherheit auch bewusst, aber er war immer noch Malfoy, der Typ, den sie mehr hasste, als alles andere. Jedoch hatte sich in ihrem Körper, während ihres Kusses, dieses wunderwundervolle Kribbeln aufgebaut, welches sie auch bei Harry spürte. Doch diesmal war es etwas anderes. Diesmal war es verboten. Es war eine verbotene Lust. Hermine wollte sich auf ihn stürzen, doch diese Blöße wollte sie sich nicht geben. Selbst wenn ihr ganzer Körper nach seiner Nähe schrie. Er musste schon den Anfang machen.