Kapitel 19

Malfoy lächelte sie überlegend und auch ohne Frage amüsiert an. Hermine konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er dachte, einen großen Schritt vorangekommen zu sein. Er fixierte sie jetzt schon eine ganze Weile und seine Mundwinkel haben ein scheues Lächeln angedeutet. Endlich, nach einer Ewigkeit löste er sich von ihrem Blick und stand auf.

„Gut.", sagte er. „Gut, gut, gut."

Hermine fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Ihr schier unzähmbares Gewissen drückte mit aller Macht gegen ihre Schädeldecke, wie konnte sie sich auch auf solch eine gefährliche Machenschaft einlassen, der Tod könnte sie ereilen oder noch schlimmer, der Rauswurf. Und dies kurz vor ihrem Abschluss. Undenkbar. Doch selbst wenn sie es gewollt hätte, ein Rückzug war ausgeschlossen., denn sie war von nun an mit ihm verbunden, wie durch einen magischen Vertrag, einer Unterschrift auf seiner Seele. Es war so unerklärlich und doch so einsichtig. Ihr war, als wöllte sie gar nicht zurück. War es die Neugier? Auf ihre angeblich so unschlüssige Vergangenheit? Die Angst? Das Abenteuer? Die Ungewissheit? Der Kick?

Unschlüssig starrte sie erneut auf den Text. Er war so klar. Als wäre dies ihre Muttersprache, als hätte sie nie etwas anderes gesprochen. Wie konnte das nur sein? Wie konnte das denn möglich sein?

„Jetzt erzähl mir bitte, warum ich Spanisch sprechen kann, Malfoy. Ich halte das echt nicht mehr aus."

Malfoy setzte sich auf ein Fensterbrett und starrte auf die Ländereien ihres Internates. Erst jetzt bemerkte sie, wie schön er doch im diesen Raum passte. Auch er war so rein, so glänzend, so wahnsinnig perfekt. Er schien zu überlegen, man konnte fast sehen wie er nachdachte, eine kleine Falte bildete sich auf seiner makellosen Stirn.

„Ich kann es dir erst sagen, wenn wir mit diesem Trank hier fertig sind.", bemerkte er nach einer Weile. Hermine wollte schon protestieren, aber er hob beschwichtigend die Hand. „Warte, ich kann es dir jetzt noch nicht sagen, wer würde mir denn gewährleisten, dass du mir dann immer noch hilfst? Erst die Arbeit, dann die Bezahlung.", schloss er selbstverständlich und wendete sich wieder dem Fenster zu.

Hermine schnaubte. „Aber der Trank ist doch legal, oder?", wollte sie dann doch wissen.

Malfoy jedoch verzog seinen Mund zu einem dicken Grinsen. „Der Trank ist genauso legal, wie die Tatsache, dass mein Vater mich an sich gebunden hat.", lachte er. „Außerdem würde ich ihn dann wohl kaum hier, in einem Reinblüterversteck, mit einem Schlammblut brauen."

„Lustig.", grinste sie sarkastisch. „Und wann solls losgehen?"

„Na jetzt natürlich, wann denn sonst?", sagte er irritiert und riss ihr das Pergament aus der Hand.

„Wir gehen wie folgt vor: Als Erstes übersetzt du mir den Text ins lupenreine Englisch, dann suchen wir uns die Zutaten zusammen und brauen den Trank hier unten, so dass er so schnell es möglich ist fertig wird, denn....es kann sich nur noch um Stunden handeln, bis mein Vater wieder aus Askaban fliehen wird.", fügte er gedrückt hinzu. Und auch wenn sie Malfoy nicht besonders leiden konnte, in Momenten wie diesen empfand sie eine starke Woge Mitleid für ihn, denn schon allein der Gedanke an die Freilassung seines Vaters schien ihm den Verstand zu rauben. Sie wollte nicht auf dieses Thema eingehen. Vielleicht sogar aus Rücksicht?

„Wieso soll ich dir den ganzen Text übersetzen? Dafür brauche ich doch Stunden! Ich kann dir doch einfach sagen, was wir brauchen und wie wir vorgehen müssen. Ich mache dies ja nicht zum ersten Mal. Ich habe schon einen Vielsafttrank auf Französich hinbekommen. Keine Sorge." sagte sie bestimmt und erinnerte sie sich grinsend an die Vorkommnisse im zweiten Jahr.

„Nichts da, wer garantiert mir denn deine Loyalität? Wer garantiert mir denn, dass du mir nicht irgendein Hexentrank braust?", antwortete er unsicher und legte ihr das Pergament auf den Tisch zurück.

„Oh Gott, Malfoy, wie fürchterlich. Du hast mich jetzt schon in dein großes Projekt hier eingeweiht, du hast mir wirklich zu viel erzählt, um mir nicht vertrauen zu können. Auch wenn du das nicht weißt, Malfoy, gegenseitiges Vertrauen ist wichtig und von existentieller Bedeutung in solch einer naheliegenden Zusammenarbeit. Du hast keine andere Möglichkeit", sagte sie in einem „und hiermit erledigt" Tonfall, während sie sich wieder prüfend über das Pergament beugte. Malfoy nahm das nicht so gelassen auf. Wütend kickte er gegen einen Schrank und schnaubte. „Wie du meinst, Granger.", begann er nicht mehr ganz beherrscht. „Wie du meinst. Sag mir was wir brauchen."

„In Ordnung.", sagte sie und teilte die Zutaten.

Eine Stunde später kam Hermine ziemlich müde in den Gemeinschaftsraum zurück. In der rechten Hand hielt sie einen hastig beschriebenen Zettel mit den Zutaten, welche sie besorgen muss. Sie war ziemlich in Eile, so schnell wie möglich wollte sie wieder in das Reinblüterversteck, um den Trank fertigzustellen. Durch ihre Hektik hatte sie gar nicht bemerkt, wie ihr Ginny und Harry den Weg versperren.

„Lasst mich durch.", sagte sie genervt.

„Wo um Himmels Willen warst du?", begann Ginny wütend, ohne auf ihre Bitte einzugehen. „Riesige Sorgen haben wir uns gemacht! Hermine weg, verschwunden! Den ganzen Tag warst du unauffindbar. Du wolltest dich mit Malfoy treffen! Ohne eine Entschuldigung! Wir hatten rießen Angst, dass er etwas mit dir angestellt hat! Dass er dich entführt hat! Dass er dich ausgeliefert hat! Wo warst du denn nun, verdammt noch mal!", rief Ginny außer sich vor Sorge, aber Hermine musste nur grinsen. Welch große Ähnlichkeit sie doch mit ihrer Mutter hatte. Ihr Blick fiel auf Harry. Seine Miene war unergründlich, prüfend, vielleicht auch kalt.

„Gerüchten zufolge bist du mit –Malfoy- durch das Schloss spaziert. Und...und wart dann auf Einmal unauffindbar.", mischte sich er ein und blickte sie unentwegt an. Hermine seufzte. Ihr war ihr Fehler bewusst, ihr war klar, dass er ein Recht hatte sauer oder gar eifersüchtig zu sein.

„Lass uns mal bitte kurz allein.", flüsterte sie in Ginnys Richtung. Diese wollte etwas erwiedern, aber sie traf Harrys Blick, verstand und ging dann grummelnd davon. Hermine nahm seine Hand und führte ihn zurück auf ihr Lieblingssofa. Sie suchte nach Worten. Wo sollte sie anfangen?

„Tut mir leid, wenn ich dein Vertrauen gleich am ersten Tag so strapazieren musste. Ich kann dir auf das Leben meiner Mutter schwören, dass absolut vollkommen nichts zwischen mir und Malfoy gelaufen ist. Ich hoffe aber, dass du mir auch so glauben kannst. Nun ja, ich war jetzt den ganzen Tag fort und glaube mir, mein Hunger bringt mich um, aber es hat einen triftigen Grund......" Hermine begann zu erzählen, alles ohne Ausnahme, das Gespräch am See, das Reinblüterversteck und vor allem die Geschichte über den Zaubertrank.

„Wie bitte?", rief Harry ungläubig. „Du sollst diesen Trank mit ihm trinken? Du spinnst ja wohl. Das ist doch schrecklich gefährlich. Das lässt du aber sein. Das musst du aber sein lassen."

„Du kannst und wirst es mir nicht verbieten.", erwiederte sie kühl. Harry schüttelte den Kopf.

„Aber Hermine, wer sagt denn, dass er dich nicht anlügt, wer sagt denn, dass er dich nicht ein giftiges Gebräu mixen lässt, wer sagt denn, dass diese Begabung etwas Besonderes ist. Vielleicht hast du das Spanische in irgendeinem Urlaub gelernt und weißt es nur nicht mehr."

„Für wie blöd hältst du mich?", rief Hermine empört. „Ich mache diesen Trank doch selber, ich weiß nun wirklich was ich tue. Keiner von uns wird bestreiten, dass ich der bessere Zaubertrankmischer bin. Und zudem: woher soll den Malfoy von meinen Sprachkünsten wissen, wenn ich sie in einem Urlaub gelernt habe? Wirklich absurd, was du mir da erzählst." Hermine seufzte laut auf. „Hör auf mich für ein naives Kind zu halten, dass nicht auf sich selber aufpassen kann.", fügte sie noch hinzu und rollte die Augen.

„Tut mir leid, Hermine. Ich kann es einfach nur nicht verstehen, dass du dich mit dem widerlichsten Arsch von Hogwarts verbündest. Ich meine, das mit uns, das ist ja noch so frisch und ich weiß wirklich nicht was ich davon halten soll, wenn du gleich unseren ersten Tag mit dem Idioten verbringst, mit welchem ich dich noch vor Kurzem in flagranti erwischt habe.", sagte er genervt.

Hermine blieb die Luft weg. Wie konnte er denn so mit ihr sprechen!

„ Harry, wie kommst du....., wie kannst du nur so etwas sagen. Ich bin bei Malfoy weil er meine Hilfe braucht. Er braucht meine Hilfe um kein Todesser zu werden, Harry. Er braucht meine Hilfe, um sich von Voldemort abzuwenden , verstehst du das denn nicht? Ich muss ihm einfach helfen."

Harry sah sie noch eine Weile unschlüssig an, dann nickte er. „Also gut, aber ich komme mit."

„Das geht nicht Harry. Er wird schon sehr sehr sauer sein, wenn er mitbekommt, dass ich sein Vertrauen missbraucht habe. Glaub mir, du gehörst da nicht hin.", erklärte sie beruhigend.

„Damit du ihm schön einen blasen kannst, oder?"

„Harry, jetzt hör endlich auf damit.", schrie sie, so dass die meisten Gryffindor aufmerksam wurden. Schnell atmete sie ein paar Mal tief durch, um ansatzweiße die Lautstärke ihrer Stimme zu drosseln.

„Es verletzt mich sehr, wenn du so mit mir redest und mir nicht vertrauen kannst.", flüsterte sie und versuchte seine kalten Blick in irgendeiner Weiße positiv zu deuten.

Doch er zuckte mit den Schultern. „Ich werde es versuchen.", sagte er nach einiger Zeit. „Aber es ist nicht leicht für mich."

„Ich weiß, Harry, ich weiß.", erwiederte sie leise.

Sie begann langsam durch sein volles schwarzes Haar zu streichen, fuhr ein wenig tiefer und kraulte ihm den Nacken. Harry schloss die Augen. Er atmete tief und genießerisch, er entspannte sich völlig unter ihrer streichelnden Hand. Ewig saßen sie so da, bis Harry die Augen wieder öffnete und sie sanft an sich heranzog. Vorsichtig küsste er sie. Fast zu vorsichtig, ja, sogar ein wenig schüchtern, oder ob sie es das erste Mal versuchen würden. Hermine schloss die Augen und öffnete den Mund ein wenig mehr. Seine Zunge befeuchtete ihre Lippen und leckte leicht daran, spielerisch, mutiger, ein wenig entspannter. Hermine gewährte ihm den Einlass und nahm die Seine auf in ihr eigenes Zungenspiel. Es war wirklich ein ganz neues erstes Mal. Es war berauschend, wie immer, aber diesmal auf eine ganz besondere Weiße noch viel aufregender. Ein ganz neues, wunderbares, kribbelndes Gefühl, welches Hermine beim besten Willen nicht zuordnen konnte, machte sich in ihrem Körper breit. Harry beendete den Kuss ein wenig unsanft, in dem er sie ein paar Zentimeter von ihr löste. „Was..", begann Hermine, bis sie selbst ein prüfenden Blick über den Raum geworfen hatte. Sie hatte völlig vergessen, dass sie sich noch im Gemeinschaftsraum befanden, der um diese Zeit immer zum Bersten voll ist. Die Schüler musterten die Zwei mit höchstem Interesse, tuschelten auch mit vorgehaltener Hand mit ihrem Nachbarn. Vereinzelnd konnte sie auch ein paar Mädchen entdecken, die ihr einen bitterbösen Blick zuwarfen, bevor sie fluchtartig den Raum verließen. Hermine seufzte resigniert. Glänzend. Hinter in der Ecke entdeckte sie Ginny, welche grinsend rief: „Tja, Mädels, das wars dann wohl."

„Ach halt doch deine Klappe, Ginny.", erwiederte Lavender, die die ziemlich mitgenommene Parvati in den Mädchenschlafsaal transportierte.

„Wir sollten besser verschwinden.", sagte Hermine ein wenig peinlich berührt zu ihrem Freund.

„Klar doch.", sagte er in bester Laune, der im Vorbeigehen ein „Schönen Tag noch" den anderen zuwarf. Die Meisten hatten sich sowieso wieder ihren Tischpartnern oder den Hausaufgaben zugewandt.

„Konservatives Pack.", flüsterte er noch, was Hermine ein schüchternes Grinsen entlockte.

Gemächlich liefen sie nebeneinander her. Das Schloss war nach wie Vor ziemlich kühl, doch Hermine konnte einfach nicht frieren. Schon allein seine Anwesenheit reichte aus, um die Glücksgefühle aus ihren Herzen springen zu lassen. Wie konnte einem da kalt werden?

„Erzähl doch mal, was Dumbledore dir jetzt erzählt hat. Wo war er denn die ganze Zeit? Ich habe seine Rückkehr gar nicht bemerkt.", begann sie nach einer Schweigeminute.

„Ja stimmt, ich wollte dir das noch erzählen. Hui, geiler Arsch.", fügte er noch hinzu, als eine ihr wohlbekannte Ravenclaw vorbeistolzierte und erntete dafür einen bitterbösen Blick von Hermine. Dieser legte daraufhin lachend einen Arm über ihre Schulter. „Verstehst du, was ich meine?", fragte er sie freudig. Hermine ging jedoch nicht auf ihn ein. So ein Blödmann, dachte sie sich.

„Ja, das Gespräch mit Dumbledore. Also, er hat mit mir über meinen, na ja, Ausbruch gesprochen, oder besser gesagt, ich habe ihm alles erzählt. Sei jetzt nicht sauer, Herminchen, aber du kennst ihn ja. Dumbledore hat einfach eine Art an sich, so dass man immer das Gefühl hat, ihm alles gleich erzählen zu müssen. Wie auch immer. In jedem Fall hat er mir geraten, eine Art Therapie zu machen, ich weiß auch nicht, was er genau damit meint. Eine Art Psychotherapie. Die soll mir helfen, meine Ängste und die verdrängten Erlebnisse besser zu verarbeiten. Ich glaube nicht wirklich, dass das etwas bringt, aber ich werde es trotzdem tun, denn ich war ja auch nicht überzeugt von dem Okklumentikunterricht."

„Aber dieser Unterricht wird hoffentlich nicht von Professor Snape geführt?", warf Hermine dazwischen.

„Nein, ich danke dem Herrn dafür. Ich werde die Therapie bei Lupin beginnen. Er hat angeblich eine Ausbildung in der Psycholoie eines Zauberers. Die erste Sitzung wird in den Ferien beginnen, ich habe jedoch keine Ahnung, welche Aufgaben mich dort erwarten. Ich hoffe es wird mental nicht ganz so schwer wie die Okklumentik."

„Du kannst mit meiner Unterstützung rechnen, Harry.", sagte sie aufmunternd

„Das weiß ich doch.",bemerkte Harry schnell und gab ihr einen Kuss auf das Haar. Und hoffentlich auch mit der Rons."

„Ich werde sobald ich kann mit ihm sprechen, Harry."

„Nein, das machen wir zusammen. Jedenfalls hat uns Lupin alle Drei in den Phönixorden über Weihnachten eingeladen, er würde sich sehr freuen.

Ach ja, Dumbledore hat mir erzählt weshalb er solange weg gewesen ist. Oder er hat es zumindest angedeutet. Seine Worte waren: „Ich war im Auftrag des Ordens in Rumänien und habe mich leider etwas verspätet." Mehr bekam ich nicht aus ihm heraus, aber ich frage mich schon die ganze Zeit ob das mit den Drachen zu tun haben könnte.", schloss er nachdenklich.

„Das kann gut möglich sein.", antwortete Hermine. Als sie sich umschaute, bemerkte sie, dass sie sich schon fast in der Bibliothek befanden, so weit waren sie gelaufen.

„Harry, ich muss los, ich hätte schon vor Stunden zurück sein sollen. Malfoy reißt mir den Kopf ab."

„Das soll er mal versuchen.", sagte er gespielt drohend, lachte und gab ihr ein Küsschen auf den Mund. „Mir gefällt es trotzdem nicht, Hermine.", sagte er ein wenig betreten.

„Ich weiß.", antwortete sie. "Ich weiß es doch."