Kapitel 24

Eine halbe Stunde später kehrten Harry und Hermine zurück in den Gryffindor Gemeinschaftsraum. Hermine war froh wieder hier zu sein, von einem kräftig prasselnden Feuer empfangen zu werden und den nichts ahnenden Mitschülern bei ihren nichtigen Gesprächen zu lauschen. Aber sie wurde von Letzterem enttäuscht, da der Raum fast leer war, bis auf Ginny und Ron, welche sich wütend und schreiend vor Wut kaum zwei Metern entfernt gegenüber standen und wild gestikuliernd auf den anderen einschrien.

"Lass es.", begann Ginny nachtrüglich. "Mach es nicht noch schlimmer."

"Du hast doch keine Ahnung wovon ich rede! Du hast keine Plan..., nein nicht mal eine Idee wie es ist!", erwiderte Ron laut

"Jedenfalls mehr als du! Ich bin nicht derjenige, der sich ein Leben lang als gefuhlloser Idiot geoutet hat! Erwarte nicht von mir, dass ich dich jetzt wie ein Kranker behandle!"

"Ach ja? Glaubst du das ich das will?", fragte Ron rethorisch.

"SO wie du dich aufführst! Willst du mir erzählen, jemand anders hätte Schuld? Wach auf und fang an, Mensch zu werden, Ron. WILLKOMMEN IN DER WIRKLICHKEIT!", schrie sie hallend.

"Wieso hab ichs dir überhaupt erzählt? Du bist echt schlimmer als alles was ich erwartet hatte!"

"Jemand muss dir ja den Kopf waschen."

"Am besten du verpisst dich einfach.", entgegnete Ron garstig.

"Und ich soll zusehen, wie du meiner Freundin das Leben schwer machst?", keifte Ginny.

Ron dagegen kickte wütend gegen den Sessel und fuhr sich durch die Haare.

"Was soll ich denn tun deiner Meinung nach!", schrie er fahrig.

"Sie vergessen."

Einen Moment lang war Stille in den Raum. Obwohl Hermine und Harry in Sichtweite der Beiden standen, waren sie noch immer unentdeckt. Sie waren viel zu verwirrt über die Situation um sich bemerkbar zu machen.

"Lass mich einfach in Ruhe, du kannst mir nicht helfen.", sagte Ron irgendwann ruhig.

"Nur wenn du versprichst, SIE in Ruhe zu lassen.", eröffnete ihm Ginny.

"Ich verspreche dir gar nichts."

"LasssieinFrieden"

"Du kannst mich mal!", rief Ron nun schon wieder etwas lauter.

"Hör auf mich so anzufahren!"

"Du lässt mir ja keine andere Wahl!"

"Nur weil du keine Kritik verträgst?", fragte Ginny selbstsicher.

"Nur weil du zu dumm bist um die Wahrheit zu akzeptieren," bellte er.

"Hör auf mich zu beleidigen!"

"Ich beleidige jeden, der mir mein Leben vorschreiben will!"

"Dann kannst du ja bei mir anfangen!" Es war diesmal Harry, der gesprochen hatte. Als die beiden Streitenden Hermine und Harry entdeckten, wurde ihnen peinlich bewusst, dass sie gelauscht haben mussten. Hermine war entsetzt über diesen Streit, wenn auch nicht überrascht. Ginny wurde puterrot und setzte sich auf einen Sessel.

"Was soll das heißen?", fragte Ron angriffslustig, der Hermine schlichtweg ignorierte.

"Ich schreibe dir jetzt vor endlich die Klappe zu halten, denn Hermine hat vielleicht keine Lust gleich sofort wieder in einen Streit verwickelt zu sein.", antwortete Harry ruhig und nahm Hermine in den Arm.

Diese sollte eigentlich aufspringen und mitdiskutieren, vielleicht sogar eigene Partei ergreifen, aber in diesem Moment war sie einfach zu müde, um für sich selbst zu sprechen.

"Ich bring dich noch zur Treppe.", bat Harry freundlich an und schob sie mit sanfter Gewalt aus dem Raum zur Mädchenschlafsaaltreppe. "Wir sehen uns nachher bei der Feier."

Ron schien diese ganze Situation ziemlich zu missfallen, sie hörte ihn Ginny fragen: "Meinst du sie weiß, worum es ging?"

Hermine hörte nicht Ginnys Antwort, doch es war ziemlich egal, denn sie war sich ganz sicher zu wissen, um was es bei diesem Streit nun ging.

Hermine setzte sich auf ihr Bett und starrte aus dem Fenster. Der Schnee raubte ihr die klare Sicht, schon die Hälfte des Fensters war eingeschneit. Sie sah hinaus und sah es doch nicht. Ihr war kalt, doch sie fühlte es nicht. Selbst der knurrende Magen wurde von ihrer Trauer übertönt. Als sie das nächste Mal auf die Standuhr in ihrem Zimmer blickte, schlug die Uhr kurz nach sechs. In einer halben Stunde würde die Feier beginnen und Hermine war sich nicht mal sicher, den Weg zurück in die große Halle zu finden. Doch sie erinnerte sich daran, dass Draco es verdienen würde, dass sie sich zusammen reißen müsste, er hätte es verdient. Schweren Herzens öffnete sie ihr Kleiderschrank und suchte das schwarze Kleid aus, welches ihr ihre Mutter zum 15.Geburtstag schenkte. Es war unpassend ein solch schönes Kleid, mit einer solch schönen Erinnerung an einem Trauertag wie diesem zu tragen. Es war eine Schande.

Kurz vor halb sieben ging sie hinunter in den Gemeinschaftsraum, wo sie schweigend von ihren Freunden empfangen wurde. Gemeinsam gingen sie in die große Halle, welche wie schon bei Cedrics Feier mit schwarzen Tüchern geschmückt worden war. Die Gesellschaft war angespannt ruhig, Hermine ließ sich wenig anmerken, sie setzte sich zu den Anderen, schlug die Beine übereinander und legte einen Blick auf, der komplettes Desinteresse signalisieren sollte. Einige Slytherin-Mädchen weinten, sogar Crabbe und Goyle schienen verletzt und traurig. Wie egal ihr es doch war. Unbeschreiblich egal.

Dumbledore erhob sich und die ohnehin gespannte Menge verfiel in ein schauriges Schweigen.

"Und wieder,", begann er schweratmend."geht ein halbes Jahr zu Ende.

Und wieder ist ein Mensch aus unserer Mitte genommen worden, ein Mensch, der hier sitzen sollte, das Essen genießen und das Ende des Halbjahres feiern sollte."

Dumbeldore erhob seinen Kelch, die Masse tat es ihm nach.

"Draco Malfoy war der letzte der reinblütigen Blacks, der Letzte, der all die Eigenschaften der Zaubererschaft vereinte, der wusste was Loyalität bedeutete. Er vereinte all die Tugenden, welche Slytherin so sehr schätzte, ihr wusstet, dass er war, ob ihr ihn kanntet oder nicht.

Und wieder isr er genommen worden, von jenem, der seit Jahrzenhnten Trauer und Leid verbreitete. Er wurde ermordet, wie schon so viele vor ihm, er würde getötet von Lord Voldemort."

Und erneut begann ein erregetes Geflüster unter den Hogwarts-Schülern, doch diesmal waren wenige wirklich überrascht, nein, Hermine schien in einigen Gesichtern die Bestätigung zu lesen.

"Und wieder.", sagte Dumbledore."Und wieder wäre es eine Beleidiung an Dracos Andenken, wenn ich euch dies vorenthalte,..."

"NEEEIINnnnnnnnn", schrie sie.

Die Schülerschaft von Hogwarts drehte sich in ihre Richtung, um die Quelle des Geschreies ausfindig zu machen.

Hermine konnte sich nicht erklären wieso, aber all diese Menschen, diese Halle, diese Gespräche, schon allein der Duft des Schlosses erinnerte sie an seine Gegenwart. Es war einfach gekommen, plötzlich aus ihr herausgebrochen. Und sie weinte und weinte, Harry versuchte sie zu beruhigen, aber sie wollte nicht berührt werden, sie wollte mit niemanden reden, sie wollte alleine sein, sie wollte sterben. Die Trauer versuchte sie von innen zu zerfressen, Todesangst schling sich wie Schlangen durch ihren verzweifelten Körper, der mit aller Kraft gegen das Unvermeindliche kämpfte.

Sie wusste nicht mehr wo sie war, was sie tat, all die anderen Schüler waren nur noch verschwommen, und die Trauer das Einzige, was es sich zu fühlen lohnte.

"Finite angoissare"

Hermine öffnete schwerfällig ihre Augen, die Lider klebten ein wenig aneinander und als sie sich aufrichten wollte, fuhr ihr ein unangenehmer Schmerz durch den Rücken, fast als hätte sie sich erwas ausgerenkt. Die Augen gewöhnten sich an das Licht und Hermine fand sich in ihrem Zimmer wieder, allein. Angestrengt verließ sie das Bett und stellte sich vor den Spiegel. Ihre Schminke vom Vorabend hatte sich unter ihre Augen verteilt und der dunkle Lippenstift hatte nun auch seinen vorgesehenen Platz verlassen. Seufzend drehte sie sich um die eigen Achse, griff nach ihrer Bürste und versuchte vorsichtig ihre Haare zu entwirren. An den gestrigen Abend erinnerte sie sich nur verschwommen, sie wusste, dass Dumbledore ihr einen Beruhigungszauber auferlegt hatte, aber desweiteren konnte sie sich an nichts erinnern.

Nur ein wenig befreiter fühlte sie sich. Nicht mehr so schwer und traurig, einfach ein wenig kontrollierter. Der Blick aus ihrem Fenster veriet ihr, das sich der Sturm gelegt haben musste.

Nach dem Badezimmer schaute sie in ihrem Hausaufgabenplaner, welcher ihr verriet, dass sie heute über die Ferien in den Phönixorden reisen würde. Hermine war ganz froh über diese Ablenkung. Zwar konnte sie sich nur schwer vorstellen, ausgelassen und entspannt bei den Anderen das Weihnachtsmahl zu geniessen, aber es wäre auf jeden Fall besser als hier über ihre Trauer zu philosophieren.

Wie auf Kommando klopfte es an der Tür.

"Herein.", sagte Hermine ein wenig krächzend.

Ginny kam in ihr Zimmer und schleppte den Koffer hinter sich her. "Es wird Zeit, wir müssen. Hier, ich hab dir ein paar Toasts mitgebracht."

Ein Blick auf die Uhr verriet was Ginny meinte, in 10 Minuten würden die Kutschen fahren.

"Scheiße.", rief sie fahrig und zückte ihren Zauberstab. Mit ein paar geschickten Handgriffen flog alles kreuz und quer in ihren Koffer. "Na also."

Hastig verließen die Beiden das Zimmer und rannten so schnell es ging in die Eingangshalle, wo sie von Ron und Harry begrüßt wurden.

"Da seit ihr ja endlich."

"Tut uns leid."

Die Fahrt verlief angenehm ruhig, ab und zu spielten sie Schach oder Snape explodiert, aber ansonsten ließen sie Hermine vollkommen in Frieden. Keiner hatte bis jetzt den Vorfall bei der Trauerfeier erwähnt und da Hermine nicht den Anfang machte, beließen sie es dabei. Die Hexe kam nach einer Stunde an ihrem Abteil vorbei und verkaufte ihnen zwei riesige Kesselkuchen, die sie hungrig verdrückten. Je näher sie London und dem Süden kamen, desto nasser und ungemütlicher wurde es.Ein handfestes Gewitter bildete sich über ihnen, welches den Regen mit einem dicken Gebrüll auf die Erde prasseln ließ. Kleine Rinnsaale schwammen an ihrem Fenster vorbei und erinnerten Hermine an ihre Tränen.

"Hört mal.", begann sie leise. Die Anderen verstummten und ahnten, dass sie etwas wichtiges sagen möchte. "Ähm, was war den nun gestern.", wollte sie schüchtern und aus dem Fenster blickend wissen. Die Anderen wechselten stumm Blicke oder rutschten unangenehm auf ihren Sitzen umher.

"Na ja, du hast halt geweint und auch um dich geschlagen, und ja-,", sagte Ginny.

"Was?", fragte sie garstig.

"Nun," fuhr Harry fort."Dumbledore hatte einen Zauber auf dich gelegt, der dich irgendwie ein wenig lähmte und wies McGonagall an, dich in dein Zimmer schweben zu lassen. Dann hatte Dumbledore weitergeredet als wäre nichts passiert."

"Das ist alles?", sagte sie ungläubig. "Mehr ist nicht passiert?"

"Ich habe heute morgen noch mit Parvati und Lavender gesprochen, die hätten gesagt, du weintest die ganze Nacht. Aber ich glaube, das war so beabsichtigt von Dumbledore."

Hermine lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. Sie wusste, dass hatte irgendwas mit ihrer Krankheit zu tun und doch hatte sie keine Lust darüber zu reden. Sie empfand es irgendwie als lästig.

Der Zug kam zum Stillstand und Hermine mischte sich zu den Andern in die Menge, den schweren Koffer im Schlepptau. Manch einer sah sie ein wenig seltsam an, doch keiner wagte mit ihr zu sprechen und Hermine war das nur recht. Sie freute sich auf das Weihnachtsfest mit den Anderen so sehr und hatte keine Lust sich um ihre Krankheit, ihre Trauer oder andere Mitmenschen zu scheren. Und wieder kam ihr der Gedanke, dass nur eine einzige Person schuld an ihrerm Leid und ihrer Verzweflung waren. Ein Mensch, falls es denn einer war, der ihr und ihren Freunden seit Lebenszeiten das Leben zur Hölle machte.

"Lord Voldemort.", flüsterte sie und verengte die Augen zu Schlitzen.

"Was hast du gesagt?", fragte Ron und drängte sich zu ihr und den anderen Beiden in die Schlange zum Tor.

"Wisst ihr", begann Hermine von Neuem. "Nur eine einzige Person ist Schuld an unserem Verderben. Ist das nicht absurd?"

"Oh ja, du hast Recht.", antwortete Harry kopfschüttelnd. Ginny nickte.

"Ich glaube wir haben noch einen langen Weg vor uns. Einen hartigen, steinigen Weg."

"Und zusammen werden wir ihn beschreiten.", sagte Ron.

Hermine lächelte.

"Ich weiß."

Und zusammen gingen sie durch das Tor in die Muggelwelt.

ENDE

Fertig! Wenn ihr keine Geschichten mit offenen Ende mögt, dann lest den Epilog lieber nicht. Reviews sind wie immer höchst erwünscht:-)