Title – Im Tal der Tränen
Author - ParkersCamp
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Rating – PG13

TEIL I

The Centre

Miss Parkers Büro

16:30 Uhr

Ms. Parker sitzt am Fenster und denkt an ihre Mutter. „ Es sind so viele Fragen offen. Warum läßt du mich damit allein? Bitte hilf mir!"

Das Telefon unterbricht ihre Gedanken. „ Was ist?"

„Zentrale, Miss Parker. Hier ist jemand in der Leitung vom Krankenhaus, der Broots sprechen will. Es geht um Debbie. Er ist doch heute nicht im Haus. Können sie das klären?"„Stellen sies durch!"

Es meldet sich eine Frau, die fragt „Hallo, mit wem spreche?"„ Parker, ich bin die Chefin von Mr. Broots. Er ist leider nicht erreichbar. Ist etwas passiert?"„ Es sieht so aus. Jemand hat Debbie vor einer halben Stunde im Park gefunden, völlig verstört und bis jetzt ohne jede Reaktion. Sind sie mit ihr verwandt? Wir brauchen dringend eine Person ihres Vertrauens."„Ich komme sofort!"

Ms. Parker rast sofort los. Sie erinnert sich an Debbies Beistand und die Nähe, als diese durch ihre Schutzmauern durchgestoßen ist. Mit quietschenden Reifen hält sie direkt vor der Notaufnahme und sprintet in das Gebäude.

Im Krankenhaus in Blue Cove

16:45 Uhr

„Wo ist sie?" ruft sie schon von der Tür aus. „Sind sie Ms. Parker?"„Ja, wo ist Debbie?"„Wir dürfen nur Verwandte oder Leute, die eine schriftliche Erlaubnis haben, zu ihr lassen." Ms. Parker geht an ihr vorbei auf den nächsten Raum zu und öffnet die Tür. „Halt, was machen sie denn da?"Die Schwester läuft auf sie zu.

Debbie liegt ganz still auf dem Tisch. Sie reagiert nicht einmal auf Ms. Parkers Eintreten. Die hockt sich vor sie hin und sagt „Debbie ich bin´s, Ms. Parker. Schau mich bitte an!"Keine Reaktion. „Komm Liebes, versuch es. Schau mich an Ich bin jetzt hier und ich laß nicht zu, daß dir etwas passiert, hörst du?" Immer noch keine Reaktion. Ms. Parker setzt sich neben sie und wartet. Irgendwie hat sie das Gefühl 1x in ihrem Leben Geduld haben zu müssen. Sie sagt Debbie noch mal „Ich bin jetzt da und passe auf dich auf!"Sie nimmt ganz behutsam Debbies Hand und streichelt diese ganz vorsichtig.

Eine Ärztin kommt herein, die von der Schwester verständigt wurde. Doch der entschlossene Blick Ms. Parkers hält sie zurück. Sie spürt die Vertrautheit zwischen den beiden und wartet einfach mit. „Komm Debbie, komm zurück aus der Dunkelheit. Ich helfe dir, was es auch ist. Ich habe dich lieb."

Nach über 1 Stunde spürt Ms. Parker, wie Debbies Hand leicht zuckt. „So ist es gut, Liebes. Komm zu dir."Einige Minuten später stößt Debbie einen tiefen Seufzer aus und schaut dann zu Ms. Parker, noch etwas entrückt, aber die Augen voller Schmerz und Pein. Ms. Parker, zutiefst erschrocken über diesen Blick, nimmt sie auf den Schoß. „Debbie, Gott sei Dank! Egal was passiert ist, ich helfe dir und ich werde dich beschützen."Daraufhin fängt Debbie an zu weinen. Ms. Parker hält sie einfach nur fest. Sie weint ein bißchen mit ihr, weil sie sich so erleichtert fühlt. Sie sagt nicht „Hör auf zu weinen."sondern ganz im Gegenteil „Wein ruhig. Wein, solange du magst und laß alles raus. Du bist in Ordnung, auch wenn du weinst wie ein Schloßhund."

Daraufhin bricht die Kleine völlig zusammen und weint und weint, schreit ein verzweifeltes „NEIN". Doch nach einiger Zeit hat sie keine Tränen mehr; diese jetzt trockenen Schluchzer machen Ms. Parker jedoch noch mehr zu schaffen.

Jetzt greift die Ärztin kurzentschlossen ein und spritzt Debbie ein Schlafmittel, das auch sofort wirkt. Kurz öffnet sie noch mal kurz die Augen und fragt „Bleibst du bei mir, bitte?"„Ja, ich verspreche es dir. Ich bleibe hier, keine Angst. Ich passe auf dich auf!"Sie läßt Debbies Hand nicht los, auch nicht als diese tief eingeschlafen ist.

„Was ist denn bloß passiert?"„Keine Ahnung"erwidert die Ärztin "aber ich vermute etwas. Etwas, was wir recht schnell feststellen können. (sie holt tief Luft) Ich glaube, daß sie vergewaltigt wurde."„Was? Wie kommen sie darauf?"fragt Ms. Parker völlig entsetzt. Doch im gleichen Moment fühlt sie, daß sie denselben Gedanken hatte. „Okay, lassen sie uns nachsehen."erwidert sie. Die Ärztin schiebt das Kleidchen hoch und schon ist eine kleine Spur Blut zu sehen. Die Frauen schauen sich an, geschockt. Vorsichtig zieht die Ärztin den Slip herunter. „Oh Gott"Ms. Parker stöhnt auf. „Sie ist doch erst 12. Was für ein Schwein tut einem Kind so was an?"„Ich hole die Frauenärztin für eine genauere Untersuchung" antwortet ihr die Ärztin und verläßt, ebenfalls tief schockiert, den Raum.

Einige Minuten später, in denen Ms. Parker sich noch immer nicht vom dem Schock erholt hat, kommen die 2 Ärztinnen herein. „Hallo, ich bin Dr. Simons. Ich werde Debbie jetzt genauer untersuchen. Dann wissen wir mehr."Ms. Parker hält Debbies Kopf immer noch auf dem Schoß und drückt sie etwas fester an sich. Sie spricht sie an „Debbie, die Frau Doktor muß dich jetzt untersuchen. Aber es kommt alles wieder in Ordnung. Ich bin hier und passe auf. Es passiert dir nichts."Sie konzentriert sich voll auf das Mädchen. „Ich habe dich lieb!"Eine Träne ihr rollt die Wange runter.

Inzwischen hat Dr. Simons die Untersuchung beendet. „Es tut mir leid. Sie ist definitiv vergewaltigt worden. Wir haben auch gleich 2 Proben genommen, für die Polizei. Aber das kann Debbie später noch entscheiden."„Da gibt´s nichts zu entscheiden. Rufen Sie die Cops."„Hören sie, ich will ganz genau wie sie, daß der Kerl nicht mehr frei rumläuft. Aber denken sie auch an Debbie, und daß sie im Gericht aussagen muß. Sie wissen doch, wie so was abläuft. Wie das Opfer beweisen muß, daß es unschuldig ist und nicht der Täter, daß er Schuld hat. Sie sollten erst mit ihr reden."Nach ein paar tiefen Atemzügen hat sich Ms. Parker wieder beruhigt. „Ja, sie haben Recht. Ich rede mit ihr. – Muß sie eigentlich jetzt noch hierbleiben, oder kann ich sie mitnehmen?"„Nein, eigentlich spricht nichts dagegen, sie nach Hause zu bringen."

Ms. Parker zückt mit ihrer freien Hand ihr Handy und ruft Sydney an. „Syd, lassen sie alles stehen und liegen und kommen sie ins Krankenhaus. Keine Fragen jetzt. Nehmen sie den Van. Wir brauchen ein wenig mehr Platz und tun sie´s einfach!"Damit schaltet sie das Handy ab.

Dr. Simons gibt Ms. Parker ihre Karte und verabschiedet sich mit dem Hinweis Debbie in den nächsten Tagen noch mal sehen zu wollen. 2 Minuten später kommt sie noch mal ins Zimmer und reicht Ms. Parker eine Tablette. „Wir sollten auf Nummer sicher gehen. Das ist die ´Pille danach´. Sie muß sie in den nächsten 24 Stunden nehmen."„Ich sorge dafür."Der Blick von Ms. Parker wird noch düsterer. „Meine Kleine. Was mußt du da schon durchmachen?"Zärtlich streicht sie Debbie über´s Haar.

Sydney kommt ins Zimmer. „Was ist passiert?"„Ich erkläre es ihnen später. Jetzt bringen sie uns erst mal zu meinem Haus." Behutsam nimmt sie Debbie auf die Arme und trägt sie zum Auto. Sie steigt hinten mit ihr ein. Sydney fährt los und beobachtet im Rückspiegel die Szenerie.

"Das hätte ich ihnen gar nicht zugetraut, Ms. Parker! Wo sind ihre Mauern geblieben, hinter denen die Gefühle sonst immer verbarrikadiert werden?"denkt er, sagt jedoch nichts. Ihre Blicke treffen sich kurz wie im stillen Einverständnis. „Toll, daß er nicht fragt!"denkt sie und konzentriert sich wieder ganz auf Debbie.

Ms. Parkers Haus

22:05 Uhr

Zuhause angekommen bringt Ms. Parker das Mädchen in ihr Schlafzimmer und setzt sich mit Sydney zu ihr an das Bett.

„Syd, sie ist vergewaltigt worden. Man hat sie im Park gefunden und weil sie auf nichts reagiert hat, ist sie ins Krankenhaus gebracht worden. Als ich kam, war sie überhaupt nicht ansprechbar. Sie hat völlig erstarrt da gesessen. Ich habe sie erst vorsichtig berührt, dann in die Arme genommen. Ich habe ihr versprochen, daß ich da bin und aufpasse, und daß alles wieder gut wird. Wie konnte ich ihr das sagen? Syd, sie ist doch noch ein Kind. Ich bin als Erwachsene vergewaltigt worden und habe noch immer daran zu knabbern. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was das mit einem Kind macht."

Sydney ist völlig überrascht von diesem Geständnis. „Wer oder was hat ihnen damals geholfen?"„Jarod. Er hat gerade noch rechtzeitig eingegriffen. Oh, mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke."„Warum haben sie es mir nie erzählt?"„Ich konnte es nicht. Ich ... kann es immer noch nicht. Aber jetzt muß ich mich dem stellen. Ich muß und will ihr helfen. Sydney, bitte helfen sie uns beiden!"

Er denkt eine Weile nach, geht dabei auf und ab. „Okay, aber sie müssen sich ganz drauf einlassen, auf alles; es wird auch vieles hochkommen, wenn Debbie erzählt. Vielleicht ist es aber sogar hilfreich, wenn sie spürt und weiß, daß es ihnen ähnlich geht. Und jetzt schlafen wir erst mal. Ich nehme das Gästezimmer und ich find schon alles, was ich brauche. Bleiben sie bei ihr und versuchen sie auch zu schlafen. Gute Nacht, Ms. Parker!"„Danke Syd, gute Nacht."

Sydney ruft vom Gästezimmer aus Broots an und erzählt ihm vorsichtig alles. Der war schon sehr in Sorge, da er niemanden zu Hause erreicht hatte. Nachdem er zunächst völlig aufgelöst ist, beruhigt er sich dann aber wieder und sagt, daß er sofort den 1. Flug nach Hause nimmt.

Ms. Parker zieht sich aus und legt sich zu Debbie. Sie nimmt sie ganz fest in die Arme und schläft nach einer ganzen Weile ein.

Kurz nach Mitternacht

Ein ihr alt bekannter Alptraum kehrt wieder, den sie jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr hatte. Mit einem lauten Schrei wird sie wach. Zitternd am ganzen Körper steht sie auf und geht ans Fenster. Sydney kommt herein, macht Licht „Parker, was ist los?"Sie dreht sich um. Ihr Ausdruck voller Schmerz, aufgerissene Augen und die Resignation lassen ihn betroffen innehalten. Langsam geht er auf sie zu. „Kommen sie Parker. Erzählen sie es mir. Sie haben von damals geträumt, nicht wahr?"„Ja, es ist alles wieder da." Verzweiflung schwingt in ihrer Stimme durch. Er nimmt vorsichtig ihren Arm und führt sie ins Wohnzimmer, gießt ihr einen Whiskey ein und sagt dann vorsichtig. „Erzählen sie es mir, Parker. Wie lange ist es her und wo ist es passiert?" Er setzt sich ihr gegenüber hin, schiebt aber den trennenden Tisch zur Seite, sodaß er mit einem schnellen Schritt bei ihr sein kann. Sie nimmt einen großen Schluck und atmet dann zitternd aus. Sie fängt an zu erzählen:

„Vor etwa 2 Jahren war ich den Everglades. Sie und Broots verfolgten eine andere Spur. Deshalb war ich allein dort. Ich bin in den angekündigten Sturm geraten. Doch Gott sei Dank war da endlich Jarods Hütte. Es gab drinnen ein paar trockene Sachen, sogar was zu Essen. Ich war wütend unter die Dusche marschiert. Als ich Geräusche hörte, war es schon zu spät. Ich kam aus der Dusche und schaute direkt in eine Waffe. Die ganze Zeit suchte ich nach einem Ausweg. Zuerst habe ich IHM mein Handtuch an den Kopf geworfen. Doch er hat nur gelacht. Dieses Lachen höre ich heute oft immer noch. Er hat mich gepackt, mir die Pistole an den Kopf gehalten und gelacht über meine Angst. „Schrei ruhig und schrei laut."hat er gesagt. Dann hat er angefangen mich zu schlagen. Ich war dann wohl bewußtlos, doch irgendwann kam ich wieder zu mir. „Schön, daß du wieder wach bist, Süße. Jetzt geht´s nämlich erst richtig los."Er zog die Hose runter und legte sich auf mich. Er hatte meine Hände zusammengebunden, sodaß ich mich nicht wehren konnte. Dann war er in mir. Ich ...."Sie bricht von Weinkrämpfen geschüttelt ab.

Er steht auf und setzt sich neben sie. Er nimmt sie in die Arme und hält sie einfach nur fest. „Ist okay Ms. Parker. Weinen sie ruhig, ja so ist es gut, weinen sie, Ms. Parker."Er hält sie fest und sie weint wie niemals zuvor.

Die Tür öffnet sich, Jarod kommt herein. Sydney winkt ihn zu sich. Der kommt langsam näher. „Jarod ist hier, Ms. Parker! Erschrecken sie nicht. Ich habe ihn angerufen. Er setzt sich jetzt auf die andere Seite."

Sie versucht sich zusammenreißen. „Jarod, ich bin froh, daß du da bist. Du mußt mir erzählen, was damals geschehen ist. Ich war so geschockt, daß ein Teil meiner Erinnerung völlig weg ist. Ich .."Sie bricht ab und fängt wieder an zu weinen. „Ms. Parker, ich helfe ihnen!"Jarod zieht sie in seine Arme und hält sie ganz fest. Sydney geht ins Schlafzimmer und schaut nach Debbie, die aber tief und fest schläft. Er beugt sich zu ihr runter, nimmt ihre Hand und flüstert „Du bist in Ordnung! Du hast nichts falsch gemacht. Du bist in Sicherheit!"Er bleibt noch einen Moment bei ihr sitzen.

Jarod führt jetzt Ms. Parker ins Zimmer, deckt sie behutsam zu und sagt „Schlaf jetzt, Parker. Wir passen hier auf euch auf."Beide Männer bleiben im Zimmer bis sie eingeschlafen ist.

Ms. Parkers Haus

2:15 Uhr

„Danke Syd, daß du mich angerufen hast. Ich wußte nicht, daß sie es verdrängt hatte. Es war auch für mich damals ein Schock. Ich kam in die Hütte; er lag auf ihr. Nie werde ich ihre Augen vergessen, als ich ihn von ihr weg zog. Sie war danach eine ganze Weile bewußtlos, während ich ihn in ein Netz hoch einen Baum hängte. Ich dachte, daß er damit ausgeschaltet sei. Doch er hat die Seile durchgebissen und kam zurück in die Hütte. Er schlug mich nieder und wollte dort weiter machen, wo er vorher aufgehört hat. Syd, er hat sie vergewaltigt. Doch sie weiß es nicht mehr. Sie hat es geschafft ihn zu überwältigen und wir haben ihn der Polizei übergeben, die suchten ihn wegen andrer Dinge. Wir haben nichts von der Vergewaltigung erzählt. Ihr ging´s auch so schon dreckig genug, als daß sie noch einen Prozeß durchgestanden hätte. Wir sind noch einige Tage in der Hütte geblieben, bis sie sich wieder erholt hatte. Sie hat nicht mehr von dem Abend gesprochen. Ich dachte, sie habe sich im Centre an dich gewandt und dich um Hilfe gebeten. Doch anscheinend hat sie da schon alles weggepackt."

"Jarod, es ist nicht deine Schuld. Du hast getan, was du für richtig hieltest. Wir helfen ihr jetzt und auch Debbie damit fertig zu werden. Laß uns jetzt erst mal etwas schlafen. Komm, im Gästezimmer sind 2 Betten. Du brauchst deine Kraft und deine Erinnerungen um ihr zu helfen."Sie gehen beide zu Bett.

Nebenan dreht sich Ms. Parker tief schlafend um, und nimmt Debbie wie selbstverständlich in die Arme. Deren Anspannung läßt dadurch augenblicklich nach und beide schlafen ruhig und ohne Alpträume weiter.

Ms. Parkers Haus

Nächster Morgen

Am nächsten Morgen machen die Männer das Frühstück, lassen die Frauen ausschlafen. Gegen 10 Uhr kommt Broots ganz aufgeregt herein gestürmt. Sydney nimmt ihn mit sich ins Gästezimmer und redet mit ihm.

„Broots, jetzt beruhigen sie sich erst mal. Debbie und Ms. Parker schlafen noch. Und Debbie braucht jetzt ihre Nähe und ihr Verständnis, ihre Ruhe, nicht ihre Wut und auch nicht ihre Verzweiflung. Die können sie mir oder Jarod in den nächsten Tagen zeigen, okay? Wir werden sicher einige Tage zusammen verbringen. Jetzt erzähle ich ihnen erst mal alle Fakten, und dann sehen wir weiter, einverstanden? Kommen sie, es dauert sicher etwas länger und Jarod weiß auch noch nicht alles."Die 3 sitzen im Wohnzimmer zusammen, Sydney erzählt ihnen, was er weiß.

Währenddessen wird Ms. Parker wach. Sie hält noch immer Debbie in ihren Armen. Vorsichtig dreht sie sich in eine bequemere Position und denkt über alles nach. Die Tränen schießen hoch, doch sie schiebt sie beiseite. Sie denkt an die Männer draußen und ist sich nicht mehr so sicher, daß es eine gute Idee ist, sie im Haus zu haben. In diesem Moment erwacht auch Debbie. Sie schauen sich an und erkennen gegenseitig ihren Schmerz.

„Hallo, Debbie. Wie geht es dir?"„Ich bin ganz schwach und zittrig. Ich habe Angst, und du?"„Ganz ähnlich. Ich habe dir gestern gesagt, daß es mir auch passiert ist. Ich hatte das ganz verdrängt, doch heute nacht ist alles wieder hoch gekommen. Daher fühle ich jetzt auch ganz schwach, klein, hilf- und wehrlos, ziemlich verwirrt. Sydney, Jarod und dein Vater sind draußen und warten auf uns. Sie alle werden versuchen, uns zu helfen. Doch das Schwierigste liegt bei uns: Das Vertrauen wieder zu gewinnen. Ich weiß gar nicht, ob ich es je konnte. Weißt du es?" Debbie kaut auf ihrer Unterlippe. „Ich habe jetzt Angst sogar vor den dreien, obwohl ich sie ja alle kenne. Bisher hatte ich keinen Grund für Mißtrauen, daher kenne ich Vertrauen. Doch ich weiß nicht, ob ich es wieder kann. Ich habe jetzt sogar Angst vor meinem Vater. Wird er mich auch weiterhin liebhaben? Ich trau mich gar nicht raus."„Debbie dein Vater liebt dich sehr. Das hört jetzt sicher nicht auf. Es kann aber sein, daß er jetzt ebenfalls verunsichert ist. Doch du kannst immer mit mir oder den anderen reden, wenn du uns brauchst, auch als Vermittler, okay? Wir alle helfen dir, Euch. Meinst du, wir können jetzt zu ihnen gehen?"„Nimmst du mich noch mal fest in die Arme und sagst mir, daß es gut geht?"„Komm her! Es wird gut gehen!"Dieser Satz gibt ihnen beiden Mut und Hand-in-Hand gehen sie ins Wohnzimmer.

Jarod und Broots sind beide tief betroffen von dem was ihnen Sydney erzählt. Es herrscht einen langen Moment Schweigen zwischen den 3 Männern. Broots fragt „Sydney, haben wir überhaupt eine Chance, wirklich eine Möglichkeit den beiden zu helfen? Ich bin so tief berührt, so sehr geschockt; wie müssen sie sich fühlen? Ist nicht etwas Unwiderbringliches zerstört durch solch eine Tat?"

Sydneys Antwort dazu: „Es ist sicherlich etwas zerstört worden. Bei Debbie sicher das ´Urvertrauen´ und auch bei Ms. Parker ist Vertrauen zerstört. Aber ich denke bei ihr mehr an ihr Selbstvertrauen, was allerdings teils auch für Debbie gilt. Beide werden die Situation und sich selbst als hilf- und völlig wehrlos erlebt haben."„Es war sicher für Ms. Parker noch viel schlimmer als für Debbie. Die ist noch ein Kind, ein Mädchen dazu. Und sie ist nicht – so wie Ms. Parker - schon von klein auf dazu gebracht worden jeden und alles beherrschen zu wollen, ja zu müssen, um zu überleben."fügt Jarod hinzu „Wir müssen abwarten, wie sie heute reagieren. Da kommen sie beide übrigens. Hallo Debbie, Ms. Parker! Haben sie noch ein wenig schlafen können?"

Die Männer stehen automatisch auf, wodurch beide Frauen einen Moment wie erstarrt stehen bleiben, so als ob sie zurück schrecken. Sydney und Jarod setzen sich wieder hin. Broots geht ganz langsam auf Debbie zu, die Ms. Parkers Hand fast zerquetscht. Er hockt sich ca. 1m vor ihr hin und schaut sie an. Eine Träne rollt seine Wange runter.

„Debbie, ich fühle mich jetzt ganz unsicher. Ich würde dich so gerne in den Arm nehmen, darf ich das?"Sie läßt Ms. Parker los und macht einen Schritt auf ihren Vater zu. „Oh, Dad. Bist du nicht böse auf mich?"Mit einem leisen Aufschrei schließt der seine Tochter in seine Arme. „Warum sollte ich böse sein? Nein, meine Kleine. Ich bin sicher du kannst nichts dafür!" Debbie fängt an zu weinen. „Ich wollte auch nicht mit ihm gehen. Er ist mit mir gegangen und er ist doch fast jeden Tag bei der Schule."Broots nimmt seine Tochter hoch und setzt sich mit ihr auf das Sofa.

Jarod fragt nach „Er ist oft bei deiner Schule?"Auch Ms. Parker ist hellhörig geworden. "Wir setzen Sam ein. Der soll sich mal ein wenig dort umschauen."Sie geht zum Telefon und spricht mit ihrem Sweeper.

Broots fragt Debbie, ob sie erzählen kann, was passiert ist. Er sagt ihr ganz eindringlich, daß er sie trotz allem sehr lieb hat, und daß sie nichts falsch gemacht hat. Er drückt sie an sich und gibt ihr einen Kuß. Ihr schießen wieder die Tränen hoch und sie schmiegt sich an ihn. Auch Ms. Parkers Augen sind feucht geworden. Sie schaut ihn intensiv an und nickt ihm anerkennend zu.

Jarod, Sydney und Ms. Parker verlassen den Raum, gehen in die Küche. „Ich wünschte mein Vater hätte einmal so reagiert!" seufzt Ms. Parker und nimmt sich eine Tasse Kaffee. Auch Jarod ist tief berührt. „Und ich wünschte, ich wüßte endlich wer und wo meine Eltern sind."Sydney holt sie in die Gegenwart zurück. "Was ist mit der Polizei? Sollen wir sie informieren?"„Wir müssen mit den beiden darüber reden."ist die Antwort der anderen. „Vielleicht ist es besser erst mal von Debbie zu hören, wie es passiert ist und dann zu entscheiden."meint Jarod. „Was ist mit ihnen Ms. Parker? Warum haben sie damals nicht die Polizei informiert? Zumal er ja dann verhaftet wurde!"Sie schaut Jarod lange an. „Ich habe mich so sehr geschämt. Und von dieser Hilflosigkeit sollte keiner erfahren. Außerdem hätte ich mir auch dann selbst eingestehen müssen, was es für mich bedeutet. Selbst jetzt noch zittere ich bei dem Gedanken, darüber zu reden. Und (kleine Pause) ich möchte mich nicht mehr so klein und schutzlos fühlen. Das hatte ich mir schon nach Mutters Tod geschworen."„Parker, damals war keiner wirklich für sie da. Auch ich nicht. Ich war so vertieft in Jarods Simulationen, meine Arbeit. Zudem kannten sie mich nicht allzu gut. Doch heute werde ich alles tun, um ihnen zu helfen."Wie zur Bekräftigung sucht er ihren Blickkontakt. Jarod nickt. Niemand hat sich bewegt, doch die Nähe ist plötzlich mit Händen greifbar. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Doch ... Ich habe wahnsinnige Angst, auch vor Euch beiden. Ich möchte aber daraus und endlich wieder vertrauen können. Bitte helft mir."

Ganz unsicher schaut sie von einem zum anderen. Beide schauen sie ganz offen an, nicken. Ganz vorsichtig greift sie erst Jarods, dann Sydneys Hand. Für einen kurzen Augenblick kann sie diese Nähe aushalten. Dann wendet sie sich dem Fenster zu und trinkt ihren Kaffee aus. „Ich hoffe, Sam findet den Scheißkerl." wechselt Jarod geschickt das Thema.

Ein paar Minuten später kommen Broots und Debbie in die Küche. „Ich habe Hunger!"Damit bringt die Kleine alle in Action. Jarod macht sein Kinder-Spezial-Sandwich mit Smarties, Haferflocken und etwas Salat. „Woher haben sie all die Sachen? Gestern war mein Kühlschrank noch fast leer."„Ich habe mir gedacht, daß sie nichts Vernünftiges da haben, Parker. Sonst hätten sie kein Magengeschwür. Deshalb war ich gestern, bevor ich herkam, einkaufen."Ms. Parker lacht laut auf, und streckt ihm übermütig die Zunge heraus. „Was? Ich hatte doch Recht!"grinst Jarod und lacht mit den anderen zusammen laut los. „Es ist so schön, einfach mal so los zu lachen."sagt Ms. Parker, weint aber im selben Moment los und rennt ins Badezimmer. Jarod fühlt ihre Zerrissenheit und sagt „Laßt mich mit ihr reden! Syd, sprich du schon mal mit den anderen über das, was wir vorhin besprochen haben."Der nickt.

„Debbie, Broots, ich möchte mit euch darüber reden, ob Debbie noch zur Polizei geht und den Mann anzeigt."Debbie zuckt zusammen und fängt wieder an zu zittern. „Dad, nein, ich habe... Nein, ich kann das nicht jemand ganz fremden erzählen. Bitte, verlang das nicht."„Debbie, es ist ziemlich wichtig, diesen Mann von den anderen Mädchen in eurer Schule fernzuhalten und ihn für das, was er getan hat zu bestrafen. Und je eher er weggeschlossen wird, um so besser. Kannst du dir nicht vorstellen ebenso wütend auf ihn zu sein, wie ich? Hilft es dir nicht vielleicht, wenn er im Gefängnis sitzt und nicht mehr jeden Tag vor der Schule steht, sodaß du ihn sehen mußt?"„Dad, ich schäme mich so sehr für das, was er mit mir getan hat. Ich kann das nicht in aller Öffentlichkeit erzählen."Sydney sieht sie voller Mitgefühl an und sagt „Debbie, warum schämst du dich? Du hast überhaupt nichts getan. Du hast keine Schuld daran." Debbie schnieft und kämpft mit ihren Tränen.

In dem Moment kommen Ms. Parker und Jarod wieder ins Zimmer. Ms. Parker setzt sich zu Debbie und schaut sie an. „Was habt ihr gerade besprochen?"„Ich habe ihr gesagt, daß sie keine Schuld hat."erwidert Sydney. „Debbie, erzähl uns bitte was passiert ist. Dann können wir besser mit dir über die Entscheidung Polizei ja-nein diskutieren. Meinst du, das geht? Kannst du es aussprechen?"fragt Ms. Parker. Debbie schaut sie alle lange und nach einander einzeln an. Dann nickt sie.

„Aber Miss Parker, können sie sich wieder zu mir setzen und kann ich ihre Hand halten? Dad, kannst Du dich bitte mir gegenüber setzen, damit ich dich sehen kann?"Beide nicken und tun, was Debbie möchte. Es fällt ihr sehr schwer anzufangen, doch die anderen warten geduldig ab und lassen ihr die Zeit.

„Ich kenne den Mann vom Sehen. Er ist fast jeden Tag an der Schule. Ich habe immer gedacht, er holt jemanden ab. Gestern mußte ich nach der letzten Stunde noch zu Mrs. Miller. Sie hat mir noch eine Sonderaufgabe gegeben. Dadurch war ich fast die Letzte, die aus der Schule kam und ich habe den normalen Bus verpaßt. Ich saß an der Haltestelle und habe auf den nächsten Bus gewartet. Der Mann hat sich zu mir gesetzt und mich gefragt, ob ich weiß wann der nächste Bus kommt und ob ich keine Angst hätte, jetzt so allein."

Jarod ballt die Fäuste.

„Ich sagte „Nein, ich habe keine Angst". Doch er meinte, er würde lieber in der Nähe bleiben und aufpassen. Dann fragte er nach meinem Namen und wo ich wohne. Er nannte mir dann auch seinen Vornamen, Mike."

Sydney schreibt den Namen auf. „Ist vermutlich falsch, aber trotzdem."

„Ihr seid ins Gespräch gekommen, Liebes und dann?"fragt Broots. „Er hat mir erzählt, daß er auch eine Tochter hat und was sie gerne spielt. Ein paar dieser Dinge kenne ich auch. Irgendwann kam der Bus. Er hat sich zu mir gesetzt und ist dann auch mit mir ausgestiegen. Er war so nett die ganze Zeit. Er meinte, wir könnten doch durch den Park gehen, es sei ein so schöner Weg. Ich sagte ihm, daß ich nicht allein durch den Park gehen dürfe, doch er meinte, ich sei ja nicht allein, er wäre dabei und würde aufpassen."Sie bricht ab.

Ms. Parker rückt dichter an sie heran und reibt ihre Hand. „Du bist ganz kalt geworden. Kannst du noch weiter reden? Oder soll ich dich vielleicht jetzt erst mal in den Arm nehmen?"„Kann ich wieder auf deinen Schoß, so wie gestern?"Ms. Parker breitet die Arme aus und Debbie schließt ihr die Arme um den Hals und legt ihren Kopf auf die Schulter. Alle sehen wie sehr sie zittert. „Laß das Zittern ruhig zu, Debbie. Das ist völlig in Ordnung; Du mußt nicht dagegen kämpfen."Sydneys Worte lösen ein wenig die Anspannung. „Alles was du fühlst, darf da sein. Hörst du, Debbie? Du bist in Ordnung, auch wenn du zitterst, weinst oder wütend wirst. Das ist völlig okay." „Sollten wir nicht besser aufhören?"fragt Broots sehr besorgt. „Wir überlassen es Debbie. Du sagst, wenn es nicht mehr geht, ja?"Jarod sieht sie forschend an.

Sie wendet sich den anderen wieder zu, erwidert seinen Blick ganz vorsichtig und nickt. Ms. Parker streichelt ihr über den Rücken. „Darf ich so sitzen bleiben? Ich möchte nicht, daß ihr mich direkt anschaut. Ich möchte nur Ms. Parker ansehen. Ist das okay?"Alle nicken ihr zu. Sie legt den Kopf wieder auf Ms. Parkers Schulter und umarmt sie. Die wiederum hält sie ganz locker im Arm. „Erzähl erst weiter, wenn es für dich paßt. Du hast alle Zeit der Welt."Leise fährt sie fort: „Im Park haben wir fangen gespielt. Ich habe es sehr genossen und es hat total viel Spaß gemacht. Dann meinte er, jetzt spielen wir Verstecken. Erst war er dran mit suchen, doch er hat mich ganz rasch gefunden. Dann war ich dran."

Sie stockt, zittert wieder ganz stark. Diesmal sagt Ms. Parker ihr, daß sie in Ordnung ist. Doch das Zittern wird ganz, ganz stark. Sie klammert sich jetzt richtig fest. „Debbie, ich laß dich nicht los. Ich halte dich fest, solange du willst. Du mußt jetzt auch nicht weiter erzählen."Debbie atmet tief durch und sagt „Doch, ich will es euch jetzt sagen. – Er hatte sich im Gebüsch versteckt, ganz tief drinnen. Ich war schon ein Stück da hinein gekrabbelt, als ich ihn sah. Er fing an zu lachen und meinte „Jetzt hast du mich doch gefunden."und machte dann urplötzlich einen Satz auf mich zu und zog mich ganz ins Gebüsch hinein."

Jarod nimmt die Pause, die Debbie macht, zum Anlaß zu Broots zu rücken. Die beiden schauen sich an. Jarod nimmt Broots Faust in seine beiden Hände und nickt ihm beruhigend zu. Broots atmet zitternd aus und beruhigt sich langsam ein wenig. Jarod hält die Hand trotzdem weiterhin fest. Debbie hat davon nichts mitbekommen. Sie sitzt jetzt da, wie erstarrt, ganz eiskalt und ohne eine Regung. Ms. Parker streichelt sie weiterhin ganz ruhig und gleichmäßig. „Es ist okay Debbie. Ich bin jetzt bei dir."Sie sagt es ihr immer wieder, bis die langsam mit völlig monotoner Stimme weiter erzählt. „Ich war wie erstarrt. Er warf mich auf den Boden und hielt mir den Mund zu. Ich konnte mich nicht bewegen. Es war als schaute ich mir von irgendwoher zu, als wäre ich gar nicht mehr in meinem Körper. Ich wollte schreien. Doch der Schrei kam nicht bis zum Mund."

Sie bricht ab, fängt wieder an zu weinen. Der gequälte Gesichtsausdruck nimmt Ms. Parker fast den Atem. Sie spürt die Wut in sich aufsteigen, doch sie drängt sie zurück. Sie atmet tief durch und redet ganz ruhig auf Debbie ein. „Ist ja in Ordnung. Wein ruhig, Schatz. Ich bin hier und halte dich fest. Ich beschütze dich jetzt. Du bist in Ordnung mit allem, was du fühlst! Ich habe dich lieb!"Mit diesen Worten hat sie den Schutzwall, der bis dahin nur ein paar Tränen zuließ, durchbrochen. Debbie weint, und weint und weint; wie ein Sturzbach kommen jetzt die Tränen.

„Kommen sie, Broots, Jarod. Wir gehen einen Moment raus und machen eine Pause."Sydney winkt die anderen zu sich und läßt die beiden Frauen allein.

„Broots, wie geht es ihnen?"Sydneys Frage bringt Broots wieder zurück in die Realität. „Um mich geht´s doch jetzt nicht." „Doch Broots. Es ist wichtig, daß sie jetzt mit Ihrer Wut klar kommen. Lassen sie sie raus. Gehen sie nach draußen. Dort können sie alles raus schreien, etwas zerschmettern, was auch immer. Wenn sie die Wut verdrängen, spürt Debbie das sofort und fühlt sich womöglich deswegen schuldig. Also gehen sie jetzt mit Jarod raus und lassen sie den sehr berechtigten Dampf ab."

Sydney geht zurück ins Wohnzimmer. Debbie liegt jetzt auf dem Sofa und wird von trockenen Schluchzern geschüttelt. Ms. Parker hält ihren Kopf in ihrem Schoß und streichelt sie einfach nur ganz sanft. Sie schaut auf, als Sydney rein kommt. Ihr Blick ist voller Verzweiflung, Angst und Hilflosigkeit. Er setzt sich auf den Boden vor Debbie und spricht sie an: „Debbie, ich bin es Sydney. Hab´ keine Angst, ich tue dir nichts. Ich möchte nur kurz Ms. Parker ablösen. Sie muß mal dringend auf die Toilette. Darf ich dich so halten, wie sie es tut? Oder soll ich lieber einfach nur bei dir sitzen bleiben?"„Da sitzen bleiben, bitte"sagt Debbie mit zitternder Stimme. Ms. Parker schaut ihn empört an „Syd, ich..."„Gehen sie, Parker, los. Ich bleibe hier, bis sie wiederkommen."

Sie geht ins Bad, atmet ein paar Mal tief durch. Auf einmal wird ihr schlecht; sie muß sich übergeben. Jetzt fängt auch sie an zu zittern.

„Oh, Gott. Wie konnte er ihr das antun? Wie konnte er MIR das antun? Ich schäme mich genauso, wie die Kleine."denkt sie und fängt an zu weinen.

10 Minuten später kommt sie verheult aber gefaßt zurück ins Wohnzimmer. Debbie schläft inzwischen, eine Hand in Sydneys Hand.

„Danke, Syd. Ich hatte gar nicht gemerkt, was bei mir los war."Ms. Parker setzt sich in den Sessel gegenüber. „Ich weiß genau, was in ihr vorgeht. Ich schäme mich genau wie sie, habe Angst, friere und zittere bei der Vorstellung es auszusprechen. Ich fühle mich schmutzig, wie von einer Schleimschicht umhüllt, die an mir klebt. Ich mag mich deshalb auch selbst nicht mehr berühren. Und ich hatte Angst anfangs, daß mir jeder ansieht, was passiert ist, mich auslacht und sagt „Selbst Schuld."Wenn ich sehe, wie mutig Debbie ist ... Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, darüber zu reden!"„Ms. Parker, sie müssen es uns nicht erzählen. Doch sie sollten auf jeden Fall mit ihr (er deutet auf Debbie) reden. Und jetzt legen sie sich doch auch ein wenig hin. Ich wecke sie, sobald Debbie aufwacht."„Nein, nein. Ich bleibe hier. Aber sie sind doch ein guter Koch, nicht wahr? Ich habe einen Bärenhunger. Können sie nicht mal schauen, ob sie was Gutes zaubern können?" Er schmunzelt und geht in die Küche, nachdem Ms. Parker Debbies Kopf wieder in ihren Schoß genommen hat.

Broots und Jarod sind in der Zwischenzeit einige 100 Meter weg vom Haus. Jarod fragt Broots ganz direkt: „Was ist los, Broots? Sagen sie es mir."„Ich weiß es nicht; ich bin so wütend, verwirrt, ängstlich ... alles zusammen. Wütend auf den Kerl, ich könnte ihn glaube ich töten. Aber auch auf Debbie bin ich wütend. Warum ist sie mit gegangen?"„Sie haben es doch gehört; er hat sie ganz gezielt manipuliert. Sie fragen, was er hat oder getan hat, was sie nicht haben? Stimmt´s?"„Ja, stimmt. Ich bin gar nicht wütend auf sie. Ich bin verletzt, fühle mich zurück gesetzt, als ob ich etwas falsch gemacht habe."„Das ist das Schuldgefühl fast aller Allein-Erziehenden, Broots. Sie machen nichts falsch. Debbie hat nur mit dem Mann spielen wollen. Das war eine Re-Aktion auf sein manipulatives Verhalten, und hat nichts mit ihnen zu tun. Sie ist noch ein Kind, spielt eben immer noch gerne – sicher auch mit ihnen abends, oder?"„Ja, wir spielen oft abends noch was."stimmt Broots zu. „Es ist eben schwierig, da auch jemand Geld verdienen muß. Ich habe nicht den Eindruck, daß Debbie und sie sich fremd sind. Broots, was ist noch los?"

„Angst. Ich weiß nicht, wie ich mit ihr umgehen soll. Sie muß sicher darüber reden, aber mit mir – einem Mann? Ich weiß nichts über Frauen und ihre Gefühle, über ihren Körper und ihre Sexualität. Wie soll ich ihr da helfen können?" „Sie müssen ihre Grenzen deutlich machen. Sprechen sie ihre Ängste an, wenn die Themen auf sie zukommen. Sagen sie ihr, wenn sie es nicht sogar von selber spürt, daß sie nichts darüber wissen. Aber geben sie ihr eine andere Möglichkeit darüber zu reden, z.b. Sydney, Ms. Parker oder eine Therapeutin. Es gibt verschiedene Selbsthilfe-Gruppen und Beratungsstellen. Wichtig ist nur, daß es zusätzliche Möglichkeiten für sie und Debbie gibt. Sie beide alleine können das nicht schaffen. Reden sie offen über alle ihre Ängste und Bedenken und fordern sie Debbie immer wieder auf, das ebenfalls zu tun. Offenheit, auch wenn sie sich hilflos fühlen!"

„Hilflosigkeit ist auch das Nächste, was mir durch den Kopf schießt. Was soll ich machen, wenn sie weint oder von Alpträumen gequält wird, wenn sie mir etwas von ihren Gefühlen erzählt, was ich nicht verstehe? Muß ich nicht jetzt erst Recht der ´Super-Vater´ sein, der alles kann und alles löst?" „Nein, Broots, denn das ist Utopie. Seien sie ´einfach´den Situationen offen, sagen sie ihr, daß sie nicht verstehen und auch daß sie sich hilflos fühlen. Aber zeigen sie ihr, daß sie trotzdem da sind. Nicht immer ablenken, sondern vielleicht nur zuhören, sie in den Arm nehmen, sich zu ihr setzen und die Zeit nehmen. Ms. Parker hat es vorhin gesagt „Ich wünschte mein Vater hätte so reagiert."Mr. Parker hat sich gefühlsmäßig distanziert, die beiden haben nicht geredet und er war nicht für sie da, nachdem ihre Mutter gestoben ist. Daran leidet sie heute noch, auch wenn sie es oft nicht wahrhaben will."„Ja, sie haben Recht"antwortet Broots.

Die beiden Männer lächeln sich an und gehen langsam weiter. "Was ist jetzt mit ihrer Wut, Broots?"„Sie ist weg. Ich war glaube ich auch so wütend, weil ich mich so hilflos gefühlt habe, der Zukunft ausgeliefert, alles zerstört sah. Sie haben mir einen Weg, nein mehrere Möglichkeiten aufgezeigt. Danke, Jarod! Woher wissen sie soviel darüber? Ach, Quatsch, weiß ich doch; sie und Ms. Parker haben ebenfalls Traumata erlebt und sehen dann manchmal die Situationen von früher und ihre Wünsche nach Geborgenheit, nicht wahr?"Jarod nickt „Ja"und schluckt schwer. „Auch mir fiel es vorhin schwer zuzuhören. Meine Wünsche nach Sicherheit und geliebt werden von früher waren ganz stark da. Deshalb bin ich auch mit ihnen gegangen. Ich dachte mir, diese Dinge von mir aus der Praxis zu hören ist doch sicher besser als nur aus der Theorie."Beide lachen laut los, ein befreites Lachen und gehen in lockerer Plauderei vereint wieder zurück.

Ms. Parkers Haus

Frühabends

Als die beiden Männer zur Tür herein kommen, wird Debbie gerade wach. „Hi, meine Kleine!"Broots hockt sich vor das Sofa. „Dad, ich möchte euch alles zu Ende erzählen. Es tut mir gut, darüber zu reden."Sydney unterbricht sie „Aber erst wird zu Mittag gegessen, pardon eigentlich schon zu Abend. Es ist ja schon fast halb sechs. Es hat hier jemand einen Riesenhunger."Er deutet mit dem Kopf auf Ms. Parker. „Habe ich auch"sagt Jarod und fängt schon an den Tisch zu decken. Debbie kommt hoch, sieht Ms. Parker lange an und umarmt sie dann kurz und fest. „Ich habe dich lieb, Debbie"sagt sie zu ihr, nimmt ihre Hand und zieht sie zum Tisch.

„Ich bin gespannt, was sie gekocht haben Syd."meint sie und nimmt Platz. „Na was wohl? Was ist denn in Hülle und Fülle in ihrem Schrank?"fragt Sydney lächelnd. „Nudeln!"meint Jarod und hat damit Recht. Sydney bringt die Nudeln und eine leckere Tomatensauce herein. Alle hauen richtig rein und machen ein paar Scherze über Ms. Parker wegen der Nudeln, die sie in allen Variationen im Haus hat. „Ich bin aber wohl nicht der einzige Nudelfan; wenn ich so sehe, wie ihr alle rein haut. Außerdem sind die schnell und einfach gemacht."schmunzelt sie dann. „Wenn Debbie mit Kochen dran ist, gibt es auch oft Nudeln"sagt Broots und schaut zu ihr rüber. „Ja, ich bin einfach zu faul so lange in der Küche zu stehen."antwortet die. „Hm, Syd, das schmeckt super. Am Anfang, als ich damals weg war vom Centre, habe ich so viele Dinge kennengelernt, vor allem andere Lebensmittel. Ich habe oft tagelang dasselbe gegessen in allen möglichen Variationen. Einmal hatte ich den ganzen Kühlschrank voller Wackelpeter, in allen Farben und Formen"lacht Jarod. Die andern lachen spontan mit.

„Es ist so schön in so einer großen Runde, mit so lieben Leuten zu essen."Debbie kämpft mit dem letzten Rest auf ihrem Teller.

„Wißt ihr was wir jetz mal machen? Einen Energiekreis. Jeder nimmt mit der rechten Hand und gibt mit der linken."Sydney macht es vor. „Rechte Handfläche zeigt nach oben, linke nach unten und dann reicht die Hände dem jeweiligen Nachbarn. - Anders herum, Jarod."„War nur ein Witz, Syd."So sitzen sie alle kurze Zeit später und schauen sich nach und nach alle an. Die Intensität, aber auch die Nähe zwischen ihnen ist mit den Händen greifbar, im wahrsten Sinne des Wortes.

Ms. Parker flüchtet als erste. „Das ist mir zuviel, zu nahe. Ich fühle mich dabei total ausgeliefert. Uuhh, mir wird ganz schlecht."Damit stürmt sie ins Bade-zimmer, knallt die Tür hinter sich zu.

„Ich möchte euch aber gerne noch mal so nah fühlen,"sagt Debbie. So schließen sie den Kreis wieder. „Wenn du Angst kriegst, hör einfach auf und geh raus, okay?"Sydney schaut sie prüfend an. Sie nickt „Ich fühle mich aber gut aufgehoben bei euch."Sie schaut alle noch mal an und läßt dann los. „Danke"flüstert sie leise und streckt Broots die Arme entgegen. Der nimmt sie auf den Arm.

„Wie geht es dir, Jarod?"fragt Sydney neugierig und auch etwas besorgt. „Ich hatte auch meine Probleme diese Nähe auszuhalten. Doch dann habe ich mich auf Debbie konzentriert und dann ging es ganz gut. Ich habe immer noch Muffe, daß ihr mich gefangen nehmt und wieder ins Centre bringt. Und ich habe Riesenangst euch zu vertrauen. Genau wie sie"er deutet auf Ms. Parker, die gerade wieder zurückkehrt.

„Alles okay, Parker?"fragt Jarod. „Ja, jetzt ja. Ich glaube, außer Tommy habe ich nach dem Tod meiner Mutter niemandem mehr vertraut. Als er starb, ist das letzte bißchen Vertrauen mit ihm gegangen."Sie setzt sich hin und verschränkt die Arme vor ihrem Bauch. Dann atmet sie 2, 3 mal tief ein und aus. Debbie setzt sich zu ihr. „Ich würde euch jetzt gerne noch den Rest erzählen. Der Energiekreis hat mir sehr geholfen, Syd. Könnt ihr euch bitte wieder so hinsetzen, wie vorhin?"Die anderen setzen sich hin. Vorsichtig schiebt Debbie ihre kleine Hand in Ms. Parkers hinein. Die lächelt erst etwas gequält, nimmt sie aber dann und hält sie fest. Debbie braucht erst einige Minuten, bis sie anfangen kann.

„Ich lag wie erstarrt da. Er hielt meine beiden Hände mit einer Hand fest und fing an mich zu küssen. Immer wieder fragte er, ob es nicht ein schönes Gefühl sei. Er schob mein T-Shirt und den Rock hoch und zog den Slip runter. Ich fühlte mich eiskalt, konnte nicht einmal den kleinen Finger oder einen Fuß bewegen. Ich glaube, ich habe nicht mal geblinzelt. Dann irgendwann schwebte ich weg. Ich sah ihm zu, wie er sich auf mich legte und dann in mich drang. Erst mit seinen Fingern, dann mit seinem Ding. - Es war fast wie jetzt. Ich bin gar nicht richtig da, während ich es euch erzähle. Doch anders kann ich jetzt nicht. – Er hat dann später, viel später laut gestöhnt und ist dann von mir runter gerollt. Ich wollte aufspringen und weglaufen, aber ich konnte nicht. Er hat gedroht, er bringt mich um, wenn ich es erzähle. Und er sagt wie sehr ich es gewollt und genossen habe. Es sei meine Schuld, ich hätte ihn so freundlich einladend angelacht. Dann ist er gegangen. Ich blieb liegen und dachte „Dad hat es mir immer wieder gesagt und mich gewarnt. Es war wirklich meine eigene Schuld." Ich konnte mich erst viel später wieder bewegen. Ich zog mich wieder an und ging zu der nächsten Bank. Keinen Schritt hätte ich mehr weitergehen können. Ich hatte das Gefühl, meine Welt ist zerbrochen und war völlig verwirrt. Irgendwer hat mich angesprochen, doch ich glaube, ich habe gar nicht reagiert. Ich weiß erst wieder, daß Ms. Parker mich in den Armen hielt und auf mich einredete."Debbie dreht sich zu Ms. Parker um, umarmt sie und fängt ein bißchen an zu weinen. Doch es ist nur ein leichtes Schluchzen, kein Dammbruch. „Er hat mir so entsetzlich weh getan."sagt sie immer wieder, beruhigt sich aber dann auch schon wieder. Ms. Parker hält sie fest, zu sprachlos und zu sehr erschüttert, um groß zu reden. Sie streichelt nur leicht ihren Rücken.

Die Geschichte hat alle tief erschüttert, obwohl oder gerade weil Debbie so emotionslos erzählt hat. Alle hatten zwischendurch mit ihrer Wut zu kämpfen. Jarod und Broots sind zwischendurch etwas herum gelaufen, weil sie es nicht anders ertragen konnten. Sydney und Ms. Parker haben sich gefühlsmäßig distanziert und sich abgeschottet. Sydney ist durch seine Arbeit, Ms. Parker aus eigener Erfahrung daran gewöhnt. Trotzdem wirken auch sie sehr mitgenommen.

Broots hockt sich vor die beiden Frauen, hat aber nur Augen für seine Tochter. „Debbie, schaust du mich bitte an. Ich möchte dir etwas sagen."Sie dreht sich zu ihm, kann ihm aber nicht in die Augen sehen. „Debbie, du hast nichts falsch gemacht. Es war nicht deine Schuld. Er allein, dieser Mann allein hat Schuld. Du, ...ich habe dich so lieb. Daran hat sich gar nichts geändert."Er schluckt heftig, weil seine Gefühle jetzt auch brodeln. Debbie schaut ihm jetzt in die Augen. Auch ihr ist die Flut von Emotionen anzusehen. „Du hast wirklich gar nichts falsch gemacht. Auch ich habe dich lieb."sagt Ms. Parker, was dann den Damm doch brechen läßt. Debbie umarmt nach einander beide und weint einen Teil ihres Schmerzes weg. Viel, viel später fragt sie ihren Vater „Bringst du mich jetzt bitte ins Bett? Und bleibst du noch ein bißchen?"„Komm"er will sie in die Arme nehmen, doch sie zuckt bei der plötzlichen Bewegung zusammen. „Nein!"Ihr lauter Schrei hallt langgezogen durch den Raum und erschreckt alle. Ms. Parker reagiert am schnellsten, schiebt Broots etwas weg von Debbie. Auch sie selbst geht 1 Schritt zurück. Jarod ist es dann, der ganz langsam auf sie zugeht. „Debbie, ich bin es, Jarod. Ich komme jetzt zu dir. Du mußt mir glauben, ich tu dir nichts, ich verspreche es."Er ist fast bei ihr. „Nein, ich will das nicht. Geh weg, es tut sssooo weh. NNNNEEIIINNN!"schreit sie, und schlägt um sich. Doch Jarod nimmt sie ganz fest in den Arm. „Ich tu dir nichts."sagt er immer wieder und hält sie fest an sich gedrückt. Er streichelt ganz ruhig und gleichmäßig über ihren Rücken. „Ist ja gut. Er ist weg. Er kann dir nichts mehr tun, sscht, ganz ruhig. Du bist nicht allein. Ich bin hier und ich verspreche aufzupassen. Ms. Parker ist auch hier."Er nickt ihr zu, woraufhin auch sie ihr sagt, daß alles in Ordnung ist und daß sie da ist. Ganz allmählich beruhigt Debbie sich wieder.

Sydney zieht Broots zwischenzeitlich in die Küche. „Das kann jederzeit wieder passieren, Broots. Sie haben nichts falsch gemacht. Sie müssen sich jetzt nur daran gewöhnen ihr zu sagen, wenn sie sie berühren möchten oder besser noch sie sollten sie vorher fragen. Und auch dann kann so was wie gerade immer wieder geschehen. Sie sieht vielleicht gerade sein Gesicht, obwohl sie vor ihr stehen. Oder sie riecht etwas, was an die Tat erinnert; es gibt viele Auslöser. – Aber haben sie gesehen, was Jarod getan hat? Er hat Debbie gesagt, was er tut und er hat sie dann ganz fest an sich gedrückt, damit sie seinen Herzschlag, seine Stimme, seinen Geruch wahrnimmt und er hat ihr immer wieder gesagt, wer er ist, und daß er ihr hilft, sie beschützt, und daß es vorbei ist. In einer solchen Situation müssen sie es ihr das wahrscheinlich öfter als 1x sagen, Broots. Wiederholen sie diese Dinge immer wieder, bis sie zu ihr durchdringen. Lassen sie sich nicht schocken, Broots. Früher oder später dringen sie durch und sie beruhigt sich wieder. Es dauert seine Zeit mit so etwas fertig zu werden. Doch solange sie jetzt darüber spricht, läuft sie nicht Gefahr alles zu verdrängen und womöglich erst viele Jahre später die Sache aufzuarbeiten, so wie Ms. Parker. Bringen sie sie immer wieder dazu mit ihnen über ihre Gefühle zu reden. Sie wissen im Notfall sind wir alle da, um ihnen zu helfen, ihnen beiden. Lassen sie Debbie für ein paar Tage hier, bei Ms. Parker. Die beiden haben ja eine ganz besondere Beziehung. So habe ich Ms. Parker noch nie erlebt."„Syd ich wäre gerade am liebsten davon gelaufen. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe." „Broots, wir sind alle da. Sie müssen es schaffen, für sie. Kommen sie, nehmen sie sie in den Arm, aber fragen sie vorher, ob es okay ist und tun sie´s langsam. Dieser Kerl hat ihr die Kontrolle genommen. Geben sie sie ihr wieder zurück."Damit kehren sie zurück ins Wohnzimmer.

Broots bleibt in der Tür stehen, schaut auf seine Tochter, die sich eben umdreht. Er geht langsam auf sie zu und fragt sie, ob er sie umarmen darf. Er bleibt ein paar Schritte vor ihr stehen und wartet auf ihre Antwort. Erst als sie nickt macht er den letzen Schritt und breitet dann die Arme aus. Er hält sie ganz locker und sagt „Du kannst jederzeit kommen, mich umarmen und auch wieder aufhören. Das ist in Ordnung, hörst du? Ich habe dich ganz, ganz lieb, auch wenn du mich vielleicht nie wieder umarmst."„Oh Dad!" Erst jetzt entspannt sich Debbie in seinen Armen. Er beginnt zu strahlen, weil er es spürt.

Jarod und Ms. Parker schauen sich an. Beide waren auf dem Sprung einzugreifen. Sydney sagt zu ihnen „Ihr könnt euch jetzt auch entspannen, genau wie Debbie."Die genießt noch einen Augenblick die Umarmung und fragt dann „Jarod, bringst du mich ins Bett?"Der ist total verblüfft und tief gerührt von dieser Bitte und bejaht sie. „Ich gehe dann schon mal ins Bad und mach mich fertig."meint Debbie und verläßt den Raum.

„So etwas hat mich noch nie jemand gefragt. Ich habe fast ein wenig Angst."Jarod schaut unsicher von einem zum anderen. „Erzählen sie ihr eine Geschichte über Hoffnung und mit einem positiven Ende; die liebt sie sehr."sagt Broots. Die beiden Männer schauen sich an. Jarod spürt in dem Moment, was es heißt Vater zu sein. Er geht hinter Debbie her, als die aus dem Bad kommt und geht mit ihr zum Schlafzimmer. Vor der Tür dreht er sich zu Ms. Parker um und schaut sie fragend an. Schließlich ist es ihr Schlafzimmer. Die ist völlig überrascht und nickt ihm dann zu. Erst dann folgt er Debbie und schließt die Tür.

Die Zurückgebliebenen sehen sich an, jeder spürt die Rührung des andern. Sie setzen sich um den Tisch und jeder spürt schweigend in sich hinein.

„Ich brauche jetzt erst mal einen Drink. Sonst noch jemand?"fragt Ms. Parker und schüttet sich einen Whiskey ein. „Ja, ich auch." antworten Broots und Sydney unisono. Langsam trinken sie ihre Gläser aus. Es herrscht Schweigen zwischen ihnen, aber es ist nicht unangehm.

„Morgen werde ich versuchen ähnlich mutig zu sein. Ich möchte endlich auch darüber reden können."„Sie können es auch jetzt erzählen, Parker. Wir hören ihnen zu."„Nein Syd. Ich möchte Jarod dabei haben. Er kann vielleicht die Lücken in meiner Erinnerung füllen. Er war damals auch da, und hat mir so sehr geholfen... außerdem möchte ich es auch Debbie erzählen. Vielleicht hilft es ihr zu sehen, daß so etwas auch anderen, sogar Erwachsenen passiert. Syd, meinen sie, sie kommt damit klar? Ich hatte damals – sogar jetzt noch – das Gefühl, ich zerbreche daran. Und sie ist doch noch ein Kind."Sie schaut ihn fragend an. „Ja, das interessiert mich auch, Syd. Was meinen sie?"fragt auch Broots neugierig.

Der antwortet ihnen „Sie ist auf einem guten Weg. Dadurch, daß sie es uns heute schon sofort erzählt hat, ist der Verdrängungsmechanismus, so wie bei ihnen Ms. Parker, gar nicht erst angesprungen. Sie wird viel Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit brauchen, aber die bekommt sie auch von uns allen, nicht wahr?"Die anderen nicken bekräftigend. „Aber, Broots, stellen sie sich darauf ein, daß es einige Jahre dauern wird. Manchmal überwinden Gewaltopfer nie die Erinnerung. Doch sie lernen nach und nach die Erfahrung in ihr Leben zu integrieren. Statt sich wie anfangs von den Flash-Backs total fertig machen zu lassen für Wochen oder gar Monate, lernen sie mit der Zeit dies in Tagen, später Stunden oder Minuten zu überwinden. Wir werden sehen, was bei Debbie und auch bei Ms. Parker kommt. Im Augenblick ist es nicht vorher zu sehen. Sie sollten auf jeden fall Kontakt zur Beratungsstelle für vergewaltigte Frauen aufnehmen. Die können meist wesentlich effektiver helfen, als alle Angehörigen und Freunde. Ich suche ihnen die Adressen raus, ihnen beiden."

Ms. Parker fühlte sich zunächst gar nicht angesprochen, doch bei diesem Satz schaut sie auf. Zuerst will sie empört abwinken, doch dann spürt sie die Stimme in sich, die diese Hilfe braucht. Sie nickt Sydney zu und sagt „Ja, danke. Sie haben Recht, auch ich sollte hingehen."

Broots geht auf sie zu „Ms. Parker, wir werden uns gegenseitig helfen. - Sie sahen gerade so allein und so traurig aus. Wenn das für sie in Ordnung ist, möchte ich sie einfach deshalb gerne in den Arm nehmen." „Boots, ich .. sie haben Recht. Genauso fühle ich mich augenblicklich. Aber bitte nicht umarmen,"sie schluckt „dann werde ich zum Wasserfall."Die Tränen schießen in ihr hoch. „Nein, ich..."Sie fängt an zu weinen, sackt auf das Sofa und rollt sich ganz klein zusammen.

Sydney schiebt Broots beiseite und hockt sich eine Armlänge weg vor sie hin und fängt an auf sie einzureden. „Parker, es ist in Ordnung zu weinen. Kommen sie, weinen sie, drehen sie sich zu uns und schauen sie uns an. Sehen sie uns an, Parker."Broots hockt sich ebenfalls neben sie. Sydney wiederholt seine Bitte „Sehen sie uns an."Nach einiger Zeit dreht sie erst nur prüfend den Kopf. Die Tränen fließen ihr die Wange hinunter. Beide Männer schauen sie voller Wärme an, sanft, ohne Ekel, ohne Angst vor ihren Tränen, mitleidig, aber nicht abgestoßen oder die Situation, die Schwäche ausnutzend. All dies sieht sie in den Blicken, aber sie traut ihrem Gefühl nicht. Dennoch zeigt sie ihre Angst offen, dreht sich dann aber auch schnell wieder von ihnen ab.

Broots berührt in ihr etwas tief Verstecktes, als er sagt „Ich tue ihnen nicht weh, niemals. Ich möchte, daß es ihnen gut geht und ich werde sie nicht verlassen."

„N E I N, ich will das nicht"Sie will es schreien, aber es ist nur ein Flüstern. Sydney dreht sie jetzt um und zieht sie hoch in eine feste Umarmung. Sie wehrt sich zunächst schwach, klammert sich dann aber an ihn. Er hält sie ganz fest, während sich Broots behutsam auf die andere Seite setzt. „Ist okay, Parker, weinen sie. Es gibt soviel in ihnen, daß diese Tränen braucht. Lassen sie sie raus."Ganz ruhig spricht Sydney auf sie ein, hält sie dabei einfach nur fest. „Lassen sie die Tränen zu. Es ist okay."Sie weint fast eine halbe Stunde lang. „Ihr Pullover, ich habe ihn ruiniert."stammelt sie, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hat. „Den kann man waschen."Er hält sie weiterhin fest. So sitzen sie eine ganze Zeitlang da, bis ihr die Augen zufallen.

Jarod ist inzwischen reingekommen und hat Broots auf Debbies Wunsch hin zu ihr geschickt. „Sie ist eingeschlafen, Syd."sagt Jarod mit Blick auf Ms. Parker. Er nimmt sie auf die Arme und trägt sie ins Schlafzimmer. Vorsichtig legt er sie auf das Bett. Jarod zieht ihr die Schuhe aus und deckt sie dann zu. Auch Debbie schläft inzwischen tief und fest. Zu 3. gehen die Männer zurück ins Wohnzimmer, sprechen noch kurz miteinander und gehen dann auch zu Bett. Alle Türen bleiben offen, sodaß die Verbindung bleibt.

Ms. Parkers Haus

2. Tag morgens

Ms. Parker wird früh morgens von einem altbekannten Alptraum geweckt. Sie schreckt hoch, schweißgebadet und atmet keuchend. Sie geht ins Bad, benetzt ein paar Mal ihr Gesicht mit kaltem Wasser und schaut dann in den Spiegel. Halb und halb erwartet sie ein ganz anderes Gesicht zu sehen, denn sie fühlt sich völlig verändert, ganz neu. In ihrem Spiegelbild ist jedoch alles wie bisher. Sie geht leise in die Küche und kocht eine Kanne Kaffee, nimmt sich eine Tasse und setzt sich auf die Veranda. Die Sonne geht gerade auf, als Jarod ebenfalls nach draußen kommt. „Oh, Ms. Parker. Störe ich?"„Nein, Jarod, setzen sie sich."Er nimmt sich einen Hocker und setzt sich auf die andere Seite der Haustür. „Ich liebe diese Zeit, besonders den Sonnenaufgang. Vielleicht, weil ich ihn früher nie sehen durfte. Anfangs, nach meiner Flucht aus dem Centre, konnte ich nicht genug bekommen von frischer Luft, Sonne, Wind oder auch Regen. Dieses Gefühl auf der Haut. (er stockt einen Moment) Ich habe oft in Spiegeln, Pfützen oder Bäche hineingeschaut, weil ich dachte, daß ich verändert sein muß. Man müßte mir doch ansehen, daß der Wall um mich herum weggebrochen ist, dachte ich damals oft."

„Können sie Gedanken lesen, Jarod? Sie haben Recht, genau das habe ich vorhin gedacht und gefühlt. Und ich habe Angst."„Angst sich zu sehr zu öffnen, Parker? Wieder verletzt zu werden? Angst, daß wir sie als Menschen sehen, womöglich sogar als Frau?"Sie steht auf und geht die Stufen hinunter. Sie setzt sich quer auf die unterste Stufe, mit dem Rücken ans Geländer gelehnt. „Ja, all das und auch davor zu sehr zu vertrauen."Eine Flut von Emotionen zeigt sich auf ihrem Gesicht. Sie schaut weg von Jarod in den Wald hineine und kämpft um ihre Kontrolle.

„Debbie, .."Sie stockt einen Moment und schaut wieder zu ihm hoch. „Sie hat all meine Schutzmauern mit 2, 3 einfachen Sätzen durchbrochen und doch ist sie die Einzige, bei der ich das Gefühl habe, mich nicht schützen zu müssen. Und jetzt möchte ich sie davor bewahren, eben diese Mauern zu errichten. Damit stelle ich jedoch gleichzeitig mein ganzes Leben in Frage, nicht wahr?"Er nickt und sagt „Das wollte ich ihnen schon immer klar machen!" „Ich weiß, doch ich hatte zuviel Angst. Denn das bedeutet für mich ein ganz neues Fundament zu bauen. Alles, was bisher wichtig war in Frage zu stellen und neue Wege zu gehen. Das jagt mir eine Mordsangst ein."Sie fängt leicht an zu zittern. Er steht auf, holt eine Decke von der Schaukel und legt sie ihr um. Dann setzt er sich ihr gegenüber hin. „Aber was ist die Alternative? Sind sie mit ihrem Leben, wie es jetzt ist, wirklich zufrieden, Parker?" Nach einigem Überlegen kommt ein leises „Nein."„Parker, ich bin absolut sicher, daß sie es schaffen werden."

Er schaut sie noch mal sehr lange und intensiv an, wie eine Bestätigung und steht dann auf. „Ich lauf jetzt ein bißchen, bin aber gleich wieder da."Und weg ist er.

Ms. Parker schaut ihm nach und hängt dann weiter ihren Gedanken nach. Als sie ihn nach einiger Zeit zurückkommen sieht, sagt sie laut zu sich selbst „Er hat Recht. Ich kann es und ich fange heute damit an, den andern zu erzählen, was damals passiert ist." Sie spürt wie daraufhin Ruhe in ihren Körper zurückkehrt. Zufrieden mit ihrem Entschluß setzt sie sich wieder auf die Schaukel.

„Sie sehen ruhiger aus."Sie nickt. „Jarod danke. Ja es geht mir etwas besser."„Ich gehe dann erstmal unter die Dusche, Parker."Sie nickt, „Ich bleibe noch ein wenig hier draußen."

Broots ist in der Zwischenzeit aufgewacht. Er hat die beiden gehört und schon mal angefangen Frühstück zu machen. Auch Debbie wird wach, als Jarod wieder ins Haus kommt. Sie tappt erstmal ins Wohnzimmer, dann in die Küche, als sie von dort Geräusche hört.

„Hallo, Dad, guten Morgen."Er wendet sich ihr zu und ist einen Moment unsicher, wie er reagieren soll. Dann fragt er sie einfach „Guten Morgen, Schatz. Darf ich dich umarmen?"Sie kommt mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu und er nimmt sie ganz vorsichtig hoch. Sie gibt ihm einen Kuss. Doch plötzlich hat sie wieder das Gesicht des anderen Mannes vor Augen. Sie fängt an sich zu wehren und Broots setzt sie sofort wieder ab und läßt sie los. „Tut mir leid, Dad!"„Debbie, das ist okay."„Es ist nur, weil ich sein Gesicht wieder vor mir sah. Ich möchte es nicht, doch es passiert einfach so."flüstert sie. „Debbie das ist wirklich okay. Du brauchst Zeit damit fertig zu werden. Sei ganz ruhig, ist alles gut zwischen uns."Broots hat sich vor sie gehockt und schaut sie voller Wärme und ganz offen an. „Ich habe dich lieb, Debbie."„Ich dich auch, Dad."

„Schatz, deck doch schon mal den Tisch."Die geschickte Überleitung führt dazu, daß beide wieder in die Realität zurückkehren.

Debbie beginnt den Tisch zu decken, als Sydney aus dem Gästezimmer kommt und sagt „HHmmm, der Kaffee duftet ja himmlisch. Und der Tisch sieht wundervoll aus. Guten Morgen, Debbie. Magst du uns nicht noch ein paar Blümchen dazu pflücken?"„Hallo Syd. Ich traue mich nicht allein raus."Debbie schaut ihn traurig an. „Du kannst ruhig rausgehen, Ms. Parker sitzt dort auf der Schaukel."

Debbie öffnet die Tür und sieht erst vorsichtig nach draußen, atmet dann laut auf, als sie Ms. Parker dort sieht. Sie geht zu ihr hin. „Hallo, Ms. Parker."Sie lächeln sich herzlich an. „Hallo Schätzchen."Ms. Parker streicht ganz leicht über Debbies Arm. „Ich will ein paar Blümchen pflücken für den Tisch. Dad macht uns allen Frühstück und das ist echt super. Bleibst du bitte solange hier, bis ich fertig bin? Ich habe solche Angst, alleine."

„Natürlich mein Liebes. Ich freue mich, daß du dich überhaupt raus getraut hast."„Sydney hat gesagt, daß du hier bist. Allein wäre ich auch nicht raus gegangen. Ich habe jetzt schon wieder Angst in die Schule zu müssen."„Debbie, wir finden da sicher eine Lösung. Zunächst wird dein Vater dich morgens bringen. Wenn er oder ich arbeiten müssen, wird Sam dich abholen. Meinst du, du kannst mit Sam fahren?"Debbie nickt. „Ja, ich glaube schon. Kann er dann bei mir bleiben, bis Dad oder du kommt?"„Sicher, Debbie!". Debbie kommt mit einer Handvoll Gänseblümchen zu Ms. Parker. „Kommst du mit rein?"Sie streckt Ms. Parker die Hand hin. Die steht auf, nimmt die kleine Hand und gibt der Hand einen Kuß. „Ich habe dich lieb, Debbie." Debbie schaut sie prüfend an, so als müßte sie sich erst nochmal vergewissern. Darüber ist Ms. Parker zutiefst betroffen, doch sie hält dem prüfenden Blick stand. Debbie nickt ihr zu. „Ja, ich dich auch!". Sie legt den anderen Arm um Ms. Parkers Hüfte, läßt dann aber sofort wieder los, weil es ihr dann doch viel zu nahe ist. Hand-in-Hand gehen die beiden hinein.

Sydney sitzt am Tisch und liest in der Zeitung. „Guten Morgen, Syd." „Hallo Ms. Parker. Gut geschlafen?"„Bis zu dem Alptraum heute morgen ja. Doch ich schlafe seit Jahren unruhig, habe oft Alpträume. Häufig wegen meiner Mutter und früher."antwortet sie. „Sie hätten jemanden wecken sollen."„Nein, nein, ich kenne mich damit aus und habe meinen Weg damit umzugehen."

Jarod kommt aus dem Bad, in dem gleich darauf Debbie verschwindet. „Hallo Sydney. Was Interessantes in der Zeitung?"fragt Jarod. „Morgen Jarod. Nein, nur das Übliche, Tote durch Unglücke, Steuerhinterziehung von einem aus der High-Society, die bestimmt wieder vertuscht wird, nichts Besonderes."Jarod geht ins Gästezimmer um sich anzuziehen. Broots bringt die Gänseblümchen, die jetzt in einer schönen Vase stehen, und stellt sie in die Mitte des Tisches. „Hilft mal eben jemand, die Sachen alle reinzubringen?"fragt er. Ms. Parker geht in die Küche und hinterläßt dadurch einen völlig verdutzten Broots. Der folgt ihr, reicht ihr die Dinge nach und nach an, die er für das gemeinsame Frühstück vorbereitet hat. „Rieche ich da auch Speck, Broots?"„Ja, Ms. Parker. Es gibt auch Eier und Speck."Genießerisch meint sie daraufhin „Sie können von mir aus hier regelmäßig Frühstück machen. Soviel Verschiedenes habe ich schon seit Kinderzeiten nicht mehr zum Frühstück gehabt."Sie geht mit der 1. Ladung ins Wohzimmer zurück. Er freut sich und lächelt über das Kompliment obwohl er nach wie vor ziemlich überrascht ist.

In diesem Moment schreit Debbie laut nach Ms. Parker, die sofort los rennt. Die anderen springen ebenfalls auf, bleiben aber dann zurück. Sydney geht in die Küche um die restlichen Sachen zu holen und beruhigt dabei Broots. „Ganz ruhig, Broots. Sie wird ihr schon helfen. Ich denke, es ist eine kleine Blutung als Folge der Vergewaltigung. Machen sie sich keine Sorgen. Wenn es wirklich schlimm wäre, wären die beiden schon wieder rausgekommen." Doch auch er sieht nachdenklich zum Badezimmer hinüber. „Wir können jetzt nur abwarten."

Ms. Parker kommt ins Bad gestürmt. Debbie sitzt auf der Toilette und schaut ziemlich besorgt. „Ich blute da unten. Es tut ziemlich weh, in mir drinnen. Ich habe den Schmerz irgendwie ausgeschaltet, aber jetzt beim Pinkeln tut es ganz, ganz doll weh. Als ich genauer hinsah, war da Blut. Ich habe solche Angst."„Debbie, du mußt dir keine Sorge machen, Schatz. Das Blut ist eine kleine Verletzung in deinem Bauch, die dieser Mann verursacht hat. Es ist nicht schlimm und blutet nur ein kleines bißchen. Bitte mach dir keine Sorgen. Bei allen Frauen blutet es, wenn sie zum 1. Mal Sex haben. Bei Mädchen blutet es viel mehr, weil bei ihnen noch alles sehr eng und kleiner ist, und es dadurch leichter zu Verletzungen kommt. Die Ärztin im Krankenhaus hat mir ein paar Binden mitgegeben. Die klebst du jetzt in dein Höschen. Siehst du, so geht das. In kurzer Zeit wirst du vermutlich auch deine Regelblutung bekommen. Weißt du was das ist?"

Debbie nickt „Ja, ich habe schon mal versucht mit Dad darüber zu sprechen. Aber er hat es nur so wissenschaftlich ausgedrückt, daß ich dann nicht mehr gefragt habe."Ms. Parker kann ein Lächeln nicht unterdrücken. „Ja, ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer sich Väter damit tun. Hast du jetzt Fragen dazu?"„Nein, das ist mir total peinlich. Ich schäme mich so sehr. Es ist mir schon peinlich gewesen, wenn Dad mich nackt gesehen hat. Aber dieser Mann... „ sie schluckt die Tränen hinunter. „Ich fühle mich so dreckig, so beschmutzt!"

„Debbie, das kann ich gut verstehen. Damals, danach ..bin ich 2, 3 , 4x am Tag unter die Dusche gegangen, um den Schmutz abzuwaschen. Und jedesmal wurde mir ganz schlecht bei der Erinnerung, selbst jetzt noch."Sie ist ganz blaß geworden und setzt sich erst mal auf den Rand der Badewanne. Debbie setzt sich zu ihr. „Danke, daß sie mir dies gesagt haben."sagt sie und drückt für einen kurzen Moment ihre Hand. Ms. Parker schaut sie an. „Frag mich alles was du willst, okay? Ist jetzt alles in Ordnung, soll ich wieder gehen?" Debbie nickt, „Ja, es geht mir besser jetzt. Ich komme auch gleich."

Ms. Parker verläßt das Bad und schaut in 3 besorgte Augenpaare. „Alles in Ordnung. Es war nur die leichte Nachblutung vom 1. Mal. Broots, hier, falls sie heute wieder nach Hause fahren sollten, nehmen sie die mit."Sie reicht ihm die restlichen Binden. „Ja, Ms. Parker"stottert er und bringt die Binden nach nebenan. Alle fangen an zu schmunzeln. „Er ist tatsächlich rot geworden."„Genau wie sie, Jarod!"kontert Ms. Parker und alle lachen laut los. Sie setzen sich an den Tisch, warten aber auf Debbie, die sich nach einigen Minuten dazu gesellt.

„Der Tisch ist wirklich wunderschön geworden."sagt Jarod. „Ich esse normalerweise mein Frühstück im Stehen, doch wenn ich dies so sehe, hhhmmm. Broots ein First-Class Frühstück. Sowas Gutes habe ich lange nicht genossen."„Da können wir nur alle zustimmen, nicht wahr Ms. Parker? Wir, die wir unser Frühstück allein machen und essen, geniessen solch einen Luxus besonders, oder?"Sydney schaut sie fragend an. „Ja, ganz bestimmt. Danke Broots!"„Habe ich gerne gemacht."antwortet Broots auf das Kompliment. „Dann bitte morgen wieder so."sagt Jarod und alle lachen wiederum. „In so einer gut eingerichteten Küche macht es auch richtig Spaß. Die Küche ist echt Klasse, Ms. Parker."

„Mom hat sie eingerichtet. Sie hatte zwar nie viel Zeit, aber ich glaube, sie hat immer darauf gehofft, mal mehr Zeit zu haben. Ab und zu hat sie uns ein Gala-Essen gekocht und wenn wir dies dann mal alle zusammen verzehrt haben, war es oft ebenso lustig, wie jetzt."Sie schluckt. „Ich vermisse sie so sehr. Ich hätte sie jetzt so gerne hier, um mit ihr über all das zu reden, was passiert ist. Seit sie tot ist, muß ich immer alles allein mit mir ausmachen und durchhalten."

Jarod steht auf und holt ein Bild von der Wand, und drückt es ihr in die Hand. Das Bild zeigt Ms. Parker mit ihrer Mutter. „Sie ist hier, Ms. Parker."Er deutet auf ihr Herz. „Erzählen sie es ihr. Sie wird es sicher hören."Sie nimmt das Bild und drückt es ganz fest an sich. Dann stellt sie es vor sich, wo sie es immer im Blick hat und ißt weiter.

„Jetzt kommen wir erst mal zum Arbeitsteil: Da Broots alles so schön gemacht hat und Debbie den Tisch so schön dekoriert hat, sind wir jetzt dran mit spülen und abräumen."sagt Sydney. „Hier ist eine gute Nachricht für sie, Syd. Es gibt eine Spülmaschine."antwortet Ms. Parker. „Gott sei Dank!" Sydney tut so, als wische er sich den Schweiß von der Stirn. „Ich hatte darauf gehofft, aber ich war nicht sicher."Er schaut blinzelnd zu Debbie. Die fängt laut an zu lachen. „Das ist doch gar nicht so schlimm."„Finde ich schon. Ich spüle nicht gerne. Sie etwa Ms. Parker?"„Nein, aber ich brauchte mir bisher auch keine Gedanken darum zu machen."Sie lacht ihn liebevoll aus. Er grinst nun auch und meint „Und was tun sie, wenn die Maschine kaputt ist?"„Dann warte ich, bis sie wieder repariert ist. Dann stapeln sich hier die Sachen eben."Sie grinst und fängt an abzuräumen. Als alles in der Küche ist, schicken sie die Männer raus. „Na gut. Dann gehe ich jetzt mal ins Bad."

„Syd, was können wir tun? Ich fühle mich doch sehr hilflos, ein schreckliches Gefühl."Jarod schaut fragend zu ihm rüber. „Erstmal sollten wir sie gleich erzählen lassen. Gestern abend wollte sie schon reden, aber sie meinte sie bräuchte dich dabei, um die Lücken zu füllen. Warst du denn dabei, Jarod?" Jarod nickt „Ja, ich bin dazu gekommen. Syd, ich fühle mich heute noch schuldig, weil ich so spät kam."„Jarod, du konntest es doch nicht vorhersehen. Mach dir keine Vorwürfe." „Wenn ich doch nur ein wenig mehr von Angelos empathischen Fähigkeiten hätte. Dann hätte ich damals gespürt, in welcher Gefahr sie war."„Jarod, du hast keine Schuld daran." sagt jetzt auch Ms. Parker, die gerade aus dem Bad zurückkommt. „Er hat die alleinige Schuld und ich vielleicht. Nein, Syd, ich erzähle es gleich und dann möchte ich ihre Objektivität, bitte."Sydney hat sie unterbrechen wollen, reagiert aber jetzt nur mit einem „Ist gut, Parker. Bevor sie erzählen, möchte ich noch eben ins Bad."Er verschwindet im Bad und sie geht in ihr Zimmer sich fertig anziehen.

Broots lädt Jarod und Debbie zu einem Kartenspiel ein. „Oh, ja. Mau-Mau, ja?"Jarod schaut die beiden ratlos an. „Was ist denn Mau-Mau?"„Das ist ein ganz tolles Kartenspiel, Jarod, nicht wahr, Debbie? Erklärst du es ihm?"Begeistert nickt Debbie, „Ja, ich erklär es dir."Sie zieht ihn an den Tisch und erklärt ihm die einzelnen Kartenwerte. Dann sagt sie „Laß uns einfach mal ein Probespiel machen. Dann ist es einfacher. Du legst deine Karten offen hin."Sie verteilt die Karten und legt Jarods Karten offen hin. Schnell hat Jarod das Spiel verstanden. „Jetzt können wir richtig loslegen."lacht er und freut sich über dieses neue Spiel. Broots setzt sich dazu und auch Ms. Parker kommt aus dem Zimmer. „Ich will auch mitspielen."sagt sie. So spielen sie 2, 3 Runden bis Sydney im Bad fertig ist. Es stellt sich heraus, daß Broots seiner Tochter zuliebe öfter mal verliert. Aber nur Jarod erkennt dies. Debbie freut sich einfach, weil sie gewinnt und Ms. Parker ist nicht ganz bei der Sache. Als Sydney sich zu Ihnen setzt, gibt Ms. Parker ihm die Karten und steht auf. „Ich muß erst noch einen kurzen Augenblick allein sein."

Mit diesen Worten geht sie auf die Veranda. Dort setzt sie sich in die Schaukel und denkt an die Zeit, als sie mit ihrer Mutter hier war und diese sie oft einfach so in den Arm genommen hat. „Ich liebe dich, meine Kleine!"Diese Worte kommen aus ihrem Herzen und sie fühlt – wie Jarod es beim Frühstück gesagt hat – ihre Mutter ganz nah bei sich. „Du kannst es, ich weiß es. Trau dich und laß dich ganz auf dich ein. Bitte, Schatz, erst dann kannst du dich davon befreien."Von diesen Worten gestützt geht sie zurück ins Haus. Die anderen schauen sie erwartungsvoll an. „Meinen sie, es geht jetzt?"Sydney kommt auf sie zu und bleibt vor ihr stehen. „Ja, ich möchte es jetzt erzählen."Die anderen setzen sich um den Tisch. Ms. Parker setzt sich zwischen Debbie und Jarod und bittet Debbie um deren Hand. „Bist du auch sicher, daß es dir nicht zuviel wird?"Debbie nickt.

Sydney will ihr helfen anzufangen: „Wann ist es passiert, Ms. Parker?" Sie schaut ihn an, dann einen nach dem anderen. Langsam fängt sie an zu berichten: „Vor 2 Jahren hatten wir eine Info erhalten, daß sich Jarod in Florida aufhält. In den Everglades hatte er eine Hütte gemietet. Dort kam ich an, kurz bevor ein Sturm richtig losbrach. Doch ich war schon völlig durchgeweicht und durchgefroren. Die Hütte war offen, im Badezimmer waren Handtücher und einige trockene Sachen lagen herum. Ich ging unter die Dusche, mich aufzuwärmen."

Sie stockt einen Moment und redet dann langsam weiter. „Ich hatte nichts gehört, doch es war jemand herein gekommen. Er wartete auf mich mit einer Pistole, als ich aus der Dusche kam. (Sie schluckt den Kloß im Hals hinunter) Er griff sofort nach meiner Hand und schleuderte mich herum. Ich prallte vor die Wand, sah nur noch Sterne. Mir blieb die Luft weg vor Schmerz. Blut lief aus meiner Nase. Er preßte mich gegen die Wand und lachte. Dieses Lachen höre ich oft heute noch. „Hallo Süße. du bist ja ein toller Anblick"sagte er und band meine Hände zusammen. Ich war noch zu benommen, um mich wehren zu können. Dann führte er mich ins Schlafzimmer. „Jetzt machen wir es uns erst mal richtig bequem"

Er band meine Hände am Bett fest. Ich fing an mich zu wehren, doch ein paar Schläge brachen meinen Widerstand. Ich war irgendwann wie erstarrt. Ich .... ich konnte nur noch aushalten. Er zog seine Hose herunter, legte sich auf mich und fing an mich zu küssen. Ich spuckte ihm ins Gesicht, doch er lachte nur. Dann schlug er mich wieder und wieder; irgendwann war ich wohl bewußtlos. Dieses Lachen, es war wieder da, als ich zu mir kam. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich lag da, bis Jarod ihn irgendwann wegriß."

Sie fängt an zu weinen."Oh, Gott. Irgendwas in mir sagt mir, daß er viel, viel mehr mit mir gemacht hat. Jarod, bitte sag mir wie weit er gegangen ist, was du gesehen hast."Sie klammert sich an seinen Blick. Er nimmt ihren Blick auf, sieht die Qual in ihren Augen, die Ungewißheit. Doch er zögert einen Moment, schaut zu Sydney, der ihm zunickt. Er nimmt langsam ihre Hand und hält sie fest, blickt sie an. „Sie haben Recht, Ms. Parker. Er war mitten drin, fast schon fertig."„Nein, oh nein. Jarod!"sie schreit diese Worte laut heraus, springt auf und reißt sich sowohl von Debbie als auch von Jarod los. Doch Sydney ist noch schneller. Er fängt sie auf, hält sie fest, als gleich darauf ganze Kraft aus ihr weicht. Jarod springt hinzu und gemeinsam verhindern sie, daß sie stürzt. Sie legen sie auf das Sofa. Debbie holt eine Decke und legt diese über ihren zitternden Körper. Jarod hockt sich hin, schaut in ihr Gesicht. „Ms. Parker, schauen sie mich an. Parker, kommen sie."Er nimmt ihre Hand. Die Tränen strömen über ihr Gesicht. Debbie streichelt ganz leicht über ihr Gesicht. Ms. Parker schaut auf, nimmt die andern endlich wieder wahr. Sydney ist in der kurzen Zeit ans Auto gegangen und hat ein paar Tabletten geholt. Doch sie schüttelt den Kopf, als er ihr diese reicht. „Nein, Syd, ich will mich nicht betäuben. Ich möchte mitkriegen, was mit mir und in mir passiert."„Sind sie sicher?" Sie nickt und er steckt die Tabletten weg. Sie liegt zitternd auf dem Sofa, hat sich ganz klein zusammen gerollt. Doch die Wärme und Nähe der anderen helfen ihr nach und nach sich wieder zu beruhigen.

Broots ist der Einzige, der noch auf seinem Platz sitzt. Er ist tief bestürzt über ihre Erzählung, vor allem ihre Reaktion. Er blickt immer wieder zu Debbie, die ganz behutsam Ms. Parkers Gesicht streichelt, und denkt „Wenn es für Ms. Parker, die schon erwachsen war, schon so schlimm war, wie muß sich meine Kleine fühlen?"Er versucht die Angst beiseite zu schieben, doch er kann es nicht.

Sydney nimmt seinen Arm. „Broots, kommen sie mal mit."Die beiden gehen nach nebenan in die Küche."Syd, wie soll Debbie das schaffen, wenn es für Ms. Parker schon so schlimm war? Ms. Parker ist eine so starke Frau, Debbie ist so klein und empfindsam."Er hat Tränen in den Augen. „Ich fühle mich so hilflos. Was können wir denn bloß tun?"„Broots, lassen sie ihre Betroffenheit ruhig zu, nicht verdrängen. Aber zeigen sie Debbie auch, daß sie trotzdem für sie da sind. Sagen sie ihr, was sie fühlen aber auch daß sie sie nach wie vor liebhaben und ihr helfen werden. Und wenn Ms. Parker sie braucht, werden sie auch für sie dasein. Es sind manchmal nur die einfachen, alltäglichen Dinge, die so sehr helfen. Einkaufen, waschen, den Haushalt managen damit wird sie Probleme haben und wenn dann jemand all das erledigt, hilft das meist mehr, als mitleiden. Broots binden sie Debbie weiterhin in die ganz normalen Arbeiten mit ein, aber lassen sie auch zu, daß es nicht immer geht. Sie muß auch die Kraft für´s Überwinden und Kämpfen finden können. Das sind manchmal Gegensätze wie Nord- und Südpol."„Normal weiterlaufen? Sydney nichts ist mehr ´normal´. Ms. Parker weint, Debbie schließt ihre Gefühle weg, Jarod ist hier. Ich fühle mich wie im freien Fall, alles hat sich verändert. (er atmet tief durch)

- Doch ich werde versuchen was sie gesagt haben, ich weiß zwar noch nicht wie, aber irgendwie werde ich es schaffen."„Gut so, kommen sie, gehen wir zu den anderen zurück."

Beide betreten wieder das Wohnzimmer. Ms. Parker liegt noch immer klein zusammengerollt auf dem Sofa und zittert trotz der Decke. Broots geht in die Küche zurück, kocht Kaffee und macht Wasser heiß für eine Wärmflasche. Den Kaffee nehmen alle gerne entgegen. Er hält die Wärmflasche in der Hand und weiß nicht, wie er sie anbieten soll. Debbie nimmt sie ihm aus der Hand und legt sie Ms. Parker auf den Bauch. „Danke, Debbie!"zitternd bringt sie die Worte raus. „Mir ist so kalt. - Jarod, was ist danach passiert? Bitte sagen sie mir alles."Er spricht zögernd „Sie kamen gerade wieder zu sich, als ich ihn wegriß. Ich habe ihn zusammengeschlagen und dann verschnürt. Anschließend habe ich ihn in ein Netz gelegt und ihn an einen Baum nach draußen gehängt. Erst als ich wieder reinkam, haben sie sich wieder bewegt. Die ganze Zeit waren sie gar nicht richtig da, nicht ansprechbar. Sie sind aufgestanden und ins Bad gestürzt, wo sie sich dann ausgekotzt haben und anschließend völlig zusammengebrochen sind. Ich habe sie erst mal in die Wanne gepackt, weil sie so durchgefroren waren und sie immer wieder sagten, daß sie sich so schmutzig fühlen. Als ich sicher war, daß sie in der Wanne nicht ertrinken, bin ich hinaus gegangen, habe sie allein gelassen und ihnen – wie Broots gerade – was Warmes gemacht. Nach über 1h bin ich wieder ins Bad. Sie saßen in dem mittlerweile eiskalten Wasser, völlig erstarrt und fast wie tot. Ich habe sie abgetrocknet, sie ins Bett gepackt, wo sie dann fast sofort eingeschlafen sind. In der Zwischenzeit hatte sich der Mistkerl durch das Netz durchgebissen. Er kam in die Hütte und wollte dort weiter machen, wo er aufgehört hatte. Er hat mich ausgeknockt, doch sie hatten diesmal ihre Waffe griffbereit und haben ihn damit zusammengeschlagen. Ansonsten wäre ich wohl inzwischen tot."

Er schaut zu ihr hinüber, sieht wie sie um ihre Beherrschung kämpft. Er hockt sich vor sie hin und sagt zu ihr „Weinen sie doch einfach, Parker! Lassen sie den Schmerz dasein und kämpfen sie nicht dagegen. Es ist völlig in Ordnung zu weinen. Sie haben auch allen Grund dazu."

Bei diesen Worten verliert sie die Beherrschung und fängt an zu weinen. Auch Debbie beginnt leise zu weinen. Broots nimmt sie hoch auf den Schoß und spricht leise mit ihr. Auch Sydney versucht ganz ähnlich zu Ms. Parker durchzudringen. „Ist ja gut, Parker. Weinen sie ruhig. Ich bin hier und Jarod und all die anderen. wir helfen ihnen. Ihr seid beide nicht allein!"

Nach und nach beruhigen sich beide Frauen wieder und schlafen dann aus purer Erschöpfung ein. Jarod trägt Ms. Parker, Broots seine Tochter ins Schlafzimmer. Broots gibt Debbie noch einen Kuß „Ich habe dich lieb, Spatz."Damit verlassen sie das Schlafzimmer, lassen die Tür aber einen Spalt offen.

Tief in Gedanken sitzt zunächst jeder für sich im Wohnzimmer. „Was können wir tun? Wie ihnen helfen? Sydney hast du eine Vorstellung wie lange es braucht so etwas zu überwinden?" Jarod blickt ihn fragend an.

„Jahre, Jarod. Es ist etwas Elementares zerstört worden, nämlich das Vertrauen in andere und – was noch schlimmer ist – das Vertrauen in sich selbst."

Broots wirft ein, „Aber Ms. Parker behandelt uns und auch sich nach wie vor gleich."Sydney schüttelt den Kopf. „Nein, Broots, das stimmt nicht. Sie versucht es und für viele sieht es so aus, als ob sich nichts verändert hat. Aber die frühere Souveränität und ihre Härte ist doch in letzter Zeit mächtig gebröckelt. Ich hatte gedacht, es hinge mit dem Tod ihrer Mutter zusammen, weil wir immer mehr davon aufdecken. Aber das ist nur 1 Teil des Puzzles, wie wir jetzt wissen.

Bei Debbie wird das hoffentlich einfacher. Sie hat es uns sofort erzählen können, hat es nicht verdrängen müssen. Und (er macht eine Pause) sie hat sie, Broots. Man spürt in allem, wie sehr sie sie lieben und genau das wird ihr jetzt dadurch helfen. Lassen sie ihr Zeit und Freiraum. Sie wird es schaffen und sie wird auch Ms. Parker helfen durch ihre liebenswürdige und sensible Art, durch ihre Wärme.

Ich glaube, Ms. Parker ist dadurch sogar von ihr angezogen worden. Damals, als sie die 2 Tage auf Debbie aufgepaßt hat."Jarod nickt und fügt hinzu "Sie müssen die beiden mal zusammen sehen; da ist etwas ganz Besonderes zwischen den beiden. - Doch diesmal müssen wir mehr auf Ms. Parker achten. Sie braucht jemanden, mit dem sie weinen und reden kann. Wo sie wütend und traurig sein kann oder auch um das trauern, was sie verloren hat, früher und heute. Und das wichtigste, ... es muß jemand dableiben und nicht wegrennen.

Sie hat mir damals ganz kurz nach dem Tod ihrer Mutter erzählt, wie sehr alle um sie herum ausgewichen sind. Keiner war da und hat ihr wirklich geholfen. Niemand hat ihren Schmerz beachtet und ernst genommen. „Dazu bist du noch zu klein."haben sie Ihr immer wieder gesagt und geschickt das Thema gewechselt, oder sind von vorn herein gar nicht auf das eingegangen, was sie gesagt hat. Dieses Déjà-vu müssen wir vermeiden. - Auch sie Broots sind jetzt gefragt, vielleicht mit Debbie über ihre Sexualität zu reden."Broots wird rot, nickt aber „Tja, ich dachte, ich hätte damit noch 2, 3, 4 Jahre Zeit."Die anderen lächeln leicht, klopfen ihm auf die Schulter und er stimmt mit ein. „Laßt uns auch ins Bett gehen!"wirft Sydney ein. „Wir werden unsere Kraft noch brauchen."Nach und nach verschwinden alle in den Zimmern und es kehrt Ruhe ein.

2h später steht Jarod wieder auf. Er hatte sich auf die Couch gelegt und ist daher allein. Er geht in die Küche und kocht sich einen Kakao, setzt sich dorthin und überlegt. Die Qual in Ms. Parkers Augen läßt ihm keine Ruhe.

„Oh, Parker, wie kann ich dir bloß helfen?"murmelt er leise. „Ein Kakao wäre nicht schlecht."antwortet sie ihm und betritt die Küche. Vor lauter Schreck springt er auf. Sie weicht ein Stück zurück, ganz leicht nur, aber er merkt es trotzdem. „Sorry, ich habe mich nur so sehr erschrocken. So wie sie jetzt vor mir, nicht wahr?"Er schaut sie besorgt an und fragt dann, „Wie geht es ihnen?"Er macht eine 2. Tasse Kakao für sie fertig und wartet geduldig auf ihre Antwort.

„Ich weiß nicht, völlig durcheinander, schwach und klein, hilflos, wütend, traurig und verletzt und alles gleichzeitig. Außerdem ist mir fürchterlich kalt. Er reicht ihr den Kakao und sie setzen sich beide an den Tisch. Sie nimmt die Tasse in beide Hände und starrt hinein. „Jarod, wie kommst du mit diesem Alleinsein zurecht?"fragt sie. „Ich habe mich schon solange allein gefühlt, daß ich gar nicht mehr weiß, wie es anders ist."„Ja, ich kenne dies Gefühl auch schon ewig. Aber jetzt ist es nochmal ganz anders. Als Debbie damals durch meine Mauern durch kam, habe ich zum 1. Mal wieder mich gefühlt. Als dann Tommy"sie bricht ab und schluckt, „Tommy war sowieso jemand Besonderer. Mit ihm ist ein Teil meiner Hoffnung gestorben." „Hoffnung auf eine eigene Familie, auf jemanden der sie liebt und den sie lieben können?"Sie nickt und zittert jetzt stärker. Er geht nach nebenan, holt eine Decke und legt sie ihr um die Schultern. Sie wickelt sich darin ein. „Danke."

„Ms. Parker, das ist auch mein Traum, meine Familie wieder zu finden. Ich stelle mir ein Riesenfest vor, wenn wir alle wieder zusammen sind. Wie ist das eigentlich bei ihnen? Warum ist ihr Vater jetzt nicht hier, um ihnen zu helfen?"„Er hat zu tun, außerdem weiß er nichts davon."„Aber möchten sie ihn nicht hier haben, damit er ihnen helfen kann?"Sie schüttelt den Kopf, „Nein, er wird davor weglaufen, so wie damals auch. Er hilft mir nicht. Das muß ich allein schaffen. Es ist nie jemand da, außer ihnen. Sie sind immer da, in meinen größten Krisen. Wieso eigentlich? Wieso sind jetzt hier und vor allem, warum bleiben sie hier?"

„Ich spüre, daß es ihnen nicht gut geht. Nennen wir es Instinkt. Wir haben eine Verbindung miteinander, ob sie und ich das wollen, oder nicht. Sie kennen mich besser, als irgend jemand sonst, und umgekehrt. Außerdem ist morgen der 2. Jahrestag dieses Vorfalls. Ich dachte, da könnten sie etwas Beistand gebrauchen." Das Zittern hört nicht auf. „Kommen sie!"Er nimmt ihren Arm und führt sie ins Wohnzimmer, zündet den Kamin an und setzt sich mit ihr davor. „Erzählen sie mir, was los ist."sagt er.

„Ich träume immer mal wieder davon. Ich sehe sein Gesicht und spüre ihn in mir und seine Hände auf mir. Mein Körper ist jedesmal wie erstarrt, ich kann mich nicht rühren. Und immer höre ich dieses entsetzliche Lachen."„Parker, er hat sie damals fast zu Brei geschlagen. Sie hatten eine ordentliche Gehirnerschütterung und waren bewußtlos. Sie konnten sich nicht wehren. Hätten sie's getan, wären sie vermutlich nicht mehr am Leben."Er rückt ganz nah heran und zieht langsam ihren Kopf zu sich, legt ihn an seine Schulter und umarmt sie. Sie fängt an zu weinen, fast lautlos. Er hält sie einfach nur fest, ohne was zu sagen. Nach einigen Minuten beruhigt sie sich wieder und zieht sich etwas zurück.

„Was ist das nur mit uns? Du bist der Einzige, dem ich wirklich 100ig traue und der mir vertraut."„Du hast mich mal gefragt, warum ich dir helfe. Damals habe ich gesagt „weil sie die 1. Frau waren, die mir einen Kuß gegeben hat. Erinnerst du dich?"Sie nickt. „Ja, heute würde ich sagen, daß ich dich seit damals liebe, Parker."Ms. Parker schaut ihn mit großen Augen an. Sie fühlt plötzlich die große Freude und Wärme in sich aufsteigen. „Ich liebe dich auch, Jarod."Sie bricht ab, erstaunt und fassungslos schauen sie sich an, fassen sich bei den Händen. Gleichzeitig rücken sie näher zueinander und nehmen sich dann in die Arme. Vorsichtig, fast scheu küssen sie sich, ganz kurz nur. Doch der Blick danach spricht Bände.

„Du frierst nicht mehr, Parker, spürst du das?"„Ich brauche ja auch keine Angst mehr zu haben, denn du bist ja da, bei mir."Sie umarmt ihn nochmals „Danke, daß du den Mut gehabt hast, es mir zu sagen. Ich liebe dich auch schon lange, doch ich hätte mich nie getraut es dir zu sagen. Zuviel Angst vor Zurückweisung. Und jetzt ... Ich bin so glücklich!"Er fängt an sie zu streicheln und schiebt ihren Pullover hoch. Er will sie ganz nah spüren.

In dem Moment erstarrt sie. „Nein, nicht. Ich kann nicht. Oh Gott, nein, bitte."Sie flüchtet aus der Umarmung, wehrt sich mit aller Macht. Jarod hört sofort auf, aber er hält ihre Hand fest. „Parker, ich bin es. Ich tu dir nichts. Es geschieht nichts, was du nicht willst. Beruhige dich bitte. Ich bin es, Jarod. Schau mich an, Liebling. Bitte schau mich an."Langsam hebt sie den Blick und sieht in sein Gesicht. Sie sieht nichts außer Wärme, keine Wut oder Enttäuschung, nur seine Liebe. Langsam hebt sie ihre Hand an seine Wange und beruhigt sich endgültig wieder. „Verzeih mir, ich habe nur noch ihn gesehen, sein Gesicht, seine Hände, seinen Geruch.."„Das war ein typischer Flash-Back, Parker. Ist alles okay, jetzt?"Stumm nickt sie ihm zu. „Das kann jederzeit passieren, Parker. Wir beide werden lernen damit zu leben. Du mußt dich nicht entschuldigen. Du hast alle Zeit der Welt, damit fertig zu werden. Ich warte auf dich, ich verspreche es dir." Er nimmt sie ganz leicht in die Arme, läßt ihr Raum zur Flucht. Erleichtert atmet sie aus und lehnt sich vorsichtig an ihn. Sie zittert wieder leicht, doch das gibt sich nach ganz kurzer Zeit.

Lange Minuten schauen sie sich einfach nur an. Dann holt er eine Decke und zwei Kissen und legt sich mit ihr vor das Feuer. Er zieht sie an sich „Schlaf jetzt, Parker. Ich bin bei dir und ich verlasse dich nicht."„Ich liebe dich, Jarod."murmelt sie noch, bevor sie eingeschlafen ist. Tiefe Zufriedenheit macht sich in ihm breit, dann schläft auch er ein.