TEIL II
Ms. Parkers Haus
1 Jahr später
morgens 5 Uhr früh
Das Telefon weckt Jarod auf. Er nimmt den Hörer, nachdem er die Nummer des Anrufers auf dem Display gesehen hat und geht ins Wohnzimmer.
„Ja, was ist?"er lächelt als er merkt, daß er sich schon wie Ms. Parker anhört. „Jarod, ich bin´s Debbie. Kann ich bitte Ms. Parker sprechen?"Sie hört sich sehr verheult an. Augenblicklich ist er wach. „Debbie, was ist los?"„Bitte ich kann´s dir jetzt nicht sagen, ich muß mit ihr reden. Weckst du sie btte?"
„Ja, sofort, bleib dran."Er geht zurück ins Schlafzimmer, setzt sich auf´s Bett „Parker, wach auf Schatz bitte. Debbie ist am Telefon und sie ist ziemlich fertig."Ms Parker schreckt hoch und nimmt sogleich den Hörer. „Debbie, ich bin´s. Was ist los Schatz?"„Ms. Parker, ich hab solche Angst und das Gefühl davon aufgefressen zu werden. Ich möchte weglaufen, doch es ist egal wohin ich gehe."Sie bricht ab, eine Tränenflut schießt in ihr hoch. „Debbie, .. Debbie bist du noch da?"Ms. Parker schreit fast in den Hörer. „Debbie hör zu, Jarod wird jetzt mit dir reden und ich mache mich auf den Weg zu dir. Hörst du, ich komme jetzt sofort zu dir. Bitte rede weiter mit Jarod, ja?" „Ich versuche es."ist die leise Antwort. Ms. Parker reicht Jarod den Hörer und zieht sich rasch etwas an. „Hier ist Jarod. Debbie, bitte leg nicht auf. Wenn du nicht reden kannst, macht das nichts, aber leg nicht auf, hör mir einfach zu, okay?"Ein zitterndes „Ja"kommt als Antwort.
„Ich fahre jetzt los, Debbie. Es dauert nur noch ein paar Minuten, dann bin ich bei dir."ruft Ms. Parker laut und weg ist sie. Jarod hört am Telefon Debbies Weinen. Er zermatert sich den Kopf und fängt dann an sich in sie hinein zu versetzen. Er fühlt ihre Angst, als wäre es seine eigene. „Debbie, ich kann deine Angst fühlen. Hörst du mich?"„Ja."„Gut, hör mir zu: Du hast Angst vor dem Prozeß heute, nicht wahr?"„Ja, ich ..."Sie bricht ab. „Ganz ruhig, Debbie, hör mir nur zu, du mußt nichts sagen, nichts erklären. Du hast dem Mann nie wieder gegenüber gestanden, seit damals und du hast Angst wieder hilflos und wehrlos zu sein. Vielleicht zu erstarren und nichts tun zu können. Aber Debbie, du bist diesmal nicht allein dort. Wenn du willst, gehen wir alle mit dir. Dieses Mal mußt du das nicht allein durchstehen. Weißt du noch, wie froh du warst, als der Typ gefaßt wurde? Sam hat ihn wochenlang beobachtet, obwohl Ms. Parker ihn am liebsten sofort umgebracht hätte."Er hört Debbie leise lachen und lächelt selbst bei der Erinnerung. „Als er sich wieder ein Mädchen ausgeguckt hatte, war die Polizei dann rechtzeitig da und hat ihn auf frischer Tat ertappt. Deshalb steht heute nicht nur dein Wort gegen seins, sondern auch das von Sam, der Polizei und dem anderen Mädchen. Debbie, du bist nicht allein. Wir werden heute da sein und auch immer, wenn du uns brauchst!"Sie atmet zitternd laut durch. „Ich habe trotzdem solche Angst, Jarod. Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe."Sie fängt leise an zu weinen. „Ist okay, Debbie, wein ruhig, dräng die Tränen nicht weg. Du darfst Angst haben. Es wäre fast ein Wunder, wenn das nicht so wäre. Wein ruhig, laß die Tränen raus."
Er hört ihr Weinen und dann den leisen Aufschrei „Oh, Ms. Parker."Er bleibt weiter am Telefon. „Jarod?"„Ja, ich bin hier."„Ist okay, jetzt bin ich hier. Hat sie dir gesagt, worum es geht?"„Ja, sie hat fürchterliche Angst vor dem Prozeß, vor der Gegenüberstellung."„Das dachte ich mir schon. Kommst du nachher rüber und holst uns ab?"„Mache ich, bis gleich. Soll ich dir noch was Anderes zum Anziehen mitbringen?"
Sie schaut an sich herunter, Jogginghose und T-Shirt und lacht laut los. „Ja, bring mir das blaue Kostüm und das weiße Hemd mit, bitte."„Gut, bis nachher."
Er legt auf und macht sich dann langsam fertig, nimmt ihre Kleidung mit und fährt los, mit einem Abstecher zum Bäcker. Dort angekommen trifft er Broots.
„Hallo Broots."Oh, Jarod, hallo."„Was machst du hier Broots? Wieso bist du nicht zu Hause?" Broots schaut ihn verdutzt an. „Ich war einkaufen und wollte etwas Besonderes zum Frühstück mitbringen. Debbie schläft doch um diese Zeit immer noch." „Diesmal nicht, Broots. Sie hatte eine Panikattacke, aber Ms. Parker ist jetzt bei ihr, keine Sorge."„Scheiße, wir hatten gestern abend noch darüber gesprochen. Sie hatte selber noch gesagt, wie sehr sie sich über frische Bagels freuen würde. So ein Mist. Sie schien ganz ruhig und sicher gestern abend, sonst wäre ich doch nicht gefahren, Jarod. Ich muß sofort nach Hause."sagt er und rennt los. Jarod hält ihn am Arm fest.
„Ganz ruhig, Broots, jetzt atme erst mal durch und komm wieder zu dir. Los ein, aus, ein, aus .. ."Sie atmen gemeinsam, bis die Angst sich legt. „Komm Broots, du bist viel zu nervös um zu fahren. Wir packen die Sachen um in meinen Wagen und du fährst mit mir. Na los."Sie packen die Taschen um und fahren los.
„Broots, atme und beruhig dich wieder. Ich denke, es ist alles okay, bis wir dort sind. Entschuldige den Anraunzer vorhin; ich war auch ziemlich erschrocken über den Anruf und habe mich so hilflos gefühlt. Aber Debbie hat doch super reagiert. Du warst nicht da doch sie hat sich Hilfe geholt. Ist doch toll! Sie hat sich nicht in ihrem Bett verkrochen und die Angst ausgehalten; das ist ein Riesenschritt. Ruhig jetzt, wir sind gleich da!"Er hält an, Broots springt sofort aus dem Wagen und rennt ins Haus. Die beiden Frauen sitzen auf dem Sofa. Ms. Parker hält Debbie fest umschlungen. Beide zucken zusammen als er hineingestürmt kommt.
„Broots!" Ms. Parker schreit ihn an „sind sie verrückt geworden, hier so rein zu stürmen?"Sie atmet erleichtert aus „Pppuuuhh"Sie schaut zu Debbie, die sich genauso erschrocken hat und jetzt noch mehr zittert als vorher. Ms. Parker setzt sich wieder zu ihr. Sie war ganz instinktiv und aufgesprungen, bereit Debbie gegen jeden zu verteidigen.
Sie zieht Debbie zu sich heran und nimmt sie auf den Schoß. Die klammert sich an sie, wie eine Ertrinkende. „Ganz ruhig, Debbie. Komm, Schatz, atme noch mal mit mir. Ein, aus, ein, aus, ein, aus" Ganz leise und monoton gibt sie den Rhythmus vor, bis Debbie sich wieder beruhigt hat. Auch das Zittern hat jetzt nachge-lassen. Sie streicht dem Mädchen beruhigend über den Kopf. „Ist ja alles gut. Wir sind jetzt alle hier. Schau dein Dad ist hier, Jarod und ich. Wir bleiben ganz in deiner Nähe, versprochen!"
„Und da kommt auch Sydney. Er bringt Sam mit"sagt Jarod, der den Wagen vorfahren hört. „Hallo Syd, Sam! Ihr kommt gerade rechtzeitig. Debbie wie wäre es, wenn wir jetzt mal einen Kreis um dich bilden? Wir stellen uns alle um dich herum, dann kann keiner, absolut niemand an dich herankommen. Was meinst du?" Jarod schaut sie fragend an. Debbie schaut von einem zum anderen und nickt dann langsam. „Das wäre toll. Aber ich möchte, daß du weiterhin meine Hand festhältst, Ms. Parker."„Na klar, komm her!"antwortet die. Sie stehen beide auf und stellen sich in die Mitte des Kreises.
„Könnt ihr noch etwas näher rankommen?"fragt Debbie. Jeder macht noch 1 Schritt näher heran. „Oh, das ist ein gutes Gefühl. Jetzt geht es mir wirklich schon besser. Können wir nicht so ins Gericht gehen, nachher?"„Na klar"antworten ihr alle. Nur Ms. Parker zögert einen kurzen Moment, was aber nur Jarod wahrnimmt. Sie schauen sich an.
„Ich muß noch mal kurz ans Auto, wegen deiner Sachen, Parker."Er geht hinaus. Ms. Parker schaut Debbie fragend an „Alles okay jetzt? Darf ich mich jetzt eben anziehen?"„Ja danke, daß du so schnell gekommen bist. Ich wußte nicht mehr wohin mit dieser Angst."Sie geht zu ihrem Vater, der sie liebevoll in die Arme nimmt. Jarod kommt mit den Sachen zurück ins Haus, als ihn Ms. Parker sofort mit ins Bad zieht. Die Tür fällt hinter den beiden ins Schloß.
„Halt mich einen Moment fest, Jarod. Bitte halt mich fest. Der Kreis vorhin war so fürchterlich eng. Mir ist fast die Luft weggeblieben. Doch ich werde es gleich für Debbie noch mal schaffen. Kannst du dann in meinem Sichtfeld bleiben, oder auch meine Hand halten? Ich hatte das Gefühl von Nicht-Mehr-Wegkönnen, von Eingeschlossen-Sein."„Sei ganz ruhig, Parker, atme, komm. Ich bleibe gleich ganz nah bei dir, keine Angst. Schau mich an, wenn wir dort reingehen, ich bin bei dir, okay?"Langsam hört sie auf zu zittern. „Ja, bleib bei mir, nachher! Ich brauche dich!"Er hält sie einen Moment fest, bis sie sich wieder fängt, gibt ihr dann einen Kuß auf die Nase und sagt „Und jetzt mach dich fertig. Ich kümmere mich um´s Frühstück."Sie erwischt ihn gerade noch am Ärmel, bevor er draußen ist, und gibt ihm auch einen Kuß. „So und jetzt raus mit dir!"
Lächelnd geht er ins Wohnzimmer. Debbie sitzt wieder bei Broots auf dem Schoß, schaut immer noch ängstlich drein, doch sie ist jetzt viel ruhiger. „Na, Sam? Wie wär´s? Helfen sie mir beim Frühstück machen?"fragt Jarod und fügt dann hinzu „oder magst du mir helfen Debbie?"Die schüttelt den Kopf. „Nein, ich möchte hier sitzen bleiben."„Also Sam?"Der springt auf und folgt Jarod in die Küche. „Ich weiß ja nicht, was vorhin los war, aber sie ist jetzt ruhiger. Der Beschützer-Kreis war anscheinend genau richtig. Ich weiß gar nicht, wie sie und auch Ms. Parker damit leben können?"Er schaut Jarod fragend an. „Manchmal weiß ich es auch nicht, doch sie tun es und viele andere Frauen auch. Sam, es war gut, wie sie den Kerl beobachtet und dann zur Strecke gebracht haben. Heute kommt es noch mal sehr auf sie an. Erwachsene glauben fast immer eher einem anderen Erwachsenen als einem Kind, leider. Sie braucht sie! Und Ms. Parker auch. Sie hat vor kurzem gesagt es sei so erholsam, wenn sie da sind, weil sie nicht dieses Begehren ausstrahlen, das sie sonst bei fast allen Männern spürt."
Sam hüstelt nervös und ist jetzt sehr befangen „Jarod, ich gestehe ihnen was, aber sie dürfen es bitte nicht weiter erzählen."Jarod nickt. „Ich finde sie super attraktiv, aber sie hat recht, denn ich bin schwul. Außerdem weiß ich genau,wo meine Grenzen sind."Die Männder lächeln sich an. „Tja, ich dachte mir schon so etwas. Keine Angst, ich werde es nicht verraten. Lassen sie uns jetzt die Sachen reintragen."
Auf einem kleinen Torty ist eine brennene Kerz, die Jarod vor Debbie hinstellt. „Für mich? Ich habe doch heute gar nicht Geburtstag."Sie schaut ihn fragend an. „Nein, aber es ist für dich ein sehr wichtiger Tag und du sollst einfach sehen, daß wir bei dir sind und dich sehr lieb haben."Im selben Moment kommt Ms. Parker aus dem Bad zurück, setzt sich neben Debbie und schaut sie an. „Du bist uns allen sehr, sehr wichtig. Und ... ich habe dich sehr, sehr lieb. – Obwohl ich auch mal gerne so ein Torty kriegen würde."Alle lachen laut los.
Sam geht noch mal in die Küche. „Voilà, noch ein Torty für sie."Sie ist völlig gerührt „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Danke, Sam."Die beiden Frauen blasen die Kerze aus und wünschen sich was. Dann fangen alle an zu frühstücken. Es wird geflachst und miteinander gelacht. Debbie ißt nur ihr Torty und hört dann auf. „Ich habe keinen Hunger. Vielleicht hinterher."Jarod steckt eine Banane in seine Tasche, für alle Fälle. „Der Prozeß hängt mir quer im Magen, ist wie ein Bleigewicht. Ich würde so gerne mit euch lachen können."
Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sydney legt seine Hand offen auf den Tisch, kurz vor ihren Platz, sodaß sie ihre Hand nur hinein legen muß und sagt zu ihr „Was macht dir die meiste Angst?"Sie überlegt einen Moment „Ich habe solche Angst wieder zu erstarren, nichts sagen oder tun zu können gegen ihn. Und daß er deswegen wieder frei kommt. Ich habe Angst, daß ich zerbreche, wenn er mich ansieht, auseinander fliege und nur noch Trümmer übrig bleiben."
Ms. Parker schluckt den Kloß, der ihr bei diesen Worten im Hals stecken bleibt, hinunter und fragt dann „Debbie, ist uns beiden nicht all das genauso schon passiert? Ist dein und auch mein Leben nicht schon völlig aus den Angeln geraten und suchen wir beide nicht all die Teile wieder und setzen sie neu zusammen?"Jarod stellt sicht hinter Ms. Parker und legt ihr seine Hände auf die Schultern. Sie schaut kurz zu ihm auf. „Ja, du hast recht,"sagt Debbie „aber ich habe Angst, wieder in Trümmern zu liegen am Ende des Prozesses. Ich weiß nicht, ob ich noch einen Neuanfang packe"Sie greift nun rüber zu Sydney´s Hand und legt ihre kleine in seine große. Er hält sie vorsichtig fest, streichelt ganz sanft und leicht und schaut Debbie dabei offen an.
„Wie können wir dir helfen?"fragt er. „Könnt ihr bitte drinnen sein, wenn möglich?"Syd und Jarod nicken. „Wir sind da, Debbie. Die anderen müssen leider draußen bleiben, da du vermutlich als 1. vernommen wirst. Aber wir beide sind da, versprochen. Und wir bringen dich auch in einem Kreis – beschützt – da rein, wenn du willst. Brauchst du sonst noch was?"
Sie entzieht Sydney die Hand wieder und geht zu Ms. Parker, die sie auf ihren Schoß zieht und festhält. „Ist ja gut, meine Kleine."Sie hält sie nur einfach fest, streichelt langsam ihren Rücken, den Kopf und wiegt sie leicht hin und her. Ganz langsam entspannt sie sich. Debbies Kopf sinkt auf Ms. Parkers Schulter.
Plötzlich klingelt das Telefon. Broots springt auf und meldet sich. Er geht mit dem Hörer ins Schlafzimmer. Nach einigen wenigen Minuten kommt er zurück. „Das war der Staatsanwalt. Es geht los, wir sollen in 30 Minuten im Gericht sein. Da ist aber noch etwas."Er schaut Jarod und Ms. Parker nacheinander langsam und unsicher an.
„Was, Broots?"fragt Ms. Parker ungeduldig. „Der Colonel, der Mann, der sie vergewaltigt hat, ist ausgebrochen. Die Spuren führen hierher. Er kann jede Minute hier auftauchen. Er soll einem Mitgefangenen immer wieder gesagt haben „Das 1. was ich tun werde, ist diese Schlampe ordentlich bumsen und dann töten!"
„Oh, Gott,!"Sydney schaut sie beide erschrocken an. „Ich laß mich davon jetzt nicht beeinflussen. Jetzt ist erst mal der Prozeß und wir müssen um dich, mein Schatz, kümmern. Mach dir keine Sorgen, Debbie. Erst einmal sind wir jetzt so viele, das wird ihn abhalten, das feige Schwein. Er wird mich sicher nicht angreifen, wenn wir zu so vielen auftauchen. Na komm, Debbie."Ms. Parker nimmt das Mädchen noch einmal in den Arm und dann ihre Hand. „Bist du bereit?"Die nickt. „Na los, ihr anderen, steht nicht dumm herum. Wir nehmen Debbie in die Mitte, so wie vorhin. Jarod, bleibst du bitte hier nahe bei mir und hältst meine andere Hand?"Der nimmt Parkers Hand und alle zusammen schließen den Kreis.
Diesmal bleibt die Angst draußen, bei den Männern. Man sieht ihnen an, daß sie sich Gedanken machen. Doch sie schirmen vor allem Debbie gut ab, als sie das Gericht betreten. Der Staatsanwalt wartet bereits. Er schaut Debbie ernst an.
„Bist du bereit, Debbie? Meinst du, du schaffst es?"Sie blickt ihn an, „Ja, jetzt bin ich so weit."Sie schmiegt sich noch mal kurz an Ms. Parker und an Broots an und geht dann gefolgt von Jarod und Sydney in den Verhandlungssaal. An der Tür dreht sich Jarod noch mal um und sucht Ms. Parkers Blick. Einen Moment nur tauchen ihre Blicke ineinander, doch dieser kurze Moment hilft ihnen beiden. Er geht hinein, die 3 anderen setzen sich.
Broots springt sofort wieder auf. „Ich kann nicht ruhig hier sitzen, ich sollte jetzt bei ihr sein."Er rennt nervös auf und ab. In diesem Augenblick kommt eine Gruppe von Frauen den Gang entlang. Sie steuern direkt auf den Saal zu, in dem Debbies Verhandlung ist.
„Hallo, ihr! Das ist ja Klasse. Debbie wird sich bestimmt riesig freuen und ich bin heilfroh, daß ihr hier seid. Geht bitte rasch hinein und helft ihr mit eurer Gegenwart."Eine der Frauen umarmt Ms. Parker. „Wir sind auch für dich hier, okay?"Damit verschwinden die Frauen in dem Saal. „Das waren die Frauen aus der Selbsthilfegruppe."erklärt Ms. Parker den beiden verdutzten Männern. „Broots setzen sie sich hin. Sie machen mich ganz nervös Los, setzen!"Sam lächelt ganz breit „Das klingt doch schon wieder ganz nach ihnen, Ms. Parker, wie schön."Ms. Parker stutzt einen Moment und dann lachen alle 3 los. „Wie es ihr jetzt wohl ergeht?"Jeder ist mit seinen Gedanken bei Debbie.
Die hat sich zuerst auf die Wartebank gesetzt und hält den Blickkontakt zu Jarod und Sydney. Als der Täter reingeführt wird, reißt sie vor Schreck den Mund weit auf und stöhnt laut auf. Sydney stellt sich zu ihr und sagt ganz leise „Atme Debbie, komm ist ja gut. Er kann dir nichts tun. Atme ein, aus, ein, aus, ein, aus"ganz ruhig und gleichmäßig sagt er ihr den Takt an. Nach und nach beruhigt sie sich und versucht so gleichmäßig weiter zu atmen. Als der Richter eintritt, beginnt die Verhandlung endlich.
Der Staatsanwalt ruft sie auf, sie geht zu dem Zeugenstand, schwört die Wahrheit zu sagen und setzt sich. Der Staatsanwalt stellt sich immer wieder zwischen Debbie und den Angeklagten und fängt mit Fragen zu ihrer Person an. Dann tastet er sich behutsam an die Vorkommnisse vor 1 Jahr heran. Debbie schaut immer wieder zu Jarod oder Sydney.
Sie jubelt innerlich als die anderen Frauen hereinkommen. Das gibt ihr viel, viel Kraft. Sie erzählt mit leiser, manchmal zitternder Stimme, stockend und weinend, was damals passiert ist. Anschließend nimmt der Verteidiger sie ins Kreuzverhör. Er versucht sie zu verunsichern; immer wieder bringt er an, daß sie den Mann nicht zurück gewiesen hat, und daß sie sich nicht gewehrt hat. Sie bricht in Tränen aus, sagt aber dann, daß sie erstarrt ist und Angst um ihr Leben hatte. Immer wieder sucht sie den Blickkontakt zu den anderen.
Ein bestätigendes oder aufmunterndes Lächeln oder Kopfnicken helfen ihr ungemein. Irgendwie schafft sie es all den Angriffen zu trotzen. Nach über 1 h kann sie den Zeugenstand verlassen. Mit zitternden Knien geht sie zu den Frauen, die sie sofort umringen.
Nachdem der Prozeß für eine Pause unterbrochen wird, bringen die Frauen sie nach draußen. Sie sackt fast zusammen, als Ms. Parker sie in den Arm nimmt. Die Männer bleiben etwas abseits stehen und unterhalten sich. Auch der Staatsanwalt steht bei ihnen und bestätigt den guten Eindruck, den Jarod und Sydney haben.
„Debbie, das war sehr gut. Da kommt er nicht mehr raus. Du hast es geschafft!" sagt er dann auch zu ihr. Der Verteidiger nimmt ihn beiseite, sie schließen einen Deal. 5 Jahre ohne Bewährung mit der Auflage sich hinterher regelmäßig zu melden. Aber Verurteilung wegen sexuellem Mißbrauch nicht wegen Vergewaltigung. Ms. Parker ist völlig empört darüber und diskutiert mit dem Staatsanwalt. Debbie geht zu ihnen und sagt „Ist okay, Ms. Parker. Hauptsache er geht überhaupt in den Knast. Kannst du mich jetzt bitte einfach nur festhalten? Ich ...."
Sie sackt zusammen. Doch bevor sie auf dem Boden aufschlägt hat Ms. Parker sie aufgefangen. „Debbie!"Sie legt sie vorsichtig auf die Bank. Sie ist nicht bewußtlos, aber völlig fertig. Jarod holt die Banane aus der Tasche. „Debbie, du mußt was essen. Beiß ein Stück von der Banane ab. Das wird dir helfen."Nachdem sie ein paar Bissen genommen hat, trägt Jarod sie zum Wagen. Ms. Parker nimmt ihren Kopf in ihren Schoß, und setzt sich auf die Rückbank mit ihr. Als Debbie hoch schaut und in das besorgte Gesicht sieht, fühlt sie sich an diesem Tag endlich wieder geborgen und sicher.
„Du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt, Debbie. Fühlst du dich besser?"Ms. Parker streichelt ihr Gesicht und läßt eine Hand an ihrer Wange liegen. Sie beugt sich runter, gibt dem Mädchen einen Kuß und flüstert ihr zu „Ich liebe dich!"Trotz des Gefühls einer Faust in ihrem Magen sagt sie ihr dies, spürt aber dann, das es stimmt. Sie kann sogar Debbies Antwort „Ich liebe dich auch, Ms. Parker!"annehmen - zwar mit etwas Angst, aber es dringt tatsächlich in ihr Herz vor, um das sie sonst immer den Eispanzer gelegt hat. Beide sind völlig in der Intensität gefangen, die sie plötzlich umgibt. „Bleib ruhig noch etwas liegen. Ich habe dich gerne so nahe bei mir."Debbie richtet sich nur kurz auf, um ihr einen Kuß zu geben und legt sich dann wieder zurück, und genießt die Umarmung. Jarod beobachtet die beiden im Rückspiegel. Broots, der vorne neben ihm sitzt, dreht sich um und lächelt über das Bild, das sich ihm bietet.
Im Wagen hinter ihnen sind Sydney und Sam. „Syd, meinen sie nicht auch der Staatsanwalt hat zu früh aufgegeben? Eigentlich hatte er doch alle Trümpfe in der Hand, vor allem nachdem Debbies Aussage so gut gelaufen!"„Tja, es ist immer ein Risiko, ein Sexualverbrechen vor Gericht ist manchmal wie ein Lotto-Spiel. Aber ja, ich finde auch, er hätte weitermachen sollen. 5 Jahre ... das ist doch gar nichts. Debbie wird ihr Leben damit verbringen dies zu bewältigen, und ihr ganzes Umfeld mit ihr."
„Meinen sie, daß die beiden jemals darüber hinwegkommen? Ich meine wirklich? Äußerlich scheint alles wieder okay zu sein. Doch wenn ich Debbies Angst von heute morgen sehe, was meinen sie, Syd?"„Das Äußerliche täuscht oft gewaltig. Sehen sie sich nur Ms. Parker an. Sie schien nichts mehr aus der Bahn werfen zu können. Doch die Umstände des Todes ihrer Mutter, die Vergewaltigung. Sie hat nach der Vergewaltigung ja auch weiter gemacht, doch es ist mehr ein Funktionieren gewesen. Sie war immerhin schon erwachsen als es geschah, und hat dennoch so sehr darunter zu leiden. Jetzt steht ihr Erwachsen-Sein ihr im Weg, weil man sich als Erwachsene doch nicht so ´kindisch´ verhält. Und sich so schwach und klein zu zeigen ist etwas, was sie seit Jahrzehnten nicht getan hat. Nicht mehr, seit ihre Mutter tot ist. Manchmal wäre es einfacher, wenn es ihr auch so früh wie Debbie passiert wäre. Die hat jetzt den Vorteil, sofort darüber reden zu können, ja sogar zu müssen. Sie mußte es nicht verstecken oder gar verdrängen.
Frauen, die so etwas als Kinder erlebt haben und es verdrängen mußten, weil niemand da war, der geholfen hätte, leiden immer auch an der Zerrissenheit ihrer Gefühle, dem verletzten Kind und dem erwachsenen Teil.
Es ist für jeden schwer die Macht eines anderen und die eigene Machtlosigkeit zu erleben, auszuhalten; es dauert einfach sehr lange. Aber enden, wirklich ganz überwinden? Nein, ich glaube nicht, daß das geht. Sie werden lernen besser und schneller wieder aus den ´Erinnerungs´-Situationen heraus zu kommen, nicht mehr Wochen oder Monate in einem Tief zu stecken. Aber sie werden es nie vergessen und es bleibt ein Teil ihres Lebens, mit dem sie mal mehr, mal weniger zu kämpfen haben."
Die beiden Männer schauen sich kurz an, dann wieder nach vorne. Einen Moment herrscht Schweigen. „Wir können nur immer wieder versuchen zu helfen, da zu sein, sie nicht bedrängen."Sam nickt „Dann lassen sie uns genau dies tun, Sydney."
Beide Wagen fahren hintereinander in die Einfahrt von Broots Haus. Jarod öffnet die hintere Tür und fragt Debbie „Soll ich dich tragen oder kannst du laufen?"Die richtet sich auf, schaut Jarod und ihren Vater an und bittet sie schon mal ins Haus zu gehen. „Ich möchte noch kurz mit Ms. Parker allein reden."„Ist gut, komm Jarod."antwortet ihr Vater. Die Männer verschwinden alle im Haus.
Debbie setzt sich neben Ms. Parker und nimmt ihre Hand. „Wie geht es dir jetzt, Ms. Parker?"Die ist völlig erstaunt, hatte etwas ganz anderes erwartet. „Ich weiß nicht genau. Ich bin wütend über den Deal, froh, daß es so schnell zu Ende ging, geschockt von der Tiefe meiner Gefühle für dich, ängstlich und äußerst mißtrauisch. Ich mache mir Gedanken und Sorgen um dich, manchmal auch um mich selbst."
In dem Moment wird die Tür aufgerissen und ein Arm zerrt Debbie aus dem Auto.
