Title – Im Tal der Tränen
Author - ParkersCamp
Rating – PG13

Teil V

Unterwegs zu Ben

Beim ersten Stop ruft sie Broots an, ohne daß Jarod es mitkriegt. „Broots, sie müssen uns helfen. Versuchen sie über Angelo Kontakt zu Jarods Vater zu bekommen. Wir müssen seine Familie endlich finden und zusammen bringen. Ich ." Er unterbricht sie „Wir schulden es ihm." „Ja, Broots. Sehen sie zu, was sie tun können. Geben sie Debbie einen Kuß von mir, ja? Ich bin jederzeit für sie da. Sagen sie ihr das bitte." „Mach ich, Ms. Parker." „Ich melde mich, Broots." Mit einem Lächeln legt sie auf und geht zum Auto zurück. Dort nimmt sie spontan Jarod in die Arme und gibt ihm einen Kuß auf die Nase. „Hey, was ist los?" „Nichts, ich freu mich einfach so." „Na dann, es ist jetzt nur noch eine halbe Stunde. „Jarod, ich bin so nervös. Was, wenn wir uns irren?" „Dann suchen wir weiter, Callie. Aber laß uns erst mal abwarten." Er legt ihr seine Hand auf den Oberschenkel, was ihr schon hilft sich zu beruhigen.

In der Einfahrt zu Bens Haus stellt er den Motor ab, schaut sie an und nimmt ihre Hand. „Callie, komm. Ich bin hier bei dir und bleibe, egal was da drin passiert." Sie schaut ihn lange an, spürt seinen Beistand. Sie atmet tief durch und steigt dann aus. Langsam gehen sie Hand-in-Hand zur Tür. „Bereit?" fragt Jarod. Sie nickt langsam und drückt seine Hand etwas fester, als er klingelt. Die Tür öffnet sich und Ben schaut völlig überrascht von einem zum anderen. „Jarod, Ms. Parker! Was macht ihr denn hier und dann auch noch zusammen?" „Dürfen wir reinkommen, Ben?" fragt Jarod. „Na klar doch. Kommt rein. Setzt euch. Möchtet ihr etwas zu trinken? Ich habe gerade Kaffee gekocht." Er bricht ab, als er bemerkt, wie intensiv Ms. Parker ihn ansieht. „Was ist los?" fragt er verwirrt.

„Ben, es ist etwas geschehen, das Ms. Parkers ganze Vergangenheit in Zweifel zieht. Sie müssen ihr helfen die Wahrheit ans Licht zu bringen." „Sind sie, bist du mein Vater?" unterbricht sie voller Ungeduld und voller Angst. Langsam dreht sich Ben zu ihr, schaut erst sie an, dann Jarod. „Ich weiß es nicht, Ms. Parker. Sie, Catherine, hat es mir nie gesagt. Doch ich wünsche mir oft, es wäre so. Ich habe ihre Mutter sehr geliebt und ich fühle mich ihnen ganz eigentümlich nahe, wenn sie hier sind, Ms. Parker. Aber mit Sicherheit sagen kann ich es nicht. Das Einzige, was ich ihnen sagen kann, ist, wir haben in jenem Jahr einige Male und sehr liebevoll miteinander geschlafen." Er nimmt ihre Hand und schaut sie nun seinerseits lange und intensiv an. „Wenn es für sie, für dich wichtig ist, laß uns einen Vaterschaftstest machen. Doch ich wäre gerne auch unabhängig vom Ergebnis für dich da, wie ein Vater. Ich ..." Sie schluchzt laut auf, worauf Ben sie in seine Arme zieht. Er hält sie fest an sich gedrückt und sagt ihr immer wieder „Ich habe dich sehr lieb."

Jarod geht ans Fenster und schaut in die Ferne ohne wirklich etwas zu sehen. Ihm stehen die Tränen in den Augen, als er sich ihnen wieder zuwendet und weiter zuhört. „Ben, ich muß es wissen. Obwohl es für mich wie Heimkommen ist, wenn ich hier bin. Ich wäre so gerne deine Tochter. Bei dir fühle ich mich wohler und mehr geliebt, als von .."Sie stockt, fährt dann fort „von Mr. Parker." Ben lächelt sie an, hebt mit einem Finger ihr Kinn und schaut ihr direkt in die Augen. „Bist du sicher, daß du das Ergebnis brauchst? Was sagt sie denn?" Er deutet auf das Bild ihrer Mutter. „Sie ist in dir, ist in deinem Herzen, Callie." „Du kennst sogar meinen Vornamen." Mit großen Augen guckt sie ihn an und tief in sich gekehrt horcht sie einen Moment in sich hinein. Als sie den Kopf wieder hebt, haben sich beide Männer nicht einen Zentimeter bewegt. Sie blickt von einem zum anderen. „Ich möchte ihr so gerne glauben. Sie sagt, daß du mein Vater bist." Sie bricht ab, setzt sich auf einen Stuhl und fragt immer wieder „Doch ich habe Angst ihr und mir zu vertrauen."

Jarod will spontan zu ihr gehen, doch Ben hält ihn zurück. „Laß mich, bitte." Sie schauen sich an, Jarod spürt, wie wichtig es für Ben ist und nickt. Er geht wieder ans Fenster. Ben zieht sich einen anderen Stuhl heran und setzt sich ihr gegenüber hin. „Callie ich weiß genau, wie schwer es ist zu vertrauen. Auch ich habe immer wieder Zweifel. Und du? Woher solltest du wissen, was Vertrauen ist?" Er sieht sie lange an. Als sie ganz langsam den Blick hebt, muß er bei der Intensität und dem Schmerz darin schwer schlucken.

„Es war doch niemand mehr da, nach ihrem Tod. Niemand, der dir geholfen hat, niemand, der dich einfach so geliebt hat, wie du warst. Deine Beziehung mit Jarod damals war gut, aber du hättest einen einfühlsamen, liebevollen Erwachsenen gebraucht. Wie und vor allem wem solltest du denn vertrauen, außer dir selber? Ich habe mich nicht getraut, dich da heraus zu holen. Obwohl Catherine aus meinem Herzen immer wieder gesagt hat, daß du allein bist und du meine Tochter bist. Du solltest das wissen, bevor du dich entscheidest. Ich war ein Feigling. Deshalb habe ich dir auch nichts gesagt, als wir uns dann endlich kennenlernten. Ich habe mich so sehr gefreut, als du damals kamest und wir uns so gut verstanden haben. Doch ich bin vor dem Centre, vor deren Macht immer weggelaufen oder habe weggeschaut. Ich habe weder deiner Mutter noch dir geholfen." Sie sieht ihn an und sagt „Dann wärst du sicherlich jetzt auch tot. Sie haben alles und jeden getötet, der ihnen im Weg war. Daher bin ich zwar nicht total happy, aber ich kann verstehen, warum du nicht gekommen bist."

Sie legt eine Hand an seine Wange. „Ben, ich weiß, du hast Angst. Die habe ich auch. Vor allem nach dem, was ich jetzt alles erinnere. Ich brauche jetzt dringend einen Vater, einen richtigen Vater. Bitte sei jetzt für mich da. Hilf mir, mit Jarod zusammen, mit den schrecklichen Dingen fertig zu werden. Ich..." Sie bricht ab, weil ein Kloß im Hals ihr das Weiterreden unmöglich macht. Gleichzeitig wird sie weiß wie ein Laken

Ben legt eine Hand auf ihre Hand, die noch immer an seiner Wange liegt. Er nimmt die Hand, gibt ihr einen Kuß und sagt „Callie, ich bin jetzt da. Bitte erzähl mir, was passiert ist. Ich will dir helfen, euch beiden." Er blickt zu Jarod rüber, der sich jetzt umgedreht und gespannt auf Bens Antwort gewartet hatte. Die beiden Männer nicken sich zu. Ms. Parker will aufspringen und Ben umarmen, doch ihre Beine knicken weg. Sie bricht zusammen, aber Ben fängt sie auf, bevor sie auf den Boden aufschlägt. „Callie, schau mich an. Callie, bitte!" Keine Reaktion. Jarod hilft ihm sie zur Couch zu bringen. Vorsichtig legen sie sie hin. Sie ist nicht ansprechbar, all die Vorkommnisse und Erinnerungen fordern ihren Tribut. Ben holt eine Decke und legt sie ihr über.

„Jarod, erzähl du mir, was geschehen ist. Wie kann ich ihr helfen?" Er setzt sich an ihre Seite, und wartet auf Jarods Antwort. Der läuft auf und ab, während er Ben alles erzählt. Ben wird immer blasser, je mehr er hört. Er nimmt zwischendurch Ms. Parkers Hand, als diese unruhig wird. Sie spürt seine Nähe und beruhigt sich sofort. Als Jarod von Raines und Mr. Parkers Schurkentat angekommen ist, springt auch Ben auf. „Oh Gott, Jarod. Wie konnten die ihr so was antun? Und wie ..." Er unterbricht sich, weil Ms. Parker wieder ganz unruhig wird. Er setzt sich zu ihr, nimmt ihre Hand und sagt ihr leise „Es ist alles gut, Callie. Wir sind beide hier, Jarod und ich. Schlaf weiter." Daraufhin beruhigt sie sich wirklich wieder und schläft ganz ruhig weiter. „Jarod lächelt. „Was das Unterbewußtsein alles so mitkriegt? - Wo waren wir Ben?" „Bei der Vergewaltigung als sie noch ein Kind war." antwortet er gepreßt. „Warum ist damals niemand für sie dagewesen? Was war mit dem Mann, der Catherine damals helfen wollte?" „Ich glaube, das war eine Falle. Sie hat einfach den falschen getraut." Jarod geht zu dem Bild von Ben und Catherine, nimmt es von der Wand und gibt es Ben in die Hand. „Catherine konnten sie nicht helfen, Ben. Aber ihr (er deutet auf Ms. Parker) , ihr können sie helfen. Und auch mir können sie helfen."

„Dir Jarod? Wie?" er schaut ihn fragend an. „Ich möchte gerne jemanden herbringen." „Sie?" Er deutet mit dem Kopf auf Ms. Parker. Jarod schüttelt den Kopf. „Nein, einen Jungen. Mich vor zwanzig Jahren." „Das verstehe ich nicht." „Raines hat mich geklont und der Junge war ihm bis vor kurzem gänzlich ausgeliefert. Callie und ich haben ihn vor kurzer Zeit gefunden, ihn befreit und meinem Vater übergeben. Doch er ist dadurch immer nur auf der Flucht, obwohl er dringend ein Zuhause braucht. Und hier können wir uns alle um ihn kümmern. Ich weiß, es ist viel verlangt. Denk in Ruhe darüber nach, jetzt ist sowieso erst mal nur Callie wichtig." „Okay, ich denke darüber nach. – Doch was kann ich für sie tun? Wie konnte sie all dies überhaupt durchstehen?"

„Ich glaube, zum Teil war es das Gefühl an all dem irgendwie selbst Schuld zu sein; dann natürlich durch das Verdrängen, aber auch durch die positive Kraft von Catherine, die in ihrem Herzen ist." „Ja, ich habe immer gedacht daran selbst Schuld gewesen zu sein." meldet sich Ms. Parker wieder zu Wort. „Callie, wie geht es dir?" fragt Jarod und kauert vor ihr. Er schaut sie sehr besorgt an. Sie zieht sein Gesicht zu sich heran und gibt ihm einen Kuß. „Jarod, es ist alles in Ordnung. Ich fühle mich nur sehr, sehr schwach und ängstlich, ausgelaugt. Wirklich, es geht mir gut. Auch weil ich endlich einen Vater gefunden habe." Unsicherheit füllt plötzlich den Raum. „Ja, ich bin hier. Dieses Mal bin ich da und helfe dir!" Mit einem Seufzer nimmt Ben sie nun in seine Arme und führt sie in das Schlafzimmer ihrer Mutter. Sie legt sich vollkommen erschöpft hin und schläft sofort tief und fest. Jarod zieht in das Zimmer nebenan. Intuitiv hat er gespürt, daß sie jetzt alleine sein muß.

Die nächsten vierzehn Tage verbringt sie im Bett. Sie steht nur auf, um auf die Toilette zu gehen. Sie ißt, was Ben oder Jarod ihr bringen und liegt ansonsten still in sich gekehrt da. Sie ist kaum ansprechbar, zuviel geht in ihrem Kopf und ihrem Herzen herum. Die beiden Männer machen sich Sorgen, doch Sydney beruhigt sie. Für ihn ist es ein gutes Zeichen, daß sie sich so verhält. „Laßt ihr Zeit." rät er ihnen. Nur ganz langsam findet sie wieder einen Teil ihrer alten Stärke zurück. Die schweren Verletzungen der letzten Zeit jedoch sieht man ihrem Gesicht noch immer deutlich an, als sie endlich aufsteht, sich anzieht und nach unten geht. Jarod und Ben springen beide auf, als sie ins Zimmer tritt. „Callie!" rufen beide , wie aus einem Mund.

„Jarod, Ben? Ihr müßt mir helfen! Ich muß etwas mit euch bereden. Ich wollte euch eigentlich nicht sofort damit überfallen, aber etwas in mir sagt, daß es sehr, sehr dringend ist. Bitte setzt euch beide zu mir." Die beiden Männer nehmen sie in ihre Mitte. „Ich möchte endgültig weg vom Centre. Aber bevor ich gehe, muß ich noch jemanden da heraus holen. Ich weiß, es ist ein großes Risiko, aber wenigstens ihn will ich retten." „Wen Callie? Wen sollen wir heraus holen?" Ben blickt sie fragend an. „Deinen kleinen Bruder, nicht wahr?" fragt Jarod. Sie nickt „Ja! Ich muß ihn retten, bevor er genauso mißbraucht wird, wie wir. Er hat noch nicht mal einen Namen. Ich bin ab und zu bei ihm gewesen, obwohl niemand zu ihm darf, außer Raines und (sie stockt) Mr. Parker. Und ich möchte mit ihm hier in der Nähe leben. Hier fühle ich mich mehr Zuhause, als sonstwo." Sie schaut abwechselnd von einem zum anderen. Ben nickt mit einem Kloß im Hals. „Okay, ich habe dich gerade erst gefunden und möchte dich micht schon wieder verlieren. Bringt ihn her."

Jarod mustert sie lange bevor er reagiert. „Okay. Wir holen ihn heraus. Aber wir müssen uns ein für allemal Ruhe verschaffen. Wir können mit dem Kind nicht ewig auf der Flucht sein. Wir müssen das Centre unter Druck setzen, damit die Jagd endlich beendet wird. Laßt uns mal schauen."

Zunächst sendet Jarod seinem Vater ein eMail und fordert ihn auf Jay zu Ben zu bringen um ihnen dann zu helfen. Es dauert einige Tage bis Major Charles mit Jay ankommen werden. Zeitgleich nimmt Jarod Kontakt mit Broots auf. Der ist gerade im Auto auf dem Weg zum Centre. „Broots, du mußt was für mich suchen oder vielleicht mit Angelo reden. Ich suche die DSA´s von der Vergewaltigung Parkers und möglichst auch die mit dem Gespräch von Raines mit Mr. Parker zu der künstlichen Befruchtung." „Was hast du vor?" „Wir wollen endlich in Ruhe irgendwo leben können, Broots. Mit den Discs schaffen wir es hoffentlich. Denn damit hätten wir ein gutes Druckmittel. Wenn ihr wollt, können wir auch Angelo, Syd, Debbie und dich heraus holen. Versuch die Aufzeichnungen zu finden und denk mal drüber nach." „Weg vom Centre? Ich träume schon lange davon, habe mich nur wegen Debbie bisher nicht getraut. Okay, ich seh zu, was ich finden kann und melde mich dann wieder."

Im Centre angekommen geht er zunächst in sein Büro und fängt systematisch an die Archive zu durchsuchen. Er findet die Aufzeichnung, in der Ms. Parker Raines in sein Labor folgt. Doch sie endet mit der ins Schloß fallenden Tür. Dennoch kopiert er diese Daten auf eine CD und geht dann ins private Archiv von Raines. Nichts! Dann versucht er es in Mr. Parkers Archiv. Nichts über die Vergewaltigung, aber er findet etwas anderes. Mit dieser Kopie macht er sich auf den Weg zu Sydneys Büro. „Hallo Syd. Gehen sie mit mir Essen?" fragt er mit leicht forderndem Gesichtsausdruck. Der reagiert sofort. „Ist es schon so spät? Oh ja, lassen sie uns gehen, Broots." Er schnappt sich seine Jacke und die beiden verlassen das Centre. Im Auto bricht Syd das Schweigen. „Was gibt es Broots? Warum mußten wir raus aus dem Centre?" Broots fährt um die nächste Ecke und hält dann dort an. „Jarod wollte, daß ich nach Aufzeichnungen über Raines Tat und die Zeit danach suche. Er will damit seine und Ms. Parkers Sicherheit erkaufen." Er greift nach hinten, holt sein Laptop nach vorne und schiebt die CD hinein. „Ich habe etwas gefunden. Schauen sie sich das an, Sydney." Wie gebannt sitzt der vor dem kleinen Bildschirm. „Damit könnte Jarods Plan funktionieren. Aber Broots, es wäre besser, wenn sie die anderen Aufzeichnungen auch finden. Wir sollten mal mit Angelo reden. Vielleicht hat er die Discs sogar irgendwo versteckt. Suchen sie im Archiv weiter, stellen sie alles auf den Kopf. Ich suche Angelo." „Okay. Aber ich schicke diese Kopie jetzt schon mal an Jarod. Hoffentlich sind die beiden nicht zu sehr geschockt davon." Sydney nickt mit düsterer Miene. „Ja, und dann lassen sie uns essen gehen."

Jarod sitzt derweil vor den Bauplänen des Centres und flucht. Sein bisheriger Fluchtweg ist mit Baby nicht machbar. Doch er findet keine andere Möglichkeit. Ms. Parker kommt gerade mit Ben zur Tür herein, beide lächelnd und bepackt von oben bis unten. Er dreht sich zu ihr um, steht ebenfalls lächelnd auf und nimmt ihr ein paar der Pakete ab. „Habt ihr den ganzen Laden leer gekauft?" fragt er schmunzelnd. „Ben konnte sich nicht entscheiden, was er ..." „Ich konnte mich nicht entscheiden? Ich glaube, du verwechselst da was, Tochter." fällt Ben ihr ins Wort. Alle drei lachen laut los. „Okay, okay, ich konnte mich nicht entscheiden." Sie stellt die Pakete ab, dreht sich zu Jarod und gibt ihm einen raschen Kuß. „Aber ich weiß ja auch nicht, was mein kleiner Bruder so mag. Also habe ich von fast allem etwas genommen." „Ja, und die wichtigsten Sachen hättest du beinahe vergessen." sagt Ben und hält die Windeln hoch. „Naja, man kann halt nicht an alles denken. Außerdem, wozu habe ich dich denn mitgenommen? – Nein, Dad, Spaß beiseite; es hat soviel Spaß gemacht mit dir einkaufen zu gehen. Danke für den schönen Morgen. Laß uns die Sachen erstmal wegstellen."

Ben geht langsam auf sie zu, nimmt ihre Hand und zieht sie behutsam in seine Arme, wo er sie ganz locker festhält. Dann gibt er ihr einen Kuß auf die Wange. „Ich danke dir, Callie!" Sie steht einen Moment wie erstarrt, doch ohne die Angst, die sonst immer da ist, sobald er sich nähert. Langsam hebt sie nun ihrerseits die Arme. Sie zieht ihn zu sich zurück und umarmt ihn für einen kurzen Moment, bevor sie schwer atmend und zitternd ein paar Schritte zurück tritt. „Ich bringe eben die Sachen in mein Zimmer." sagt sie und verläßt den Raum. Jarod und Ben schauen hinter ihr her. „Was für ein Fortschritt, Jarod. Sie ist zum ersten Mal stehen geblieben und nicht zusammengezuckt, als ich näher gekommen bin." Ein breites Lachen erscheint auf Bens Gesicht. „Ja Ben, ich freu mich auch sehr. Aber das kann auch morgen oder gleich schon wieder ganz anders sein. Dann erträgt sie vielleicht weder von mir noch von dir Berührungen. Wir müssen ihr da alle Freiheiten lassen. Bisher hatte sie keine Wahl, niemand außer Tommy hat sich jemals um ihre Bedürfnisse gekümmert. Wir müssen Geduld haben. – Ich schau mal eben, wo sie bleibt. Eigentlich müßte sie längst wieder hier sein."

Mit besorgter Miene klopft er an ihre Zimmertür. „Callie? Alles in Ordnung? Darf ich reinkommen?" Er hört ein leises „Ja" und betritt den Raum. Die Päckchen liegen noch ungeöffnet auf dem Tisch. Ms. Parker steht am Fenster, die Arme vor dem Körper verschränkt und leicht zitternd. Er bleibt ein paar Schritte entfernt von ihr stehen und fragt „Callie, was ist los?" Es dauert einen langen Moment, bis sie antwortet. „Er war so nah. Ich habe Angst vor meinem Bedürfnis jemanden zu umarmen oder zu zeigen, daß ich ihn mag." Ihre Augen sind dunkelblau geworden, voller Emotionen. „Ich habe solche Angst davor dir oder Ben zu vertrauen. Ein Teil von mir möchte geliebt und umarmt werden und all das auch zeigen dürfen. Aber ein anderer Teil hat zuviel Angst wieder verletzt zu werden." „Callie, das kann nur die Zeit heilen." antwortet ihr Jarod und fährt mit einem Grinsen fort „und die Übung. Ich mache dir ein Angebot: Hol dir, was du brauchst, Callie, einen Kuß, eine Umarmung oder auch mehr. Du ganz allein bestimmst das Tempo. Ich verspreche dir zu jeder Zeit dein Stop zu beachten. Geh bitte nicht über deine eigene Grenze nur weil du meinst, ich brauche das jetzt. Ich brauche dein Vertrauen, so wie du meines und das werden wir gemeinsam lernen, okay?" Sein jetzt unsicheres Lächeln dringt tief in ihr Herz und die Freiheit, die seine Worte ihr bieten, jagen ihr eine Gänsehaut über den Körper. Sie geht langsam auf ihn zu, legt eine Hand an sein Gesicht und sagt mit heiserer Stimme „Danke!" Sie schauen sich stumm an, er nickt nur kurz und fragt dann „Wollen wir jetzt endlich weiter auspacken?" Dabei deutet er auf die Päckchen auf dem Tisch. Sie lächeln sich an. „Ja, bringst du bitte die restlichen Sachen rein?" Er nickt, geht hinaus und schickt dann Ben mit dem Rest zu ihr, weil er die ankommende eMail bemerkt.

Er setzt sich und öffnet die Nachricht. Ms. Parker kommt allein zurück ins Zimmer, weil Ben für alle Kaffe kochen will. Sie merkt an Jarods starrer Haltung, daß etwas passiert ist. Sie tritt hinter ihn und schaut auf den Bildschirm. Sie sieht sich selbst im Labor von Raines. „Was ist das, Jarod? Das war nicht damals. Das ist viel später. Schau auf das Datum. Was haben sie mit mir gemacht?... Jarod?" Der steht rasch auf und drängt Ms. Parker sich auf seinen Platz zu setzen. Mit einem Seufzer läßt er die Aufnahme nochmal ablaufen:

Es beginnt damit, daß Raines 1985 eine tief schlafende Ms. Parker in sein Labor rollt. Er zieht ihr die Sachen aus, Hose und Slip, und hängt ihre nun nackten Beine in ein Gestell, wie es Gynäkologen benutzen. In dem Moment betritt Mr. Parker den Raum. „Nun Raines, wie geht es voran? Wann können wir den nächsten Versuch starten, einen perfekten Pretender zu erzeugen?" „In ein paar Tagen Mr. Parker. Ich entnehme ihr jetzt einige Eizellen und friere einen Teil davon ein. Den anderen Teil halte ich einer Nährlösung, bis wir Jarod´s Samen hinzugeben können. Dann müssen wir der Leihmutter diese Embryozellen einsetzen, und haben hoffentlich in neun Monaten einen neuen Pretender." „Sehr gut, Raines. Und nachher, sie wissen schon, löschen sie ihre Erinnerung an diesen Tag." Er tätschelt seiner tief schlafenden ´Tochter´ das Gesicht und sagt „Ich liebe dich, Engelchen."

Ms. Parker springt auf, rennt auf´s Klo und erbricht sich. Weinend sinkt sie dann zu Boden, wo Jarod und Ben sie finden. „Wie konnte er das tun, Jarod? Oh Gott, ich fühle mich so beschmutzt, so sehr mißbraucht. Wie konnten sie es nochmal versuchen?" Jarod zieht sie in seine Arme. „Ich weiß es nicht, Liebes. Ich kann es genausowenig fassen wie du." Er streichelt ihr langsam den Rücken, gibt ihr einen Kuß auf´s Haar. „Aber wichtiger ist jetzt, was aus dem Versuch geworden ist." Sie schaut zu ihm auf, sieht ihre Angst deutlich widergespiegelt in seinen Augen. Langsam beruhigt sie sich wieder. „Laß uns in den Hauptrechner gehen, Jarod. Ich gebe dir meine Passwörter, dann sind wir schneller. Komm." Beide rennen zu dem PC. Jarod durchsucht fieberhaft alle Archive. Ein, zwei Stunden vergehen ohne Ergebnis.

Ms. Parker geht irgendwann ins Zimmer nebenan und lehnt sich erschöpft in die Couch zurück. Sie schließt die Augen und hört immer wieder die Worte „Ich liebe dich, Engelchen!" Sie steht auf, läuft auf und ab, wie ein gefangenes Tier. Dann hält sie es nicht mehr aus. Sie zieht ihre Jacke und Schuhe an und geht hinaus. Jetzt erst strömen ihr die Tränen über´s Gesicht. Sie geht zum See hinunter und setzt sich ans Ufer, die Knie angezogen, und von den Händen umklammert. Sie wiegt sich hin und her und läßt die befreienden Tränen hinaus. „Wie konnte er das tun, Mom?" flüstert sie immer wieder. „Ich weiß es nicht, Callie, und es tut mir selber sehr weh. Aber Jarod hat Recht, ihr müßt das Kind, wenn es geklappt hat, finden." „Ja, ich weiß. Aber es tut mir trotzdem so weh." „Ja mein Schatz. Wie wäre es, wenn du deinem richtigen Vater zeigst, wie es dir geht? Vielleicht kann er dir helfen?" Mit diesem Gedanken geht sie zum Haus zurück. Ben öffnet ihr die Tür und sieht sie besorgt an. „Halt mich bitte fest, Dad. Es tut so weh." bringt sie leise hervor und bereitet sich innerlich schon auf eine Absage vor. Doch Ben zieht sie ins Haus und dort sogleich in seine Arme. Er hält sie fest an sich gedrückt. „Callie, es tut mir so leid, was sie getan haben. Wein ruhig, Schatz. Ich weiß, daß es dir sehr, sehr wehtut." Ihr Kopf sinkt auf seine Schulter und es fließen nochmals ein paar Tränchen. Er hält sie fest, bis sie sich selbst langsam zurückzieht. Lange schauen sie sich schweigend an, bis fast gleichzeitig ein Lächeln auf ihren Gesichtern erscheint.

„Ich hab´s!" ertönt plötzlich Jarods Stimme. Sofort laufen die beiden zu ihm. „Hier ist es. Vier Tage nach dem sie dir die Zellen entnommen haben." Wieder zeigen die Bilder Raines Labor. Wieder wird eine junge schlafende Frau hinein gerollt. Ihr werden die befruchteten Eizellen in die Gebärmutter eingepflanzt. Anschließend startet Jarod eine andere Aufzeichnung, sechs Wochen später. Dieselbe Frau wird wiederum betäubt ins Labor geschoben. Raines schreit seinen Assistenten an „Schnell, Mann, sonst verlieren wir das Kind." Doch nach einigen Minuten läßt er resigniert den Mundschutz fallen. Und dreht sich zur Kamera. „Beide, Frau und Kind sind tot. Bringt sie weg." Weist er seinen Assi an und geht dann hinaus.

Jarod dreht sich zu den anderen beiden um. Trauer aber auch Erleichterung zeichnen sich in allen drei Gesichtern ab. Ben spricht dann aus, was alle denken. „Gott sei Dank!" Die anderen beiden nicken zögernd. In diesem Moment klingelt Jarods Handy. „Ich bin´s Sydney. Wir haben die DSA´s von damals. Wir schicken sie euch per Kurier. Meldet euch, wenn ihr loslegen wollt." „Syd, ihr braucht sie nicht zu schicken. Callie und ich kommen in ein paar Tagen und werden dann mit all den Aufzeichnungen ins Centre gehen. Ich muß noch das Triumvirat aktivieren. Außerdem möchte ich erst noch auf meinen Vater und Jay warten, doch die müßten eigentlich jetzt jeden Tag ankommen. Ich melde mich wegen des Termins. Grüße und dickes Lob an Broots und Angelo." „Ist gut, richte ich aus. Grüße auch an Ben und Ms. Parker. Tschüß, Jarod." Jarod unterbricht die Verbindung, dreht sich um und blickt zu Ms. Parker. „Ja, ruf das Triumvirat und im Centre an und mach einen Termin in einer Woche." sagt sie ihm. „Dann haben wir es endlich hinter uns." Jarod setzt sich an seinen PC und schickt eine eMail an alle Beteiligten und macht dann einige Kopien von all den Aufzeichnungen.

Er ist fast fertig, als sich ein Wagen dem Haus nähert. „Hallo, Jarod, Ms. Parker… Wir sind da!" ruft Jay schon von draußen. Jarod stürmt nach draußen. „Wie schön!" ruft er, nimmt dann erst seinen Vater und anschließend Jay in den Arm. Ms. Parker spürt die Unsicherheit des Jungen, bleibt etwas vor ihm stehen und schaut ihn nur an. „Hi Jay. Kennst du mich noch?" Jay nickt. „Sicher, sie sind Ms. Parker, die erste, die mich je umarmt hat." Sie schaut zu den drei Männern rüber. „Welch seltsame Parallele, nicht wahr Jarod? Dir habe ich deinen ersten Kuß, Jay die ersten Umarmung gegeben." Jarod nickt ihr zu. „Wie gefällt es dir denn außerhalb des Centers, Jay?" fragt sie weiter.

„Ich bin immer noch oft ganz durcheinander. All diese Möglichkeiten, allein beim Essen. Keiner mehr, der Simulationen von mir fordert. Die Sonne, der Regen und der Wind ... es fühlt sich noch immer manchmal ganz fremd an. Die anderen Kinder lachen mich oft aus. Und wir sind halt immer wieder auf der Flucht. – Doch ich freue mich sehr sie zu sehen, Ms. Parker. Sie hatten mir damals versprochen mich da heraus zu holen und jetzt bin ich hier bei ihnen. Wir werden ihrem Bruder auch heraushelfen." Er macht langsam einen Schritt auf sie zu. Beide sehen sich lange an, bevor sie fast gleichzeitig ihre Arme öffnen. Einen kurzen Moment lang halten sie sich ganz, ganz fest. „Ich freue mich sehr, daß du hier bist Jay. Aber den Kleinen hole ich mit Jarod allein heraus. Du sollst da nicht mit reingezogen werden."

Major Charles begrüßt jetzt auch Ms. Parker. „Hallo, Parker. Wir sind mit drin, seit wir Jay befreit haben. Außerdem ist es das, was ihre Mutter und ich wollten, die Kinder retten."

Entschlossen nimmt sie Jays und Bens Hand. „Ich möchte mit meinem richtigen Vater hier, dir Jarod und meinem Bruder leben und versuchen glücklich zu werden. Ohne das Centre und dessen Horror. Ich möchte zu einer Familie gehören, wenn ihr beide – Charles und Jay – mich aufnehmen könnt. Ich liebe nämlich diesen Typen hier zufällig, und der braucht euch noch viel mehr als ich." Damit zieht sie Jarod zu sich heran, legt ihm einen Arm um den Hals und küßt ihn liebevoll. Die anderen aapplaudieren herzlich. Major Charles geht zu ihnen und sagt „Ich freue mich auf sie, ihren Bruder und vor allem aber über und für Jarod. Wir hatten bisher so wenig Zeit miteinander, und müssen auch noch nach seiner Mom und Emily suchen. Doch für einen Teil haben wir jetzt schon mal ein Zuhause. Herzlich willkommen bei uns, Ms. Parker. Und Ben, Danke. Wir werden dieses Haus absichern. Das verspreche ich euch allen."

„Ich gebe zu, ich habe fürchterliche Angst vor der Nähe in einer richtigen Familie, aber ich möchte es so gerne versuchen." Ganz gerührt schaut Ms. Parker zu Ben. „Was meinst du? Entschuldige, ich bestimme hier so einfach auch über dein Leben." „Callie, ich war so froh als ihr beiden ins Haus geschneit seid. Zumal du mich jetzt als ´Vater´ bezeichnest. Ich habe deine Mutter wirklich sehr geliebt, doch ich war damals zu feige ihr zu helfen. Jetzt bin ich da, für dich, für alle, und nicht aus einem Schuldgefühl heraus, sondern weil es sich richtig und gut anfühlt. Ich liebe dich und du machst mich sehr, sehr glücklich mit deinem Angebot. Also laßt uns die Kinder retten." Alle nicken bekräftigend. „Ja, laßt uns die Kinder retten."