Title – Im Tal der Tränen
Author - ParkersCamp
Rating – PG13
Teil VI
Ein paar Tage später
Jarod und Ms. Parker sind auf dem Weg ins Centre. Beide sind sehr still und in sich gekehrt, und hoffen auf ihren Plan. Major Charles und Ben folgen ihnen in einem zweiten Auto. Zunächst treffen sich alle bei Sydney, bevor es losgeht. Jarod nimmt die Discs von Broots in Empfang und steckt sie zu der CD, die er von den anderen Aufzeichnungen gemacht hat. „Laß uns gehen, Callie." Er nimmt ihre Hand und sie verlassen das Haus. Auf dem Weg zum Centre läßt er seine Hand auf ihrem Oberschenkel liegen. Nachdem er auf dem Parkplatz den Motor abgeschaltet hat, bleiben beide noch einen Moment sitzen. Sie schauen sich an, verstehen sich ohne Worte. „Ich liebe dich!" sagen ihre Augen. Noch eine kurze Umarmung, bevor sie aussteigen, dann betreten sie Hand in Hand das Gebäude und sorgen damit für Aufruhr. Sie gehen in Ms. Parkers Büro, wo Sam eine Videokonferenz mit den Triumvirat-Mitgliedern hergestellt hat. Auch Lyle, Raines und Mr. Parker kommen einige Minuten später.
„Engelchen, du hast es geschafft und Jarod zurückgebracht." „Nein, habe ich nicht." unterbricht sie ihn. „Wir haben dem Triumvirat und euch etwas zu zeigen. Danach reden wir weiter." Sie deutet auf den Bildschirm, wo die Triumvirat-Mitglieder zu sehen sind und nickt Jarod zu, der daraufhin die Disc startet. Die Männer in ihrem Büro werden blaß und die Triumvirat-Führungsriege atmet tief durch, als sie sehen, was mit ihr als Kind gemacht wurde. Als dann gleich anschließend die Aufzeichnung des zweiten Versuches folgt, ist die Spannung im Raum zum Schneiden. Jarod wartet einen Moment, bevor er loslegt:
„Die Kopien dieser Aufzeichnungen liegen bei einem Anwalt, der gute Verbindungen zum FBI und nach Washington hat. Wenn wir beide, Ms. Parker und ich uns nicht regelmäßig bei ihm melden, werden diese Daten an die Behörden weitergegeben. Sie können jedoch diese Übergabe verhindern, unter folgender Bedingung:
Ms. Parker nimmt ihren kleinen Bruder mit und wir werden uns zusammen irgendwo niederlassen. Meine gesamte Familie und ich werden nicht mehr gejagt. Sie lassen uns in Ruhe, dafür mache ich unter Sydneys Aufsicht wieder einige Simulationen, so vier bis fünf im Jahr. Aber diese werden nie wieder mißbraucht oder ausgebeutet. Außerdem wird Raines entlassen wegen seiner perfiden Experimente all die Jahre. Die Führung muß jemand anderem übertragen werden, denn wie gesehen, ist auch Mr. Parker in diese Versuche verwickelt. Mr. Lyle ist ein Monster, über das wir ihnen ebenfalls einige nette Kleinigkeiten zeigen können. Daher muss auch er gehen."
„Das können sie doch nicht ernsthaft in Betracht ziehen?" rufen Lyle und Raines entsetzt. „Ruhe!" donnert eine Stimme vom Bildschirm. „Ms. Parker, es tut uns sehr leid, was ihnen angetan wurde. Wir hatten Order gegeben das Pretender-Projekt einzustellen, als Jarod geflohen ist, und sind jetzt zutiefst geschockt, was sogar schon früher geschehen ist. Mutumbo war wohl hierfür die treibende Kraft. Seit er tot ist, bemühen wir uns wieder in eine andere, menschlichere Richtung zu gehen. - Bitte geben sie uns einen Moment zur Beratung." Beide nicken leicht irritiert.
„Engelchen, wie kannst du mir das antun?" fragt Mr. Parker mit anklagendem Blick. Sie greift nach Jarods Hand, fühlt seine Nähe und Wärme. „Nenn mich nie wieder Engelchen. Du kannst nichts mehr machen, um mich zurück zu holen. Du hast mich lange genug unterdrückt und mißbraucht. Gott sei Dank bist du nicht mein Vater. Ich ..."
Die Stimme des Triumvirat-Sprechers unterbricht sie „Jarod, Ms. Parker, wir akzeptieren ihre Forderungen. Aber wir möchten sie, Ms. Parker, zum neuen Chef des Centres machen." Ein lautes Raunen geht durch das Büro. Jarod und Ms. Parker sehen sich perplex an. „Wir möchten das Centre wieder in den guten Ruf bringen, den es früher hatte. Außerdem hätten sie damit auch die Kontrolle über Jarods Arbeit." fügt der Sprecher noch ergänzend hinzu. „Was geschieht mit Lyle, Raines und Mr. Parker?" fragt Ms. Parker. „Sie alle werden sofort nach diesem Gespräch in die Station nach Afrika gebracht. Hier bleiben sie unter unserer Kontrolle. Ich verspreche ihnen, daß solche Dinge, wie sie sie erlebt haben, nie wieder passieren werden. Nun, was sagen sie dazu?"
Jarod schaut zu Ms. Parker. „Jetzt brauchen wir eine kurze Beratung." bittet er und geht mit ihr zum Fenster. „Callie, ich passe auf den Jungen auf. Vier, fünf Simulationen lassen mir viel Zeit dafür. Und wir hätten unsere Zukunft selbst in der Hand." meint er. „Aber ich wollte endlich weg vom Centre." „Du könntest jetzt all das tun, was deine Mutter nicht mehr geschafft hat, Callie." Er nimmt ihre Hand, blickt in ihre Augen. „Du kannst es, Callie." Sie dreht sich zum Bildschirm um und hält nach wie vor seine Hand. Sie überlegt einen Augenblick, fühlt seine Nähe und antwortet dann „Angenommen! Aber zunächst nur für ein Jahr, zur Probe sozusagen." „Abgemacht, für ein Jahr zunächst." Die Männer des Triumvirat sehen erleichtert aus.
Jarod holt Sam und einen anderen Sweeper herein. Der Triumvirat-Sprecher gibt ihnen den Befehl die drei ehemaligen Führer nach Afrika zu bringen und verabschiedet sich dann. Sam lächelt beim Hinausgehen Jarod und Ms. Parker zu. Dann sind die beiden allein in dem Raum. Jarod dreht Ms. Parker langsam zu sich herum. „Wir haben es geschafft, Callie. Wir haben es wirklich geschafft." Ein unsicheres Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht. „Ja, wir haben es tatsächlich geschafft, nicht Jarod?" Sie umarmen sich und tanzen dann jubelnd durch das Zimmer. „Wir sind frei!" ruft sie und lacht lauthals los.
„Komm, laß uns den Jungen holen und dann nichts wie ab nach Hause." Ungeduldig zieht sie an seiner Hand. Schnell gehen sie runter ins Sublevel 5, direkt in das Zimmer, in dem das Baby untergebracht ist. Sie nimmt ihren kleinen Bruder hoch. „Hallo, kleiner Bruder. Ich werde dir jetzt mal zeigen, was es draußen so alles gibt. Wir machen jetzt einen Ausflug in die Sonne und dann bleibst du bei mir. Was hältst du davon?" Der Kleine strahlt sie an. Sie nimmt seine Decke und hüllt ihn darin ein, bittet Jarod noch einige Dinge mitzunehmen, z.B. das kleine weiße Kaninchen, das sie ihm in den ersten Tagen geschenkt hat. Jarod lächelt beim Anblick des Kuscheltieres. Dann gehen sie gemeinsam mit dem Baby auf dem Arm hinaus.
Ms. Parker setzt das Kind in den von Jarod montierten Kindersitz und sie fahren zu Syd´s Haus. Als sie zu dritt das Haus betreten, geht ein kollektives Aufatmen durch den Raum. „Sie haben es wirklich akzeptiert?" fragt Broots fassungslos. Jarod nickt und fügt hinzu „Und nicht nur das, Callie ist jetzt die Chefin des Centre. Zumindest für das nächste Jahr. Raines, Lyle und Mr. Parker sind schon auf dem Weg in die Zentrale nach Afrika und ich werde mit deiner Hilfe, Syd, weiter einige wenige Simulationen machen. Dann habe ich noch immer genug Zeit mich um diesen kleinen Kerl hier zu kümmern und trotzdem weiter nach unserer Familie zu suchen. Dad, sie werden uns nicht länger jagen."
Alle stehen da, fassungslos. Debbie ist die erste, die sich fängt. „Dann bleibt ihr ja doch hier, oder? Und wir müssen nicht umziehen, nicht wahr Dad?" Ms. Parker lächelt das Mädchen an. „Wir bleiben hier, Debbie. Umziehen müßt ihr nur, wenn dein Vater trotzdem das Centre verlassen will." Sie schaut ihn fragend an. „Nein, unter diesen Umständen bleibe ich gerne, Ms. Parker." Major Charles umarmt erst Jarod, dann Ms. Parker. „Ich freu mich so für euch, für uns und für dich kleiner Mann." Er streichelt dem Jungen über´s Haar. „Willkommen in der Familie. Wie soll er denn eigentlich heißen?" „Wie wäre es mit Michael?" fragt Ben. „Dad, das ist ein schöner Name. Also nennen wir ihn Michael." sagt Ms. Parker. Inzwischen sind alle in Jubel ausgebrochen, alle außer Ben. Ms. Parker zieht ihn am Ärmel zu sich herüber. „Was ist, Dad? Freust du dich nicht auch?" Er schaut sie an. „Schatz, ich freu mich sehr für euch. Aber die Entfernung von Maine nach Blue Cove ist einfach zu groß, und ich möchte euch nicht nur hin und wieder mal sehen. Doch ich gebe auch das Haus nicht gerne auf." „Ben, wie wäre es, wenn Jay und ich in das Haus ziehen. Wenn dann irgendwann mal unsere Familie komplett ist, werden wir das Haus sicher voll in Beschlag nehmen." fragt Major Charles und fährt dann ergänzend fort „Sie sind natürlich jederzeit willkommen. Was meinen sie?" „Ja, das ist doch eine gute Lösung. Außerdem ist bei mir noch jede Menge Platz. Da könnten sie, wenn sie möchten, mit einziehen." bietet Sydney ihm an. „Ihr meint das wirklich ernst, nicht?" fragt Ben völlig überrascht. Syd und der Major nicken. „Natürlich! Nun, was sagen sie, Ben?" Der blickt von einem zum anderen und nickt dann. „Okay, super." Mit einem befreiten Lächeln fällt ihm Ms. Parker um den Hals. „Dann beredet ihr mal alles weitere. Ich bringe jetzt erst mal Michael nach Hause. Schaut nur, wie müde er ist." Sie gibt Jarod einen raschen Kuß und fährt dann mit dem Jungen zu ihrem Haus.
Dort steigt sie aus, nimmt das Kind, das inzwischen eingeschlafen ist und legt ihn vorsichtig auf die Couch. Sie setzt sich zu dem Jungen, betrachtet ihn liebevoll und denkt „Du wirst nicht so mißbraucht werden und so allein sein, wie bisher. Ich verspreche dir auf dich zu achten und dir zu helfen. Ich hab´ dich lieb." Als hätte er diesen Satz gehört, wacht er auf und lächelt sie an. Sie beugt sich über ihn, nimmt seine kleine Hand und sagt „Willkommen zu Hause, Michael." Sie gibt ihm einen dicken Kuß auf den Kopf, streichelt ihn sanft und nimmt ihn dann hoch. Er hat bisher auch im Centre nie jemanden angelächelt, mit Ausnahme von Ms. Parker. Als ob er schon vorher gespürt hat, daß sie seine Rettung ist. Feste drückt sie ihn an sich und spürt wie sich ihr Herz öffnet und die Liebe zu dem Kind hineinströmt.
Unterdessen nähert sich ein Auto dem Haus. Broots steigt aus, öffnet den Kofferraum und bringt ein Laufställchen zum Haus. „Ms. Parker? Ich bin´s, Broots. Ich habe ihnen etwas gebracht für den Kleinen." ruft er schon von weitem. Sie geht zur Tür, das Baby auf dem Arm und lächelt Broots an. „Broots, das ist ja ganz lieb. Wir haben die Sachen alle in Maine vorbereitet. Bauen sie es mir doch bitte auf und wir setzen Michael gleich mal hinein." Broots freut sich über das schöne Bild, das die beiden abgeben und beginnt zu werkeln.
„Fertig, ich bringe es nach draußen und dann können sie Michael gleich mal hineinsetzen." fordert er Ms. Parker auf. Sie gehen mit dem Kind nach draußen und setzen ihn in das Ställchen hinein. „So Michael, hier kannst du in aller Ruhe sitzen, spielen... Broots ich habe gar kein Spielzeug hier. Nur noch ein paar Bücher und einen ganz alten Teddy." unterbricht sie sich. „Ich bringe ihnen gern noch ein paar Sachen rüber. Debbie kann unter Umständen ja auch mal Babysitten, wenn sie möchten." „Danke, Broots. Ja, bringen sie Debbie ruhig öfter mit. Und du, mein Kleiner, wie fühlst du dich?" Sie schauen beide zu dem Jungen rüber, der auf dem Rücken liegt und die ungewohnte Sonne genießt.
Just in dem Moment beginnt er zu weinen. Sofort beugen sich beide über ihn. „Was ist denn Michael? Hast du Hunger?" Sie nimmt ihn auf den Arm und prompt hört er auf zu weinen. Broots lacht „Tja, du hast Recht, Michael, der Platz ist viel schöner. – Brauchen sie sonst noch was, Ms. Parker? Windeln, Gläschen zum Aufwärmen oder etwas speziell für sich selbst?" „Danke Broots. Ich habe für die ersten Tage hoffentlich genug mitgenommen. Das Ställchen war eine ganz liebe Idee. Er wird sich schon noch daran gewöhnen. – Broots – er ist jetzt doch fast neun Monate alt, sollte er nicht eigentlich schon krabbeln und etwas brabbeln?" „Ja, eigentlich schon. Er sollte zumindest mal langsam loslegen. Allerdings hat sich bisher auch niemand um ihn gekümmert. Er wurde vermutlich bisher nur abgelegt und seine einfachsten Bedürfnisse gestillt, Hunger, volle Windeln. Schauen sie, er mustert sie ganz eingehend. Halten sie ihm mal ihre Hand vor sein Gesicht, etwas zurück." Sie tut, was Broots sagt. „Sehen sie, Ms. Parker? Er bewegt sich auf die Hand zu." Michael greift nach ihrer Hand und will sie zu sich heran ziehen. „Halten sie mal dagegen, Ms. Parker." sagt Broots. Als sie es tut, zieht der Junge sich an ihrer Hand hoch und sitzt dann plötzlich aufrecht und lächelt sie an. „Sehen sie, er braucht nur etwas mehr Aufmerksamkeit." lacht jetzt auch Broots. „Ja, ganz offensichtlich. Broots, danke für´s Kommen und für die Sachen. Wenn ich noch etwas brauche, melde ich mich. Jetzt muß ich mich, sorry uns, erst mal einrichten. Bis dann Broots." verabschiedet sie ihn. „Bis dann, Ms. Parker." Und damit verläßt er sie.
Ms. Parker nimmt Michael hoch und setzt sich mit ihm auf die Veranda-Schaukel. Das leichte Schwingen gefällt dem Jungen sehr. Er tastet immer wieder nach ihrem Gesicht, so als wolle er sich vergewissern, daß sie wirklich da ist. Sie nimmt die kleine Hand in ihre, streichelt sie vorsichtig und gibt ihr dann einen Kuß. „Du kleiner Schatz, du. Ich habe dich ganz, ganz doll lieb, Mickie." Lange sitzt sie ganz ruhig mit dem Kind im Arm in der Schaukel. Sie kann sich nicht sattsehen an ihm. „Jarod, er hat deine Augen." denkt Ms. Parker. „Ich wünschte es wäre alles schon vorbei." Langsam schaukelt sie weiter, genießt den Moment und die Nähe zu dem Kind.
Etwas später geht Ms. Parker mit dem Kind auf dem Arm ins Haus zurück. Sie holt die Sachen von Broots hinein und fängt dann an etwas zu kochen; für Michael ein Gläschen und für sich etwas von Bens Delikatessen. Sie nimmt das Gläschen und füttert den Jungen. Nachdem das Glas leer ist, beginnt er zu weinen. „Was ist Mickie? Hast du noch mehr Hunger?" Er tastet nach ihrem Teller. Sie matscht ein bißchen Kartoffel und Gemüse zusammen und gibt ihm einen Löffel voll. Sofort hört er auf zu weinen und ißt mit wachsender Begeisterung, was sie ihm gibt. Nach einigen weiteren Löffeln voll sagt er leise, aber deutlich vernehmbar. „Satt!" Sie starrt ihn an, glaubt nicht richtig gehört zu haben und fragt „Was?" „Mickie satt." wiederholt er zu ihrer großen Freude. „Wow!" Fassungslos schaut sie auf ihn herunter. Es dauert einige Zeit bis sie sich gefangen hat. „Das kann doch gar nicht sein. Du bist doch noch viel zu klein. Das muß ich gleich Jarod erzählen." denkt sie. „Was für ein Genie bist du denn?" fragt sie ihn, als ihr plötzlich auffällt, wie wenig Ähnlichkeit Michael mit seinen angeblichen Eltern hat.
Sie nimmt ihn mit ins Badezimmer. Dort stellt sie sich mit ihm vor den Spiegel und mustert zunächst sich selbst, dann ihn. „Oh Gott! Das darf nicht wahr sein. Sie haben es wieder getan." flüstert sie. „Mama!" Michael streichelt mit seiner kleinen Hand über ihre Wange. Dort fließen jetzt die Tränen in Strömen. Sie sinkt entsetzt mit ihm auf den Rand der Badewanne. „Mama." sagt Michael noch mal und streckt seine kleine Hand nach ihrem Gesicht aus. Sie schaut ihn völlig fassungslos an, drückt ihn dann mit einem leisen Aufschrei an sich. „Michael, oh Gott." Nach kurzer Zeit wehrt er sich gegen die allzu feste Umarmung. Sie läßt ihn hinunter in ihren Schoß gleiten, jedoch ohne den Blickkontakt zu lösen. Fasziniert sieht sie, wie er irgendwann seinen Daumen in den Mund steckt und einschläft. Es dauert noch eine ganze Zeit, bis sie den Schock überwunden hat. Doch dann steht sie auf und legt das Kind in ihr Bett und deckt es zu. Sie setzt sich neben ihn auf das Bett, mag den Blick noch immer nicht von ihm lösen. „Mein Sohn." denkt sie. „Unser Sohn, Jarod, er ist unser Sohn. Was wirst du wohl dazu sagen?"
Wie auf´s Stichwort kommt Jarod ins Haus.
„Callie?" ruft er leise und sieht sie dann in ihrem Zimmer sitzen. Lächelnd schaut er sie an. Sie winkt ihn heran und zieht ihn neben sich. „Schau ihn dir an, Jarod? Ist er nicht süß? Er ist einfach so in meinen Armen eingeschlafen. Kannst du dir dieses Vertrauen vorstellen?" fragt sie ihn. „Sein Urvertrauen ist eben noch nicht zerstört, Schatz." Er legt ihr einen Arm um die Schultern und blickt sie an. „Er ist unser Sohn, Jarod. Schau ihn dir genau an." flüstert sie. „Was meinst du? Doch nicht etwa – Callie?" Sein Blick wandert immer wieder von ihr zu dem Kind. Dann sieht auch er die Ähnlichkeit der Gesichtsform. Er streichelt behutsam über das kleine Gesichtchen. Doch davon wird Michael prompt wach. Als Jarod nun in die Augen schaut, die seinen so ähnlich sind, muß er schlucken. „Daddy." sagt Michael zu ihm und streckt seine Händchen nach Jarod aus, der sich über ihn beugt. Jarod dreht sich mit Tränen in den Augen zu Ms. Parker um. Die steht jetzt auf, nimmt Jarod in ihre Arme, ihnen beiden laufen jetzt die Tränen über´s Gesicht. „Wieso weiß er es? Wieso weiß er, wer wir sind, Callie?" „Er hat meine innere Stimmer geerbt, Schatz." antwortet sie ihm. Sie wenden sich beide dem Kind wieder zu. Jarod nimmt ihn hoch, schaut erst Michael, dann Ms. Parker an. „Unser Sohn." sagt er heiser und drückt ihn fest an sich. „Michael, ich verspreche dir auf dich aufzupassen. Keiner soll dich jemals mißbrauchen. Oh... Ich liebe dich, mein Sohn. Ich liebe euch beide." Mit diesen Worten zieht er Ms. Parker ebenfalls zu sich heran und hält beide eng an sich gedrückt. „Liebe euch." sagt jetzt auch der Junge, bevor ihm die Augen wieder zufallen.
Ms. Parker lächelt über Jarod´s fassungslosen Blick. „Er ist eben ein Genie, genau wie sein Vater." Sie nimmt ihm das schlafende Kind ab, legt es zurück in sein Bett und setzt sich dann neben Jarod auf den Boden. Sie verschränken ihre Hände miteinander und bleiben noch lange dort sitzen.
Drei Jahre später
Ms. Parkers Haus 6 Uhr morgens
Ein besonderer Tag steht an. Ms. Parker kann nicht mehr schlafen, obwohl ihr Wecker erst in einer halben Stunde klingelt. Sie liegt im Bett und läßt die vergangene Zeit Revue passieren:
Sie ist immer noch Chefin des Centres und hat dort rigoros aufgeräumt. Inzwischen ist das Centre wieder ein hoch angesehenes Forschungsinstitut. Mit Broots und Jarods Hilfe sind all die illegalen Machenschaften aufgedeckt und an die Öffentlichkeit gebracht worden.
So ist auch Tommys Tod endlich geklärt. Es war Mr. Parker, der Brigitte den Mordauftrag erteilt hat. Einige Leute wurden verhaftet und verurteilt, andere haben jetzt eine andere Position oder wurden entlassen.
Es gibt weder Sweeper noch Cleaner. Sam beispielsweise ist jetzt im Wachdienst.
Die Kinder, die im Centre gefangen waren, wurden entweder zu ihren Eltern zurück gebracht, oder sind in dem neuen Kinderheim des Centres geblieben. Jarod hat es gegründet für die Kinder, die nicht wußten wohin. Er und Ben haben viel Zeit in das Heim investiert. Beide haben mittlerweile eine liebevolle und respektvolle Atmosphäre dort geschaffen. Manchmal, wenn Ms. Parker einen von beiden dort abholt, ist sie nach wie vor fassungslos, daß man so wundervoll miteinander umgehen kann.
Auch Angelo ist dorthin umgezogen. Er fühlt sich mit den Kindern sehr wohl und sie sich mit ihm.
– Ms. Parker schaut liebevoll zu Jarod hinüber, der tief und fest neben ihr schläft. –
Sydney ist ihr Stellvertreter geworden und kümmert sich um ein paar super begabte Kinder, wie um Jay, der immer mal wieder bei ihnen ist oder auch um Michael.
Broots ist der Chef des EDV-Teams geworden und entwickelt mit Jarods Hilfe neue Programme entweder für das Centre oder im Kundenauftrag. Er arbeitet oft von zu Hause aus, um bei Debbie zu sein. Die hat immer noch hin und wieder unter den Folgen der Vergewaltigung zu leiden, genau wie Ms. Parker selbst auch. Heftige Angstanfälle oder Berührungsängste machen beiden immer wieder sehr zu schaffen. Einzig Michael gelingt es immer wieder auch in diesen Phasen zu ihnen durchzudringen. Es gab eine lange Zeit, in der Ms. Parker nicht mit Jarod in einem Raum schlafen konnte. Und auch jetzt gibt es immer mal wieder Tage, an denen sie bei überraschenden Bewegungen zusammenzuckt, oder an denen selbst Umarmungen oder gar Sex unmöglich sind.
Ben ist bei Sydney eingezogen; die beiden verstehen sich blendend. In der Zeit, als Tommys Tod aufgeklärt wurde, ist er jeden Tag bei Ms. Parker gewesen. Er hat ihr immer wieder auf ganz einfache Art gezeigt, was sie ihm bedeutet und was ´Vater-Sein´ wirklich heißt. Sie sind gemeinsam zum See gefahren, als es ihr anfangs nach all den Entdeckungen sehr, sehr schlecht ging und zusammen mit den anderen hat er ihr über den Verrat und den Mißbrauch hinweg geholfen.
Und dann ist da natürlich noch Michael: Anfangs war es schwer für sie alle drei. Einfach so miteinander schmusen oder spielen, die Nähe aushalten, das war schon ein Gebiet auf dem alle drei neue Erfahrungen sammeln mußten. Sie erinnert sich an das erste Mal, als sie draußen im Schnee herum getobt haben, an Mickies erste Schritte und daran wie sehr er sie immer wieder verblüfft mit seinem Einfühlungsvermögen.
Sie steht leise auf, geht ins Bad und dann in das Zimmer ihres Sohnes. Sie nimmt seine kleine Hand und wartet einen Augenblick, bis er aufwacht. Er setzt sich auf und strahlt sie an. „Ist heute der Tag für Daddys Überraschung?" fragt er sofort hellwach. Sie nickt „Ja, heute ist der Tag. Aber pssst... Nichts verraten, okay?" Verschwörersich blicken sich Mutter und Sohn an. „Ja, Momy. Mußt du jetzt schon weg?" Sie nickt. „Ja, ich wollte nur noch etwas essen. Willst du mir dabei Gesellschaft leisten, Mickie?" Der schlägt die Decke zurück und holt sich zunächst eine Umarmung von ihr. Dann nimmt er ihre Hand und sie gehen in die Küche. Dort setzt sie den Kaffe auf, während er sein Lieblingsessen macht, Pfannekuchen. Manchmal ist sie immer noch erstaunt, was er schon alles selbst macht. Keiner macht Pfannekuchen so gut wie er, selbst Ben nicht. Sie lächelt über den konzentrierten Blick des Jungen.
Als sie am Tisch sitzen, wirft er ihr immer wieder lange prüfende Blicke zu. „Was ist Mickie?" „Sie tut dir nichts." sagt er nur. „Wer Mickie?" „Du brauchst keine Angst haben, Momy. Die Stimmen sagen, sie tut dir nichts." Er schaut sie mit seinem Kindergrinsen an, dem sie nicht widerstehen kann. Sie legt ihm ihre Hand ans Gesicht. „Danke, daß du mir das gesagt hast, mein Schatz. Ich habe wirklich große Angst vor heute abend. - Ach du, wenn ich dich nicht hätte." Sie beugt sich zu ihm rüber und fängt an ihn zu kitzeln. Bald darauf sind beide in eine Kitzelschlacht vertieft und bemerken Jarod erst, als der fragt, ob er mitmachen darf. „Ja Dad, komm wir kitzeln Momy." fordert ihn Michael auf. Die protestiert „Zwei gegen einen ist unfair." Doch die beiden stürzen sich mit einem lauten Juchzer auf sie. „Ich ergebe mich!" schreit sie laut lachend und streckt die Arme hoch in die Luft. Sofort hören alle auf, denn dies ist ein abgesprochenes Signal, das von allen eingehalten wird.
Sie setzen sich schwer atmend an den Tisch und lachen noch immer lauthals. Jarod nimmt sich zwei Pfannekuchen von dem Stapel, den Michael gebacken hat, füllt sie mit Marmelade und beginnt sie genüßlich zu kauen. „Oh Mickie, die sind dir wieder super gelungen. Machst du mir noch ein paar?" Der nickt und legt gleich los. „Ihr und euer Junkfood." Kopfschüttelnd steht Ms. Parker auf und will ihre Sachen wegräumen. „Laß stehen, Callie. Du bist schon spät dran. Wir machen das schon, nicht Mickie?" sagt Jarod mit einem Blick auf seine Uhr. „Oh ja, ich muß weg." Sie stürmt hinaus, zieht sich an und geht dann nochmal zurück, um sich zu verabschieden. Jarod hat Michael vor sich sitzen, und beide sind in die Zeitung vertieft. „Jarod, du mußt bitte Mickie heute nachmittag von der Vorschule abholen. Ich habe noch einen Termin, den ich nicht verschieben kann. Außerdem habe ich um elf Uhr den Nachuntersuchungstermin bei Dr. Cassidy, wegen meines Magens. Ich habe echt Angst davor und hätte dich gerne dabei." Immer noch fühlt sie sich unsicher, wenn sie ihre Gefühle zeigt oder um etwas bittet. Sie wartet nach wie vor jedesmal auf die Ablehnung oder daß sie ausgenutzt wird. Er sieht ihre Unsicherheit und steht mit Mickie auf dem Arm auf, geht langsam zu ihr rüber und nimmt sie in den anderen Arm. „Natürlich komme ich mit." Er gibt ihr einen Kuß und reicht ihr dann den Jungen rüber, der auch unbedingt noch geknuddelt werden will. „Und Michael hole ich auch ab. Kein Problem, oder Mickie?" Der schüttelt den Kopf, umarmt und küßt Ms. Parker und setzt sich dann wieder auf Jarods Schoß. Ms. Parker nimmt ihre Schlüssel und fährt dann ins Centre.
Von dort ruft sie als erstes Major Charles an. „Ist alles klar, Major? Bleibt es wie besprochen bei drei Uhr heute nachmittag?" „Ja, Callie. Alles bleibt wie besprochen. Ich bin schon total gespannt auf Jarods Gesicht." entgegnet er ihr, und denkt „und auf deins auch." „Sehr schön, Sydney holt euch vom Flugplatz ab, bis dann." Sie verabschieden sich von einander. Anschließend geht sie zu Syds Büro, der gerade mit Broots über den Abend spricht. „Sydney, ich habe gerade mit Major Charles geredet. Es bleibt bei drei Uhr. Sie holen ihn doch ab, oder?" Er nickt und antwortet ihr „Ja, Ms. Parker. Alles wie besprochen. Ich werde voraussichtlich so gegen halb fünf bei ihnen sein." Ein wenig unsicher fragt sie „Meinen sie, wir tun das Richtige?" „Parker, er wird sich sehr, sehr freuen. Da bin ich absolut sicher! Und nun raus mit ihnen, wir haben noch zu arbeiten." befiehlt er ihr mit einem Lachen. „Bin ja schon weg. Viel Spaß noch." Lachend kehrt sie wieder in ihr Büro zurück.
Gegen halb elf kommt Jarod hinein gestürmt. „Bin ich zu spät?" fragt er, weil sie ihn so merkwürdig ansieht. „Nein, nein. Ich war gerade mit den Gedanken woanders. Komm, laß uns fahren." Auf dem Weg zu Dr. Cassidy spürt Jarod wie nervös Ms. Parker ist. Auf dem Parkplatz vor der Praxis schaltet er den Motor aus, nimmt ihre verkrampften Finger in seine Hände und gibt jeder Hand einen dicken Kuß. Er schaut sie an und lächelt. „Na los. Ich wette, es ist alles in Ordnung, Liebes. Ich bin ja bei dir." Er hakt sich bei ihr unter, und sie betreten die Praxis gemeinsam. Dort werden sie sofort in ein Sprechzimmer geführt, wo Dr. Cassidy auf sie wartet. „Hallo Callie, hallo Jarod. Schön, daß ihr zusammen gekommen seid." sagt sie zur Begrüßung. „Warum? Ist etwas nicht in Ordnung?" fragt Jarod sofort alarmiert und nimmt Ms. Parkers Hand. „Nein, nein, im Gegenteil. Also Callie, das Medikament und ihr ausgeglicheneres Leben haben sich jetzt ausgezahlt. Das Magengeschwür ist weg. Aber sie wissen, sie sind anfällig dafür. Also, schön so weitermachen wie bisher, aber die Tabletten lassen wir ab sofort weg. Auf Medikamente sollten sie mindestens für die nächsten acht Monate verzichten." Sie lächelt geheimnisvoll und wartet einen Moment. „Gott sei Dank." seufzt Ms. Parker laut „Ich hatte immer Angst, daß das Geschwür wieder aufbricht. Danke Doc, ich verspreche gut aufzupassen." Langsam erscheint ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
Sie dreht sich zu Jarod um, der wie vom Blitz getroffen da sitzt. „Jarod?" Der sieht zu der Ärztin rüber. „Keine Medikamente für die nächsten acht Monate? Soll das heißen..(er beginnt zu stottern) heißt das etwa..?" Er schaut erst Dr. Cassidy an, die ihm lächelnd zunickt, dann zu Ms. Parker, die noch gar nicht geschaltet hat. „Ja Jarod, ihr bekommt ein Kind." bestätigt in diesem Augenblick Dr. Cassidy. „Ein Kind?" fragt Ms. Parker fassungslos. „Ich bin schwanger? Aber wie..." Sie bricht ab völlig geschockt. Er hockt sich vor sie, nimmt ihre eiskalten Hände und fixiert ihre Augen. Jarod grinst sie spitzbübisch an „Diesmal hat es auf die altmodische Art geklappt. Callie, hab keine Angst, erinnere dich, Liebes! Denk mal acht Wochen zurück. Wir waren in Maine, am See über´s Wochenende. Der Major und Ben haben Jay und Mickie mitgenommen auf eine Nachtwanderung. Den ganzen Tag war deswegen Trouble hoch drei. Kaum waren sie weg, haben wir uns schon die Kleider vom Leib gerissen. Ich habe dir keine Zeit für deine allabendliche Pille gelassen." Sie wird erst rot doch dann erscheint ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie schluckt den Kloß in ihrem Hals hinunter. „Ich habe im ersten Moment gedacht, das kann nicht sein und der Alptraum geht weiter." Ihre Augen sind leicht feucht geworden, doch das Lächeln auf ihrem Gesicht breitet sich jetzt aus. Dr. Cassidy verläßt daraufhin beruhigt das Zimmer. Auch sie hatte Bedenken, wie Ms. Parker diese Neuigkeit verkraften wird.
„Jarod, ich muß dir was erzählen." sagt Ms. Parker leise. Es dauert einen Moment bevor sie fortfährt. „Ich träume seit ein paar Tagen immer wieder von einem kleinen Mädchen, das neben mir hergeht. Ich habe erst gedacht, es ist ein Kind, das wir retten sollen. Doch dann sah ich diese Augen, es waren meine. Deshalb dachte ich mir dann, sie ist das Kind in mir. Und wenn sie jetzt so ruhig neben mir hergeht, fängt sie an mir wieder zu vertrauen." Jarod zieht sie aus dem Sessel hoch in seine Arme. „Und jetzt, Callie?" Sie legt ihre Arme um seinen Hals. „Lach mich bitte nicht aus, jetzt denke ich, daß der Traum mir das Baby angekündigt hat. Ich bin völlig sicher, daß es ein Mädchen werden wird." „Ein kleines Mädchen mit deinen wunderschönen Augen und meinem Sinn für Stil, was für eine schöne..." Sie läßt ihn empört los. „Dein Sinn für Stil? Oh Gott bewahre." Beide brechen in lautes Gelächter aus. „Ich freu mich so sehr, Callie." Jarod zieht sie wieder zurück in seine Arme und tanzt jetzt mit ihr durch das Zimmer. Liebevoll lachend schaut auch sie ihn jetzt an. Er stellt sie langsam wieder auf ihre Füße, hält sie aber weiterhin an sich gedrückt.
„Ich liebe dich, Jarod, willst du mich heiraten?" fragt sie impulsiv. „Eigentlich sollte das ja wohl mein Part sein, oder?" lächelt er. „Aber ja, ich will! Ich möchte gerne dein Mann werden, Callie Parker. Ich liebe dich sehr und unser Leben. Außerdem freue ich mich jetzt schon unbändig auf die Kleine. Aber du mußt mir etwas versprechen." Jetzt schluckt er den Kloß in seinem Hals hinunter. „Ich habe solche Angst dich, nein, euch zu verlieren. Das würde ich nicht noch einmal aushalten. Versprich mir..." Sie unterbricht ihn, legt ihm einen Finger auf den Mund und meint dann „Sscht, Jarod. Ich habe nicht vor dich zu verlassen. Ich liebe dich Jarod, dich und unsere Familie. Ich verspreche dir alles dafür zu tun, daß sie nicht zerstört wird. Denn das würde auch mich zerstören. Doch wir werden das gemeinsam schaffen." sagt sie jetzt mit zitternder Stimme. „Ja, wir schaffen das gemeinsam." Zuversichtlich nimmt er ihre Hand und geht mit ihr zur Tür hinaus.
„Hallo, ihr beiden. Ist alles in Ordnung?" fragt die Ärztin, die auf sie gewartet hat. Sie nicken beide. „Schön. Callie, dann sehen wir uns jetzt einmal im Monat zu den Routineuntersuchungen. Aber natürlich kannst du auch gerne mitkommen, Jarod. Das nächste Mal machen wir dann die erste Ultraschall-Untersuchung. Ach ja, und der Geburtstermin, den ich berechnet habe, ist in etwa der achte März." „Der achte März?" fragen beide unisono und schauen sie erstaunt an. „Das war Moms Geburtstag." flüstert Ms. Parker leise und beginnt dann zu lächeln. „Dann wird sie ganz pünktlich sein, Doc." sagt jetzt Jarod und läßt weder Ms. Parkers Hand los, noch unterbricht er ihren Blickkontakt. Sie nickt „Ja, darauf können wir uns wirklich verlassen." „Sie?" fragt Dr. Cassidy irritiert. „Ich bin absolut sicher, daß es ein Mädchen wird, Doc." antwortet Ms. Parker. „Aha, na dann drücke ich die Daumen. Habt ihr noch irgendwelche Fragen?" Beide schütteln den Kopf. „Nein, im Moment nicht. Wir sind einfach nur glücklich, nicht?" erwidert Jarod mit lächelndem Blick auf Ms. Parker. Die nickt „Ja. Laß uns fahren, Jarod. Danke Doc, vielen Dank für alles." Sie reicht der Ärztin die Hand und verabschiedet sich von ihr. „Ja, danke Doc." sagt auch Jarod, und sie gehen Hand in Hand zum Wagen. Dort zieht sie Jarod noch mal zu sich und gibt ihr einen raschen Kuß. Für einen kurzen Moment bleiben beide so eng umschlungen stehen, bevor sie ins Centre zurück fahren.
„Ich mag dich jetzt gar nicht verlassen." meint Jarod, als sie dort ankommen. Sie beugt sich zu ihm rüber, gibt ihm einen raschen Kuß und sagt dann „Ich würde jetzt auch lieber bei dir bleiben, aber ich habe leider gar keine Zeit für dich, sorry. Fahr heim, aber erzähl es den anderen noch nicht. Laß es uns heute abend allen zusammen sagen, ja? Und du kannst dir ja schon mal einen Termin für unsere Hochzeit überlegen; möglichst bald, bevor ich in kein Kleid mehr hinein passe." Ganz spontan antwortet er ihr „Wie wäre es mit heute in vier Wochen?" Liebevoll schaut er zu ihr rüber. „Meinst du, das schaffen wir alles bis dahin?" fragt sie skeptisch. Er nickt. „Du kümmerst dich nur um dein Kleid. Alles andere mache ich. Heute in vier Wochen. Ich will keinen Tag länger als nötig warten, bis wir endlich eine richtige Familie sind. Sag ja, Callie, bitte." Mit seinem jungenhaften Grinsen, das ihr so sehr unter die Haut geht, erreicht er ihre Zustimmung. „Okay, heute in vier Wochen. Aber jetzt laß mich los, ich muß weitermachen." Sie steigt aus dem Auto, beugt sich dann aber noch mal zu ihm hinunter. „Und übrigens, denk an Mickie nachher." „Ja, versprochen. Bis später." Damit fährt er los und sie eilt in ihr Büro.
Dort geht sie zum Fenster, schaut hinaus und ist tief in Gedanken versunken, als sich die Tür öffnet und Sydney herein kommt. „Hallo Parker, wie lautet das Ergebnis?" Sie dreht sich zu ihm um, schaut ihn verwirrt an. „Was?" „Nun, ist ihr Magen wieder in Ordnung? Parker? Was ist denn los?" fragt er als er ihre Verwirrung wahrnimmt. Sie atmet tief durch. „Ach so, mein Magen. Ja, damit ist alles okay. Gute Pflege Herr Doktor." lächelt sie jetzt. „Herzlichen Glückwunsch." erwidert Syd, „Und sonst? Ist irgend etwas passiert, Parker?" hakt er noch mal nach. „Ja Syd, aber ich kann es noch nicht sagen. Ich habe es Jarod versprochen." „Gut, ich kann warten. Wenn sie mich nicht mehr brauchen, würde ich jetzt gerne nach Hause und anschließend dann zum Flugplatz fahren." „Nein, Sydney, ich brauche sie nicht mehr. Bis später." verabschiedet sie ihn.
Einige Minuten später betritt Broots ihr Büro. „Ms. Parker, ich würde gerne jetzt nach Hause fahren. Sam hat gerade angerufen, Debbie geht es nicht so gut." „Wieso ist denn Sam bei ihr?" fragt sie erstaunt. „Heute ist doch der vierte Jahrestag des Überfalls. Sam ist jedes Jahr an diesem Tag bei Debbie. Er holt sie dann von der Schule ab und bleibt bei ihr, bis ich komme, manchmal auch noch länger." Ms. Parker steht rasch auf, geht zur Garderobe und holt ihre Jacke. „Lassen sie uns fahren, Broots. Ich komme mit." Der geht verdutzt hinter ihr her. „Aber Ms. Parker, was ist mit ihrer Überraschung für Jarod?" „Das klappt auch ohne mich. Außerdem haben wir ja noch reichlich Zeit. Los!" Sie fährt hinter ihm her zu seinem Haus. Broots schließt die Tür auf, läßt Ms. Parker den Vortritt und ruft dann schon von der Tür aus „Debbie, Sam, ich bin wieder da. Ich habe noch jemanden mitgebracht. Wo seid ihr?" „Wir sind hier oben, Broots." antwortet Sam aus Debbies Zimmer. Schnell eilen die beiden hinauf. Sam und Debbie sitzen auf dem Boden und tüfteln an einem Puzzle. „Ms. Parker!" jubelt Debbie, springt auf und rennt sie fast um. „Hi Debbie." Sie zieht das Mädchen in eine liebevolle Umarmung. Erst jetzt bemerkt sie deren schneeweißes Gesicht und das Zittern, das ihren schmalen Körper durchläuft. Sie schaut Sam fragend an, während sie mit Debbie langsam zu deren Bett geht. Dort setzt sie sich hin und nimmt das verstörte Mädchen auf ihren Schoß.
„Er kommt wieder frei." sagt Sam tonlos. „Ich war gerade auf der Toilette, als der Anruf kam. Debbie ist dran gegangen. Die Staatsanwaltschaft läßt den Scheißkerl wegen guter Führung nächste Woche wieder raus." Broots und Ms. Parker sehen sich fassungslos an. „Gerade mal drei Jahre hat er abgesessen. Das ist doch unglaublich." knirscht Ms. Parker wütend. Als sie das weinende Kind auf ihrem Schoß ansieht, schluckt sie ihre Wut hinunter. „Liebes, bitte sprich mit uns. Sag uns, wie du dich fühlst. Du kannst es uns ruhig zeigen." Sie streichelt langsam und beruhigend über Debbies Rücken, spürt wie das Zittern allmählich nachläßt und etwas Farbe in ihr Gesicht zurückkehrt.
Stotternd und ganz leise antwortet Debbie „Ich habe solche A-Angst, daß er wieder zurückkomt. Daß...daß er vor der Schule steht und auf mich wartet. Schon der Gedanke läßt mich wieder erstarren. Ich fühle mich wieder so schrecklich klein, schwach und hilflos." Einen Moment herrscht Stille. „Hmm, gegen deine Angst kann ich leider fast gar nichts tun. Sam kann dich in nächster Zeit wieder von der Schule abholen, so wie heute. Und wir könnten bei der Staatsanwaltschaft einen Erlaß beantragen, daß er sich dir nicht nähern darf. – Doch das wird dir vermutlich alles nicht viel helfen. Denn die Angst bleibt da, nicht wahr?" fragend sieht Ms. Parker Debbie an. „Ja," nickt das Mädchen. „Das Gefühl bleibt trotzdem da." Ratlosigkeit breitet sich aus.
„Mir fällt da was ein." wirft Sam nach einigem Nachdenken ein „Dazu müssen sie allerdings noch mal in ihre alte Rolle zurück, Ms. Parker. Ich habe mich etwas schlau gemacht, über solche Typen. Im allgemeinen haben Männer, die auf junge Mädchen stehen, Angst vor starken Frauen. Daher könnte ich mir vorstellen, daß er vor der Parker-Ice-Queen die Flucht ergreifen wird." Er lächelt Ms. Parker unsicher zu. „Sam, das ist eine gute Idee, einen Versuch ist es allemal wert." schmunzelt Ms. Parker jetzt. „Ich weiß zwar nicht, ob es noch so überzeugend wirkt, wie vor einiger Zeit, aber ich werde mein Bestes geben. Sam, sie werden den Mann ab Montag auf Schritt und Tritt verfolgen, Tag und Nacht. Nehmen sie sich so viele Männer, wie sie dafür brauchen. Wenn er wirklich wieder zu Debbies Schule geht, rufen sie mich an. Dann wird er sein blaues Wunder erleben." Broots, Sam und Ms. Parker lächeln sich zu. Auch Debbie wirkt jetzt etwas ruhiger. „Was meinst du, Schatz? Könntest du dir vorstellen, daß es dir hilft, zu sehen, was für ein schrecklicher Feigling dieser Mann wirklich ist?" Debbie lächelt jetzt unsicher. „Die Vorstellung ist auf jeden Fall schon hilfreich. Ich kann es dir nicht versprechen, aber ja, einen Versuch ist es wert."
Broots nickt zustimmend und sagt „Ja, vor allem jetzt, wo du gerade so gute Fortschritte gemacht hast. Du bist zum ersten Mal allein wieder im Park gewesen und hast sogar mit Chris, einem Jungen aus deiner Klasse, ein Eis gegessen." zählt Broots auf. „So, so, du gehst also mit Jungen Eis essen?" Ms. Parker schmunzelt. „Er ist so süß, Ms. Parker. Seit fast einem Jahr hat er immer wieder versucht, sich mit mir zu verabreden, war immer in meiner Nähe. Als ich ihm vor einiger Zeit erzählt habe, was mir passiert ist, hat er nicht sofort die Flucht ergriffen. Er meinte, er mag mich wirklich und möchte nicht nur mit mir rumknutschen, wie all die anderen Jungen. Immer wieder fragt er wie es mir wirklich geht. Anfangs habe ich ihm oft etwas vorgespielt. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion, und daß ich ihm zuviel bin. Und jetzt schaut er mich nur an und ich will gar nichts mehr spielen. Er ist auch schon ein paar mal hier gewesen, als es mir wirklich sehr schlecht ging." Ein Strahlen wandert über Debbies Gesicht. „Ich möchte ihm gerne von heute erzählen, aber ich habe noch immer solche Angst." „Wie wäre es, wenn du ihn jetzt gleich anrufst und ihn einweihst, während ich dabei bin?" fragt Ms. Parker spontan. „Ich komme mir so doof vor." „Brauchst du nicht, Liebes. Alles, was dir hilft ist in Ordnung. Hier, ruf ihn an." ermuntert Ms. Parker das junge Mädchen. Die nickt jetzt, holt das Handy und ruft Chris an. „Er kommt sofort rüber." sagt sie, nachdem sie aufgelegt hat. Unsicher sieht sie von einem zum anderen.
Broots und Sam stehen auf. „Na, dann lassen wir euch Frauen mal alleine. Wir sind unten." „Danke!" Mit einer raschen Bewegung umarmt Debbie erst Sam, dann ihren Vater. „Gern geschehen, Debbie." sagt Sam tief gerührt. Broots lächelt seine Tochter liebevoll an und folgt dann Sam nach unten. „Kannst du mich bitte in die Arme nehmen und festhalten?" bittet Debbie Ms. Parker als sie allein sind und beginnt wieder zu weinen. Die zieht das Mädchen in ihren Schoß und hält sie fest an sich gedrückt. Sanft wiegt sie sie hin und her. „Debbie, es ist in Ordnung, wenn du jetzt Angst hast. Wein ruhig, meine Kleine." sagt sie. Ihr selbst stehen jetzt auch die Tränen in den Augen. Als es klingelt zuckt Debbie zusammen. Sie richtet sich auf, mag sich aber nicht aus der Geborgenheit von Ms. Parkers Umarmung trennen. So bleibt sie auf ihrem Schoß sitzen. „Ganz ruhig Debbie. Ich bin hier." sagt Ms. Parker.
Dann geht die Tür auf und ein großer, schlaksiger Junge kommt herein. „Hallo Debbie, Miss." „Hallo Chris. Das ist meine beste Freundin, Ms. Parker. Ms. Parker, das ist Chris." stellt Debbie die beiden einander vor. „Hallo Chris." sagt jetzt auch Ms. Parker. Der nickt ihr zu. Dann fährt Debbie auch schon fort. „Ich habe vorhin etwas erfahren, das mich zunächst mal umgehauen hat. Sie hat mir aber gezeigt, daß ich dir vertrauen kann und dir sagen sollte, was geschehen ist. Doch ich bin noch so ängstlich, daß ich sie hier bei mir brauche." Ihre Stimme wird immer leiser. „Ist okay, Debbie." beruhigt er sie. Es dauert trotzdem noch einen Moment bevor sie weiterreden kann. „Dieser Mann... Der Mann, der mich vergewaltigt hat... Er..." stottert sie. Chris sieht wie sie um ihre Beherrschung ringt. Er geht ganz langsam auf sie zu, setzt sich vor sie und nimmt ihre Hände in seine. „Sag es mir, Debbie. Was ist mit dem Mann?" Er blickt sie voller Wärme an. Debbie schaut erst auf ihre Hände, die miteinander verschränkt sind, dann hebt sie den Blick unsicher bis sie seinem Blick begegnet. „Er... er wird nächste Woche entlassen. Ich habe solche Angst ihn wieder zu sehen." Die Tränen strömen jetzt wieder über ihr Gesicht, das sich wieder gesenkt hat. Chris hält ihre Hände weiterhin in seinen. Er sieht sie an „Du mußt Todesangst haben, oder?" sagt er leise. Als sie nur nickt, fährt er fort „Ich weiß nicht wie das ist, mit einer solchen Angst zu leben. Aber ich bin hier und ich bleibe bei dir. Du mußt da nicht alleine durch. Ich habe dich sehr lieb." Langsam hebt sie wieder den Blick, sieht nur seine Wärme und Zuneigung und entzieht ihm eine Hand, die sie ihm ans Gesicht legt. Es dauert einen Augenblick bevor sie fortfährt. „Danke! Ich habe dich auch lieb. Kannst du nächste Woche bei mir bleiben, in der Schule?" „Ja, Debbie. Das mache ich gerne. Wir schaffen das zusammen."
Tief berührt von den beiden, räuspert sich Ms. Parker. „Debbie, Schatz, ich habe das Gefühl zu stören. Kann ich jetzt gehen, oder brauchst du mich noch?" fragt sie. „Nein, es ist okay, wenn du jetzt gehst. Du mußt auch jetzt schnell nach Hause. Vielleicht schaffst du es ja noch, bevor Jarod wieder daheim ist." sagt Debbie mit Blick auf ihre Armbanduhr. „Danke, daß du mich überredet hast ihn anzurufen." flüstert sie ihr noch schnell ins Ohr bevor sie aufsteht. Schmunzelnd sehen sich beide an. Eine kurze Umarmung noch, dann verläßt Ms. Parker das Zimmer. Unten warten Broots und Sam. „Es ist alles okay mit ihnen. Der Junge hat mir imponiert, Broots. Aber ich will jetzt schnell nach Hause; mal sehen, ob ich es noch schaffe, vor Jarod dort zu sein. Ich melde mich morgen wieder."
