Das letzte gastliche Haus im Bruchtal I: Von gescheiterter Diplomatie und überraschend auftauchenden Gästen
I.
Es gibt kaum einen Zauber, der stärker ist als der, den der Frühling mit sich bringt. Nicht nur lässt er den übermächtigen Schnee sich zurückziehen, bis dieser nur noch die Spitzen der Berge krönt, nein, zugleich lässt er auch alles Farblose und Graue verschwinden, indem er –eben wie von Zauberhand- überall bunte Blumen erblühen und die Bäume spriessen lässt und denjenigen, die sich jetzt im Freien aufhalten, Farbtupfer auf das noch winterblasse Gesicht malt.
Damit aber gibt er sich noch nicht zufrieden! Denn einen noch mächtigeren Zauber, so scheint es jedenfalls, legt er einem aufs Gemüt, indem er es mit Frohsinn, Lebensfreude und Optimismus füllt. Freiwillig jedenfalls lassen sich die meisten Elben, Menschen, Hobbits und Zwerge (falls sie ihre Höhlen verlassen) von ihm verzaubern und danken es ihm zudem noch in zahlreichen Liedern und Geschichten, in denen er, der siegreiche Wintervertreiber, gebührend gewürdigt wird.
Der Frühling jedoch, der die Weiden und die Anemonen, die winzigen Sternen gleich den Waldboden bedecken, bereits zum Blühen gebracht hatte, wurde dieses Jahr im Düsterwald nicht allzu enthusiastisch begrüsst, und anstelle aller Lieder und Gesänge hätte wohl besser ein menschliches Sprichwort sein Wesen beschrieben:
„Der Frühling bringt vieles an den Tag."
In der Tat, vieles würde der Frühling dieses Jahr an den Tag bringen! Sichtbar machen würde er einige der Schicksalsfäden, die später vom Untergang der Waldelben erzählen sollten, wie sein Tau das Netz der Kreuzspinne verrät, und doch würde er selbst dem suchenden Auge noch nicht alles enthüllen.
Sicher, er würde dem suchenden Auge die verwirrenden Muster der von langer Hand vorbereiteten Fäden etwas entwirren, doch wer sich anmasste, sie nach seinen dunklen Plänen überhaupt erst zu knüpfen, das brachte selbst der sprichwörtliche Frühling noch nicht an den Tag.
II.
Die von den mächtigen Baumkronen breit aufgefächerten letzten Lichtstrahlen der orangerot verglühenden Abendsonne malten warme Lichttupfer auf Elronds Terrasse. Sie erinnerten an den Anblick tanzender Nachtleuchter, die sie ablösen würden, sobald die Sonne sich hinter den Horizont gesenkt hatte, und gleich jenen der Nacht, so verliehen sie der frühen Abenddämmerung einen eigentümlichen, verzaubert anmutenden Reiz.
Da, da war bereits das erste dieser kleinen Tiere zu sehen, neben seiner rechten Hand auf dem Geländer, auf dem er stand, und für einen Augenblick betrachtete Gandalf es nachdenklich, ein in sich gekehrtes Lächeln auf den Lippen, während er, etwas geistesabwesend vielleicht, dem elbischen Gesang nachlauschte, der süss und melodiös, amselgleich, von irgendwoher erklang, um an einer anderen Stelle, einem neckenden Echo gleich, wieder aufgenommen und weitergeführt zu werden.
Die kühle Frühlingsluft schien ihn in ihrer Reinheit weithin zu tragen, fast so, als würde sie damit die noch etwas gedämpfteren Stimmen der Elben, die der Winter mit sich gebracht hatte, wettmachen wollen, und so stand Gandalf denn für eine geraume Weile, geduldig der Kälte trotzend, und lauschte ihnen, und sah zu, wie die Nachtleuchter ihr tanzendes Spiel des Anlockens und Abweisen spielten.
Es war die zarte Schönheit ihres Tanzes, die ihn nach draussen gelockt hatte, doch wenn er gehofft hatte, in ihrem Anblick etwa Ruhe und Entspannung zu finden, dann hatte er sich getäuscht, denn kaum fand er sich alleine, da holten ihn seine Gedanken, die er doch für eine Weile hinter sich zu lassen suchte, wieder ein.
Gleich den Nachtleuchtern in der Dämmerung kreisten sie unablässig in seinem Kopf, ohne jedoch wie diese Licht auf jene Unklarheiten zu werfen, die Gandalf im Augenblick so beschäftigten, und so seufzte er resigniert und wiederholte in Gedanken all jene Dinge, die er in den letzten Wochen getan, gehört und gesagt hatte (nicht zum ersten Mal übrigens) in der Hoffnung, auf etwas zu stossen, das er bisher übersehen hatte und das ihm weiterhelfen konnte.
Angefangen hatten seine und Elronds Sorgen mit Dol Guldur, dessen war er sich jetzt sicher. Dol Guldur! Der Name hinterliess einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge wie schlechter Wein, weil er einen Ort bezeichnete, an dem viel von dem Bösen, das Mittelerde heimsuchte, ein Ende hätte finden sollen und dann doch, wie er jetzt wusste, erst ein Anfang davon gewesen war, und jenes Böse hatte sich als erstes in Thranduils seltsamem Charakterwandel manifestiert.
Sicher, der König der Waldelben hatte nie den Ruf eines allzu geduldigen, den weltlichen Dingen abgewandten, durchgeistigten Elben besessen – er wäre wohl beleidigt gewesen, hätte man ihm dergleichen nachgesagt – doch nach Dol Guldur, da mehrten sich die Gerüchte, in denen er als Hauptfigur agierte, und nicht immer als eine mit heldenhaftem Charakter. Im Gegenteil, hinter vorgehaltener Hand raunte man sich zu, dass mittlerweile die Waldelben selbst, deren Loyalität eine ihrer einnehmendsten Charakterzüge war, Thranduils Benehmen befremdlich fanden.
Als Elrond einige solcher Gerüchte zu Ohren gekommen waren, hatte er nicht lange gezögert und einige Boten nach dem Höhlenpalast im Düsterwald gesandt. Mochten auch die Waldelben und die Bruchtalelben nicht gerade innige Freundschaft füreinander empfinden, waren doch regelmässig zwischen ihnen Boten hin- und her geritten, die dem Nebelgebirge trotzten, um ein lockeres Kontaktnetz aufrechtzuerhalten, da sowohl der Elbenkönig als auch der Elbenfürst zu Recht sich sagten, dass die Augen zweier Völker mehr sahen als die von nur einem, und ihre Ohren mehr hörten.
Elrond, der Thranduils Charakter durchaus richtig einzuschätzen (und auch zu schätzen) wusste, hatte sie in erster Linie ausgesandt, jene Gerüchte, wie sie aufgekommen waren, zu entkräften, und er war nicht wenig erstaunt und beunruhigt gewesen, als seine Boten zurückkehrten und sie vorbehaltlos bestätigten.
Darauf hatte der Fürst des Bruchtals sich an Gandalf gewandt, doch auch dieser hatte sich vorerst keinen Reim auf Thranduils seltsames Verhalten machen können, bis zu jenem Zeitpunkt, an dem ihn Saruman, der Herr von Isengard, zu sich hatte rufen lassen, Saruman, der schon fast Allwissende, der ganz getreu seinem Ruf, mehr sah als alle anderen – und die vage Unruhe, die Gandalf angesichts der Vorgänge im Düsterwald empfunden hatte, zu allzu realen Sorgen hatte werden lassen.
Die Enthüllungen, die Saruman ihm hatte zuteil werden lassen, hatten auch ihm, Gandalf, in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet – nicht nur, was seine und Elronds Sorgen, sondern auch, was den Charakter seines Freundes, des mächtigsten aller Zauberer, und Mitglied des weissen Rates, betraf.
Noch immer sah er nur allzu deutlich vor sich, wie Saruman, mit einem unbeschreiblichen Ausdruck der Selbstzufriedenheit und des Besitzerstolzes, triumphierend das Tuch von dem wegriss, das er bisher sorgsam vor allen verborgen gehalten hatte und das all die Jahre sein wirkliches Auge gewesen war: Einem der verschollen geglaubten Palantiri. Er präsentierte ihn dabei ganz so, als wäre er nur eine kleine Errungenschaft oder eine von Zwergenhand hergestellte Spielerei, die man seinen Gästen so nebenbei vorführt, und als hätte er nie zuvor Grund gehabt, diesen wertvollsten all seiner Besitztümer zu präsentieren.
Ja, Gandalf erinnerte sich umso deutlicher, als dass er in jenem Augenblick das Gefühl gehabt hatte, dass sich durch Sarumans grossartige Geste auch einige Schleier, die seit langem die Klarheit seiner Gedanken trübten, sich gelichtet hatten, und er vermeinte Kälte, Bosheit und Machthunger in einem Gesicht zu sehen, das er bisher für einen Sitz von Weisheit, Güte und Verständnis gehalten hatte.
Mag sein, dass sich Saruman, der sich zu jenem Zeitpunkt schon viel tiefer bösen Plänen verschrieben hatte, als sie alle ahnen konnten, beim Anblick des Palantirs, der ihm den Weg zu uneingeschränkter Macht ebnen sollte, für einen Augenblick eine Blösse gab und seine sonst so sorgfältig vorgehaltene Maske fallen liess, doch als er sich, nachdem er sich für einen Augenblick an Gandalfs Überraschung und Furcht geweidet hatte, nach diesem umdrehte, da war sie wieder sorgfältigst an ihrem Platz.
Schliesslich war er dabei, eifrigst Fäden zu spinnen, mit denen er Gandalf (und damit auch Elrond) wie eine arglose Fliege zu fangen gedachte, und dabei wäre es äusserst unvorsichtig von ihm gewesen, die Fangfäden, die ihm dazu dienen sollten, vorzeitig zum Zittern zu bringen.
So hatte er sich denn ernst Gandalfs Sorgen angehört, was Thranduils Verhalten betraf, und Gandalf die zweite grosse unheilsame Überraschung damit bereitet, als dass er sich dieses gleich zu erklären vermochte. Gandalf, der sich wie viele Weise schon des Öfteren gefragt hatte, was wohl aus den verschollenen Steinen, einst von Fëanor geschaffen, geworden war, hatte jetzt eine Antwort auf seine Frage für gleich zwei von ihnen gefunden, doch war ihm sein vorheriges Unwissen lieber gewesen.
Eines jedoch beruhigte ihn: Auch Saruman war der Ansicht, dass der Stein in Thranduils Händen (offensichtlich so) am falschen Platze war, denn viel zu oft, so sagte er, benutzte der Elbenkönig diesen Stein, dem zu stellen selbst die Mächtigen sich wappnen und vorsehen mussten!
Es war dies etwas an Sarumans Verhalten, das erneut wie kleine Nadelstiche Gandalfs Gedanken peinigte: Woher wusste Saruman, dass Thranduil den Stein oft benutzte, wo er dies doch selbst auch nur in dem Stein sehen konnte, den er fast nie zu benützen behauptete? Oder schloss er dies alleine aus den Gerüchten, die ihm über den Elbenkönig zu Ohren gekommen sein mochten
Saruman jedoch sprach jetzt von anderen Dingen, die sie beide (und somit auch meist ganz Mittelerde) betrafen, in einem väterlich-besorgten, fast ratsuchenden Tonfall, der Gandalfs so plötzlich erwachte Zweifel einlullte wie das Wiegenlied einer Mutter das quengelnde Kind, und als sie dann schieden, geschah dies in aller Freundschaft.
Gandalf war zufrieden gewesen, dass Saruman seinen und Elronds Plan, den Stein Thranduils nach Bruchtal zu schaffen (Niemals würden sie ihn benutzen, hatte er dem Weissen Zauberer versichert, oder nur ihm äussersten Notfall, was diesem ein feines Lächeln entlockt hatte), gutgeheissen hatte. Saruman seinerseits hatte nach Gandalfs Aufbruch die Genugtuung gehabt, dass seine und Saurons Pläne (Er hatte jetzt jedoch schon eigene Vorstellungen und Ideen davon) nicht nur von ihnen, sondern auch von jenen, die zu bezwingen sie sich am schwierigsten vorstellten, fleissig vorangetrieben wurden.
Daran dachte Gandalf jetzt an jenem Frühlingsabend in Elronds Haus, und an den Brief, den sie daraufhin an Thranduil geschickt hatten, ein vom Bruchtalfürsten mit Meisterhand entworfenes Beispiel elbischer Diplomatie, in dem er den Waldelbenkönig einlud, seine Schwierigkeiten (Ja, natürlich hatte man im Bruchtal von der zunehmenden Präsenz der Orks im Düsterwald gehört) mit ihm in aller Freundschaft zu besprechen.
Gandalf lächelte, als er sich den exakten Wortlaut dieses Briefes in Erinnerung rief, doch die seltsame Melancholie (er bevorzugte den Ausdruck „Melancholie" vor allen anderen, etwa Angst, oder Vorahnung, die wohl adäquater gewesen wären), die ihn seit seinem Besuch bei Saruman fest in ihrem Griff hielt, die konnte er nicht abschütteln.
Noch einmal wanderte sein Blick zu dem kleinen Wesen neben seiner Hand, das jetzt in einem sachten Grün zu leuchten begonnen hatte. Voll filigraner, zerbrechlicher Schönheit war er, der Nachtleuchter, ein Geschöpf voller Licht, voller Heiterkeit! Gandalf betrachtete es nachdenklich und versank tiefer in seine „Melancholie".
„Eine Fingerspitze von mir würde genügen, es zu zerquetschen." dachte er. „Eine Fingerspitze, und sein ohnehin schon kurzes Leben wäre zu Ende. Was ist es denn schon? Ein einsamer kleiner Lichtpunkt in einer endlosen Nacht, der die Dunkelheit nur durchbricht, um das Dunkle noch dunkler scheinen zu lassen."
Der Nachtleuchter flog vom Geländer auf. Gandalf folgte ihm mit dem Augen, und während er sich mit einem Seufzer abwandte, um nach innen zu gehen, da überlegte er, dass all dies, was er eben über dieses kleine Tier gedacht hatte, auch für das elbische Wesen, oder das elbische Volk zutreffen mochte, das von einer anderen Art Nacht heimgesucht wurde, immer bedroht, von ihr verschluckt zu werden, und für die es kein Morgen geben würde, sollte das Licht der Elben tatsächlich einmal erlöschen.
III.
Die Wärme von Elronds Haus empfing ihn wie eine Umarmung, und das warme Glühen zweier Feuer, die den Raum erhellten, in den Gandalf jetzt eingetreten war, war eine Wohltat sowohl für das Auge wie auch für jeden, der der Frühlingskühle draussen (und zudem düsteren Gedanken) getrotzt hatte.
Der Elbenfürst Elrond, der an einem kleinen, wundervoll geschnitzten hölzernen Tisch sass und eine Karaffe mit Wein in der Hand hielt, hatte bei seinem Eintreten nicht den Kopf gewendet und gab auf keine Art und Weise zu erkennen, dass er die Ankunft des Zauberers bemerkt hatte.
Gandalf trat näher, während Elrond ruhig, fast konzentriert, zuerst ein, dann ein zweites Glas mit der kostbaren, dunkelroten Flüssigkeit aus der Karaffe füllte, bevor er den Kopf hob, endlich Gandalf direkt ansah und ihm eines der Gläser reichte, begleitet von einem dieser schiefen Lächeln, wie sie nur Elrond in dieser Formvollendung zustande brachte.
„Ich habe eben noch nach unserem Gast gesehen." sagte er und kam damit der Frage Gandalfs, die diesem schon auf den Lippen gelegen hatte, unmittelbar zuvor. Der Zauberer blinzelte, schwieg aber.
„Bilbo wird jetzt wohl schlafen." fuhr Elrond fort, und seine Augen blickten ernst dabei. „Vielleicht etwas ruhiger als die letzten Nächte, seit du ihn und seinen kleinen Freund zu uns gebracht hast. Seine Kräfte, auf seiner beschwerlichen Reise nach Bruchtal fast aufgebraucht, kehren langsam etwas zurück. Doch schwere Rätsel sind es, Gandalf, die dein alter Freund mir und meinen Heilern aufgeben, Gandalf! Welche Medizin auch immer dem Hobbit zubereitet wird – sie scheint nicht so zu wirken, wie wir uns das wünschen und gewohnt sind! Etwas gibt, es, das an seinen Kräften zehrt, schleichend, zerstörend, doch bleibt es unseren Augen verborgen. Nicht das Alter ist es, Gandalf, das ihn so hinfällig hat werden lassen, gegen das selbst die Elben keine Hilfe wissen, oder schlecht verheilte Wunden, wie sie ihm diese seltsame Kreatur Gollum bei seinem Überfall zugefügt hat… So ungern ich dies zugebe…" Ein ironisches Lächeln milderte die Worte des Elbenfürsten, „…ihr seht einen ratlosen Elben vor euch, Gandalf!"
„Es ist dies in der Tat beunruhigend, wenn selbst die Elben keinen weisen Ratschlag mehr zu geben vermögen!" sagte Gandalf und lächelte ebenfalls. „Ich habe nicht geglaubt, dass ich leben würde, diesen Tag zu sehen. Mein alter Freund Bilbo! Fast schon hätte ich geglaubt, die Jahre würden ihm nichts anhaben können, und fürchterlich erschrocken bin ich bei meinem letzten Besuch, als sie ihn so plötzlich eingeholt zu haben schienen! Verwittert geworden ist er, und müde, wie ein altes Gemäuer, dem der Mörtel fehlt… Selbst wenn ihr dem, was an ihm nagt, nicht trotzen könnt, Elrond, so bin ich doch froh, dass ich ihn den ganzen weiten Weg vom Auenland zum Bruchtal noch einmal habe machen lassen! Eine bessere Pflege als in eurem Haus kann ihm nirgendwo zuteil werden! Wenn ich euch so reden höre, Elrond, so frage ich mich jedoch, ob es nicht besser wäre, selbst noch einmal nach dem Rechten zu sehen."
„Bilbo hat bereits jemand, der diese Aufgabe unermüdlich übernimmt." versetzte Elrond. „Euer anderer Hobbitfreund, der junge Frodo, weicht nicht von seines Onkels Seite. Ich bin sicher, dass wir seine Stimme bis hierher hören können, sollte Bilbo der Hilfe bedürfen. Euren Rat, und eure Hilfe, Gandalf, brauche ich hier."
Gandalf zog eine Braue hoch. „Thranduil wird nicht kommen." dachte er, und wieder echote Elrond seine Gedanken: „Thranduil wird nicht kommen." sagte er, und es klang müde, schwer. Er hob sein Glas an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck von seinem Wein. „Seine Absage begleitete er übrigens nicht mit jenen diplomatisch-höflichen Worten, die er sonst bei solchen Gelegenheiten verwendet."
Gandalf kostete nun seinerseits von dem Wein, ohne etwas auf des Elbenkönigs Worte zu erwidern, und liess sich schwerfällig neben Elrond nieder.
„Ich hatte so etwas geahnt." sagte er, und er schien nicht weiter überrascht über die unelbische Direktheit von Elronds Worten, war er doch vertraut mit dessen Art, unangenehme Nachrichten jedem, der es seiner Meinung nach vertragen konnte, direkt und ohne Umschweife mitzuteilen, eine Art, die der Gandalfs im übrigen nicht unähnlich war. „Ich hatte so etwas geahnt."
Ein leises, zynisches Lächeln spielte um Elronds Lippen, erlosch aber gleich wieder. „Eine seltsame Botschaft war es, die mir Thranduil hat überbringen lassen." fuhr er dann fort, jetzt auf durch und durch elbische Art einzelne Informationsbrocken seinem Gegenüber hinwerfend, ohne sich jedoch je klar auszudrücken, eine Art, die Gandalf nach all den Jahren, indem er schon mit Elben zu tun hatte, noch immer gründlich irritierend fand. Dennoch wartete er geduldig, und Elrond erklärte sich denn auch, allerdings erst nach einem zweiten Schluck Wein.
„Der Ton seiner Botschaft war, wie ich schon gesagt habe, sehr direkt – meistens jedenfalls. Doch es gab auch andere Passagen darin, leichtere, freundlichere, fast entschuldigende." Erneut hielt Elrond inne, doch dieses Mal, dessen war sich Gandalf sicher, pausierte er, um sich zu überlegen, wie er seine subtilen Empfindungen über Thranduils Brief am besten kommunizieren konnte.
„Ironischer, leicht beleidigender Tonfall – fast hätten mich diese einzelnen Zeilen, wie sie zwischen den andern aufblitzten, an den alten Thranduil erinnert."
„Was haben die Boten, die die Nachricht überbrachten, gesagt?" fragte Gandalf dazwischen. „Ich sah euch mit ihnen reden, bevor sie sich entfernten."
Elrond musterte ihn leicht amüsiert. „Ihr Wortführer sprach nicht viel. Nicht mit mir, und nicht über das Thema, das uns beide so brennend interessiert. Was ich aus ihm herausgekriegt habe, bestätigt nur den Eindruck, der Thranduils Brief bei mir hinterlassen hat. Der König vom Düsterwald ist noch immer die stolze, lebensfrohe, mutige und sture Persönlichkeit, die er früher einmal war – doch diese Eigenschaften scheinen ihm in zunehmenden Gerade abzugehen, während sein Stolz, seine Sturheit, und sein Bedürfnis, für sich zu bleiben, wächst, in erschreckendem Masse wächst." Er schüttelte den Kopf.
„Vielleicht sollte ich die Boten selbst einmal sprechen!" warf Gandalf ein, ziemlich siegessicher, denn kaum ein Elb würde es wagen, ihm, Mithrandir, etwas zu verheimlichen.
„Sie mögen etwas in die Richtung befürchtet haben und sind deswegen noch in den frühen Abendstunden wieder aufgebrochen." versetzte Elrond. „Ihr Anführer sagte, der Düsterwald habe all seine Soldaten nötig, womit er natürlich Recht hat, und so liess ich sie, wie sie es wünschten, mit unseren besten Wünschen, ziehen."
Gandalf runzelte unwillkürlich die Stirn.
„Warum befragen wir stattdessen nicht einfach seine Söhne?" fuhr Elrond fort und leerte sein Glas.
Sein Gegenüber seufzte innerlich und hob fragend eine Braue.
„Seine Söhne." wiederholte Elrond und lächelte leise. „Thranduil schrieb, dass er uns zwei seiner Söhne schickt, um sich unsere Sorgen anzuhören."
„Welche Söhne?" fragte Gandalf, bemüht, nicht allzu interessiert zu wirken.
„Seinen Ältesten. Beldàuil." antwortete Elrond bereitwillig. „Und Legolas, seinen Jüngsten."
Gandalf nickte. „Kennt Ihr die beiden?" fragte er.
„Legolas war noch nie in Bruchtal." antwortete Elrond. „Doch er wurde mir vorgestellt, als ich den Düsterwald besuchte. Seinen Bruder allerdings kenne ich genauer. Bevor Du fragst – er ist das lebendige Abbild seines Vaters, was Stolz, Ungeduld und – ich kann es nicht anders formulieren – den Waldelbendünkel betrifft."
Gandalf hörte Elronds Urteil mit unbewegtem Gesicht. „Dann wird es also dieser Legolas sein, auf den wir unsere Kräfte konzentrieren müssen." sagte er, hob sein Glas und prostete Elrond zu.
Fortsetzung folgt…
Anmerkung der Autorin: Tja, diesmal ging das Posten tatsächlich etwas schneller, und ich glaube, dass ich es diesmal wirklich schaffe, das „jede-Woche-updaten" wieder einzuführen, zumal ich im Augenblick mehr Freizeit als normal habe. Neue Updates also jeweils von Freitagabend bis spätestens Sonntagabend! Reviews nehme ich natürlich jederzeit entgegen! Ich hoffe übrigens, dass sich niemand über dieses fast „zusammenfassende" Kapitel geärgert hat – es ist nur, dass ich wohl nie ein Ende finden würde, wenn ich all die von Gandalf gedachten Begebenheiten ausschreiben würde…
Für Elanor: Ich hoffe natürlich, du hast dieses und nicht letztes Wochenende gemeint! Dann wäre ich sogar terminplangemäss! Etwas Nachbohren deinerseits ist sicher eine gute Idee und wird von mir sicher nicht übel genommen, da ich ja selber weiss, dass ich ein schreckliches Lama bin, ein Lama übrigens, das erstaunt ist, dass es trotzdem noch so getreu Reviews erhält! Den „Borkenkäfervergleich" habe ich im Übrigen rausgekippt, weil Du natürlich recht hast: In Lebensgefahr würde selbst ein Elb nicht mehr nach poetischen Vergleichen suchen! Ich nehme solche Kritik/Anmerkungen keineswegs übel, weil sie a) freundlich sind und b) mir als Schreiber sehr weiterhelfen, meinen Stil zu verbessern, was ja eigentlich das Ziel ist, wenn man etwas im Internet präsentiert Ich habe mich wirklich bemüht, nicht mehr so ausufernd zu werden dieses Kapitel... Danke also für das „Antreiben" und für die Kritik (und nicht zuletzt das Lob, natürlich)!
Für Liderphin:
Dann geht's Dir ja ähnlich wie mir – mit dem Verkrampft sein, meine ich! Nur geht meines mehr in die Richtung: Etwas muss dir ja endlich einfallen zu schreiben...Du hast schon so lange nichts mehr geschrieben...Beeil dich... usw. usf. Die Namen bastle ich im Übrigen aus Sindarin-Wörtern zusammen. Deshalb habe ich das „Tulusduir" klammheimlich zu „Tulusdair" korrigiert...
Ah, mit dem Warten auf die Updates geht's dir ja auch gleich wie mir – nur dass es die Reviews sind, auf die ich in ähnlichem Zustand warte...
Für Melethil: Ja, hier kommt sie nun endlich, die Fortsetzung, zwar „legolasfrei", aber immerhin! Ich hoffe, du bist damit zufrieden...
