Laura ließ sich seufzend auf ihr Bett sinken. „Wann hast du vor zu gehen?" fragte sie. Der Ton in ihrer Stimme zeigte, wie ungern sie ihrer Freundin ihren Willen ließ. „Morgen nach dem Frühstück." „Dann verpasst du die erste Aufgabe." „Ist mir egal. Ich muss Baltasar zurück verwandeln. Schließlich ist es meine Schuld, dass er sich mit seiner Zunge waschen muss." Sie schauderte bei dieser Vorstellung. Baltasar wollte etwas auf ihr Erschaudern erwidern, fing aber noch rechtzeitig einen warnenden Blick von Laura auf. „Warum bist du auf einmal so wild darauf?" „Ich hatte einen Geistesblitz. Eine neue Idee. Du weißt doch, dass ich erst aufgebe, wenn ich mit dem Kopf gegen eine Wand laufe." Auch dieses Mal schaffte es Laura den Kater von seinem Vorhaben, etwas auf die Worte der jungen Frau zu erwidern, abzuhalten. Arina ließ einen alten Lederrucksack auf ihrem Bett erscheinen. Sie begann ihre Sachen, welche sie vorher auf dem Bett gehäuft hatte, einzupacken. Sie stopfte ihre Notizen, eine Flasche mit seltsamen grünen Inhalt, eine Tafel Schokolade und Brote, welche sie vorher in Butterpapier gewickelt hatte, ein. Bis dahin mochte der Kater die Nützlichkeit der Dinge noch verstehen (Der grüne Inhalt der Flasche, gab ihm weiterhin Rätsel auf. Allerdings hatte er beschlossen, dass er gar nicht wissen wollte, was in der Flasche war.)
Aber dann war es aus für sein Verständnis. Neben einer Steinschleuder, einem Beutel, dessen Geruch selbst Tote geweckt hätte, und einer kleinen Armbrust, wanderte noch ein Strauß getrockneter Nelken und ein Unförmiges Bündel in den Rucksack. „Was ist da drinnen?" fragte der Kater. „Betriebsgeheimnis." war die knappe Antwort, welche er erhielt. Laura betrachtete ihre Freundin mit gemischten Gefühlen. Sie vertraute Arina und wusste, dass sie schon wusste, was sie tat. Aber gleichzeitig meldete sich auch die leise Stimme in ihrem Inneren, dass Arina zwar wusste, was sie tat, selten aber auch die Konsequenzen bedachte. Erst jetzt fielen ihr die kleinen Veränderungen an ihrer Freundin auf. Ihre Haut war blasser als sonst. Um ihre Augen konnte Laura leichte Schatten erkennen. Aber in Arinas Blick loderte ein Feuer, das sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Diese Tatsache beruhigte sie jedoch nicht. Dieses Feuer war nicht gut. Das letzte Mal hatte sie Sirius fasst den Kopf abgerissen. Laura wusste nun, dass es unumgänglich war, dass Arina in Schwierigkeiten geriet. Das tat sie immer. Schließlich war sie die Königin des Chaos. Und genauso selbstverständlich war es, dass sie diese Schwierigkeiten bewältigte...
„Arina." „Ja?" „Warum bist du noch sauer auf Laura?" Arina, die gerade damit beschäftigt war, den Zweig eines Baumes, der sie nicht durchlassen wollte, kämpfte, wandte sich nun zu ihm um. Ihr Atem ging schnell. Ihr Gesicht war von der Anstrengung gerötet. „Ich bin doch nicht sauer auf Laura." Mit einem verschmitzten Lächeln fügte sie hinzu: „Ich bin nur etwas gekränkt." „Versteh ich nicht." Arina ächzte. „Du bist ja auch ein Junge. Oder warst es zumindestens einmal." „Woran du ja überhaupt nicht schuld bist." „Typisch Mann." „Also. Warum ist es bei uns anders." „Laura ist meine beste Freundin. Beste Freundinnen erzählen einander alles. Bei Jungs ist das anders. Die sind froh, wenn der andere ihnen nicht alles erzählt. So müssen sie viel weniger denken." In ihrer Hand erschien nun ein Buschmesser. Blitzschnell wandte sie sich um und zerschnitt die Äste, die ihr den Weg versperrten. „Wie kommst du denn auf den Blödsinn?" fragte Baltasar entrüstet. „Ich habe es mir zusammen gereimt." „Und wer hat dir dabei geholfen diese Erkenntnis zu erlangen." Sie sah ihn an. „Drei Mal darfst du raten." Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens fragte der Kater: „Du hast ihr nie erzählt, dass du mit ihm zusammen warst, oder? Du hast ihr nie gesagt, warum du eine gewisse Liebe für den Astronomieturm entwickelt hast. Oder irre ich mich." „Ich bitte dich. Das war keine Beziehung. Das war der größte Fehler meines Lebens." Der Busch, auf den sie eingehackt hatte, beschloss seinen Widerstand aufzugeben und gab den Weg frei.
Arina strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht. „Na also. Das war doch gar nicht so schwer, oder?" „Arina?" „Was?" „Das mit dem größten Fehler deines Lebens war doch nicht ernst gemeint, oder?" „Ich meine es ernst." „Lügnerin." Sie sah ihn an. „Ich weiß du Sirius liebst. Und er liebt dich. Ihr gehört zusammen. Wie Tag und Nacht." „Wir gehören zusammen. Das mag sein. Aber der einen würde den anderen töten. So wie die Sonne den Mont tötet, wenn sie aufgeht." „Hühnerkacke." Arina verengte ihre Augen. Sie wollte etwas sagen, ließ es aber dann doch bleiben. Sie wandte sich um und bahnte sich ihren Weg durch die Büsche. Plötzlich merkte die junge Hexe, dass der Kater stehen geblieben war. „Was hast du denn jetzt schon wieder?" fragte Arina etwas gereizt. „Hast du das nicht gehört?" „Was?" „Dieses Geräusch." „Äh...Nö." Bevor der Kater dazu kam Arina zu sagen, was er vernommen hatte, trat ein Zentaur aus dem Gebüsch vor ihnen. Er hatte weißblondes Haar und strahlend blaue Augen. Arinas Antlitz hellte sich auf. „Firenze!" rief sie freudig und fiel dem überraschten Wesen um den Hals. „Ich freu mich wahnsinnig dich zu sehen." Firenze lächelte. Vorsichtig löste er sich aus den Arme der Hexe. „Arina, was machst du hier? Dies ist kein Ort für dich." „So ein Quatsch. Ich bin die einzige, die beschließt, welcher Ort ein Ort für mich ist und welcher nicht. Außerdem muss ich Baltasar helfen."
„Dann werde ich dich nicht dazu bewegen können, dein Vorhaben aufzugeben?" „Nein." Firenze blickte sich um. „Sei vorsichtig. Unheil liegt in der Luft." „Das Einzige was hier in der Luft liegt, ist der Geruch nach Schweißfüßen und ich will auf gar keinen Fall herausfinden, woher er kommt." Firenze lächelte sanft. Dann verschwand er so lautlos, wie er erschienen war. „Wenn er nicht den Hintern eines Pferdes hätte, würde ich ihn um ein Date bitten." meinte Arina. „Aber klar doch." meinte Baltasar sarkastisch. „Was soll denn das schon wieder heißen." „Sirius hat dich auf Knie angefleht, nur damit er einmal mit dir ausgehen konnte." „Hat ihm nicht geschadet." „Lily hat James nicht den Knien herum kriechen lassen. Und sie hat ihn geheiratet, war glücklich und gebar ein Kind." „Und jetzt ist sie tot." „Du bist kalt." „Ich will nicht darüber reden." „Er liebt dich noch immer." „Mir egal." „Du liebst ihn auch noch." „Du liebst ihn auch noch." äffte Arina den Kater nach. Unter einem Schwall von Flüchen in Sprachen, die Baltasar nicht kannte, schlug Arina sich ihren Weg durch das Gehölz des Verbotenen Waldes.
