Kapitel 4: Am Anfang war die Tatwaffe
Eine leichter Wind machte die für Vegas typische, sommerliche Hitze ein klein wenig erträglicher und brachte die Flaggen am Las Vegas Police Department zum gleichmäßigen flattern. Einige der schwarz, weißen Dienstwagen parkten vor dem Gebäude und warteten auf ihre Benutzung. Ein heller Jeep Grand Cherokee hielt in der Nähe der Eingangstür und Nick und Catherine stiegen aus dem Wagen aus. Während Catherine von der Beifahrerseite um das Auto herumging, wehte ihr langes, blondes Haar ebenso sanft im Wind, wie die Fahnen am Police Department.
„Was ich dich noch fragen wollte..", sagte Catherine, als sie beide auf den Eingang zu gingen, sprach dann aber nicht weiter.
„was denn?", fragte Nick im Gehen.
„Ja, also. Es geht um folgendes..."
Wieder machte Catherine eine Pause.
Nick hielt ihr die Tür auf.
„Nun komm schon, so schlimm kann es doch nicht sein."
„Oh nein, eigentlich ist es sogar was ganz positives, weißt du", druckste sie herum.
Nick holte auf und ging wieder neben ihr.
Der Empfangsbereich der Polizeistation war recht klein und sie standen dem Empfangsschalter, hinter dem eine mollige, farbige Frau saß, direkt gegenüber. Die Frau wurde von beiden mit einem freundlichen Nicken begrüßt.
„Also bitte, nun spuck's endlich aus", setzte Nick ihr Gespräch fort.
„Okay, ich habe morgen Abend eine Verabredung und suche jemanden, der auf meine Tochter aufpasst."
Sie waren am Fahrstuhl angekommen und Catherine drückte auf den Knopf, während sie Nicks Antwort abwartete.
„Morgen Abend, ja?", fragte der nach.
Es ertönte ein Pling-Geräusch und die Fahrstuhltür öffnete sich. Der Geruch von Putzmittel stieg ihnen im Fahrstuhl in die Nase.
„Genau", beantwortete Cath die Frage ihres Kollegen.
„Hm, das tut mir leid, Catherine. Aber morgen Abend habe ich leider schon was vor. Das ist schon lange geplant."
„Schon gut, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Ich finde schon jemanden."
BING
Sie waren im richtigen Stockwerk angekommen und setzten ihren Weg den Flur entlang fort. Vorbei an Laboratorien und Büros.
„Hast du die Fingerabdrücke", fiel es Catherine plötzlich ein.
„Was denkst du denn", konterte Nick und hielt einen braunen Umschlag hoch.
Eine Linkskurve und zwei Laborräume später, waren sie an Grissoms Büro angelangt.
Die Tür stand offen und so traten sie ein. Er sah von dem Formular auf, das er gerade ausfüllte und schaute die beiden über den Rand der Lesebrille an.
„Ah, da seid ihr ja."
Nick trat vor, legte den Umschlag auf Grissoms Schreibtisch und sagte: „Ja und hier sind die Fingerabdrücke aller neun Kandidaten."
Dann holte er seinen Notizblock aus der Hemdtasche, legte ihn auf den Umschlag und fügte hinzu: „Und eine Liste mit ihren Namen und unsere Notizen zu ihren Aussagen."
Grissom griff nach dem Block und begutachtete die Liste:
Ben
Mart
Lisa
Jack
Sandy
Ryan
Iris
Pierre
Amber
Dann blätterte er weiter und überflog die folgenden Seiten. Als er fertig war, hielt er Nick den Umschlag wieder hin.
„Sehr schön, dann könnt ihr jetzt mit den Abdrücken zu Warrick und Sara ins Labor gehen und ihnen beim Vergleichen helfen. Sie haben einige Fingerabdrücke an dem Messer gefunden."
Nick nahm den Umschlag entgegen und wandte sich zum Gehen. An der Tür blieb er stehen, um auf Catherine zu warten.
„Geh schon", sagte die. „Ich komme gleich nach."
Darauf machte sich Nick allein auf den Weg zum Labor.
Grissom nahm seine Brille ab und lehnte sich gespannt zurück.
Catherine stand wie angewurzelt vor seinem Schreibtisch und drehte nervös einen Ring an ihrem Finger.
„Ich ähm...", begann sie unsicher. „Also ich wollte mich nur bei dir bedanken. Das habe ich nämlich noch gar nicht getan. Gil, weißt du, ich..." Sie machte eine kurze Pause, bevor sie weiter sprach. „Also ich hatte schon fast gedacht, dass du nicht an mich geglaubt hast."
Grissom schwieg, fummelte nur irgendwie unsicher an seiner Brille rum.
„Die Sache mit Sam Braun. Du weißt schon", ergänzte Catherine schließlich. Als er immer noch keine Anstalten machte, seine Meinung zu äußern, lächelte sie verlegen und beeilte sich dann Nick hinterher zu laufen.
Das grelle, weiße Licht ließ das Labor noch kälter und steriler wirken, als es sowieso schon war. Warrick Brown und Sara Sidle passten sich mit ihren hellblauen Laborkitteln hervorragend der Umgebung an.
Sie sahen gerade beide durch je ein Mikroskop, da fing Sara aus heiterem Himmel an von ganzem Herzen zu lachen.
„Was zum Henker ist denn mit dir los?", erkundigte sich Warrick, als er von seinem Mikroskop aufgesehen hatte.
„Ach nichts", lachte Sara.
„Na so sieht das aber nicht aus."
„Mir ist nur gerade ein Witz eingefallen, den Greggo mir gestern erzählt hat."
Warrick wendete sich ihr zu und stützte sich mit dem Arm auf der Tischplatte ab.
„Und darüber lachst du erst jetzt?", bemerkte Warrick belustigt und löste damit bei Sara, die sich gerade beruhigt hatte, einen erneuten Lachanfall aus.
„Was ist denn mit der los?", wollte Nick wissen, der soeben, gefolgt von Catherine, das Labor betreten hatte.
„Die lacht über nen Witz, den Greg gestern gerissen hat."
Nick rümpfte die Nase und spottete: „Wow, dann kann er ja nicht so besonders lustig gewesen sein. Oder sie hat eine extrem lange Leitung."
„Können wir dann vielleicht jetzt anfangen", mischte sich Cath ein.
Sara hatte sich inzwischen wieder eingekriegt und antwortete stellvertretend für sie beide: „Gute Idee, fehlen nur noch die Abdrücke zum Vergleich."
„Hier", meldete sich Nick und warf den Umschlag auf den Tisch. Warrick trat einen Schritt vom Tisch zurück, um Nick platz zu machen, der daraufhin einen Blick durch's Mikroskop warf.
Catherine zog sich einen Laborkittel über und schaltete einen tragbaren CD-Player ein, der neben einer Standkühlzentrifuge stand.
Dann begannen sie zu einer CD der französischen Gruppe „Air" zu arbeiten.
Gil Grissom hatte bereits den Ring, die Kette, zwei Zigaretten und den Kuli aus der Schatulle genommen, die Sara in Melindas Schlafzimmer gefunden hatte. Nun entnahm er, mit Hilfe einer Pinzette, einen gefalteten Zettel, den er mit einer zweiten Pinzette behutsam auseinander faltete.
Es standen einige Namen und Zahlen darauf. Vermutlich Spielstände eines Kartenspiels. Er legte das Papier beiseite und nahm sich die nächsten zwei Stücke vor. Darauf waren zwei Rezepte für einen Kuchen und eine Suppe notiert. Zu guter Letzt wiederholte er die Prozedur mit dem vierten und letzten Zettel. Darauf stand eine einzige Zeile geschrieben: „Heute Abend um 11 bei mir. Behalt es für dich!"
Kein Name, keine Unterschrift, nur diese simple Zeile.
„Fertig", erklärte Warrick, der soeben zusammen mit Nick in Grissoms Büro kam.
Als sein Vorgesetzter keine Reaktion zeigte und unbeirrt weiter das Stück Papier vor sich anstarrte, versuchte er es um einiges lauter: „Wir sind fertig, Gris."
Grissom ließ den Zettel fallen.
„Hey, hey, hey!", rief er forsch. "Ich bin nicht schwerhörig, okay?"
„Tut mir leid", entschuldigte Warrick sich kleinlaut und trat einen Schritt zurück.
„Wir haben alle gefundenen Abdrücke mit denen der neun Mitbewohner verglichen", verkündete Warrick und machte eine lange Pause.
„Was ist, soll ich Beifall klatschen?", kam Grissoms Kommentar wenige Augenblicke später.
„Nein", sagte Warrick. „Wir haben Übereinstimmungen gefunden."
Grissom schien unbeeindruckt.
„War zu erwarten. Von wem sind denn nun die Abdrücke auf der Mordwaffe?"
„Von allen."
Einen Moment wirkte Grissom überrascht. Dann nahm er den Zettel mit der Nachricht wieder auf und sagte: „Nun, dann habe ich hier etwas dass uns vielleicht zum Täter führt."
