Zur gleichen Zeit brachen vier Hobbits auf und machten sich auf den Weg nach Bree. Das Wesen lauschte dem Klang der kleinen Schritte. Ein Lächeln erhellte ihre Züge. Langsam zog sie ihre Arme an. Die Dornen rissen tiefe Wunden in ihre zarte Haut. Doch Arahiriel kümmerte sich nicht weiter darum. Sie wollte aus ihrem Gefängnis fliehen. Sie schloß ihre blauen Augen und biss die Zähne zusammen. Mit einem Ruck befreite sie sich. Sie fiel auf das saftige, grüne Gras und blieb dort erschöpf liegen. Ihr Atem ging schnell und unregelmäßig. Das silberne Blut der Sina glitzerte im Sonnenlicht. Sie war frei! Sie hatte es geschafft ihren Wächtern zu entkommen. Sie stützte sich auf ihre Unterarme. Langsam richtete sie sich auf, bis sie auf ihren Beinen stand. Mit ihrer rechten Hand strich sie sich eine Strähne ihres hell roten, fast silbernen Haars aus dem Gesicht. Sie sah an sich herab. Ihr Körper war zerkratzt. Es sah so aus, als würde sie ein Gewand, welches aus silbernen Fäden gewoben worden war, tragen. Ihre Augen glitten über ihre Umgebung. Ein kleiner, tiefer Bach bahnte sich seinen Weg durch den Wald. Arahiriel hatte sein Plätschern oft gehört. Aber gesehen hatte sie ihn noch nie. Sie ging langsam auf das Bächlein zu. Vorsichtig hielt sie den rechten Fuß in das feuchte Element. Ein Schauer lief ihr durch die Glieder. Es war eisig und brannte in den Wunden. Sie seufzte. Schritt für Schritt trat sie tiefer in das Bett des Baches, bis es ihr bis zu ihrer Hüfte reichte. Dann tauchte sie unter. Das Wasser schlug über ihr zusammen. Das silberne Blut wurde weggeschwemmt. Der brennende Schmerz ließ nach. Ihre Züge lösten sich aus der Spannung. Sie sank auf den Algen bewachsenen Boden. Plötzlich spürte sei einen stechenden Schmerz unter dem linken Schlüsselbein. Ein Laut des Schmerzes drang aus ihrer Kehle, wurde als Luftblasen im Wasser sichtbar und zerplatzten an der Oberfläche. Dem Schmerz folgte ein lähmendes Gefühl, dass sich von der Stelle auf den ganzen Körper auszubreiten schien. Ihre Augen öffneten sich. Ihre Augen öffneten sich. Ihre Lippen formten einen Namen, den sie lautlos dem Wasser des Baches anvertraute: „Frodo."...

Nilelen hatte ihr schwarzes Gewand angelegt. An ihrem Gürtel hing ihr Schwert Marzu. Es wurde einst vor langer Zeit aus den Feuern des weißen Berges geschmiedet. Der Berg selbst existierte nur noch in ihrer Erinnerung. Ihr Haar hatte sie mit Hilfe zweier goldener Nadeln hinauf gesteckt. Sie breitete ihre Flügel aus, stieß sich ab und flog los. Sie genoss die sanfte Berührung des Windes. Er verlieh ihr Kraft, wenn er durch die Federn ihrer Flügel strich. Ihr Ziel war ein alter Fels in den Nördlichen Höhen. Vor dem anschließenden Hügel landete sie. Sie machte eine elegante Geste und sprach eine Zauberformel in einer Sprache, die längst in Vergessenheit geraten war. Der Berg gab einen verschütteten Eingang frei. Nilelen lächelte sanft. Leise, und doch laut genug, damit es zwei Paar Ohren wahr nehmen konnten, sagte sie: „Kommt heraus meine Freunde. Es ist an der Zeit den Bewohnern Mittelerdes beizustehen." Ascarameniel ergriff Apates Hand. „Sie ruft uns, Schwesterherz. Wir müssen zu ihr gehen."Apate nickte. Schritt für Schritt machten sie auf den Ausgang zu und traten schließlich ganz ins Licht. Ihre Augen wurden geblendet. Nur schemenhaft konnten sie die Gestalt vor sich wahr nehmen. „Nilelen."Der Name drang über die roten Lippen der weißhaarigen Mädchen. Apate riss sich von der Hand ihrer Schwester los und fiel der Sillnara um den Hals. „Ich bin so froh, dass du uns befreit hast." Nilelen lächelte. Sie schob Apate etwas weg von sich und betrachtete die Geschwister. Ihr weißes Haar war grau von den Spinnweben. Ihre Kleider waren vermodert. Ihre sonst braune Haut war blass und die goldenen Strähnen waren auch verschwunden. Vielleicht hing diese Gelegenheit damit zusammen, dass sie das Sonnenlicht seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatten...

Zitternd lag Arahiriel am Ufer des Waldbaches. Ihr Atem ging schnell und der Wind fuhr über ihre nasse Haut. Sie hatte es, trotz des stechenden Schmerzes in der linken Schulter und der darauffolgenden fortschreitenden Lähmung des Körpers, aus dem Bach geschafft. Es war nun schon Nacht. Sie sah durch das Blätterdach der Bäume einige Sterne am Horizont funkeln. Doch in Wirklichkeit sah sie nicht. Sie war schwer damit beschäftigt, ihren Schützling vor dem Tod zu bewahren. Sie schloss ihre Augen, um nur noch bei ihm zu sein. Zwischen Traum und Realität lag sie so im Gras. Sie sah all das, was auch Frodo erblickte. Er lag ebenfalls zwischen Bäumen, doch sie konnte nur steinernen Figuren, die wie Trolle aussahen, erkennen. Mit zitternder und sehr leiser Stimme sprach: „Gib nicht auf, Frodo! Ich bin bei dir."Und mit diesen Worten nahm sie ihm noch etwas von seinem Schmerz ab. Sie biss tapfer die Zähne zusammen. Sie würde diesen Schmerz tragen können. Sie würde nicht aufgeben und ihren Schützling im Stich lassen. Niemals! Frodo, der kaum mehr ansprechbar war, merkte nicht sehr viel von den aufmunternden Worten seiner Freunde. Doch in seinem Unterbewusstsein hörte er eine Stimme. Diese Stimme forderte ihn auf, nicht aufzugeben. „Ich bin bei dir!"Obwohl sein Bewusstsein so sehr geschwächt war, konnte er sich erinnern. Ja, im Auenland, das nun schon so weit entfernt schien, dort hatte er es so oft geglaubt, eine Stimme zu hören, die seinen Namen in den Wind hauchte und der zu ihm trug. Mit seinen Gedanken versuchte er mit großer Anstrengung eine Frage zu formulieren. „Wer bist du?"

Nur darauf konzentriert, ihrem Schützling zu helfen, lag Arahiriel im silbernen Mondlicht auf dem saftigen Gras. Sie nahm weder das Zirpen der Grillen noch den Schrei der Eule wahr. Der helle Klang des Baches verschönerte das Bild. Wenn ein Außenstehender sie so gesehen hätte, wäre tief berührt gewesen. Hätte man auch noch von ihrer Tat gewusst, die sie gerade vollbrachte, dann hätte man sicher schnell den Blick gesenkt, um die Tränen zu verbergen. Zitternd lag sie, halb in Trance, Frodo im Lichte haltend. Er dachte nach. Das spürte sie. „Er ist stark, wenn er das noch konnte." Dachte Arahiriel zufrieden und konnte sogar noch leicht lächeln. Doch sie wollte wissen, was ihm wohl durch den Kopf ging. Arahiriel wusste, dass es wohl misslingen würde, in seine Gedanken einzudringen, doch ein Versuch war es wert. Sie schaffte es jedoch nicht. Erschöpft gab sie auf. Doch auch zufrieden dachte sie : „Schön, dass du nicht so leicht diese Gedanken preisgibt, mein tapferer Hobbit." Gerade als sie sich wieder zu ihrer Beschützeraufgabe besonnen hatte, erschrak sie. „Was?", fragte sie unwillkürlich. Sie hatte etwas gehört, zwar nur ein leises Keuchen, aber doch für ihren Geist vernehmbar. „Wer bist du?"fragte dieselbe Stimme, nun etwas bestimmtes.