HARRY POTTER UND DER FLUG DES PHÖNIX
Von The Velvet Ghost
Übersetzung von Christa Potter
KAPITEL 2 Gelegenheit, Sich Zu Verabschieden
Harry hatte seine Gefühle wegen Sirius nur einer Person anvertraut, und die war Mrs. Weasley, wenn er einen Tag mit ihr verbrachte. Molly war wie die Mutter die er nie gehabt hatte und sie war eine der wenigen Personen von denen er wusste, dass sie seine Probleme mit niemand anderem diskutieren würde. Ihr Rat war, dass er nicht darüber nachdenken sollte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, ruhig durchzuatmen und daran zu denken, dass Sirius sicher nicht wollte, dass er sich aufregte.
Harry brauchte eine halbe Stunde, um wieder ruhig zu werden. Er sagte sich, dass er sich nicht um Snape oder irgendetwas, was dieser sagte, kümmerte. Als er wieder ruhig war lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, nahm den letzten Schluck Wasser und atmete tief durch. Das war das Zeichen, dass er wieder ansprechbar war.
„Nun, haben wir uns wieder beruhigt?", sagte Snape ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
„Ja, danke", sagte Harry zufrieden.
„Wenn du denkst, dass ich mir Sorgen gemacht habe, dann liegst du weit daneben, Potter."Snape nahm ein Pergamentstück von seinem Stapel und kritzelte dann auf dem darunter herum.
„Gut zu wissen, dass Sie sich um mich sorgen", sagte Harry. Er stellte sein leeres Glas ab. Vielleicht noch ein gemeiner Kommentar und dann wollte er aufhören, Snape ständig zu provozieren. „Wie geht's Voldemort?"
Snape sah schnell auf und zischte: „Halt den Mund, Potter. Wenn du noch am Leben sein möchtest, um deinen geliebten Lupin zu treffen, dann red nicht über Dinge, die du nicht verstehst."Er nahm ein weiteres Pergament vom Stapel. „Ich hätte gedacht, dass du inzwischen schon zu Verstand gekommen wärst. Was brauchst du noch um zu erkennen, dass du ein kläglicher, arroganter kleiner Idiot bist? Und dass Menschen gestorben sind um dich zu retten ... bedeutungslos."
Harry erbleichte und er flüsterte: „Sprechen Sie nicht darüber. Sie wissen gar nichts."
Snape hob eine Augenbraue und sah dabei ganz ruhig aus. „Ah, ich sehe schon. Keiner darf die schmerzvollen Erlebnisse des Perfekten Potter erwähnen. Gott verbiete, dass irgendetwas den kleinen, traumatisierten Potter aufregt. Aber es ist natürlich in Ordnung wenn er andere angreift um etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. Nun, das ergibt doch Sinn."
Harry schüttelte sich. „Ich bin nicht mein Dad, okay? Geben Sie mir nicht die Schuld für das, was passiert ist, denn ich – kann – nichts – dafür."
„Worüber sprichst du, Potter?", schnarrte Snape und kritzelte noch immer abwesend auf seinem Pergament.
„Sie wissen es", sagte Harry. „Ich hab's gesehen."
Snape zuckte mit den Schultern und sagte: „Wenn du dich nicht genauer ausdrückst, Potter, solltest du wissen, dass Gedankenspiele bei mir nicht sehr beliebt sind und du damit nichts erreichst. Natürlich kannst du das nicht wissen, denn dein Gehirn ist es nicht einmal wert, in einem Glas in meinem Büro zu stehen."
„Vielleicht ist es Ihr Waschmittel, wissen Sie, dadurch wird die Wäsche grauer", sagte Harry und sah in sein Gesicht. „Oder Sie könnten Bräunungsspray verwenden ... Ihre Beine wären dann nicht so blass."
„Halt den Mund, Potter", knurrte Snape mit einem Ton der sagte, dass das Gespräch vorüber war. „Du hast eine ... unangenehme Erinnerung von mir. Ich habe Hunderte von deinen."
„Ach ja?", schnarrte Harry.
„Miss Chang", sagte Snape und grinste hinterlistig.
Harry wurde sofort still. Verdammt, dachte er. Vertrau darauf, dass er direkt auf dein Herz losgeht.
„Was hat sie noch mal gesagt?", fuhr Snape fort und kratzte sich das Kinn mit seinem Federkiel. „Ach ja... ‚Ich mag dich wirklich, Harry...' Ist das nicht wirklich nett?"
„Sie haben Glück, dass Evans da war, Snivellus...", zischte Harry.
„Ich hab mich wenigstens nicht auf einem Baum vor einer Bulldogge versteckt", schnarrte Snape.
„Hat mein Dad nun Ihre Unterhose ausgezogen?", sagte Harry hinterlistig. „Ich wette, alle Mädchen in der Nähe des Sees sind schreiend weggerannt, oder?"
Snape hob abwesend den Zauberstab und tat so, als ob Harry nicht da wäre. Ein kalter Schauer lief über Harrys Rücken. Er hatte keine Zeit, um sich vorzubereiten, bevor Snape mit sanfter Stimme sagte: „Legilimens!"
Harrys Erinnerungen flogen an ihm vorbei bevor er etwas dagegen unternehmen konnte. Seine Augen weiteten sich automatisch und er merkte, dass Snape ihn beobachtete doch er wusste keinen Zauberspruch, um gegen ihn zu kämpfen. Er war zu sehr mit seinen Erinnerungen beschäftigt ... der Tag, an dem er den großen Streit mit Cho gehabt hatte, wegen Hermine ... der Tag, an dem er Draco Malfoy am Hogwarts-Express den Krieg erklärt hatte ... die Todesser bei der Weltmeisterschaft ... als er bei Okklumentik versagt hatte ... und dann sah er Sirius durch den Schleier fallen und verschwinden. Er sah es immer und immer wieder bis endlich –
Harry lag schwer atmend auf allen vieren auf dem Boden, Tränen rannen ihm übers Gesicht und zitterte so stark, dass er kaum etwas sehen und fühlen konnte. „Nein", flüsterte er mit bebender Stimme.
Snapes Füße erschienen vor ihm, sein Umhang wehte leicht. „Ich muss dir etwas wichtiges sagen und zeigen, Potter. Aber hör dir zuerst noch diese Warnung an: provoziere mich nie wieder."Snape packte ihn am Arm und zog ihn unsanft auf die Beine. „Lupin!", rief er.
Harry zitterte zu stark um zu bemerkten, dass im nächsten Moment Professor Lupin ins Zimmer gestürmt kam und missbilligend sagte: „Das war zu hart, Severus, Dumbledore hat Ihnen doch gesagt ..."
„Nennen Sie mich nicht Severus", zischte Snape Lupin zu. Er versuchte, Harry in Richtung Tür zu schieben, aber Harry ließ es nicht zu.
„Lassen Sie mich in Ruhe!", rief er und schlug nach Snape aus.
Der Zaubertrankmeister schnappte seine Hand vor dem Aufprall sagte: „Helfen Sie mir!", zu Lupin. „Stehen Sie zu Abwechslung einmal nicht auf der Seite herum!"
„Hört auf zu schreien", sagte Lupin ruhig und legte väterlich einen Arm auf Harrys Schulter. „Das ist kein Angriff auf Harry. Ich weiß nicht, warum Sie mich plötzlich aus dem Nichts rufen mussten."
Harry sah, wie Snape Lupin einen hasserfüllten Blick zuwarf, aber der Professor sagte zum Glück nichts. Harry versuchte verzweifelt die Tränen von seinem Gesicht zu wischen. „Was ist hier eigentlich los?", sagte er zu Lupin.
„Dumbledore will, dass wir mit dir über das reden, was passiert ist", sagte er freundlich.
„Ich will aber nicht", murmelte Harry und rieb sich die Augen. Die Tatsache, dass Snape ihn weinen sah, war das schlimmste von allem. Er hasste Snape und das letzte, was er wollte, war vor ihm einen Zusammenbruch zu erleiden. Besonders, wenn es um Sirius ging...
„Doch, du willst", sagte Lupin. „Wir versprechen, dass es dir helfen wird, wenn du darüber redest ... wir müssen dir auch etwas zeigen. Mach dir keine Sorgen, Harry, alles, was heute geschieht bleibt zwischen dir, mir und Professor Snape."
„Ich will, dass es nur unter mir bleibt", sagte Harry noch immer zitternd. „Sie verstehen nicht ... Sie werden es niemals ..." Er sprach nicht mit Professor Lupin – er starrte Snape an und hasste ihn so stark, dass es schon schmerzte. „Besonders Sie", flüsterte er zum Zaubertrankmeister und war vom Gift in seiner eigenen Stimme überrascht obwohl er wusste, dass Snape es verdiente.
„Harry", sagte Lupin warnend, aber noch immer ruhig und freundlich, „Komm mit und versuch, dich nicht aufzuregen ... Professor Snape ist hier, um dir zu helfen, egal, was du er denkst". Lupin sah Snape kurz an als ob er ihm sagen würde, dass er nicht mitkommen und ruhig sein solle, und führte Harry dann aus dem Zimmer in den Korridor.
Harry hatte keine Ahnung, wohin sie gingen, denn er war zu sehr damit beschäftigt, seine Tränen mit seinem Ärmel abzuwischen und sich wieder zusammenzureißen. Es war sein Geburtstag und Snapes Idee von einem Geschenk war, in mit Erinnerungen von ... von ... zu quälen.
Lupin öffnete die Tür zu einem Zimmer, führte Harry hinein und zu seiner Erleichterung streckte er einen Arm auf um Snape zurückzuhalten. Es war dunkel und warm, ähnlich wie in einem Gewächshaus, und in der Mitte des Raumes stand ein großer schwarzer Kessel, in dem kochendes Wasser Blasen schlug und hin und wieder Rauch von der bewegten Oberfläche in die Luft steigen ließ. Einen Moment überkam Harry die wilde Idee von Hänsel und Gretel und dachte, dass Snape ihn lebendig kochen und dann verspeisen würde.
„Welche Temperatur hat es?", sagte Snape ungeduldig zu Lupin und bückte sich um die Temperatur des Feuers mit seinem Zauberstab zu senken, den er aus seinem Ärmel zog. „Ich hab Ihnen doch gesagt, dass es leicht köcheln und nicht kochen soll."
„Tut mir Leid", sagte Lupin mit einem leichten Kopfnicken. „Wir können später über Zaubertränke diskutieren, Severus. Aber ich denke, dass Harry nun wissen sollte, was los ist."
„Gut, sagen Sie es ihm", sagte Snape abwesend und begann, die Flaschen auf einem Regal hinter ihm zu durchsuchen. „Aber beeilen Sie sich, Lupin, der Trank hält nicht sehr lange."
Lupin nickte, wandte sich Harry zu und gab ihm lächelnd ein Taschentuch. „Professor Dumbledore will, dass wir mit dir darüber reden, was ... was passiert ist, Harry. Obwohl du es vielleicht nicht willst", fügte er hinzu als er sah, dass Harry protestieren wollte, „aber er weiß, dass du deine Sorgen in dir verwarst – und das ist nicht gut. Du hast niemanden, mit dem du reden kannst und Sirius' Tod war wichtig für uns alle ... ja, sogar für Professor Snape."
„Sirius wäre noch hier", sagte Harry und wischte sich das Gesicht wieder und wandte sich Snape zu, „wenn Sie sich nicht immer über ihn lustig gemacht hätten, weil er im Hauptquartier bleiben musste, während alle anderen was außerhalb zu tun hatten. Sirius fühlte sich deshalb unnütz. Deshalb ist er gekommen um ... um mich zu retten..."
Snape runzelte die Stirn. „Potter, dein Pate - "
Harry öffnete den Mund um Snape anzuschreien, irgendetwas, das ihn dafür bezahlen ließ, dass er Sirius erwähnt hatte, doch Lupin unterbrach ihn leise: „Harry ... wenn du nicht darüber reden willst müssen wir dir stattdessen etwas zeigen. Professor Snape hat viel Zeit dafür aufgebracht, deshalb - "
„Werden Sie es los", schnarrte Harry.
„Nein", sagte Lupin bestimmt. Er führte Harry zu einem Stuhl und drückte ihn hinein. „Schau nur zu. Du hast zwei Minuten ... bitte verwende sie weise. Du kannst danach mit jedem streiten wenn die zwei Minuten vorbei sind, aber dies ist eine einmalige Gelegenheit die du nur einmal im Leben bekommst. Jede Sekunde, die du verschwendest wirst du bereuen."
Snape drückte Lupin eine kleine, kristallene Phiole in die Hand, runzelte die Stirn leicht und verließ das Zimmer. Die Tür schloss sich mit einem Klicken und ließ Harry und Lupin in totaler Finsternis zurück.
„Was ist das? Was wird passieren?", sagte Harry besorgt. „Warum-?"
„Schhh", sagte Lupin und entkorkte die Phiole. „Du hast zwei Minuten..." Durch die Dunkelheit sah Harry Lupins Gestalt, als er den Inhalt der kleinen Flasche in den köchelnden Inhalt des Kessel leerte.
Harry schnappte nach Luft und glaubte zuerst, dass ein großes pastellfarbenes Feuerwerk im Kessel losgegangen wäre und nun den Raum mit sanften grünen, pinken und orangen Funken erhellte. Er hielt sich die Hand vor die Augen um sie vor der Helligkeit der Reaktion zu schützen, doch eine Stimme aus dem Kessel ließ ihn aufblicken. Eine Stimme, die er seit langer Zeit hören wollte. Die Stimme von jemandem, von dem gefürchtet hatte, dass er ihn nie wieder hören würde.
„Harry...?"
War es ein Geist? Ein Schatten? Vielleicht wie Cedric, seine Elter, Berta Jorkins und Frank Bryce ... Harry war egal, was es war ... alles was er wusste war, dass es real war...
„Sirius", flüsterte er, die Augen voller Tränen. Die geisterhafte Silhouette lächelte in an. Er stand bis zur Hüfte verdeckt im Kessel. Er sah genauso aus, wie ihn Harry in Erinnerung hatte. So lebendig, so glücklich, so voller Energie ... so real ... aber etwas war anders, ein weißer Schimmer, als ob Harry einen schlechten Schwarzweißfilm ansehen würde.
„Ich dachte mir schon, dass Snape so etwas versuchen würde", sagte Sirius und lachte leise. „Du musst ihm für mich danken..."
„Wie – kannst du – bist du?"Harry fand keine Frage, die er zuerst stellen konnte und deshalb wählte er eine Feststellung. Er fiel vor dem Kessel auf seine Knie, seine Hände flach auf den bauchigen Teil des Kessels gepresst als ob er durchfallen wolle um bei Sirius zu sein. „Du lebst."
„Nein", sagte Sirius und schüttelte den Kopf. „Bin ich nicht. Alles, was du wissen musst ist, dass ich hier bin, Harry ... bist du in einem Stück aus der Mysteriumsabteilung gekommen?"
Harry nickte und presste noch immer auf den Kessel als hoffte er, dass er verschwinden würde wenn er hart genug presste. Er könnte zu Sirius. Sie könnten reden so viel sie wollten, Schach spielen und sich über Snape beschweren ... für immer. „Ja ... wir alle", brachte er hervor. „Sirius, ich .. du bist gestorben, um ... um mich zu retten ..."
Sirius lächelte väterlich und sah sein Patenkind mit dem selben sehnsüchtigen Ausdruck an von dem Harry wusste, dass er auch auf seinem Gesicht sein musste. „Du hättest doch dasselbe auch für mich getan, nicht wahr?"
Harry nickte. „Natürlich hätte ich ... Sirius, wann werden wir uns wieder sehen? Wann wirst du zurückkommen?"
Sirius Lächeln wurde nun traurig, weit entfernt und sein Gesicht war von voller Erkenntnis erfüllt. „Niemals ... ich bin weg, Harry, du musst es akzeptieren ..."
„Nein", sagte Harry und schüttelte den Kopf. Tränen rannen ihm wieder übers Gesicht. „Du lebst, du bist hier ... du wirst immer hier sein ... du wirst immer am Leben sein ..."
„Eine Minute", sagte Lupin leise und legte eine beruhigende Hand auf Harrys Schulter.
„Hör mir zu, Harry", sagte Sirius. Seine Stimme war nun so ernst, dass Harry aufblickte und seinen Blick erwiderte und sich wünschte, dass alles ganz anders wäre. „Es gibt einige Dinge, die du wissen musst ... so viele Dinge ... die ich herausgefunden habe seit ich hier bin, doch es sind zu viele um sie dir alle zu sagen. Und das meiste ergibt für mich keinen Sinn, doch du wirst dadurch den Orden besser verstehen können ..."Er dachte kurz nach und zählte dabei die Dinge an seinen Fingern ab. „Hier sind ein paar Ordensmitglieder und sie sagen, dass Dumbledore mehr Spione als nur Snape hat. Leute, die nie jemand verdächtigen würde. Ich kenne keine Namen, doch Dumbledore weiß, dass sie Spione sind."Etwas anderes fiel ihm ein und er fuhr schnell fort: „Irgendetwas über die Frau von jemandem ... von einem Todesser ... sie könnte ein Spion sein, ich weiß nicht. Ich kann mich kaum erinnern ..."
„Dreißig Sekunden, Sirius", warnte Lupin.
Sirius gab mit den Informationen auf und sah nun so verzweifelt aus, weil er nur noch ein paar Sekunden hatte. Er sah Harry wie jemand an, der gerade zum Galgen ging. „Harry ... pass auf dich auf. Ich werde immer für dich da sein. Und Ron auch ... du wirst später verstehen. Und ... du wirst bald einen Brief erhalten ... pass für mich drauf auf, okay?"
„Das werde ich", sagte Harry obwohl er nicht verstand. „Sirius, ich ... ich will nicht, dass du gehst..."
„Ich muss", sagte Sirius traurig. „Pass auf dich auf, Harry ... Wir werden uns eines Tages wieder sehen ... das verspreche ich..."
„Zehn Sekunden", sagte Lupin. Er drehte sich seinem verlorenen Freund zu und versuchte ruhig und gesammelt zu bleiben. „Bis zum nächsten Mal, Sirius."
„Bye, Remus ... mach so weiter ..."Sirius sah Harry an und streckte eine Hand nach ihm aus. „Auf Wiedersehen, Harry ... vergiss mich niemals ..."
Harry streckte auch seine Hand aus und seine Finger glitten durch Sirius' rauchige Hand. „Das werde ich nicht", sagte er zwischen Tränen. „Auf Wiedersehen ... du ... du bedeutest mir sehr viel ..."
„Erinnere dich an mich", sagte Sirius zum letzten Mal und seine Stimme entfernte sich immer weiter, als ob sie sich in der Zeit verlieren würde. „Vergiss nie ..."
Und dann war er verschwunden. Die pastellfarbenen Funken verloren sich in der Dunkelheit und Stille besiegte die ebenen gesprochenen Abschiedsworte. Harry spürte nichts mehr vor seinen Fingern, sah nichts vor ihm und hörte nichts mehr. Als ob er einen Moment lang nicht existierte ...
Lupin sah Harry an, seine Hand lag immer noch sanft auf seiner Schulter. Harry war still. Er hatte sich gerade von jemandem verabschiedet, den er bis zum Ende seines Lebens nicht wieder sehen würde. Und selbst dann war es nicht sicher, dass sie sich treffen würden. Lupin wusste, wie viel Harry für Sirius bedeutet hatte und wie sehr Harry Sirius gebraucht hatte ... sich zu verabschieden war das schwerste ...
Aber als Harry aufsah war hinter seinen Tränen ein Lächeln verborgen.
„Danke", sagte Harry. Sein Gesichtsausdruck ließ verraten, dass er noch nie im Leben etwas so ernst gemeint hatte.
„Es war mir ein Vergnügen", kam Snapes ruhige Stimme von irgendwo hinter Lupin. Harry merkte erst jetzt, dass er überhaupt da war. Er war leise hereingeschlüpft. „Obwohl eigentlich Dumbledore die Idee hatte und ich es hasse, Lob für die Ideen anderer zu bekommen."
„Nicht nur eine Idee", sagte Harry und wischte sich Tränen aus dem Gesicht, immer noch schief grinsend. „Beste Idee, die ich kenne."Er holte tief Luft und schaffte es etwas ernster dreinzublicken. „Danke, es bedeutet mir wirklich viel."
„Wie ich schon gesagt habe, es war mir ein Vergnügen", erwiderte Snape.
Harry wischte die letzten Tränen aus seinem Gesicht und stand auf. Sein Herz fühlte sich leichter an als in den letzten Monaten. Er blickte sehnsuchtsvoll, aber doch glücklich, auf die Stelle, wo Sekunden zuvor Sirius verschwunden war. Er lächelte. Vielleicht war es doch kein so schlechter Geburtstag.
„Stimmt was nicht, Harry?"
Harry und Lupin hatten Snapes Haus kurz nach der Verabschiedung von Sirius verlassen und waren durch die Stadt geschlendert und erinnerten sich gemeinsam an Harrys Paten. Sie hatten eine Brücke gefunden, auf der sie nun standen und aufs Wasser schauten. Lupin hatte Harry Schokolade- und Minzeis gekauft, das er nun nachdenklich schleckte.
„Irgendwie", gab Harry zu. „Ich hab nachgedacht, Professor, und-"
„Remus", sagte Lupin. „Es gibt außerhalb der Schule keinen Grund für Förmlichkeiten, Harry."
„Nun, ich hab nachgedacht", sagte Harry und schleckte an seinem Eis und überlegte, wie er sein Problem am besten ausdrücken sollte. „Über diesen Tag ... mit meinem Dad, der Snape kopfüber in der Luft aufgehängt hat ..."
„Ja, ich erinnere mich. Denkst du noch immer darüber nach?"
Harry schluckte sein Eis, nickte und fuhr dann fort: „Ich glaub, ich will mir einfach nicht eingestehen, dass Snape Recht hatte ... mein Dad war wirklich arrogant, nicht wahr?"
„James?"Lupin zog die Schokolade von seiner Eistüte und kaute sie einen Moment. „Ich glaub er war irgendwie arrogant. Aber eigentlich machte ihn das erst zu der Person, die er war. Er war trotzdem ein guter Mensch, Harry."
Harry nickte und dachte noch immer nach. Heute hatte er das Thema erstmals gegenüber Snape erwähnt, und er hatte nicht allzu nett reagiert. Es musste Snape mehr mitgenommen haben, als Harry gedacht hatte. „Aber warum?", fragte er sich laut.
„Was?"
„Warum? Warum hat es Snape so mitgenommen? Warum ist er deswegen so empfindlich?"
Lupin lächelte sanft. „Es gab da einige Dinge. Dieser Tag war wohl der letzte Stich für Severus. Jahrelang war er von James verspottet und gedemütigt worden und an diesem Tag ist es wohl einfach zuviel für ihn geworden. Aber es gibt da noch etwas anderes ... wir hatten aber immer nur einen Verdacht ... oder zumindest ich."
Harry warf ihm einen Blick zu, der ihn zum Weiterreden aufforderte. Lupin lächelte, schleckte noch einmal an seinem Eis und fuhr dann fort.
„Ich glaube, Severus war wegen etwas anderem auf deinen Vater eifersüchtig. Nicht nur Quidditch und Beliebtheit ... deine Mutter, Harry. Lily war unwahrscheinlich hübsch und jeder betrachtete sie als James' Freundin, obwohl ich zugeben muss, dass sie ihn ziemlich lange gehasst hat. Lily war zwar in Gryffindor, hatte aber viele Eigenschaften, die in Slytherin gern gesehen sind. Sie war temperamentvoll, ehrgeizig, manchmal ziemlich hinterlistig. Ich glaube, dass Severus sie wahrscheinlich mochte."
„Meine Mum?", sagte Harry geschockt. „Er kann meine Mum nicht mögen! Das ist schrecklich! Wie kann er es wagen?"
„Mach dir keine Sorgen", sagte Lupin und lächelte angesichts von Harrys Reaktion. „Nach dem Tag am See begann Severus sie zu hassen. Du hast vermutlich schon erraten, dass er nicht der beliebteste Schüler war. Er war manchmal in der Gesellschaft von Lucius Malfoy, aber abgesehen davon, war er meistens allein."
„Er wird mir niemals Leid tun. Egal, was Sie mir über ihn erzählen", sagte Harry und grinste leicht.
„Sag niemals nie", sagte Lupin weise. „Aber, wenn du dich dadurch besser fühlst, Severus hat sich nicht mehr im Geringsten um deine Mutter gekümmert. Es ging das Gerücht um, dass er jemanden außerhalb der Schule gefunden hatte, doch niemand wusste sicher, ob es wahr war."
„Ich wette es war nicht wahr", sagte Harry. Als Lupin die Augenbraue hob fügte er rasch hinzu: „Ich meine, es ist einfach nicht wie Snape. Er ist einfach ... kein Gesellschaftsmensch."
„Vielleicht doch", sagte Lupin.
Harry zuckte mit den Schultern und aß den Rest seiner Eistüte; die Krümel rieb er zwischen seinen Fingern. Sie fielen in das dunkle Wasser unter ihnen und wurden von Strömung mitgetragen, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Eine Metapher für das Leben? Solch kleine Probleme, die von den Gezeiten von Glück und Zufall weggewaschen wurden. Er blickte den Fluss entlang und sah, dass die Strömung von einem Baumstamm zurückgehalten wurden, der in einem Abwasserohr feststeckte, das den schönen Fluss mit Gift füllte. Vielleicht war das Snape. Zurückgehalten von einer Sache.
„Harry?", sagte Lupin.
Harry sah auf. „Entschuldigung. Ich war mit den Gedanken kurz woanders."
Lupin lächelte. „Das hab ich bemerkt. Es ist schon fünf Uhr ... du musst hungrig sein. Lass uns was essen bevor wir dich wieder zu deiner Tante und deinem Onkel zurückbringen."
Trotz der Glücklichkeit, die er im Moment empfand, spürte Harry einen plötzlichen Stich von Traurigkeit und Enttäuschung als ihm einfiel, dass er um sieben wieder bei den Dursleys sein würde, die ihn wie Dreck behandelten. Lupin bemerkte seinen Gesichtsausdruck.
„Harry?"
„Ich will nicht ... zurück gehen", sagte er. Fast hätte er ‚nach Hause' gesagt, dann fiel ihm ein, dass die Dursleys genauso sein zu Hause waren wie diese Brücke.
„Nur noch einen Monat", sagte Lupin ermutigend.
„Ein Monat zu viel."Harry seufzte, lehnte sich nach vor und riss einen Zweig von dem Ast über dem Wasser. Er sah ihn für einen Moment mürrisch an und ließ ihn dann sanft los. Er fiel in Spiralen hinab, wurde vom Wind in den Baum geweht – und zu Harrys kompletter Verblüffung war die Bewegung dieses Zweiges groß genug, dass die Äste des Baumes sich lösten und mit einem Krachen glitt er in das Wasser darunter. Der Fluss wieder zu fließen und die Abwässer wurden davon gespült ...
„Beeindruckend", sagte Lupin lächelnd. „Obwohl ich bezweifle, dass du es mit Absicht getan hast."
Harry lächelte ein wenig ohne wirklich auf Lupins Worte zu achten. Er war zu verwundert, dass ihn die Natur mit so vielen Metaphern bewarf. Ein kleines Ding um alle Probleme zu lösen. Ein Zufall mit einem Stock und einem Baum brachte ihn so zum nachdenken wie schon lange nichts mehr.
„Prof- Remus?", sagte er um etwas zu fragen, was er nie erwartet hätte.
„Ja, Harry?"
„Professor Snape ist nicht glücklich, oder?"Harry sah Lupin an und fragte sich, wie viel er wusste, wie viel er verraten und verschweigen würde.
Lupin erwiderte seinen Blick und überlegte. Dann sagte er: „Ich glaube nicht, Harry. Überhaupt nicht. Severus war die meiste Zeit seines Lebens wegen einiger Dinge allein. Meistens brachte ihn dein Vater dazu, allein zu sein."Lupin seufzte. „James bekam die Mädchen, die Freunde, das Geld, das Aussehen, das Talent ... aber denk nicht, dass dein Vater nur arrogant war."Er zog sich die Jacke enger um die Schultern und fuhr dann fort: „Es wird kalt, Harry ... ich muss dir eine Geschichte über den Tag erzählen an dem James erkannte, dass er zu weit gegangen war. Aber nur, wenn wir wo sind wo's warm ist. Ich habe morgen ein großes Treffen und will dafür keine erfrorene Nase."
Harry nickte und blickte über die Stadt. „Dort drüben ist ein McDonalds. Bei der Kathedrale."
„Dort ist was?"
„Ein McDonalds. Die verkaufen Essen. Vertrauen Sie mir bei dem, Prof- Remus."
„In Ordnung. Hoffentlich ist das Essen besser als in diesem Autobahncafe in dem ich gegessen habe, als ich hergefahren bin ... du willst es gar nicht wissen."Lupin lächelte. „Führ uns hin, Harry. Oh, noch eine Sache." Harry sprang buchstäblich ein paar Zentimeter in die Höhe, als Lupin in die hintere Tasche seiner Jeans griff und eine handvoll modriges Brot herauszog, das einfach nicht sterben wollte. „Was ist das?", fragte Lupin besorgt.
„Roggenbrot", sagte Harry. Als ein Lupins Gesicht sah lächelte er und fügte hinzu: „Ist eine lange Geschichte."
