HARRY POTTER UND DER FLUG DES PHÖNIX
Von The Velvet Ghost / Übersetzung von Christa Potter
A/N: Ihr verwöhnt mich mit euren Reviews wirklich: blablabla (cooler Name!), muridae, IAmFallen, Korksie, Hermine1992, Kissymouse, Angel344, Carabina, Harry Black Potter, Truemmerlotte, Radagastch, Kartarus und Mäuschen. Ich hatte noch nie so viele Reviews für ein Kapitel.
Ein paar von euch haben gefragt, ob die Fortsetzung auch noch übersetzt wird. Ich hab bereits an The Velvet Ghost geschrieben und das okay dafür bekommen. Also – wer nach dieser Geschichte noch nicht genug hat, kann die Fortsetzung noch lesen. Allerdings wird es bis dahin noch eine Weile dauern, weil ich zuerst mal das hier noch fertig schreiben muss (wir haben noch ein paar Kapitel vor uns) und ich will von der Fortsetzung schon mal ein paar Kapitel fertig haben, bevor ich zum Posten beginne.
Und nun noch eine kleine „Warnung" für dieses Kapitel: ihr braucht dafür starke Nerven. Viel Vergnügen – und bitte reviewen!
KAPITEL 45 – Die Belagerung Von Hogwarts: Teil 5
Der Rauch war nun endlich verschwunden und driftete weiter himmelwärts, und durch den blendenden Schmerz in seiner Narbe konnte Harry diese scharlachroten Augen sehen, die ihn anstarrten, das schlangengleiche Gesicht, verunstaltet und nicht mehr menschenähnlich. Lord Voldemorts Lippen kräuselten sich zu einem schrecklichen, verhängnisvollen, übelkeitserregenden Lächeln.
„Wieder einmal hallo... Harry..."
Harry schloss die Augen und instinktiv rückte er zurück, näher an Snape heran, versuchte, weg zu kommen. Aber die Seile waren noch immer eng, schnitten in seine Arme und er konnte nicht entkommen. Voldemort trat nach vorn, immer noch grinsend.
„Schon verängstigt... wirst du mir nicht wie ein Mann entgegen treten, Harry? Ist es so schlimm, dass du es nicht erträgst, mich anzusehen?", flüsterte er mit dieser kalten, erbarmungslosen Stimme. „Vielleicht ist dir endlich klar geworden, was der Rest der Zaubererwelt schon vor Jahren erkannt hat... mit mir kann man sich nicht messen... gut, dass du inzwischen gelernt hast, wo dein Platz ist..."
Harry sah nicht auf. Er blieb sitzen, den Kopf nach vorne gebeugt und von Angst ergriffen, sein Herz wild in der Brust schlagend. Er fühlte, wie Snape ihn sanft anstieß und dann hörte er ein kaum hörbares Murmeln in seinem Kopf. „Verschließ deine Gedanken."
Es war plötzlich das Schwerste, worum Harry je gebeten worden war. Er konnte sich nicht von seinen Emotionen lösen, wenn der am meisten gefürchtetste dunkle Zauberer der Welt direkt vor ihm stand. Er versuchte es, stellte sich seine Gedanken von einer dicken Mauer aus Stahl umgeben vor, die ihn vor einer Invasion von außen bewahrte. Er fühlte jedoch, wie er zitterte.
„Soll ich ihn von den Fesseln befreien, mein Lord?", sagte Rookwoods Stimme sanft und voller Freude.
„Nein... Geduld, Augustus... er wird nirgendwo hingehen..." Harry hörte Schritte, die auf ihn zukamen, gefolgt von dem leisen Rascheln eines Umhangs, der am verbrannten Gras entlang schliff, und dann verdunkelte ein Schatten sein Blickfeld. Eine kalte, knochendünne Hand, die sich anfühlte, als wären es Klauen, griff nach Harrys Kinn und zwang seinen Kopf hoch. Harry machte einen der größten Fehler seines Lebens, in dem er die Augen öffnete.
Voldemort war... unbeschreibbar. Es ging über Worte hinaus, über Gedanken, über jegliches Gefühl außer Angst und Schock. Harry hatte Voldemort noch nie aus einer solchen Nähe gesehen und er wollte es auch nie, nie wieder. Der Umriss und die Struktur des Gesichts, seine Nase, seine Lippen, seine Haut, alles war aus jeglicher normaler Proportion gerissen und es fand sich kein einziger Hinweis, dass diese Person... nein, dieses Lebewesen, irgendwann einmal menschlich gewesen war. Er sah nicht aus, wie eine Person. Er sah wie ein Ding aus. Ein Monster.
Außer die Augen. Harry merkte, wie er in diese Augen starrte, seine eigenen groß und verängstigt, überwältig davon, wie verunstaltet Voldemort war. Er hatte diese Augen schon einmal gesehen, als sie ihn aus dem Gesicht eines Sechszehnjährigen heraus angestarrt hatten. Sie waren nun scharlachrot, als wären sie mit Blut gefüllt, aber in ihnen lag etwas, dass Harry schmerzhaft an Tom Riddle erinnerte. Der unnatürliche Kontrast zwischen Schlange und Mensch machte Harry fast krank, und er wurde von dem Blick, mit dem Voldemort ihn bedachte, an Ort und Stelle gehalten.
Ein breites Grinsen kräuselte diese dünnen, farblosen Lippen und Voldemort gluckste leise, humorlos, erbarmungslos. Er war so nahe, dass Harry Blut im Atem des Monsters riechen konnte und die Luft der Worte in seinem Gesicht fühlte. „Solch ein überraschtes Gesicht... man könnte denken, dass du mich hier nicht erwartet hättest, Harry..."
Er konnte sich weder in irgendeiner Form und Weise bewegen noch sprechen, so sehr fesselte ihn dieser Blick. Plötzlich, mit einem Schlag, wurde ihm klar, in welcher Gefahr er sich befand. Voldemort war ein Monster, er war die am meisten gefürchtetste Person der Welt, aber während der gesamten letzten Jahre hatte er sich zurückgehalten. Weit weg. Nur eine Erinnerung, eine Bedrohung am Ende des Horizonts, aber jetzt war er hier, direkt vor Harry, und er war nicht mehr länger eine Erinnerung. Harry hatte diesen Moment so lange gefürchtet, aber er war immer in der Zukunft gewesen. Immer morgen. Und plötzlich war es nicht mehr morgen, sondern es war heute, jetzt.
Voldemort sprach plötzlich wieder, sagte Worte, die für Harry keinen Sinn machten, obwohl seine Augen auf Harrys Gesicht gerichtet war. „Ich dachte, ich hätte gesagt, du sollst ihn zurückrufen." Er wandte sich plötzlich und sah direkt zu Hagrid und Kibbles. Hagrid hielt Kibbles am Halsband fest, aber sehr locker und mit dem Griff von jemandem, der jeden Moment loslassen wollte. Hagrid erstarrte zu einer Salzsäule. Voldemort lächelte langsam. „Rubeus... du bist gewachsen... sogar noch mehr..."
Kibbles beantwortete dies, indem er sein Maul öffnete, Dutzende von scharfen, spitzen Fangzähnen zeigte und schrie, kreischte und seinen schrecklichen, wabernden, hohen Schrei von sich gab, nur ein paar Meter von Voldemort entfernt. Harry zuckte zusammen und er hätte sich angesichts der Lautstärke am liebsten die Ohren zugehalten, und er fühlte sich, als würden Messer in seine Ohren stechen.
Voldemort, jedoch, betrachtete all dies mit einem kalten Ausdruck auf seinem Gesicht. „Beeindruckend", sagte er abweisend und seine Augen wanderten zurück zu Hagrid. „Ruf ihn zurück. Halt ihn auf seinem Platz. Jetzt."
Hagrids Gesicht verzog sich vor Wut und Harry sah, wie ihm Hagrid einen Blick zuwarf, nur einmal, bevor er ihn wieder Voldemort zuwandte.
„Wenn du mir 'nen guten Grund geben kannst, warum – "
„Oder ich werde ihn töten", beendete Voldemort sanft. „Und den Jungen. Und ich werde sicher gehen, dass du zusiehst, während ich es erledige..."
Hagrid dachte einen Moment lang nach. Harry konnte die Rädchen sehen, die sich in seinem Gehirn bewegten. Falls Hagrid Kibbles nicht zurückrief, würde Harry sterben. Mit einem weiteren Blick auf Harry umschloss Hagrids Hand das Halsband von Kibbles und er zog den Drachen mit aller Kraft zurück, schaffte ihn aus dem Weg. „Komm schon, Kibbles... zurück." Kibbles schnarrte und grub seine Hinterbeine im Boden sein und seine Schuppen stellten sich wieder auf, als er Voldemort heißer anfauchte und mit gebleckten Zähnen gegen Hagrid kämpfte. Hagrid zog kräftig am Halsband und zog Kibbles zurück, worauf sich Kibbles auf die Hinterbeine aufstellte und den mächtigen Kopf zurückwarf, um gegen das Band zu kämpfen.
Voldemort zog den Zauberstab und richtete ihn auf die sanfter, verletzbare Haut an Kibbles' Kehle. Harry spannte sich an und wollte Hagrid schon eine Warnung zurufen, doch Voldemort war schneller. „Stupor", murmelte er.
Ein Blitz roten Lichts schoss aus dem Ende seines Zauberstabs und bevor Hagrid oder Kibbles erkannten, was geschah, traf es schon. Kibbles gab einen letzten hohen Schrei von sich, stürzte dann gelähmt zurück und traf mit einem knochenmarkerschütternden Krachen auf den Boden auf. Hagrid stand wie gefroren da und Voldemorts Zauberstab zielte nun auf ihn. Nach einem Moment sagte er harsch etwas, doch Harry konnte die Angst in seiner Stimme hören: „Es wird nich' funktionieren. Ich bin 'n Riese. Du kannst es versuchen so lang du willst. Aber du kannst Riesen nich' lähmen."
„Ich würde niemals einen Lähmzauber für Abschaum wie dich verschwenden", zischte Voldemort. „Aber ich werde nicht damit zögern, einen Röstzauber für dein kleines Haustier zu verwenden. Geh zurück, bleib dort und sei still, und deinem Biest wird nichts geschehen."
Der Rest der Ministeriumszauberer bewegte sich ebenfalls nicht; sie standen verteilt auf dem Hügel, wie an ihren Plätzen festgefroren. Sie wussten alle gut genug, dass Voldemort nicht bluffte, und beim ersten kleinen Anzeichen eines Angriffs von ihnen, würde Harry getötet werden, und mit ihm jeder im Umkreis von fünfzig Metern. Der Dunkle Lord wandte sich wieder Harry zu, seine Finger noch um den Zauberstab geschlossen und seine Augen waren erfüllt von Wut und Macht. Harry lehnte sich schwer an Snape, und sein magischer Beschützer erwiderte den Druck und versuchte, ihn zu beruhigen. Harry war schon zu weit, um noch beruhigt werden zu können.
Voldemort trat nach vor und stellte sich wieder über ihn und starrte ihn mit diesen schrecklichen, roten Augen an. „Aber ich kann nicht das gleiche für dich versprechen", flüsterte er. „Es gibt nur einen Grund, warum ich heute hierher gekommen bin... und wenn es diesen Grund nicht gäbe, wäre ich nicht hier... um dich zu töten, Harry... die Zeit ist gekommen... du hast jetzt sechszehn Jahre lang Glück gehabt. Glück wie der Fuchs, der dem Jäger entkommt. Aber jetzt nicht mehr. Sechszehn Jahre ist eine lange Zeit, in der ich nachdenken konnte, Harry, und seit unserer Begegnung im letzten Jahr habe ich sehr viel nachgedacht... unter anderem... wo denkst du, dass ich im vergangenen Jahr gewesen bin, Harry? Kannst du es mir sagen? Wird deine Zunge funktionieren?"
Harry spannte sich an. Er wollte überhaupt nicht antworten. Er wollte Voldemort nicht das Vergnügen von sinnlosem Geschwätz geben, denn er wusste, dass dies der Tag war, an dem er sterben würde. Er schloss die Augen und schüttelte einfach den Kopf.
„Ich habe mir ein Jahr frei genommen, Harry... mein freies Jahr, bevor ich meinen Full-Time Job beginne... und er beginnt hier, heute. Siehst du es nicht?" Voldemort lächelte sein kaltes, schreckliches Grinsen. „Das ist das eindeutige Zeichen für den Rest der Zaubererwelt, dass ich zurückgekommen bin und nicht vorhabe, ruhig zu bleiben. Letztes Jahr haben sie endlich erkannt, dass ich noch am Leben und vorbereitet bin. Aber der heutige Tag wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem ich meinen Thron wieder erklommen habe und die Übernahme der magischen Welt gestartet habe."
„Das wirst du nicht", flüsterte Harry. Sein Gesicht war vor Angst unbeweglich, aber sein Mund schien von alleine zu sprechen.
„Oh? Werde ich nicht?", sagte Voldemort. „Wie das?"
„Die Zauberer werden gegen dich kämpfen", sage Harry und endlich hob er seinen Blick zu Voldemort, sein Kopf noch immer tief unten, noch immer angespannt, doch er versteckte seine Angst. Er konnte Voldemort wie ein Mann gegenüber treten. Falls er sterben sollte, sollten seine letzten Worte stark und frei von Angst sein, aus dem Herzen gesprochen. Er erinnerte sich plötzlich wieder an Kainda, wie seine letzten Worte zu ihr gewesen waren, und er wusste, dass es eigentlich Voldemort gewesen war, der sie dem Tod überantwortet hatte. Und Sirius, es war Voldemorts Schuld. Cedric Diggory. Kingsley Shacklebolt. Dobby. „Sie werden es nicht zulassen, dass du gewinnst", schnarrte seine und seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Sie werden gegen dich kämpfen und sie werden dich aufhalten. Wenn eine Schule voller Kinder einen solchen Kampf gegen dich vollbringt, dann hast du keine Chance."
Voldemorts Augen glitzerten wütend. Sein Zauberstab zitterte ein wenig, und Harry war vollkommen vorbereitet, vollkommen bereit, zu sterben. Er sprach blind weiter, mehr durch sein Herz denn von seinem Verstand getrieben. „Sieh dich an! Sie dir deine Armee an! Du hast eine handvoll Todesser, zwei Vampire und tote Heliopathen! Du wirst es nicht zugeben, und du wirst es nicht einmal denken, aber du hast heute den Großteil deines Imperiums verloren! Und nun hast du deine kleine Truppe von Anhängern und ein kleines Mädchen, das gerne Blut trinkt! Du bist bemitleidenswert!"
„Ruhe!" zischte Voldemort. Er zitterte vor Wut und die Hand, die seinen Zauberstab umklammerte, bebte leicht. „Dummer Junge! Denkst, dass das hier alles ist, was ich habe? Du denkst, dass meine Armee und mein Imperium sich nur auf diese Gruppe loyaler Todesser erstreckt? Nein, Junge... das ist nur eine Andeutung. Ein Vorgeschmack. Wenn du denkst, dass ich meine gesamte Armee losschicke, um eine einzige Schule einzunehmen, dann liegst du WEIT daneben! Ich habe wirklich untertrieben, und sollte ich dies wieder machen, würde ich mehr Todesser mit einbeziehen – aber es wird kein ‚wieder' geben. Denn es ist egal, wie viele Verluste es gab, diese Schule wird vor mir zerfallen und der Rest der Zaubererwelt wird ihr folgen!"
„Du hast Unrecht!", rief Harry. „Du hast Unrecht! Sieh dir all die Menschen an, die du getötet hast! Ihre Familien und Freunde werden dich jetzt noch mehr hassen, als sie es zuvor getan haben, und falls sie irgendwelchen Anstand haben, werden sie sich nicht zurücklehnen und zulassen, dass du gewinnst! Sie werden gegen dich kämpfen!"
„RUHE!" Voldemort zitterte so stark, dass Harry dachte, er würde zu schreien beginnen, seine Knöchel wurden noch weißer, als sie normalerweise waren und die Spitze seines Zauberstabes zitterte stark. „Ruhe! Halte deine Zunge im Zaum, bevor du etwas sagst, nachdem du nicht mehr leben wirst, um es zu bereuen! Du bist der einzige Grund, warum ich kein Massaker in dieser Schule und den Mord an jedem darin angeordnet habe, nur wegen der geringen Möglichkeit, dass einer meiner Todesser den Fehler begehen könnte, dich zu töten, wenn ich doch will, dass du von meiner Hand stirbst. Und wenn du einmal tot bist, werde ich meine Gefolgsleute hineinschicken und jeder, Mann, Frau und Kind in diesem Schloss wird wie ein Schwein geschlachtet werden!" Er hielt inne, schloss die Augen und holte langsam und tief Luft, um seinen heraufsteigenden Ärger zu unterdrücken. Seine Lippen waren eng aneinander gepresst, seine Fäuste noch immer geballt, doch als er die Augen öffnete, war die Wut in ihnen verschwunden. „Vielleicht hast du bis jetzt noch nicht erkannt, wessen ich fähig bin, Potter... welchen Schmerz und welches Leiden ich dir zufügen kann..."
„Cruciatus?", sagte Harry. "Verwend ihn nur! Ich fordere dich dazu auf! Und ich werde in dein Gesicht lachen, während du es tust, du kannst mich nicht damit verletzen!"
„Nicht du", sagte Voldemort sanft. Seine Augen glitzerten. „Der größte Schmerz kann uns nur zugefügt werden, wenn diejenigen getroffen werden, die uns am nächsten sind." Er packte wieder seinen Zauberstab und ging an Harry vorbei, sein Umhang am Boden hinter ihm herschleifend. Harry drehte sich um und versuchte zu sehen, wohin er ging, doch Voldemort war in der Nähe geblieben. Und dann hörte Harry, wie er leise flüsterte: „Severus... lieber Severus... was ist falsch gelaufen?"
Nein, dachte Harry. Nein, nicht Snape. Nein. Er kämpfte und öffnete seine Gedanken, um etwas zu sagen, doch Snape sprach in seinem Kopf: „Beweg dich nicht. Bleib einfach ruhig und still, egal, was du auch hören magst." Harry hörte ein leises, reißendes Geräusch, als jemand Snapes Knebel unwirsch aus seinem Mund riss. Ein paar Augenblicke herrschte Stille und dann kam Snapes sanftes, unterwürfiges Murmeln: „Ich weiß es nicht, mein Lord..."
„Kannst du nicht raten?", flüsterte Voldemort. Snape antwortete nicht. Der Dunkle Lord fuhr fort und Harry wurde jetzt immer ängstlicher und ängstlicher, er wusste, was Voldemort tun würde. „Du hast mich betrogen, Severus... hast versucht, den Jungen zu retten... wie heldenhaft von dir... ich habe dir immer zugesehen, Severus. Du hast immer mit Dumbledore unter einer Decke gesteckt, nicht wahr? Ein Spion?"
Sag ja, dachte Harry verzweifelt. Spuck ihm ins Gesicht. Lach ihn aus. Aber als Snape sprach, war seine Stimme leise. „Ich... es tut mir Leid, mein Lord... ich wollte mich wieder von ihm lossagen, wenn Ihr Euren Eroberungszug startet, aber – "
„Nein, Severus, das wolltest du nicht." Voldemorts Stimme war nicht mehr als ein Zischen. „Warum musst du mich anlügen? Ich habe dir so viel angeboten, Severus. Viel mehr, als Dumbledore und seine kleine Armee von Kindern es je könnten... und trotzdem hast du dich für den Weg der Dummköpfe entschieden... und mich dann auch noch angelogen. Du warst mein vertrauter Ratgeber... und du hast mich dennoch betrogen. Warum?"
Es begann nun zu regnen, der Himmel verdüsterte sich über ihnen, bevölkert von dicken, schwarzen Wolken, die großen Regentropfen fielen auf Harrys Gesicht, doch er merkte es gar nicht, denn er hörte Snapes verängstigtes Murmeln. „Ich weiß es nicht, mein Lord... ich verspreche Euch, ich bitte Euch um Gnade, meine Seele war immer – "
„Lügner!", zischte Voldemort. „Lügner. Du weißt genau, was mit jenen passiert, die mich anlügen."
„Bitte... mein Lord, ich bitte Euch, ich wollte niemals – "
„Crucio!", rief Voldemort. Harry schrie: „NEIN!", aber der Fluch hatte bereits sein Ziel erreicht.
Harry fühlte sich, als wäre er es, der von dem Fluch getroffen wurde, und nicht Snape, als das Schreien an seine Ohren drang, seine gesamten Gedanken erfüllte, ihn von innen heraus auseinander riss. Snape krümmte sich vor Schmerzen, noch immer an Harry gebunden, sodass sich die Seile noch enger zogen und auch Harry mit Schmerz erfüllten, aber die Schreie waren noch schlimmer. Sie schnitten in ihn wie Messer. Schlimmer als Messer. Schlimmer als der Schmerz selbst. Harry wüsste, dass es bald aufhören würde, dass das Schlimmste vorbei sein würde, aber nein.
Voldemort lachte. Er hob wieder den Zauberstab und rief: „CRUCIO! CRUCIO!", immer und immer wieder. Das Schreien und Zittern wurde schlimmer. Snape krallte sich an seiner eigenen Brust fest, versuchte, den Schmerz heraus zu reißen, oder sich selbst zu töten, damit es aufhörte, und das Schreien erfüllte Harrys Gehirn, sein Herz, und die Seile schnitten in ihn und Voldemort lachte, erfüllt mit Freue, als Snape von den Flüchen beinahe auseinander gerissen wurde.
Und dann wurde es still. Das Zittern hörte auf und das Schreien verstummte plötzlich und hinterließ nur ein Echo in Harrys Kopf. Snape war still. Sehr still.
Zu still.
Harry öffnete seine Gedanken und begann, in Snapes Kopf zu schreien, rief nach ihm, bat darum, dass er in Ordnung war und etwas sagte. Aber er erhielt keine Antwort. Keine Stimme sprach eine sanfte Antwort in seinen Gedanken, keine Bewegung kam von Snape, kein einziges Zeichen, dass er ihn gehört hatte. Harrys Stimme in seinen Gedanken wurde von Tränen erfüllt, als die salzigen Perlen des Betens über sein Gesicht liefen, doch Snape antwortete noch immer nicht.
Voldemort trat wieder vor Harry, sein Zauberstab noch immer ausgestreckt, sein Gesicht noch immer zu einem wahnsinnigen, manischen Lächeln verzogen, und Harry wusste, was auf ihn zukam, als er in diese roten Augen sah. Snape war fort und er würde ihm bald folgen. Harry sah sich hinter Voldemort um und warf dem Leben seinen letzten Blick zu. Das stolze Schloss auf dem Hügel. All die Ministeriumszauber. Mr. Weasley, der geschockt aussah. Kibbles war aus dem Lähmzauber erwacht, zurückgehalten von Hagrid, aber Hagrids Augen waren voller ängstlicher Tränen. Harry schloss die Augen. Er wollte sich verabschieden. Aber er hatte keine Zeit mehr.
Die Spitze von Voldemorts Zauberstab erhob sich in die Luft, brauste herunter und Harry hörte wie er mit triumphierender Stimme rief: „AVADA KED - "
„NEIN!", brüllte Hagrid.
Kibbles schrie auf und bewegte sich plötzlich, befreite sich aus Hagrids Griff und lief mit voller Geschwindigkeit auf Voldemort zu. Voldemort wandte sich um, gerade als seine Lippen den Fluch beendeten, doch die Spitze seines Zauberstabes war nicht mehr auf Harry gerichtet. Sie deutete auf Kibbles. Ein Knall erfüllte die Luft, ein Blitz von krankem, grünen Licht und –
Kibbles fiel mit einem letzten, durchdringenden Schrei auf den Boden. Der Schlamm spritzte in die Luft und der Regen fiel weiter, als würde sich der Himmel öffnen, als sogar die höchsten Mächte zu weinen begannen.
Harry hörte Hagrids traurigen Aufschrei, und er fühlte, wie sein Herz in ihm zerbrach. Hagrid fiel an Kibbles' Seite auf die Knie. Seine riesigen Hände zitterten und die Tränen fielen bereits von seinen Augen, als er die Hand ausstreckte und die flaschengrünen Schuppen von seinem Drachen berührte. „K-Kibbles?", brachte er hervor. „Kibbles...?"
Der Regen fiel nun so stark vom Himmel, dass die Flammen der Skelette der Heliopathen flackerten und dunkler wurden. Hagrid starrte seinen armen Drachen an, mit Schrecken, Angst, Elend, alles war in seinen dunklen Augen zu sehen. „Kibbles... sprich mit mir... sag was..." Er atmete tief ein. Seine Stimme zitterte so stark, dass Harry seine Worte kaum verstehen konnte. „Kibbles... komm schon, Junge... Mummy ist hier... is' schon okay... alles wird gut..."
Harry konnte tatsächlich genau den Moment sehen, in dem Hagrids Herz in zwei Teile zerbrach. Es war als der erste Donner über den Himmel grollte, die Flammen der Heliopathen wütend flackerten und das Gesicht des Halbriesen schien in Elend zu zerbrechen. Er hob den Kopf und schrie gen Himmel einen Schmerzensschrei, der die Wurzeln der sterbenden, brennenden Bäume des Verbotenen Waldes zu erschüttern schien. Er klammerte sich an Kibbles, weinte in die Schuppen an seiner Seite, während der Regen einfach weiter fiel und die Flammen weiter tanzten.
Seine Schluchzer trafen jede anwesende Person ins Herz. „Mummy liebt dich, Kibbles...! Das werd ich immer! Mein Baby... mein Kibbles... tut mir Leid, Kibbles..." Die Tränen liefen nun über sein Gesicht in seinen Bart, Tränen des Schmerzes, Tränen der Sehnsucht, Tränen von zerstörter Hoffnung und Stolz, Tränen des Wissens, dass er nichts tun konnte, um den Drachen zurück zu bringen, den er geliebt und geschätzt hatte, schon seit Kibbles die Größe eines Terriers gehabt hatte.
Hagrids Augen, von Tränen erfüllt, wandten sich Voldemort zu, und er sprach mit dem Herz eines Mannes, dem es egal war, ob er sterben musste. Er hielt seine Worte nicht zurück, und es schien ihn nicht zu kümmern, dass die Person, mit der er sprach, der am meisten gefürchtete Zauberer der Welt war. Alles, was Hagrids schwarze Käferaugen sahen war, dass Voldemort der Mann war, der sinnlos die Kreatur getötet hatte, die er wie ein Kind geliebt hatte.
„DU MONSTER!", brüllte Hagrid und seine Stimme zerriss die Stille. „DU HERZLOSES MONSTER! WIE KONNTEST DU?"
Ein weiteres Donnergrollen ertönte, und ein heller Lichtblitz erfüllte den gesamten Himmel, der Regen fiel stärker als je zuvor. Das Grollen ging weiter, wurde von den Schlossgründen zurückgeworfen, wurde lauter und lauter, als würde die Erde selbst vor Trauer weinen. Die Zauberer begannen nun, aufzusehen. Das Grollen hörte einfach nicht auf, wurde lauter und lauter und das Volumen schwoll ebenfalls an, und dann, als ein weiterer, verästelter Blitz den Himmel durchzuckte, hörte Harry den Schrei eines Todessers.
„DRACHEN! DA SIND NOCH MEHR!"
Harry sah auf, und durch den Regen hindurch erblickte er, von Flammen gegen den dunklen Himmel erleuchtet, die riesigen Umrisse von Norbert und Sly. Sie schrien, brüllten und heulten dem Himmel über ihnen entgegen. Und Harry könnte sie jetzt richtig hören. Denn das Grollen war nicht das des Donners, oder nur das der beiden Drachen. Es gab sicher noch mehr. Es waren mindestens fünfzig, und jeder einzelne Drache, den Harry hören konnte, schrie und brüllte seine Wut heraus und kam auf sie zu.
„WO SIND SIE!", rief einer der Todesser und wirbelte herum, sein Gesicht voller Angst. Die anderen Todesser schrien auch und liefen los, um die Schlossgründe zu verlassen, als Sly und Norbert sich von dem Turm aus in die Lüfte erhoben und auf sie herabstürzten.
Alle liefen auf die Schlosstore zu, schrien vor Angst und fielen über ihre eigenen Umhänge, um schnell von den Schlossgründen zu kommen und apparieren zu können. Voldemort rief ihnen zu, sie sollten bleiben und kämpfen, aber Norbert und Sly kamen immer näher, ihre schrecklichen, hohen Schreie lauter als der Donner, der Regen und die Rufe der Todesser zusammen. Sly flog auf Voldemort zu, ihre Krallen todbringend, den Kopf eingezogen, ihre riesigen, glitzernden, goldenen Hörner direkt auf ihn gerichtet. Er musste sich tatsächlich bücken, um ihr zu entkommen, und als sie wieder nach oben flog, fühlte sich Harry, als würde ein Wirbelsturm an ihm vorbeiziehen, sein Haar kräuseln und ihn fast vom Boden reißen.
Das Ministerium setzte sich ebenfalls wieder in Bewegung und lähmte so viele Todesser wie möglich, bevor sie entkommen konnte, wobei auch einige selbst erwischt wurden. Norbert verfolgte diejenigen, die entkommen konnten, und große Stöße von Feuer brachen aus seinem Maul hervor und rösteten sie bei lebendigem Leib in seinen Flammen.
Voldemorts große, rote Augen waren so voller Wut und Hass, dass Harry dachte, er würde sich selbst vor Wut und Rage Stück für Stück auseinander reißen. Er schrie, ein langer Schrei der Niederliege und kompletten Hasses gegenüber dem Leben selbst, bevor ein großes, rotes Feuer um ihn herum ausbrach und er fortgerissen wurde, fort von den Schlossgründen. Harry schrie auf um jemandem zu sagen, dass er entkommen war, aber niemand hörte ihn unter dem Brüllen von den fünfzig Drachen, die näher kamen. Er sah sich um, versuchte zu sehen, wo sie waren, auch wenn es nur ein Schatten am Horizont war, denn es war schon so laut, dass Harry wusste, dass sie sehr nahe sein mussten.
Und dann erkannte er, dass sie wirklich nahe waren. So nahe, dass er die Hand ausstrecken und sie berühren konnte. Alle in einer kleinen Gruppe um Hagrid herum versammelt; Tränen liefen über ihre winzigen Gesichter und sie schrien und brüllten aus Elend wegen Hagrid und dem toten Kibbles. Jeder einzelne der kleinen Opsittops heulte aus Leibeskräften und die Lautstärke, die sie damit erzeugten, war etwas, wie Harry es noch nie zuvor erlebt hatte. Überraschung kam nicht einmal nahe heran.
„Harry", sagte eine Stimme in seinem Ohr, und der Sprecher schrie, doch er war wegen dem Brüllen der Opsittops kaum hörbar. „Harry, kannst du mich hören?"
Harry drehte müde den Kopf um und erblickte Mr. Weasley, der in ansah, sein Gesicht erfüllt von Angst. Er konnte nicht sprechen, und so ließ er einfach seinen Kopf nach vorne fallen, legte ihn auf die Schulter des älteren Zauberers und zitterte vor Angst und Stress. Mr. Weasley legte einen Arm um seinen Rücken, um ihn zu beruhigen, und dann begann er, sich um die Seile zu kümmern, die ihn immer noch an Snape banden. Er hatte einen Zauberstab, und so ging es viel schneller als damals, als Dobby es versucht hatte. Dobby war jetzt jedoch tot. Und Snape ebenfalls. Und Kibbles. Kingsley. So viele andere Zauberer. Alle tot. Harry fühlte, wie Tränen der Erschöpfung über sein Gesicht liefen, als Mr. Weasley das letzte Seil trennte und die beiden Zauberer trennte. „Komm schon, Harry", sagte er. „Ich bring dich zurück zur Schule."
„N-nein", sagte Harry. Und dann lauter, mit festerer Stimme: „Nein... Snape." Er wand sich aus Mr. Weasleys Griff und ließ sich an Snapes Seite sinken. Der Mann war kalt, sehr blass und zu ruhig. Als Harry die Hand ausstreckte und Snapes Hals berührte, fühlte er, wie kalt er war und er erwartete das Schlimmste, als er versuchte, einen Puls zu finden.
Aber zu seiner großen Überraschung gab es einen. Schwach, nur leicht gegen Harrys Finger schlagend.
„Er ist am Leben", brachte Harry hervor. „Mr. Weasley, er lebt... wir müssen ihm helfen …" Plötzlich fiel ihm etwas ein und er sah sich mit großen Augen um. „M-meine Tasche... meine Schultasche... wo ist sie?"
„Hier", sagte Mr. Weasley freundlich und leise und zog etwas unter seinem Umhang hervor. „Ich habe es geschafft, sie einem Todesser abzunehmen... aber... warum brauchst du sie?"
Harry öffnete die Tasche und warf den gesamten Inhalt auf den Boden. Er suchte zwischen den Schulheften und Pergamentrollen herum, zerbrach Tintenfässer und dann fand er sie endlich. Die kleine Samttasche, die Snape ihm einmal gegeben hatte, und dazu gesagt hatte, dass er sie nur in dringend Notfälle verwenden durfte. Die war nun eine dieser Zeiten, dachte Harry.
Er öffnete die Schnur und steckte die Hand hinein und zog alles, was er finden konnte, heraus. Die Schachtel mit den Zaubertränken, die Verdopplungsmünze, die vergiftete Schokolade... bitte, hier muss doch etwas sein... ein Fläschchen mit Tinte, das explodierte, wenn man es öffnete, ein Säckchen mit Pulver, das jedes Metall auflösen konnte... etwas, irgendetwas muss hier sein... eine Flasche mit Vielsafttrank, den vergifteten Ring, ein Buch, das jede Sprache in der gesamten Geschichte der Muggel übersetzen konnte... bitte, bitte, irgendetwas... und dann fand er sie, ganz unten in der Tasche, eine winzige Kristallphiole.
„Ein sehr mächtiger Wiederbelebungstrank", hatte Snape damals zu ihm gesagt, in jener Nacht, vor so vielen Monaten, während er die Phiole vor Harrys Gesicht geschüttelt hatte. „Hergestellt aus Alraunenblättern, zerstäubtem Einhorn Horn, Öl aus der Leber eines Drachens und den zerstampften Wurzeln einer sehr seltenen Pflanze, die in zwanzig Jahren nur eine Stunde lang wächst."
Harry zog den Stöpsel heraus, legte Snapes Kopf vorsichtig zurück und ließ dann die dicke, klebrige Flüssigkeit in seinen Hals laufen. Bitte funktioniere, dachte er stumm und biss sich auf die Lippe. Lass ihn nicht sterben.
Ein einzelner Funke tanzte aus Snapes Hals und verschwand in seinem Kinn, im gleichen Moment verschwunden wie erschienen. Aber dann folgte ein weiterer, und noch einer, bis schließlich die Funken aus seinem Hals sprangen und sich auf seinem ganzen Körper verteilten und knisternd an die Arbeit gingen. Einige sprangen in Snape Schulter, seine Brust, in seine Arme, einige in seine Stirn und ein paar sprangen sogar die gesamte Länge seines Körpers entlang und versanken in seinen Knöcheln.
Harry zitterte vor unterdrückter Hoffnung und sah zu, wie die Funken langsam wieder verschwanden, alle aufgesaugt vom Körper des Zaubertrankmeisters. Er wusste, dass er in dieser schweren Stunde seine magischen Beschützer mehr als jeden anderen brauchte. Der Gedanke, dass einer von ihnen bei dem Versuch, ihn zu retten, sterben sollte, und dass es Snape sein würde, war zu viel, um ertragen zu werden. Es würde einfach zu viel für ihn werden.
Aber langsam kam Snape wieder zurück. Harry sah mit angehaltenem Atem zu, wie die Stirn des älteren Zauberers sich leicht in Falten legte und dann öffneten sich plötzlich seine schwarzen Augen. Er setzte sich schnell auf, griff sich an die Brust und sah sich um. Seine Augen fielen auf Harry, und er öffnete den Mund, um etwas zu fragen, aber Harry kam ihm zuvor: „Er hat den Cruciatus Fluch an Ihnen angewendet... Sie sind ohnmächtig geworden..."
Snape schüttelte verschwommen den Kopf und sagte dann schnell: „Der Dunkle Lord, Potter, wohin ist -... wo zum Teufel kommt all dieser Lärm her?"
„Die Opsittops", erklärte Harry. Er warf einen Blick hinüber zu Hagrid und seiner kleinen Gruppe von Opsittops und Kibbles, der noch immer auf der Seite lag, seine wunderschönen Schuppen im Licht der sterbenden Flammen glitzernd, die im Regen flackerten. „Sie... sie sind traurig weil... weil... nun... Voldemort ist fort, er ist einfach verschwunden, als sie zu brüllen anfingen..."
„Und die anderen Todesser?", sagte Snape schnell.
„Fort", sagte Harry.
Snape nickte mit einer gelähmten, überraschten Mine auf seinem Gesicht, als wollte er Harry wirklich glauben, aber konnte es einfach nicht. Nach ein oder zwei Augenblicken schien er seine Rolle als Beschützer wieder aufzunehmen, und er sagte verschwommen: „Ich bin sicher, dass dies alles bald erklärt wird... zurück zum Schloss mit dir, Potter."
Die Mitglieder des Ministeriums begannen, sich durch den Regen und den Wind zurück zur Schule zu kämpfen. Harry sah zu dem großen Schloss auf und bemerkte, dass es ziemlich mitgenommen war. Große Teile des stolzen Steines waren herausgerissen worden und einer der Türme war komplett verschwunden, ein weiterer Verlust im Kampf.
Eine magisch verstärkte Stimme ertönte dann über den Schlossgründen, und Harry erkannte die Stimme als die von Lupin. „Alle... melden sich bitte sofort in der Großen Halle... wir müssen die... die Liste durchgehen und... eine Auflistung der Verluste machen."
Verschwommen merkte Harry, dass Snape und Mr. Weasley ihn auf die Beine stellten und beide legten einen Arm um seinen Rücken, um ihn zu stützen und ihn zum Gehen zu bewegen. Er konnte sich nicht mehr richtig bewegen. Seine Beine fühlten sich wie Blei an, als ob das Wissen, wie er gehen sollte, einfach aus seinem Gehirn gelöscht worden wäre und ihn leer zurückgelassen hätte, einfach eine Hülle. Um ihn herum konnte er die Sterbenden und die Toten sehen, Todesser und Ministeriumszauberer, und die Landschaft war von dem Konflikt für immer gezeichnet worden. Er konnte neben einem der Schultore einen großen Krater sehen, der das Grab eines der verbrannten und verkohlten Skelette eines Heliopathen geworden war. Die Käfige der Vampire waren aufgebrochen worden. Einer lag tot darin, zur Unkenntlichkeit verbrannt, und Harry wollte gar nicht wissen, ob die Kreatur tot oder lebendig verbrannt war.
Snape streckte eine Hand aus und stieß damit zitternd das Tor zur Eingangshalle auf. Harrys gelähmte Gedanken merkten nicht einmal, wo er war, bis er fühlte, wie ihn jemand von hinten auf einen Platz am Gryffindortisch drückte, neben Mr. Weasley, und ein rauchender Becher wurde in seine Hände gedrückt. Er sah auf, seine Augen fast zum Überlaufen mit Tränen gefüllt, und sah Professor McGonagall, die rechte Seite ihres Gesichts mit Blut verschmiert, und sie gab ihm einen Becher mit etwas Grünem darin. „Trink, Potter", sagte sie leise.
Er widersprach nicht und hob den Becher einfach an seine Lippen und seine Augen bewegten sich irgendwo zwischen offen und geschlossen. Es war eklig, was auch immer es war, aber Harry war es eigentlich egal. Er hätte sich besser gefühlt, wenn es Gift gewesen wäre.
„Guter Junge", sagte sie, ihre Stimme noch immer gedämpft, und sie streckte eine Hand aus und strich sein Haar beruhigend aus seiner Stirn. „Ist deine Sicht in Ordnung, Potter?"
Er nickte verschwommen. Mr. Weasley klopfte ihm auf den Rücken, während McGonagall auch ihm einen rauchenden Becher gab. Er sah sich mit leeren Augen im Raum um. Es waren noch nicht viele Leute hier. Die Lehrer von Hogwarts, soweit sie schon anwesend waren, gingen zwischen den Gruppen von Zauberern umher und verteilten Zaubertränke. Er konnte sehen, wie Professor Sprout versuchte, eine Gruppe Drittklässler in der Nähe des Lehrertisches zu beruhigen; aus ihrem Gespräch konnte er heraushören, dass einer ihrer Freunde vermisst wurde. Er schloss die Augen und fühlte sich einfach miserabel. Er wusste nicht, ob seine Freunde okay waren. Was, wenn ein Todesser die Barriere von Alrister und Andralyn durchbrochen hatte? Sie würden alle tot sein.
Mehr Menschen kamen nun in die Halle. Es gab Zauberer, die schwer verwundet waren, Zauberer, die im Sterben lagen, und dann die Schüler von Hogwarts. Sie kamen einfach herein, ihre Gesichter leer und zu benommen von Schock, um irgendeine Emotion zu zeigen, gingen sie die Gänge zwischen den Haustischen entlang, ließen sich auf ihre üblichen Plätze fallen und starrten einfach in die Luft. Harry wusste, wie sie sich fühlten. Es schien nicht real zu sein, nichts davon. Er wünschte sich fast, dass ihn jemand schlagen würde, nur des Schmerzens Willen, nur um zu sehen, ob er wirklich noch am Leben war.
Jemand auf der anderen Seite der Halle rief plötzlich seinen Namen, als sie hereingeführt wurden, und er wandte sich um, gerade noch rechtzeitig, um Hermine zu sehen, die auf ihn zulief, ihre Augen voller Tränen. Als er sie weinen sah, fühlte er, wie die Hitze hinter seinen Augenlidern noch stärker wurde. Die logische, ruhige, Macht-keinen-Unsinn Hermine weinen zu sehen, ließ ihn erst wirklich erkennen, wie viel sie verloren hatten und wie müde er war.
Sie packte ihn in einer festen Umarmung, Tränen liefen über ihr Gesicht und sie schluchzte erleichtert. Er hatte nicht die Energie, um die Umarmung zu erwidern. Er dachte nicht, dass es je wieder könnte. Ron war bei ihr, umarmte Harry wie ein Bruder, und dann Neville und Luna und Ginny. Alle von ihnen weinten, während Professor McGonagall ihnen ihre Zaubertränke gab, ihnen sagte, sie sollten sich beruhigen, und ihren eigenen Schal um Neville wickelte, um sein Zittern zu stoppen. Für Harry war alles eine Million Meilen weit weg. Er sah immer wieder Dobby, Kibbles, Kingsley, alle die anderen, sah, wie sie starben. So viele Menschen, die er gekannt hatte. Menschen, von denen er gedacht hatte, sie wären zu lebendig, um zu sterben, wie seltsam sich das auch anhören mochte. Die Tränen begannen nun zu fallen und er ließ sie einfach leise über sein Gesicht rollen.
Er sah sich in der Halle um. Viele Schüler waren noch nicht gekommen. Sie versteckten ich wahrscheinlich noch in der Schule, geschützt im Büro eines Lehrers, oder sie gingen gerade von draußen herein. Sie würden bald kommen, und einfach durch die Tür herein gehen, sich zu ihren Freunden an die Tische setzen und die massiven Lücken an jedem der Haustische füllen.
Bis Harry erkannte, dass sie nicht kommen würden. Sie waren tot. Seine Augen wanderten über jeden freien Platz in der Halle. Es waren fast so viele leer wie gefüllt, und er erkannte, dass die Zauberer des Ministeriums auch unter ihnen waren. So viele Hogwarts Schüler... alle tot... alle Kinder. Alle unschuldig.
Lupin stand vorne in der Halle, sehr blass, und er hielt eine lange Rolle Pergament in den Händen. Sie zitterten sanft und mit einer Stimme, die tausend Tränen zurückhielt, begann er, die Namen der Schüler von Hogwarts zu verkünden.
Ein Name nach dem anderen ging ohne Antwort vorbei. Die Lücken wurden ständig größer. Jedes Mal, wenn ein Name aufgerufen wurde und niemand antwortete, schloss Lupin die Augen für einen Moment und strich die Worte dann mit einer langen, schwarzen Feder aus. Die Creevey Brüder waren fort. Mitglieder der DA, mit denen sich Harry gerade erst angefreundet hatte. Erstklässler, Zweitklässler, Hufflepuff und Ravenclaw, die gesamte siebte Klasse aus Slytherin, all die Mädchen eines Jahrgangs in Gryffindor. Lupins Stimme wurde immer brüchiger, nicht mehr in der Lage, eine einzige Silbe zu halten, während sein Pergament mehr ausgestrichene als anwesende Schüler aufwies. Es waren insgesamt nur noch etwa dreißig Slytherins übrig. Und Malfoy, Draco war nicht unter ihnen. Hermine schluchzte in Rons Schulter, während er sie umarmte, beruhigte, über ihre Schulter streichelte und ihre Stirn küsste.
Endlich kam Lupin zu den Lehrern, und seine Stimme zitterte genauso wie seine Hände.
„Snape, Severus."
„Anwesend."
„Sinistra, Sarabi."
„Hier, Remus..."
„Vektor, Marius."
Er erhielt keine Antwort. Lupin strich einen weiteren Namen durch.
„Trelawney, Sybill."
Keine Antwort.
„Hagrid, Rubeus?"
„Hier", ertönte Hagrids von Tränen erstickte Antwort. Professor Sprout versuchte, ihn zu beruhigen, aber sie weinte ebenfalls.
Jeder andere Lehrer wurde als anwesend und am Leben gemeldet und dann kam das Ministerium. Viele von ihnen waren noch am Leben. Noch anwesend. Es waren die Kinder, die gefallen waren. Harry konnte sehen, warum. Es gab nur eine begrenzte Zahl von Orten in Hogwarts, an denen man sich verstecken konnte und unauffindbar war. Die Schüler mussten für die Todesser ein leichtes Opfer gewesen sein. Am nächsten Morgen würden Hunderte Eulen mit Briefen für Hunderte von Eltern losgeschickt werden, um sie zu benachrichtigen, dass ein geliebter Sohn oder eine ebenso geliebte Tochter gestorben war.
Harry hörte der Liste der Ministeriumsmitglieder nicht zu. Er kannte die Namen nicht und wollte die erschrockenen Gesichter der anderen Erwachsenen nicht sehen, die verteilt in der Halle standen, als ihre Freunde und Kollegen für tot erklärt wurden. Bis ein Name aufgerufen wurde, der Harry erkennen ließ, dass Mr. Weasley neben ihm zitterte.
„Weasley, Percy."
Die Sekunden der Stille zogen sich in die Länge. Mr. Weasley zitterte mehr denn je. Schließlich hob Lupin seine Feder wieder und strich den Namen durch. Mr. Weasley verdeckte sein Gesicht mit den Händen und erstickte einen Schluchzer in seinen Handflächen. Ron und Ginny umarmten ihn und er klammerte sich fest an sie, während die Tränen über sein Gesicht strömten.
„Weasley, Arthur."
„Hier", sagte Mr. Weasley und wandte sein von Tränen genässtes Gesicht Lupin zu. „Aber bei Gott, ich wünschte, ich wäre es nicht... wie werde ich es Molly sagen? Und Fred und George..."
Alle in der Halle senkten die Köpfe. Lupin erwiderte Mr. Weasleys Blick, nickte einmal und sein Gesicht zeigte Verständnis und stille Anteilnahme. Er wandte sich stumm an Dumbledore und rollte das Pergament zusammen. „Alles erledigt, Albus..."
Jedes Augenpaar wandte sich Dumbledore zu. Der Direktor schien in einem ähnlichen Zustand wie Mr. Weasley zu sein; er saß einfach auf seinem Stuhl, das Gesicht hinter den Händen verborgen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er etwas sagte, und als er es tat, hörte ihn jeder, obwohl er sehr leise sprach: „Danke, Remus..." Er ließ die Hände sinken, stand auf und sah sich in der Halle um. Sein Blick blieb an den leeren Plätzen hängen, wo einmal Kinder gesessen und fröhlich miteinander geredet hatten, glücklich mit ihren Freunden. Mehr stumme Tränen liefen über sein altes Gesicht, und dann schien sein Herz zu brechen, während sich auf seinem Gesicht Wut und Trauer zeigte. Er hob eine Hand und zeigte mit ihr auf die gesamte Halle, dann fasste er alles in zwei einfache, kurze Worte zusammen.
„Die Kinder..."
Er schüttelte den Kopf, hielt inne und holte tief Luft, dann versuchte er, weiter zu sprechen, aber er konnte es nicht. Er konnte es einfach nicht. McGonagall stand auf, legte sanft ihre Arme um ihn und drückte ihn sanft zurück auf seinen Stuhl. Lupin trat nach vor und band nun die Pergamentrollen mit schwarzen Bändern zusammen.
„Ich... ich denke, dass... es keine Worte gibt, um die Situation um uns zu beschreiben." Er holte tief Luft, beruhigte seine Nerven, machte in das Band eine Schleife und lies die Rollen zu Boden fallen. „Es gibt keine mögliche Entschuldigung für... für die heutigen Verluste. Die Welt ist heute Nacht alleine... und wird es für eine lange, lange Zeit sein. Ich kann nicht einmal meine... meine Anteilnahme, meine Trauer für die Familien aussprechen, die heute jemand Geliebten verloren haben..."
Die Tür zur Großen Halle öffnete sich und alle wandten sich um, die Augen voller Hoffnung, dass es ein Familienmitglied oder Freund war, der herein trat. Die Enttäuschung, dass es keiner von ihnen war, brach jedes Herz in der Halle noch einmal. Harry konnte nicht durch die Menge sehen, und setzte sich einfach zurück; er wollte nicht, dass seine Hoffnungen so wie die der anderen zerbrochen wurden. Er hörte das dumpfe, rhythmische Klonk! eines Holzbeines auf dem Boden und ein weiteres Fußpaar folgte. Die Menge wich zurück. Hermine schrie gedämpft in Rons Schulter auf.
Es war Mad-Eye Moody, der einen blutbeklebten, geschockt aussehenden Draco stützte, und die beiden gingen langsam durch die Halle auf Lupin zu. „Anwesend", knurrte Moody. Lupin nickte, bückte sich zum Boden, hob eine der Pergamentrollen wieder auf und fügte die Namen der Liste wieder hinzu. Moody löste seinen Arm von Dracos Schulter und sagte: „Geh schon, Junge... los zum Haustisch."
Draco nickte benommen, wandte sich um und wollte auf den sehr spärliche besetzten Slytherintisch zugehen, doch Moody knurrte: „Nicht dieser Haustisch, Junge...", streckte die Hand aus und packte Draco an der Schulter. Er drehte ihn um und stieß ihn in Richtung des Tisches der Gryffindors. „Wenn es jemanden gibt, der es verdient, an diesem Tisch zu sitzen, dann ist es dieser Junge", sagte Moody. Als wäre er vorher nicht schon genug zerstückelt gewesen, fehlte ihm nun der Großteil seines rechten Ohrläppchens. „Es sind hier sehr viele Leute, die nun tot wäre, wenn es diesen Junge nicht gäbe. Mein einziges übriges Ohr mit eingeschlossen." Er nickte Draco zu. „Geh schon, Junge."
Draco, so überrascht, gelähmt und leer wie alle anderen aussehend, ging benommen zum Gryffindortisch und setzte sich neben Harry. Hermine wurde wieder von Ron beruhigt, an ihn gekuschelt und weinte an seine Schulter und Ron umarmte sie ebenfalls. Alle waren einen Moment lang still und Harry merkte, dass ihn ziemlich viele in der Halle anstarrten. Er dachte zumindest, dass er es war, bis er erkannte, was sie eigentlich beobachteten. Snape auf der anderen Seite des Tisches stand auf und ging auf eines der Fenster zu.
Harry sah zu, wie der Professor den Tisch entlang ging, dann die Handflächen flach auf die Fensterscheibe legte und hinauf auf die Schlossgründe blickte. Harry dachte, er würde einfach über das Geschehene nachdenken, und dachte sich nichts dabei, bis Snape wie ein geschlagener Hund aufschrie, herumwirbelte und zur Tür lief.
Alle zuckten zusammen und sahen ihm nach, als er durch die Tür stürmte, und sie so unwirsch aufstieß, dass sie an die Wände knallten und etwas Staub von der Decke fiel.
Harry sprang auf die Beine, lief zum Fenster und stolperte fast, als seine schmerzenden Beine unter ihm nachgeben wollten. Er sah hinaus und fragte sich, was Snape so davonstürzen ließ... dann sah er es ganz am Rand des Verbotenen Waldes. Es war Rookwood und er zog Isabis an der Kehle hinter sich her. Sie weinte und wehrte sich, versuchte, frei zu kommen, aber er ignorierte sie einfach. Harry sah, wie er die Hand hob und ihr ins Gesicht schlug und sie dann in den Wald schleppte.
„Es ist Isabis", sagte Harry und wandte sich jedem Gesicht zu, das ihn nun ansah. „Er ist hinter ihr her."
„Es könnten noch immer Todesser im Wald sein, Dumbledore", sagte einer der Auroren, die neben der Tür standen. „Sollen wir ihn verfolgen und zurückholen?"
Dumbledore schüttelte den Kopf, hob den Blick und seine Stimme war nun fester, jedoch leer und ohne Emotion. „Nein... er wird für keinen von euch anhalten. Selbst, falls ihr ihn finden solltet, würde er nicht umkehren und ruhig zurückkommen. Severus folgte immer seinen Gedanken und seiner Logik, weil es für ihn keinen Grund gab, auf etwas anderes zu hören... und nun hat er einen Grund, seinem Herzen zu folgen, und nichts außer seiner eigenen Erkenntnis wird ihn zurückholen können."
„Was, wenn er getötet wird?", fragte eine der besorgt aussehenden Hexen.
„Dann wird es der Tod sein müssen, der ihn wieder zu Verstand bringt", sagte Dumbledore leise. „Nun..." Er wandte seine Augen dem Tisch zu. „Hauslehrer, bringt bitte eure Schüler zurück in die Schlafsäle. Sarabi, könntest du dich bitte um die Slytherins kümmern? Traumloser Schlaf Trank wird im Zaubertranklager erhältlich sein... wir werden uns morgen um alles kümmern." Er schloss die Augen. „Gute Nacht, Kinder. Gott schütze euch."
Für alle, die es interessiert: heute feiert Remus Lupin seinen Geburtstag – also beginnt mit dem Feiern!
