HARRY POTTER UND DER FLUG DES PHÖNIX

von The Velvet Ghost / Übersetzung von Christa Potter

A/N: Weil das Kapitel diesmal verspätet kommt, will ich euch nicht mir einer langen Notiz quälen. Nur kurz danke für die Reviews!


KAPITEL 48 – Isabis Spielt Drei Mal

In der Nacht war es oben auf dem Astronomieturm immer kalt und dunkel. Er war für verschiedene Verwendungen bekannt und ein Ort, an dem man sitzen und einfach nachdenken, aber auch Hausaufgaben erledigen konnte, wenn der Gemeinschaftsraum zu voll war und man einfach von den anderen loskommen musste. Aber nach zehn Uhr war Ausgangssperre und dann waren alle Schüler, die hier oben erwischt wurden, in ziemlichen Schwierigkeiten. Wahrscheinlich was dies der Grund, warum Peter so oft hier oben war. Wenn es in seinem Nest zu unordentlich wurde, zog er für ein paar Tage aus, Jinx würde ohne Zweifel wieder aufräumen, er würde zurückkommen und wieder Unordnung anrichten. Er konnte auch herkommen, um in Ruhe zu rauchen, denn das gefiel ihr immer noch nicht. Sie wurde jeden Tag mehr und mehr wie seine Mutter, obwohl sie gerade mal einen Meter fünfzig groß war.

Er saß auf einer der Zinnen und ließ seine Beine die Schlossmauer hinab hängen. Es war einfach ein tolles Gefühl, dort zu sitzen und seine Beine über die Steinwände baumeln und ihm Wind wehen zu lassen. Alle paar Augenblicke nahm er einen Zug von seiner Zigarette, sah zu, wie die dicke, graue Wolke in die dunkelblaue Decke des Nachthimmels entschwebte. Um die Wahrheit zu sagen hasste er Rauchen. Es war einfach unmöglich, ohne dem Zeug zu überleben. Der letzte Zug, den seine Lungen getan hatten, war voller Rauch gewesen. Er hatte den magischen Ersatz für Zigaretten probiert, aber es war einfach nicht das Selbe... Er musste die meisten seiner Zigaretten aus einer Muggelstadt in der Nähe stehlen, und das war ein ziemliches Abenteuer, denn einmal war er von einem Mann gesehen worden, der gerade mit seinem Hund spazieren war. Er war nur entkommen, weil er dem Mann einen Eimer voller Whiskey über den Kopf gestülpt hatte, und als dieser dann zur Polizeistation gelaufen war und etwas über einen Geist geschrien hatte, der Zigaretten stahl, hatte ihm niemand geglaubt. Grausam, aber notwendig.

Ruhig nahm er noch einen Zug aus der Zigarette und warf sie dann nach unten. Sie segelte die Mauer des Schlosses entlang bis sie komplett unsichtbar wurde. Er überlegte, ob er eine weitere aus seiner Tasche ziehen sollte, aber in diesem Moment hörte er, wie jemand die Treppe zum Astronomieturm hochkam. Er machte sich schnell Unsichtbarkeit, als sich schon die Tür öffnete und zu Peters großer Überraschung Harry heraus in die Nachtluft trat. Er trug nur seinen Pyjama und Hausschuhe und sein Haar war noch unordentlicher als sonst.

Peter sah zu, wie sein magischer Schützling sich genau nach anderen Schülern umsah und dann ins Mondlicht und in die Kälte kam. Er musste wohl ziemlich frieren, wie er da in seinem Pyjama stand. Einen Moment lang überlegte Peter, ob er wieder sichtbar werden und ihn dazu bringen sollte, wieder ins Bett zu gehen. Dann entdeckte er die Tränen in Harrys Augen...

Zu überrascht, um etwas anderes zu tun, beobachtete er, wie sein Schützling vorsichtig über den Turm ging und sich auf einen der Steine der Mauer setzte. Der Astronomieturm war einer der wenigen, der vom Kampf nicht beschädigt worden war. Vielleicht, erkannte Peter, war Harry genau deshalb hierhergekommen. Dann bemerkte er, dass sein Schützling in der Hand hielt und lehnte sich nach vorn um erkennen zu könne, was es war. Es war ein Brief, auf dem das Siegel des St. Mungo Hospitals für magische Krankheiten und Verletzung zu sehen war.

Harry setzte sich im Schneidersitz auf den glatten Steinblock und hielt den Brief vor sich, während er ihn las. Peter lehnte sich vorsichtig über seine Schulter, um ihn ebenfalls zu lesen. Er war nie wirklich gut im Lesen gewesen, also überflog er ihn nur kurz. Kainda Zabini... unglücklicherweise... sehr geringe Chance der Besserung... während der letzten Wochen in kritischem Zustand... mächtiges Gift... unsere besten und talentiersteten Heiler... arbeiten an der Situation... aber die Hoffnungen sind sehr gering... unsere tiefste Anteilnahme, St. Mungo Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen.

Harry hatte den Brief zu Ende gelesen. Leise schlichen ein paar weitere Tränen über sein Gesicht. Peter sehnte sich danach, ihn umarmen und ihm etwas Trost spenden zu können, aber vielleicht musste Harry diesmal alleine sein. Es war wahrscheinlich eine dieser Situationen, in denen der junge Gryffindor schon zu weit weg für jeglichen Trost war und die einzige Heilung waren Einsamkeit und Gedanken. Peter hatte das nur von anderen Leuten gehört... als er aufgewachsen war, hatte er immer jemanden gehabt, mit dem er hatte reden können. Natürlich war Harry ein Einzelkind und hatte keine Eltern oder Familie gehabt, die ihm nahe gestanden waren und mit denen er hätte sprechen können.

Peter war sich nicht sicher, wie lange er Harry beobachtet hatte. Es hätte leicht eine Stunde sein können, vielleicht sogar länger, als Harry seine Tränen abwischte, tief durchatmete und seine Zeit des Nachdenkes zu einem Ende kam. Er rollte den Brief wieder zusammen und verließ den Astronomieturm über die Treppe, schleichend, leise wie ein Schatten.

Peter wurde wieder sichtbar und sah zu, wie sich die Tür hinter seinem Schützling schloss. Einen Moment lang überlegte er, ob er ihm folgen sollte, um zu versuchen, ihn zu beruhigen, doch dann bemerkte er, dass er doch nicht alleine auf dem Turm war. Seine Augen waren auf den dunklen, großen Schatten gefallen, der hinter einer der Säulen stand. Nachdem er einen Moment lang nur gestarrt hatte, erkannte er, wer es war, seufzte, wandte sich ab und schüttelte eine weitere Zigarette aus der Packung.

„Du weißt, dass Spionieren unhöflich ist", sagte er.

„In der Tat. Beachte das beim nächsten Mal."

Er suchte in seiner Tasche nach seinem Muggelfeuerzeug, zündete es an und hielt ihn an das Ende der Zigarette, während er ruhig antwortete: „Es ja nicht so, als wäre ich auf diesem Turm der einzige Schuldige, hmm, Snape?" Snape in seinem schattigen Versteck hinter der Säule antwortete nicht. Peter musste zugeben, dass er sich gut verborgen halten konnte. Als er das Feuerzeug zurück in die Tasche gleiten ließ, fragte der Geist: „Also. Wie kommt es, dass du ihm gefolgt bist?"

Einen Moment lang herrschte Stille, dann sagte Snapes Schatten brüsk: „Ich war in meinen Unterkünften und hatte nichts besseres zu tun, und als ich erkannte, dass er besorgt war, beschloss ich, dass es vielleicht besser wäre, ihm eine Weile zu folgen."

„Also warst du gelangweilt."

„Ich habe nichts in dieser Richtung gesagt. Oh... Peelish... das ich habe fast vergessen. Deine Verteidigung wird schwächer."

Peter zuckte ein wenig. „So?"

„Ja. Obwohl ich sicher bin, dass dir ein paar offensichtliche Tatsachen schon klar geworden sind... also werde ich mich nur auf das konzentrieren, was mir aufgefallen ist. Der Dunkle Lord ist auf die Schlossgründe appariert. Ich dachte, dass Schloss wäre gegen so etwas verteidigt."

Peters Augen verengten sich. „Er ist durch das Feuer gereist. Die Heliopathen können es und sie müssen ihn mit einem Zauber oder so etwas belegt haben, um es ihm zu ermöglichen... er hat das Feuer der Drachen benutzt, um in die Schule zu kommen und hat zur Flucht einen Feuerzauber ausgesprochen. Lupin hat sich jedoch heute Morgen darum gekümmert und hat eine Barriere gegen das Reisen durch Feuer aufgebaut. Nur das Flohnetzwerk funktioniert noch und jeder Verdächtige kann gebannt werden."

„Mm."

Peter ignorierte Snape danach, hob die Zigarette an den Mund und rümfpte die Nase in Protest gegen den ersten rauchigen Atemzug. Snape hatte, in Peters Augen, nicht das Recht ihm zu sagen, wie er seinen Job erledigen sollte. Er zog kurz an der Zigarette und hustete leicht. Es war wirklich schrecklich. Und wenn er daran dachte, dass Hunderte Muggel jeden Tag Hunderte Zigaretten rauchten und wussten, dass es sie schließlich töten würde und dass sie biologisch gesehen jeder Zeit aufhören konnten aber es nicht taten. Peter blies den Rauch aus und beobachtete ihn einen Moment lang, dann sagte er ruhig: „Wie geht es ihm jetzt? Immerhin trägst du den größten Teil der emotionalen Aufgaben."

„Emotionale Aufgaben?", schnaubte Snape. „Es gab Komplikationen mit dem Bund. Offensichtlich bist du tot. Ein Geist. Und die Hälfte der Zeit bist du ein verdammter Poltergeist, der nicht einmal atmen kann und sich schon gar nicht um ein Kind kümmern kann. Der Bund hat offenbar entschieden, dass ich ein passenderer Kandidat bin, um mich um Potters Emotionen zu kümmern."

„Ich wette, es war trtozdem sehr eine schwere Entscheidung", gluckste Peter. „Also... wie fühlt er sich?"

Snape hielt einen Moment inne, offenbar nachdenklich, und antwortete dann: „Um einiges ruhiger. Noch immer besorgt, ja, aber ruhiger. Potter ist ein typischer Teenager, der jedes Gefühl von Schmerz in sich aufstaut und es ausdrückt, wenn er alleine ist. Oder zu unpassenden Zeiten."

„Du warst doch auch einmal jung, Snape", sagte Peter. „Tu jetzt nicht so, als hättest du nicht auch einmal so gedacht. Ich denke, du warst von der Sorte, die etwas wirklich Spießiges macht, wenn sie versuchen, Emotionen auszudrücken... wie... einen wirklich schwierigen Zaubertrank brauen. Das, oder du warst einer der Furchteinflößenden, die Dinge verbrennen und schreien und mit falschem Blut spritzen. Die örtliche Kinder erschrecken und so weiter. Natürlich erschreckst du noch immer örtliche Kinder."

„Welch eine Schande, dass das Feuer dich getötet hat", sagte Snape kalt. „Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte ich wenigstens das Vergnügen, dich umzubringen."

„Warum, warum nur, hat Dumbledore nur geglaubt, dass du eine ordentliche Person und der richtige Beschützer für Harry bist?", sagte Peter und warf Snape über seine Schulter hinweg einen Blick zu. „Er hat es als Scherz vorgeschlagen, oder? Und du hast angenommen, aber er wollte dich nicht enttäuschen, also hat er es dich machen lassen. Dann hat er sich noch einmal überlegt und jemand gesucht, der Harrys ‚richtiger' Beschützer sein kann und kam zu mir. So war es, nicht wahr?"

Snape war still. Peter gluckste. Das größte Zeichen dafür, dass Snape wirklich verärgert war, war, wenn er nichts sagte, weil ihm nichts einfiel. Der Geist lehnte sich zurück und beobachtete den Himmel über ihm, dieses endlose Samtblau, übersäht mit diamantenen Sternen hier und dort, noch komplett unberührt von der Technologie der Muggel. Snape kam hinter der Säule hervor und stellte sich neben ihn, immer noch still, bis ein paar Augenblicke vergangen waren und der Professor sprach.

„Ich hätte gerne... eine Konversation mit dir. Über Potter."

„Rede mit mir, Snape, wenn du reden willst. Ich kann Konversation nicht einmal buchstabieren, geschweige denn an einer teilnehmen."

„Er scheint besorgt zu sein", sagte Snape und ignorierte Peter. „Auf eine Art, die ich nicht identifizieren kann. Ich will, dass zu mit ihm sprichst und ihm Rat anbietest. Viele scheinen Dumbledores Rede als Quelle der Inspiration und Beruhigung für die Schüler zu sehen, aber ich denke, dass sie nur den Schock über alles, was geschehen ist, hinauszögert. Potter gehört nicht zu den Menschen, die sich mit einer einfachen Rede zufrieden geben."

„Hey, hey, du redest mit ihm." Peter sah Snape über seine Schulter hinweg an und ließ etwas Asche über die Schlossmauer fallen. „Er ist auch dein Schützling. Du kannst dich jetzt nicht einfach verdrücken, das weißt du."

Snape runzelte die Stirn. „Ich denke, dass Potter es vorziehen würde, Rat von dir zu erhalten, und nicht – "

„Nein, nein, nein, Sev." Peter drehte sich auf der Mauer um und sah ihn ernst durch eine dichte Masse dunklen Haares hindurch an. „Du verstehst nichts von Teenagern, oder? Es geht darum... es ist egal, welche Sorgen ein Teenager hat, er wird immer nur den Rat akzeptieren, nach dem er sucht. Wenn er um Hilfe bittet, gewährt man sie ihm. Er wird zu dem von uns gehen, von dem er sich den besten Rat erhofft. Wenn er zu dir kommt, berätst du ihn, und du wirst es, für ihn, gut tun. Wenn er nicht kommt, dann lass ihn einfach in Ruhe. Das ist seine Trauerzeit. Bald wird er sich besser fühlen. Gib ihm ein paar Tage. Wenn er Hilfe will, wird er darum fragen. Verstanden?"

Snapes Augen verengten sich ein wenig. „Peelish, benimm dich nicht wie ein Psychologe. Das steht dir nicht."

„Habe ich jemals gesagt, dass ich ein Psychologe sein muss?", sagte Peter und hob die Augenbrauen. „Ich denke über das nach, was das Beste für Harry ist. Er wird erwachsen. Snape. Sieh ihn dir nur einen Tag lang an, sieh ihn dir nur an, und du wirst sehen, dass er im nächsten Jahr die Schule verlässt, um einen Job zu bekommen und eine Familie zu gründen und einfach erwachsen zu sein. Er will seine eigenen Entscheidungen treffen und sich um seine Probleme alleine kümmern."

Snape sah einen Moment lang gereizt aus, dass nickte er ein klein wenig und faltete seine knochigen Arme über seiner Brust. „Mm. Nun gut, Peelish... behalt ihn trotzdem im Auge. Er ist vielleicht erwachsen, aber er wird immer – "

Und diesem Moment hörten sie ein leises Schuhu in der Nähe und in der nächsten Sekunde flog eine Eule um die Ecke, mit einem Brief fest in ihren Schnabel geklemmt. Snape streckte die Hand aus und die Eule landete graziös darauf, um ihm den Brieg zu reichen. Snape nahm ihn und las mit einer gehobenen Augenbraue.

„Was ist es?", fragte Peter und richtete sich auf, um den Brief ebenfalls zu lesen.

Snape runzelte die Stirn und hielt den Brief so, dass Peter ihn nicht sehen konnte. Als er zu Ende gelesen hatte nahm er seinen Zauberstab und entzündete das Papier. Peter sah ungläubig zu, wie das Papier als ein Haufen Asche vor seinen Füßen landete. „Verdammt paranoid!"

„Anweisung von Dumbledore", sagte Snape einfach. Die Eule flog mit einem Schrei wieder davon in die dunkle Nacht. Snape wandte sich um und öffnete die Tür zurück zur Schule. „Behalt Potter im Auge."

Und damit fiel die Tür ins Schloss und Snape war verschwunden. Peter runzelte die Stirn und sprang von der Mauer herunter; er hörte verschwommen, wie irgendwo eine Uhr Mitternacht schlug, bevor er die Treppe hinunter ging und in den Schatten verschwand.


Der Grund für Dumbledores Ruf nach Snape hatte zehn Minuten früher begonnen, unten in der Eingangshalle, als Harry vom dunklen Turm herunter kam. Er hatte einfach ein wenig Luft gebraucht, nachdem der Brief von St. Mungo angekommen war. Nun, da er seine Lungen und seine Gedanken gereinigt hatte war er bereit, dem Leben wieder entgegen zusehen und zumindest zu versuchen, wieder in einen normalen Rhythmus zu kommen. Es war an der Zeit weiter zu gehen.

Er ging gerade oben an der Marmortreppe vorbei und wollte den Korridor zum Gryffindorturm nehmen, als er erkannte, dass unten in der Einganshalle zwei Gestalten waren. Eine davon lehnte in der Nähe einer Säule neben der Tür und die andere saß unten auf der Treppe und spielte mit etwas. Harry erkannte Rons rotes Haar mit seinem dummen, weißen Streifen und Dracos silber-blonde Mähne. Er spielte kur mit seinem Tarnumhang herum, bevor er nach vor trat und ihn vom Kopf zog.

Draco sah überrascht auf und zuckte zusammen, als direkt vor ihm jemand aus dem Nichts erschien. Ron wirbelte herum und hielt noch immer etwas in seiner Hand. „Harry?", brachte er hervor.

Harry lächelte und ging die Treppe hinunter. „Hiho."

„Was machst du hier?", sagte Ron, aber Draco war nach vorn geschossen.

Er entriss Harry den Tarnumhang und hielt ihn ins Licht einer Kerze, wo er zusah, wie er mal sichtbar und mal unsichtbar war. „Ich wusste es", zischte er. „Du warst es! Bei der Heulenden Hütte, mit diesem Umhang, nicht wahr? Verdammt noch mal, Potter!"

Harry gluckste, als er sich daran erinnerte, nahm seinen Umhang zurück und legte ihn stolz auf seine Schulter. Ron kicherte ebenfalls. „Du weißt nicht einmal die Hälfte dessen, was wir dir während der letzten Jahre angetan haben."

„Was?", sagte Draco scharf und wandte sich ihm zu. „Wie viel genau glaubst du, dass ich nicht bemerkt habe?"

„Oh, ziemlich viel", sagte Ron weise. Er fing Harrys Blick auf und beide grinsten.

Draco starrte sie an und seine Augen waren immer noch auf Ron und den Umhang gerichtet. „Hm. Woher hast du den bekommen? Ich weiß, dass deine Eltern reich waren, aber ein Tarnumhang?"

„Ich weiß nicht, woher mein Dad ihn hatte", gab Harry zu und erkannte es zum ersten Mal.

„Er war ein Auror, oder?", sagte Draco. Er hob eine Augenbraue und seufzte kurz. „Ich nehme an, er hat ihn vom Ministerium gestohlen. Wie typisch potterhaft.

„Nein, er hatte ihn schon, als er in der Schule war", sagte Harry. „Ich erinnere mich, dass Lupin mir erzählt hat, dass er und Sirius Black darunter Essen aus den Küchen gestohlen haben."

„Lupin?", sagte Draco.

„Professor Lupin", sagte Ron und starrte ihn an, als wäre er dumm. „Du weißt schon, ergrauendes Haar, unterrichtet hier, verwandelt sich einmal im Monat in einen Werwolf, trägt geflickte Umhänge... komm schon, denk nach."

Draco warf ihm einen tötenden Blick zu und öffnete den Mund, um etwas zu antworten, als ein sehr seltsames Geräusch die Eingangshalle erfüllte. Es war wie ein Jammern, ein sanftes Wimmern, und es dauerte nur ein paar Sekunden, bevor es wieder verstummte, so schnell wie es gekommen war. Ron öffnete seine Hände und blickte nach unten. Harry bemerkte, dass Sneezy, der Opsittops, dort saß und aß mit ruhigem Gesichtsausdruck eine Eichel.

„Warst du das?", wollte Ron wissen.

Sneezy sah ihn unschuldig an und schüttelte den Kopf, bevor er Ron die Eichel anbot.

„Warum hast du ihn hier?", fragte Harry.

„Hagrid will, dass ich mich um ihn kümmere", sagte Ron. „Er ist immer bei Norbert, Sly und Kibbles II. Er sagt, dass sie jetzt viel Zuwendung brauchen... ich denke, er auch. Er hat die Opsittops seinen vertrauenswürdigen Schülern gegeben. Er wollte, dass wir beide uns um Sneezy kümmern."

Sneezy strahlte Harry an und knabberte weiter an seiner Eichen und begann fröhlich zu singen, bevor er verstummte. Alle hörten gespannt zu. Da war wieder dieses seltsame Wimmern, als hätte ein Hund Schmerzen, und diesmal wurde es von einem sanften Kratzen begleitet. Es dauerte höchstens fünf Sekunden bevor es wieder verstummte.

Draco sah ein wenig besorgt aus. „Ist es einer der Geister?" Er sah sich schnell um und sagte: „Bleiben wir lieber zusammen, falls es Peeves ist..."

„Peeves wird uns nichts tun", sagte Harry stirnrunzelnd. „Und ich denke nicht, dass es ein Geist ist... es ist zu klar... hört zu!"

Alle versummten und hörten wieder dieses Wimmern. Jemand weinte. Kratzte an etwas. Und dann hörten sie ein Wort, nur ein geflüstertes Wort, das aus der Nähe kam. „Bitte..."

Draco ging instinktiv näher zu Harry und starrte auf die Schatten, die vom Kerzenlicht nicht vertrieben worden warn. „Es ist ein Geist. Da ist irgendwo ein Geist, ich weiß es. Nach der Belagerung sollten wir auch ein paar neue haben."

„Halt endlich den Mund und lass dir ein Rückgrat wachsen", zischte Ron. Sneezy nickte begeisternd und zustimmend.

Harry hörte ihnen nicht zu sondern konzentrierte sich auf das Kratzen. Es wurde jetzt lauter, stärker, als hätte, wer auch immer es war, jetzt mehr Kraft. Oder war verzweifelter, dachte er mit einer kranken Welle aus Angst. Er ging vorsichtig auf die Tür zu. Es wurde stärker. Was auch immer es war, war draußen. Er streckte die Hand nach der Türklinke aus, aber Ron packte ihn hinten am Umhang und zog ihn zurück. „Was machst du da?", zischte es. „Was ist, wenn es Voldemort ist?"

Harry warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Ich kann mir das wirklich gut vorstellen, Ron. Lord Voldemort liegt schluchzend auf der Treppe vor Hogwarts."

„Es könnte sein", sagte Ron und seine Ohren wurden rosa.

Harry streckte die Hand aus und zog die Tür ohne zu zögern auf. Als sie aufschwang, fiel das Mondlicht von draußen herein und erleuchtete Millionen von Staubpartikeln in der Luft, die im schwachen Licht glitzerten und funkelten. Und auf einer Stufe, zu einem Ball zusammen gerollt, in einen zerrissenen und mit getrockneten Blut bedeckten Umhang gehüllt, war Mundungus Fletcher.

Draco gab ein seltsames Geräusch von sich, wie ein Staubsauger, der ein Kinderspielzeug einsaugt. Ron wich zurück. Harry ging nach vorne, kniete sich hin und sah Mundungus ängstlich an. Die Kratzer und Wunden in seinem Gesicht und auf seinen Schultern waren keine Unfälle. Sie kamen dort mit Gewalt hin.

„Mundungus?", sagte er unsicher.

„'Arry?", kam ein ersticktes Krächzen voller Hoffnung und Erleichterung.

Ron hielt die Tür weit auf, als Harry Mundungus in die Eingangshalle half, ihn unter den Armen stützend. Er war schwach und zittrig und zog seine Beine hinter sich her, als würde das Gehen schmerzen.

„Was ist passiert?", fragte Harry ungeduldig und hielt an, um Mundungus durchatmen zu lassen. Mundungus roch nach Schweiß und Blut, Dreck und dem unmissverständlichen Gestank von Muggelbier.

„Ich... ich muss Dumbledore sehen, 'Arry... s-sei ein guter Junge und bring mich einfach..." Mundungus zitterte erschöpft und schloss die Augen. „Ich glaub, Snape wird's auch hören wollen..."

Harry sah Ron und Draco ernst an. „Ron, hilf mir mit Mundungus... Draco, kannst du gehen und Professor Snape wecken? Nur... mach es leise."

„Bist zu verrückt?", sagte Draco und hob eine dünne Augenbraue.

„Geh einfach!", sagte Harry und Ron gemeinsam.

Draco wandte sich um und verschwand auf der Treppe hinunter zu den Kerkern, während Ron Mundungus am anderen Arm griff und er und Harry ihm zu Dumbledores Büro halfen. Mundungus zuckte alle paar Schritte zusammen und als Harry nach unten blickte sah er, dass Blut seine alten Hosen durchtränkte.

Sie kamen wacklig zu Dumbledores Büro und Harry hielt vor dem Wasserspeier inne, denn er erkannte, dass er nicht sicher war, wie das Passwort lautete. Mundungus sagte jedoch heiser: „Glücklicher Gauner" und der Wasserspeier erwachte zum Leben und sprang zur Seite, um sei einzulassen. Sie stießen die Tür auf, gingen mit Mundungus hindurch und ließen sich von der Treppe nach oben tragen.

Dumbledore saß in einem großen, purpurnen Lehnstuhl am Feuer. Ein unglaublich dickes Buch lag vor ihm, das fast so dick wie breit war, und als sie hereinstolperten sah er sie über den Rand seiner Teetasse hinweg an. „Guten Abend... nun, was ist denn los?"

Ron und Harry halfen Mundungus vorsichtig ins Zimmer und Dumbledore legte sein Buch weg, lief zu ihnen herüber und zeichnete einen Stuhl für sie. Mundungus ließ sich darauf fallen und Dumbledore schob seine Tasse in die Hände des Mannes. „Trink", sagte er bestimmt.

„Wir haben ihn gerade auf der Treppe vor dem Schloss gefunden", sagte Harry und blickte in das weise Gesicht des Direktors. „Gerade eben."

Dumbledore nickte und wandte sich dann zurück zu Mundungus. Er sah zu, wie er vorsichtig den Tee trank. Als Mundungus die Tasse auf den Tisch stellte, verdrehten sich seine Augen kurz. Dumbledore hob eine Augenbraue. „Mundungus... du musst mir sagen, was passiert ist."

Die Tür öffnete sich plötzlich und zu Harrys Überraschung schwebte der Blutige Baron herein. Der ausgemergelte Geist von Slytherin, von dem noch niemand herausgefunden hatte, woher all die Blutflecken auf seinem Umhang gekommen waren. Noch überraschender war, dass der Blutige Baron Draco an der Kehle hinter sich herzog. Draco versuchte wütend, frei zu kommen.

„Ich habe ihn gefunden, als er versucht hat, in Severus Snapes Büro einzubrechen", sagte der Baron in einem heiseren Flüstern. „Ich habe es für das Beste gehalten, ihn herzubringen."

„Lassen Sie mich los!", sagte Draco und schlug um sich.

Dumbledore runzelte leicht die Stirn. „Baron, ich habe Euch nicht die Macht der Festigung gegeben, damit Ihr meine Schüler erwürgen könnt. Bitte lasst Mr. Malfoy los."

Der Blutige Baron hob eine dunkle Augenbraue, aber lockerte seinen Griff und ließ Draco los. Er wickelte seinen Umhang schnaubend und sich und blickte den Baron über seine Schulter hinweg an. Dann wandte er sich an Dumbledore. „Ich habe nach Snape gesucht." Er warf Mundungus einen Blick zu und erklärte: „Er sagte, wir würden ihn brauchen."

„Tatsächlich?", sagte Dumbledore milde. Er nahm ein Stück Pergament und eine Feder aus einer Schublade seines Schreibtisches und schrieb schnell eine Notiz. „Severus hat einen ziemlich tiefen Schlaf... ich bin jedoch sicher, dass wir ihn wecken können." Er winkte einer Eule auf der anderen Seite des Zimmers. Sie trug einen kleinen Harnisch mit dem Wappen von Hogwarts darauf und wurde offenbar dazu verwendet, offizielle Briefe auszuliefern. Er rollte das Pergament zusammen, gab es der Euler und sagte deutlich: „Bring das bitte zu Severus Snape."

Die Eule schuhute verstehend, streckte dann die Flügel aus und verschwand durch eines der Fenster hinaus in die Nacht. Dumbledore wandte seine Aufmerksamkeit wieder Mundungus zu, der seinen Tee getrunken hatte und einfach nur mit geschlossenen Augen auf dem Stuhl saß.

Harry, Ron und Draco standen unbequem in der Nähe des Tisches. Sneezy, der sich aus Rons Griff befreit hatte, saß auf einer von Dumbledores Untertassen und aß genüsslich Kuchenkrümel und gluckste glücklich. Ron stieß ihn an und murmelte: „Sei still." Sneezy sah ihn stirnrunzelnd an und quiekte dann: „Nein!"

„Wer hat ihm das nur beigebracht?", murmelte Ron Harry verblüfft zu.

„Harry", sagte Sneezy.

Ron starrte Harry an. Harry erwiderte den Blick und protestierte: „Ich war es nicht. Ehrlich."

Der Blutige Baron starrte mit seinen großen, stechenden Augen alle im Zimmer an und man konnte praktisch sehen, dass er die Anwesenden nicht mochte. Harry versuchte es mit einem vorsichtigen Lächeln. Es wurde nicht erwidert. Dumbledore hatte inzwischen seinen Lehnstuhl vor Mundungus geschoben und goss ihm noch etwas Kamillentee in die Tasse. „Vielleicht brauchst du etwas Zeit im Krankenflügel...", murmelte er. „Wenn wir all das geklärt haben... nun dann..." Er reichte Mundungus vorsichtig die Tasse. „Trink... es wird deine Blutungen stillen."

Mundungus entfuhr ein Laut der Dankbarkeit und hob die Tasse an seine Lippen. Er war unrasiert, sogar noch mehr als sonst, und sein dunkles Haar hing in verklumpten Strähnen in seine Augen. „Danke, Dumbly..."

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Snape schwebte herein, mit einem: „Du wolltest mich sehen – ", und dann hielt er inne, als er Ron, Harry, Draco, Mundungus und den Blutigen Baron sah.

„Ah, Severus, komm bitte herein", sagte Dumbledore. Er zeichnete einen weiteren Stuhl. „Bitte setz dich... Mundungus hat Neuigkeiten für uns."

Zögernd, mit sehr misstrauischer Mine, setzte sich Snape auf den Lehnstuhl und starrte Mundungus an, der noch immer sehr müde aussah. Der Blutige Baron schnaubte überheblich. „Ich würde natürlich sehr gerne bleiben und mit euch Tee trinken, aber es ist Mitternacht und mein verdammter Enkelsohn macht dann die meisten Schwierigkeiten."

Dumbledore schüttelte den Kopf. „Nein... ich denke, dass Peter heute Nacht in Geistform verweilen wird."

„Mmm, nun, ich habe einem Peelish noch nie vertraut", sagte der Blutige Baron kalt, während er zur Tür glitt. „Wie meine Tochter nur in eine solch abscheuliche Familie heiraten und dann auch noch Kinder gebären konnte werde ich niemals verstehen." Damit öffnete er die Tür, glitt hindurch und schlug sie hinter sich zu.

Dumbledore lenkte die Aufmerksamkeit wieder zurück zu Mundungus, als er sich nach vor lehnte und ernst sagte: „Mundungus... du musst mir sagen, was passiert ist und wo du gewesen bist."

Mundungus nickte. Er war einen Moment lang still und sagte dann heiser: „Ich war in der Nockturngasse... hab nur normale Geschäfte gemacht, du weißt schon, Dumbly."

„Welche normalen Geschäfte?", fragte Dumbledore.

Mundungus schwieg, und dann sagte er: „Weißte, dieser Kerl, den ich im Tropfenden Kessel getroffen hab. Er sagte, dass er was Interessantes für mich hat. Nur zum Tauschen, und war ja nich' so, als wollt ich sie ausbrüten oder so was..."

„Was hatte er zum Tauschen?", fragte Dumbledore und hob eine Augenbraue.

Wieder hielt Mundungus inne, doch dann antwortete er: „Chimäreneier."

„Mundungus... ich werde meine Meinung darüber für später aufbewahren. Erzähl weiter."

„Nun, ich war in der Nockturngasse, stand da vor 'ner Tür rum und wartete auf diesen Typen... er hat gesagt, er kommt um acht am Abend. Sicherer, dort nur in der Nacht Geschäfte zu machen. Also war ich da... und ich schwöre zu Merlin, Dumbledore, es waren nur Sekunden. Sicher nich' mehr. Eine Bande hat mich erwischt, kam einfach aus'm Schatten und packte mich. Jemand hat mich mit was Hartem geschlagen und das war's."

„Red weiter", sagte Dumbledore leise.

„Ich war bewusstlos, und als ich aufwache, bin ich in diesem Raum... wirklich dunkel... schwarze Wände, schrecklicher brauner Teppich... und ich war an 'nen Stuhl gefesselt und da war'n diese Leute. Leute mit Masken. Weiße Masken."

„Todesser", murmelte Snape.

Mundungus nickte, schloss die Augen und fuhr fort: „Und sie sagten, sie wüssten, dass ich... dass ich bei dir stehe, Dumbledore. Sie sagten, ihnen wäre langweilig." Er holte tief Luft. „Sie haben sich um mich gekümmert... nicht viel, es waren nur ein paar Schläge... und dann is' jemand anderer gekommen. Rookwood. Und er hatte 'ne Frau bei sich. Wirklich hübsch. Dunkles Haar, ziemlich blass, und sah ein wenig mitgenommen aus, lächelte aber. Hielt seine Hand. Als hätten sie gerade geheiratet."

Harry merkte, dass Snape in seinem Stuhl sehr, sehr ruhig geworden war.

„Und sie... sie haben mich gefoltert, Dumbledore... sie hatten Sprüche und Flüche, aber sie haben's auch wie die Muggel gemacht..." Mundungus versteckte sein Gesicht hinter seinen Händen und atmete ein paar Mal tief durch. „Messer und... einfach was Scharfes. Naja, lassen wir das... Und, hmm, ja, Rookwood und seine Frau haben gelacht. Wie verrückt gelacht. Und ich hab gehört, wie er zu ihr gesagt hat: ‚Du weißt, dass es dir bei mir viel besser geht, viel besser als bei Snape' und sie sagte: ‚Ja, immer'. Und dann haben sie mich einfach wieder in die Nockturngasse gestoßen und sagten, ich soll nach Hause gehen." Er zitterte ein wenig. „Und hier bin ich..."

Als er endete sah ihn keiner mehr wirklich an. Alle beobachteten Snape. Der Professor saß auf seinem Stuhl wie jemand, dem man gerade mehrmals eine lange klinge ins Fleisch gestoßen hatte. Seine Hand war um die Armlehne des Stuhls geklammert, seine Knöchel weiß und er war noch blasser als sonst.

„Severus", begann Dumbledore sanft und beruhigend. „Es tut mir Leid, dass – "

„Nein, Dumbledore". Das war alles, was Snape sagte. Er stand auf, ging mit vier Schritten durch den Raum, zog die Tür auf und schnarrte: „Ich habe vielleicht keine Erklärung dafür, aber es gibt eine und ich werde sie finden", bevor er nach draußen stürmte und die Tür so fest zuschlug, dass Sneezy vom Rand des Tisches fiel und mit einem kleinen Schrei im Papierkorb landete.

Ron, Harry und Draco warfen sich Blicke zu. Also hatte sie ihn nach allem doch noch betrogen, nachdem er so viel Zeit damit verbracht hatte, den Wald nach ihr zu durchsuchen und all dem Pech, das er durchlitten hatte. Dumbledore seufzte leise und stand auf. „Nun, Jungs... ins Bett mit euch, denke ich. Ihr werdet für morgen eure Ruhe brauchen. Komm mit, Mundungus... zum Krankenflügel."

Sie gingen leise zurück zum Gryffindorturm und niemand sagte auch nur ein einziges Wort. Sie stiegen durch das Bild der fetten Dame, zogen ihre Pyjamas an und legten sich unter die Decken in ihrem Nest und versuchten, die anderen dabei nicht zu aufzuwecken. Nicht ein Wort wurde gewechselt.

Bis Ron leise sagte, als wäre es nur ein Nachgedanke des Ganzen: „Habt ihr beide morgen Zaubertränke?"

„Ja", sagten Draco und Harry.

Ron seufzte leise. „Ihr seid wirklich nicht zu beneiden... Merkt euch eins: Ein umgedrehter Kessel ist ein wunderbarer Schutz gegen wütende Professoren..."

„Ich werde versuchen, es mir zu merken", sagte Harry ernst, als er die Decke nach oben zog und die Augen schloss.