HARRY POTTER UND DER FLUG DES PHÖNIX

Von The Velvet Ghost / Übersetzung von Christa Potter

KAPITEL 49 – Die Straße Vor Uns

Die Nachricht, dass Isabis Snape betrogen habe, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Schule. Ob die Schüler einfach zwei und zwei zusammen gezählt hatten oder jemand dem Rest der Schule gesagt hatte, was in Dumbledores Büro vorgefallen war, das wusste Harry nicht, aber als am nächsten Morgen das Frühstück begann, schien es jeder zu wissen. Die Tatsache, dass Snape so blamiert worden war, war der Traum eines fast jeden Schülers gewesen - aber von einer Frau... es war einfach etwas, dass sich niemand hätte vorstellen können.

Die gesamte Schule schien sich über das Vorgefallene zu freuen. Es war das Gesprächsthema Nummero 1. Als Isabis im Schloss angekommen war, waren die Schüler neugierig gewesen, aber damals hatte jeder gewusst, dass Snape es nicht zulassen würde, dass jemand seine Späße mit ihr treiben würde – oder über sie. Nun war er auseinandergenommen und als Vollidiot markiert worden, nicht von Voldemort, oder von Todessern, oder Schülern, nein, von einer Frau.

Als Snape am Donnerstag Morgen die Große Halle betrat verstummten alle, wandten den Blick ab und begannen ein geflüstertes Gespräch mit ihren Nachbarn. Am Gryffindortisch tat Harry so, als hörte er die anderen Schüler nicht, die über seinen magischen Beschützer flüsterten.

„Seht ihr? Das ist sein wahres Selbst", sagte ein Zweitklässler drei Stühle neben Harry. „Alle denken, dass er furchteinflößend wäre, aber er ist einfach nur ein liebeskranker Idiot. Seht ihn doch euch an." Die Gruppe Schüler um den Jungen herum warf einen Blick zum Lehrertisch und kicherten. Snape saß da und spielte mit dem Löffel in einem Teller Suppe und sein Gesicht sah düster aus. Der Zweitklässler grinste und fuhr fort. „Wir haben in der zweiten Stunde Zaubertränke. Ich frag mich, wie er sein wird."

„Wahrscheinlich total am Ende", sagte ein Mädchen ihm gegenüber. „Das Gerade-Verlassen Syndrom. Du weißt schon..."

Harry fühlte den starken Drang, Ron anzustoßen und ihn dazu zu überreden, der gesamten Gruppe eine Strafarbeit aufzubrummen. Natürlich wusste er, dass er es nicht konnte. Ron würde wissen wollen, warum er sich plötzlich für Snape einsetzte, und das Letzte, was Snape jetzt brauchen konnte war, dass Harry alles über den Beschützerbund ausplapperte.

Snape sah plötzlich von seiner Suppe auf und blickte direkt zum Gryffindortisch, seine schwarzen Augen auf Harry fixiert. Harry erwiderte den Blick einen Moment lang und wandte sich dann wieder seinen Cornflakes zu, plötzlich überhaupt nicht mehr hungrig. Er fragte sich, wie Zaubertränke heute wohl sein würde. Er und Draco waren in der letzten Stunde unten in den Kerkern, während Ron und Hermine Geschichte der Zauberei mit Binns hatten. Er konnte wirklich nicht vorhersagen, wie Snape sich verhalten würde. Er erwartete eigentlich nicht, dass irgendetwas anders sonst sein würde als sonst.


Der Unterricht begann und er und Ron machten sich auf den Weg über die Schlossgründe zu Pflege magischer Geschöpfe. Sneezy saß gemütlich in einem Fach in Rons Tasche und knabberte zufrieden an einem Stück Speck, das Ron ihm vom Frühstück gegeben hatte. Hagrid begrüßte sie an der Tür seiner Hütte und führte sie dann hinüber zu einem der Gemüsebeete hinter der Hütte. Er hatte am Rand des Beetes kleine Wasserschälchen verteilt und eine Gruppe Opsittops war bereits an der Arbeit. Sie arbeiteten in Teams um eine Art Dorf zu errichten, indem sie die Erde in Form brachten und sie mit dem Wasser festigten. Harry und Ron ließen Sneezy nach unten und er lie davon, während er ein Geräusch machte, wie eine Ente, die Helium eingeatmet hatte und fröhlich mit den Armen winkte.

Nach einer Stunde ging Ron zu Verwandlung, während Hermine von Muggelkunde kam. Sie war so entzückt über die Arbeit der Opsittops, dass sie ihnen allen ein paar Erdnüsse gab. Alle hatten mit dem Opsittop Dorf eine vergnügliche Stunde und am Ende hob Harry Sneezy auf und schob ihn in seine Tasche. Sneezy schnaubte wütend und rief gereizt: „Nein!", was Harry jedoch ignorierte. Er würde denjenigen umbringen, der Sneezy dieses Wort beigebracht hatte. Er und Hermine gingen den sanft ansteigenden Hügel zum Schloss hoch.

Sie gingen gerade durch die Tür der Eingangshalle, als eine große Gruppe Drittklässler aus Hufflepuff aus den Kerkern hochkam. Alle von ihnen grinsten. Ein blonder Junge, der vorne ging, sagte kichernd: „Er ist komplett wahnsinnig. Konnte nicht mal einen Flubberwurm kontrollieren. Wollte uns nicht einmal anschreien."

Harrys Augen verengten sich. Als er an den Hufflepuff Jungen vorbeiging, rempelte er ihn ‚unabsichtlich' an und stieß ihn fast zu Boden. „Oh, ‚tschuldigung", sagte Harry hinter zusammengepressten Zähnen und drehte sich nicht einmal um, damit er sehen konnte, ob der Junge wirklich gefallen war.

Hermine sah ihn misstrauisch an, während sie die Marmortreppe hochgingen. „Warum hast du das getan?", fragte sie stirnrunzelnd.

„Warum habe ich was getan?", sagte er mit Unschuldsmiene.

„Du hast das mit Absicht gemacht", sagte sie wieder stirnrunzelnd. „Was er dir getan?"

„Es war ein Unfall", sagte Harry in leichtem Tonfall. „Er hätte besser aufpassen sollen, wohin er geht. Komm schon... ich will mein Verwandlungsbuch holen, bevor die Pause aus ist. Was hast du als Nächstes?"

„Zaubertränke", sagte Hermine. Sie sah nachdenklich aus. „Ich frag mich, ob es wahr ist, was alle sagen... dass es Snape egal ist, ob in seiner Klasse Ordnung herrscht."

„Ich wette, sie bilden es sich nur ein", sagte Harry.

„Mmm... wahrscheinlich", sagte sie ruhig. „Es passt einfach nicht zu Snape, einfach so aufzugeben, wenn er etwas verloren hat, was er eigentlich nie hatte, oder?"

Harry schüttelte nur den Kopf. Sie holten ihre Schulbücher aus dem Gemeinschaftsraum, verfrachteten Sneezy in einen Blumentopf, wo er ein Nickerchen halten konnte, dann läutete auch schon die Glocke. Harry lief zu Verwandlung und Hermine verschwand in den Kerkern für Zaubertränke. Sie sah ein wenig besorgt aus.

Verwandlung kroch geradezu an ihm vorbei. Harry war nicht sicher, ob es einfach eine langweilige Stunde war, oder ob er insgeheim darauf wartete, zu hören, wie Snape bei Hermines Unterricht gewesen war. Er betete nur, dass sie nicht zurückkam und ihm sagte, dass Snape wirklich alles egal war. Das war einfach nicht natürlich für Snape. Außerdem fand es Harry auch sehr nervenaufreibend, dass er vor einem Jahr noch vor Freude geschrien hätte, wenn Snape sich nicht mehr um Disziplin in seiner Klasse gekümmert hätte, doch jetzt bettelte er innerlich darum, dass Snape nicht einfach aufgegeben hatte.

Zum Glück schien Hermine keine solchen Neuigkeiten zu haben, als es endlich geläutet hatte und er sich zum Mittagessen in die Große Halle und ihr gegenüber gesetzt hatte. Wenn gleich auch ein seltsamer Ausdruck in ihrem Gesicht lag, über den sich Harry wunderte. „Also", sagte er und versuchte, möglichst ruhig zu klingen, während er sich gegrillte Hühnchenteile auf seinen Teller lud, als sich Ron und Draco zu ihnen gesellten. „Wie war Zaubertränke?"

Hermine sah stirnrunzelnd ihren Teller an, bis sie nach einem Moment sagte: „Es war... sehr komisch. Sehr unangenehm."

„Was meinst du?", fragte Harry.

Hermine sah ihn an. „Ich hab heute Morgen ein Mädchen getroffen, das ich aus dem Schachklub kenne. Sie ist in der siebten Klasse und hat den UTZ Zaubertrank Kurs belegt. Sie sagte, dass es in ihrem Unterricht genauso gewesen ist..." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Alle Schüler, die den UTZ Kurs in Zaubertränke belegt haben, versuchen irgendwie, Snapes Verhalten zu ignorieren und versuchen etwas zu lernen. Alle anderen sind nur deswegen da, weil sie da sein müssen."

„Ahhhlso...?", sagte Harry langsam.

„Snape ist... seltsam", sagte Hermine.

„Und du hast sechs Jahre gebraucht, um das zu erkennen?", sagte Ron.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, du verstehst nicht... es ist... ihm einfach egal. Als kümmerte er sich um nichts mehr. Aber alle in der fünften Klasse und darunter müssen Zaubertränke belegen und deshalb hassen sie ihn. Sie sind diejenigen, die das jetzt ausnutzen und seinen Unterricht in ein Chaos verwandeln, damit sie dann sagen können, dass er sie nicht kontrollieren kann."

„Aber was ist mit unserem Jahr? Den UTZ Klassen?", sagte Harry mit großen Augen.

„Wir sind die ganze Zeit einfach nur ruhig dagesessen.", sagte Hermine. Sie sah ein wenig ängstlich aus. „Das war nicht diese normale, ganz typische Stille, wie sie immer bei Snape herrschte... Es war eine wirklich, wirklich seltsame Stille. Er hat nur gesagt, dass wir einen Text aus dem Buch abschreiben sollen und das haben wir und keiner hat während der ganzen Stunde ein Wort gesagt..." Sie seufzte. „Es ist wirklich seltsam, Harry."

Harry hob die Augenbrauen. Er konnte nicht wirklich verstehen, was Hermine meinte, doch er hatte nach dem Essen Zaubertränke und dann konnte er es selbst herausfinden. Er aß schnell sein Mittagessen - hungrig war er nicht wirklich - und war dann einer der ersten, die vor dem Klassenzimmer warteten, in dem sie Zaubertränke hatten. Draco folgte ihm im Stillen.

„Ich weiß wirklich nicht, was alle haben", sagte er. „Gib ihm ein paar Tage und alles wird sich beruhigen. Das ist immer so. Den Schülern wird langweilig werden und werden sich etwas anderem zuwenden und Snape wird sich wieder erholen. Vertrau mir."

„Hoffentlich hast du Recht", sagte Harry.

„Wann war es denn bitteschön mal anders?"

„Es gibt ein erstes Mal für alles."

Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sich die Tür des Klassenzimmers öffnete und Snape sie ruhig hineinrief. Harry und Draco gingen zuerst hinein. Snape saß an seinem Tisch. Er sah genauso aus, wie Hermine ihn beschrieben hatte... seltsam.

„Bücher sind in der Ecke", sagte er sehr leise, aber die gesamte Klasse war ruhig und verstand jedes Wort. „Seite 267. Abschreiben und vorbereiten... Fragen am Ende der Stunde. Falls jemand schon früher fertig ist, macht er mit Seite 268 weiter."

Sie holten ihre Bücher ohne ein Wort zu wechseln. Aus irgendeinem Grund schien der Gedanke zu Sprechen plötzlich verängstigend zu sein, sogar für Harry. Er und Draco setzten sich in die erste Reihe, direkt vor Snapes Tisch, holten Pergament, Feder und Tinte aus ihren Taschen und begannen leise zu schreiben.

Eine Stunde ging vorbei. Harry wusste nicht einmal, dass es eine Stunde war, bis er einen Blick auf die silbrig grüne Uhr hinter Snapes Tisch warf. Er war überrascht. Die Zeit war nicht gerade vorbeigeflogen, aber die Stille hatte ihn in einen Rhythmus aus Schreiben und Lesen gebracht. Die Glocke läutete gerade, als er die Uhr bemerkte und die Schüler, die in eine andere Stunde mussten, standen einfach auf, packten leise ihre Taschen und gingen hinaus.

Ein paar Minuten lang waren die Einzigen im Raum Snape, Harry, Draco und eine Gruppe Mädchen aus Ravenclaw in der letzten Reihe. Snape setzte sich ruhig in seinem Stuhl zurück und sah sie alle an. Seine Augen fielen auf Harry. Harry versuchte, seinen Blick zu halten, indem er die Augen weit öffnete. Snape hob eine Augenbraue, senkte den Blick und hob seine Feder auf. Harry runzelte die Stirn. Er wollte wenigstens versuchen, mit Snape zu reden, indem er Telepathie oder Legilimentik verwendete, doch er erkannte, dass es nicht nötig war. Auf seinem Pergament hatte Snape geschrieben: „Haben dir die Muggel nicht beigebracht, dass man andere Leute nicht anstarrt?"

Harry hob seine Feder auf und schrieb schnell auf dem Pergament: „Falls sie es getan haben, habe ich nicht zugehört. Ich will mit Ihnen reden." Dann bewegte er seinen Ellbogen in vorgetäuschtem Nachdenken und ging so sicher, dass Snape es lesen konnte während es für Dracos Blick verdeckt blieb.

Snape runzelte die Stirn. Er schrieb glatt: „Warum?", und drehte dann das Papier so, dass Harry es lesen konnte.

Harry dippte mit der Feder in die Tinte, strich sein vorheriges ‚Ich will mit Ihnen reden' durch und ersetzte es durch: „Sie müssen mit mir reden!"

Draco sah überrascht auf, als Snape leise schnaubte. Er blickte Snape an, dann Harry und wandte sich danach wieder dem Buch zu. Harrys Augen wanderten zurück zu Snapes Pergament, als dieser schrieb: „Ich muss gar nichts. MEINE Angelegenheiten sind MEINE Angelegenheiten."

„Ich schulde Ihnen etwas", schrieb Harry zurück. Seine Seite war nun von auf dem Kopf stehenden Notizen bedeckt. „Denken Sie daran - ich kann es niemandem sagen. Es ist diese Vertrauenssache. Und Sie MÜSSEN mit jemandem reden. Fragen Sie Madam Pomfrey, es ist ungesund, Stress anzusammeln."

Snape sah die letzte Nachricht stirnrunzelnd an und knurrte: „Ich bin NICHT gestresst, Potter." Es dauerte einige Augenblicke, bis er erkannte, dass er es laut gesagt hatte. Draco starrte ihn verblüfft an. Harry starrte ihn ebenfalls an. Snapes Blick durchbohrte Draco. „Habe ich gesagt, dass du zu schreiben aufhören sollst, Malfoy?", schnappte er.

Draco wandte sich schnell wieder seiner Arbeit zu und verkroch sich so tief in seinem Buch, dass er fast nicht mehr zu sehen war. Harry zeigte Snape seine neue Nachricht, die unter seine Arbeit gekritzelt war: „Lassen Sie mich wenigstens irgendwie helfen. Auch, wenn Sie nicht reden wollen. Es muss etwas geben, das ich tun kann."

Snape dachte einen Moment lang darüber nach, fuhr dann mit der Feder in sein Tintenglas und schrieb eine Liste von Punkten auf. „1. Du bist nicht meine Mutter. 2. Es gibt nichts, das du für mich tun kannst. 3. Ich bin nicht 16, also hör auf, mir Nachrichten zu senden als wäre ich es."

Harry runzelte die Stirn, hob seine Feder, um etwas zu entgegnen, doch dann sah er den letzten Satz noch einmal an. „Ich bin nicht 16." Harry dachte über etwas nach, seine Feder über dem Blatt schwebend und sich langsam drehend. Nach einem Augenblick fiel die perfekte Idee in seine Gedanken, die so gut war, dass er sich fast fühlte, als wäre sie gar nicht von ihm. Er warf Snape einen Blick zu. Würde es reichen, um ihn aufzuheitern?

Er drehte sein Blatt um und schrieb unten hin: „Haben Sie um neun Uhr Zeit." Er bewegte seine Hand so, dass Snape es sehen konnte. Der Professor sah ihn an und sein Stirnrunzeln wurde noch tiefer. Nach einem Moment seufzte er und schrieb, auf ziemlich gereizt wirkende Weise: „In Ordnung."

Danach begann Harry wieder zu arbeiten, und Snape wandte sich wieder dem Benoten von Prüfungen zu, doch unbemerkt von dem Professor, begann Harry einen neuen Brief, aber diesmal war er nicht für Snape, sondern für jemand anderen. Er lautete: „Kanst du mir einen großen, großen Gefallen tun? Kannst du heute Abend um neun Uhr in der Eingangshalle von Hogwarts sein? Es ist wirklich wichtig. Danke. Harry Potter."


"Haaarrryyyy …""

„Sneezy, sei ruhig."

Ein paar Augenblicke lang herrschte Stille und dann meldete sich Sneezy wieder aus einer der Taschen von Harrys Umhang. „Harry!"

„Still!", zischte Harry.

Es war neun Uhr. Harry war auf dem Weg zur Eingangshalle, um seinen Besucher zu treffen. Er hatte Hedwig gleich nach dem Ende des Unterrichts mit dem Brief abgeschickt und die Antwort war ziemlich bald darauf gekommen, also hatte Harry um fünf vor neun Ron und Hermine gesagt, er würde in dem Bad gleich den Korridor entlang duschen. Sie hatten sich nichts dabei gedacht, denn das Badezimmer der Gryffindors war gerappelt voll gewesen. Sneezy hatte sich natürlich lautstark beschwert und so hatte Harry ihn mitgenommen.

Er ging um eine Ecke und stand nun oben an der Marmortreppe, die er schnell hinunterging. Sneezy sprang in seiner Tasche auf und ab und quiekte ab und zu: „NEIN!" und „Schlecht!", aber Harry hatte keine Zeit für ihn. Sein Besucher wartete unten in der Eingangshalle.

„Hi", sagte er atemlos, als er unten an der Treppe war.

Bill Weasley lächelte ihn an und schob abwesend eine Haarsträhne hinter ein Ohr. „Hey Harry... also, warum wolltest du mich heute sehen?"

„Du musst mir einen Gefallen tun", sagte Harry. „Es gibt einen Fluch, den du für mich brechen sollst. Für jemanden, der einen moralischen Aufschwung gebrauchen könnte."

„Welche Art von Fluch?", fragte Bill. „Falls es etwas wirklich Ernstes ist, kann ich dir vielleicht nicht helfen..."

„Nein, es ist etwas, das ursprünglich ein Scherz war", sagte Harry. „Ist schon ein paar Jahre her. Es ist nur eine Kleinigkeit. Komm schon, ich hab ihm gesagt, er soll um neun Uhr bereit sein."

Bill folgte Harry lächelnd den Korridor hinunter zu den Kerkern. Sneezy pfiff zufrieden ein Weihnachtslied, während sie gingen. „Es ist ein Glück, dass ich im Land war", sagte Bill. „Ich bin gekommen, um Mum und Dad zu sehen... Percys Beerdigung wird gleich nach dem Ende des Schuljahres sein, und ich dachte mir, dass sie etwas Hilfe brauchen würde..."

Harry warf Bill einen Blick zu und fragte: „Bist du mit Percy gut klar gekommen?"

Bill hielt inne und zog eine Grimasse, offenbar hin und hergerissen zwischen seiner Meinung und dem nötigen Respekt. „Ähm... ich habe Percy toleriert. Er hat mich immer aufgeregt, als er ein Kind war, und er ist, als er erwachsen wurde, zu einem kleinen Alleswisser geworden. Als ich zum Vertrauensschüler und dann Schulsprecher gemacht wurde, hat er mich deswegen monatelang genervt, weil er immer gesagt hat, wie er es auch machen würde. Weißt du, was ich meine? Er war aber trotzdem mein Bruder... ich denke, es hat die ganze Familie schwer getroffen."

Harry nickte. „Klar, ich verstehe... aber im Herzen war er doch gut, oder?"

„Das war er", sagte Bill nickend und ein leerer Ausdruck lag in seinen Augen. „Ich bin froh, dass er und meine Eltern sich wieder versöhnt haben, bevor er gestorben ist... ich weiß, dass Mum sich deswegen ein wenig besser fühlt."

Sie standen nun vor der Tür zu Snapes Büro. Harry atmete ein paar Mal tief durch, um seine Nerven zu beruhigen, klopfte dann kurz auf das Holz und trat zurück. Drinnen bewegte sich etwas und dann hörten sie das unmissverständliche Klirren von Glas auf Holz. Ein paar Augenblicke später schwang die Tür auf und Snape sah kalt auf ihn herunter. Seine Augen waren ein flüssiges Gelb. Offenbar hatte er dort drinnen ein paar Ruhekerzen.

„Potter, ich habe keine Ahnung, was du damit erreichen willst, aber – " Er hatte Bill bemerkt. Er sah das älteste Kind der Weasleys mit erhobener Augenbraue an, wobei er ein wenig überrascht wirkte. „Ah, wenn das nicht der einzige Weasley ist, den ich jemals ertragen konnte."

„Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Professor", sagte Bill mit einem kleinen Lächeln.

„Und was, wenn ich fragen darf, bringt dich an meine Tür?", fragte Snape. Harry war verblüfft. Er hatte nicht erwartete, dass Snape je zu einem Weasley höflich sein würde.

„Eigentlich bin ich mir selbst nicht sicher", sagte Bill und sah Harry, immer noch lächelnd, an. „Harry hat mir nur gesagt, dass er Hilfe braucht."

Harry wandte seinen Blick Snapes gelblichen Augen zu und sagte dann: „Mir ist etwas eingefallen, von dem ich weiß, dass es Sie aufheitern wird. Es ist zwar keine Fraum, aber immerhin..."

„Potter", schnarrte Snape. „Ich brauche keine Frau."

„Das ist die richtige Einstellung", sagte Harry. Er lächelte Snape an. Snape sah ein wenig verängstigt aus, anscheinend aufgrund der Tatsache, dass Harry immer fort strahlte. „Ich werde Ihnen eine Gelegenheit geben."

Snape runzelte die Stirn. „Und welche Art von Gelegenheit wäre das?", sagte er misstrauisch.

„Die Gelegenheit, mich vor der gesamten Schule zu blamieren", sagte Harry.

„Potter, ich habe die Gelegenheit, so etwas zu tun, jeden Tag meines Lebens", sagte Snape kalt. „Glaub mir, dazu brauche ich nicht deine Erlaubnis."

„Vertrauen Sie mir einfach", sagte Harry. Er wandte sich lächelnd Bill zu und murmelte etwas in sein Ohr.

Bill hörte zu und als Harry geendet hatte, sah er zu Snape auf und lächelte. „Ein Butterfinger Zauber?"

Snape errötete augenblicklich um sein Kinn herum und er wandte sich mit gebleckten Zähnen Harry zu. „Potter! Was zum Teufel glaubst du, dass – "

„Strecken Sie Ihren Arm aus", sagte Bill während er seinen Zauberstab aus dem Ärmel zog und seine braunen Augen glitzerten. Harry trat einen Schritt zurück. Er hoffte wirklich, dass es funktionieren würde.

Snape starrte Bill wütend an. „Warum?"

„Machen Sie einfach, Professor", sagte Bill mit sehr beruhigend wirkender Stimme.

Snape starrte einen noch einen Augenblick lang an und streckte dann zögernd ein Handgelenk aus, während er Bill mit verengten Augen beobachtete. Er nahm Snapes Arm in seine Hand, schob seinen Ärmel nach oben und fuhr mit seinem Zauberstab die Venen entlang, während er leise vor sich hin murmelte. Harry merkte, dass er sich fast schmerzhaft hart auf die Lippe biss.

Ein Leuchten entstand an der Spitze von Bills Zauberstab und er begann, verhalten Sprüche zu murmeln, während er noch immer Snapes Arm durchsuchte. Snape sah angesichts all dessen sehr misstrauisch aus. Er warf Harry einen wütenden Blick zu, aber Harry lächelte nur, als Bills Zauberstab plötzlich in einer Art goldenen Lichtes erglühte, das den Korridor erhellte. Ein sanfter Wind wehte durch die Kerker und zog an ihnen vorbei. Harry sah gerade noch, wie etwas Schwarzes aus Snapes Arm aufstieg, an der Stelle, an der Bills Zauberstab ihn berührte, und dann wurde es davon gezerrt und vom Wind wie ein Stück dünnen Stoffes mitgenommen. Es rollte und bewegte sich in der Luft, dann war es fort, verschwunden in der Eingangshalle und flog hinauf in den Himmel.

Der Wind starb aus und Bill lächelte Snape an und trat dann zurück. Snape starrte Bill an als hätte er gerade seine Leber heraus gerissen und sie gegessen. Harry grinste und sagte: „Professor, fangen Sie!", und aus seiner Tasche warf er ein Tintenfässchen direkt auf Snape zu.

Snapes Augen weiteten sich, als die Tinte auf ihn zusegelte und instinktiv schoss seine Hand nach vor, um sie zu fangen. Vor fast einem Jahr, als Harry Snape einen Stein zugeworfen hatte, hatte er ihn verfehlt. Aber diesmal schlossen sich Snapes lange Finger um das Fässchen und hielten es fest.

Der Ausdruck auf Snapes Gesicht war etwas, das Harry niemals vergessen würde. Er starrte mit offenem Mund und geschockten Gesicht auf das Tintenfass, das in seiner Hand lag, als hätte er nie etwas Verblüffenderes gesehen. Er drehte seine Hand um, öffnete die Faust und übte dann, indem er das Glas leicht in die Höhe warf. Er fing es wieder perfekt.

Bill grinste. „Guter Fang."

Snape hob seinen Blick, immer noch überrascht und fand keine Worte, als er sich Harry zuwandte. „Potter... ich – ", begann er, doch Harry unterbrach ihn.

„Nicht", sagte er mit einem Lächeln. „Ich habe meine Schuld bezahlt, für all die Male, die Sie mir geholfen haben... Sie brauchen sich nicht zu bedanken." Er wandte sich Bill zu und sagte: „Komm schon und besuch Ron und Ginny, sie werden wahrscheinlich wissen wollen, wie es dir geht. Ron hat seine Haare gefärbt, hast du es schon gesehen?"

Und damit führte er Bill aus dem Korridor und davon. Als sie an der Ecke zu Marmortreppe angekommen waren, erlaube er sich einen Blick zurück. Er erhaschte einen kurzen Blick auf Snape, der das Tintenfass in die Luft warf und es wieder fing. Und dann lächelte er, ein richtiges, ehrlich gemeintes Lächeln, die Art von Lächeln, die Harry das Gefühl gab, dass es die Mühe wert gewesen war. Harry grinste.


Harry hatte am nächsten Tag in der zweiten Stunde Zaubertränke, während Draco es in der ersten hatte. Er traf Draco als er auf dem Weg zu den Kerkern und Snapes Klassenzimmer war.

„Wie war es?", fragte Harry hoffnungsvoll.

Draco sah ihn an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Er ist zurück", sagte Draco einfach, bevor er davon ging zu seiner nächsten Stunde.

Harry und der Rest der Schüler versammelten sich vor dem Klassenzimmer. Alle diskutierten im Flüsterton darüber, wie Snape sich diesmal anstellen würde. Eine Minute später öffnete sich die Tür und Snapes Stimme bellte: „Reinkommen!" Alle zuckten zusammen und gingen schnell ohne ein Wort hinein.

Snape war auf den Beinen, er saß nicht hinter seinem Tisch, und die Zutaten für einen sehr kompliziert aussehenden Trank standen auf der Tafel.

„Kommt herein, setzt euch, Taschen in die Ecke, holt eure Kessel aus dem Aufbewahrungsraum und beginnt", ordnete er über seine Schulter hinweg an. Alle liefen praktisch zu ihren Stühlen, ließen sich darauf fallen und packten so schnell ihre Sachen aus, als wäre es ein Wettrennen. Snape zog den Zauberstab aus dem Ärmel und verkündete: „Scindo Baumschlangen Haut!"

Ein flatterndes Geräusch von hinten aus der Klasse ertönte, als die Baumschlangen-Haut, die hinten auf einem Haufen gelegen hatte, sich in die Luft erhob und sich gleichmäßig auf die Schüler verteilte.

Snape schlug mit der Hand auf den Tisch, packte bedrohlich den Tischrand und beendete augenblicklich jedes Geräusch. „Verschwendet die Haut nicht. Es ist extrem schwierig, sie zu beschaffen und wenn ihr euer Stück ruiniert, werdet ihr keinen Ersatz erhalten und ich werde nicht zögern, euch ein „Schrecklich" zu geben. Beeilt euch! Wir müssen einen Zaubertrank brauen."

Alle sprangen von ihren Stühlen auf und holten die. Ein kleiner Kampf um Dianthuskraut und zerfledderten Salat brach aus und dann liefen alle zurück zu ihren Stühlen, ließen sich darauf fallen und begannen ohne ein weiteres Wort die Zutaten zu zerschneiden. Snapes dünne Lippen kräuselten sich in ein öliges Lächeln.

Alle schafften es, den Trank in der Stunde fertig zu brauen. Gut möglich, dass Angst sie vorantrieb. Snape war wirklich zurück und er genoss es, so schien es, und allein das war Grund genug, dass niemand im erklären wollte, warum der Trank nicht fertig war.

In dem Moment, in dem Harry fertig war, nahm er einen Glasbecher, der neben seinem Kessel stand und löffelte ein wenig Trank hinein. Er warf Snape einen Blick zu. Er Professor benotete Aufsätze so schnell und aggressiv, dass von seiner Feder praktisch Rauch aufstieg.

„Professor?", rief er, warf den Becher und hoffte, dass er nicht daneben geworfen hatte und sein Bleichtrank Snapes Haar blond färbte.

Snape sah von den Aufsätzen auf. Er streckte eine Hand aus, fing den Becher perfekt, ließ ihn auf den Tisch plumpsen und begann wieder zu schreiben, bevor die Feder überhaupt Zeit gehabt hatte, zu fallen.

Harry ging zurück zu seinem Tisch und begann, seine Sachen einzupacken. Nach einem Moment murmelte er aus dem Mundwinkel: „Guter Fang, Sir."

Snape warf ihm einen Blick zu und widmete sich dann wieder den Aufsätzen. Ein Lächeln deutete sich auf seinen Lippen an. „Schrecklicher Wurf, Potter, aber ich denke, dass ich dank deiner Einmischung das Schlimmste verhindern konnte."

„Das denke ich auch", sagte Harry mit einem weiteren Lächeln.


Die verbleibenden Wochen vergingen für Harry wie im Flug und es schien nur etwa einen Tag gedauert zu haben, bevor die allerletzte Stunde des allerletzten Tages kam und sein sechstes Jahr an der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei zu Ende ging. An diesem Abend verkündete Dumbledore in der Großen Halle, dass die Vergabe des Hauspokals in Andenken derer, die Opfer der Belagerung geworden sind, abgesagt worden war, und er wiederholte noch einmal den Ausgang des Lehrer gegen Schüler Quidditch Spieles. Die Lehrer, mit Snape als Sucher, hatten die Bright Sparks um nur zehn Punkte geschlagen, dank Snape, der den Schnatz gefangen hatte. Und Harry wusste, dass ihm keiner glauben würde, aber er war dem Schnatz absichtlich ausgewichen, als er ihn in der Nähe der Tore der Lehrer gesehen hatte. Es war nötig gewesen um Snape ein wenig seiner Würde wieder zu geben. Die Schüler dachten von ihm nun als ‚im Quidditch besser als Potter' und das brachte ihm anscheinend einiges an Respekt ein.

Die Atmosphäre während dem Fest war gedrückt. Jeder in der Halle kannte jemanden, der gestorben war und natürlich war es schwer, das Jahr zu beenden, wenn sie es mit ihren Freunden an ihrer Seite begonnen hatten. Harry fühlte sich so, als sollten die Dinge nicht so sein, als gäbe es noch etwas,das geklärt werden müsse.

Doch wie nur Dumbledore es konnte, stand der Direktor auf, nachdem sie zu Ende gegessen hatten und hob die Arme, um sie zum Schweigen zu bringen. Jedes Gesicht in der Halle wandte sich ihm zu und endlich würde vielleicht die Erklärung kommen, auf die sie alle so gewartet hatten.

„Ich weiß, dass die letzten Wochen für euch verwirrend gewesen sind", sagte Dumbledore. „Ihr seid ohne eure Klassenkameraden im Unterricht gewesen, habt ohne eure Freunde gegessen, das Jahr ohne Familienmitglieder beendet. Doch ich muss euch an das erinnern, was ich euch am Morgen nach der Katastrophe gesagt habe... die Toten sind nun begraben, und ich weiß, dass viele Beerdigungen von vielen Familien stattgefunden haben. Ich selbst habe ein paar von ihnen besucht, um Hogwarts zu vertreten. Doch ich bitte darum, dass ihr jedes Mal, wenn ihr wegen eurer verlorenen Freunde traurig seid, euch daran erinnert, dass ihre Körper vielleicht begraben sind, aber ihre Erinnerung wie ein Leuchtfeuer der Hoffnung gegen Voldemort weiterleben wird. Das Beste an der Zukunft ist, dass sie von einem Tag auf den anderen kommt. Und das ist etwas, mit dem wir umgehen können."

Er setzte sich, begleitet von viel Applaus und Jubel. Er lächelte, hob seinen Kelch auf und verkündete: „Auf die Zukunft!"

Alle hoben ihre Kelche und wiederholten seinen Ruf. Es war ein Augenblick, an den sich Harry lange Zeit erinnern würde. Die Schule war noch immer ein wenig mitgenommen und die Schlossgründe würden nie wieder so sein wie früher, aber die Heilung der Schule konnte beginnen.

In dieser Nacht packten er, Ron, Hermine, Draco, Neville, Luna und Ginny ihre Koffer und am nächsten Morgen kamen die Kutschen an der Vordertreppe an, die sie zum Hogwarts Express und nach Hause bringen würden. Harry wusste, dass er das große Schloss schrecklich vermissen würde, und er konnte es nicht erwarten, für sein letztes Jahr wieder zukommen, aber er wusste auch, dass er in seinen Ferien zum ersten Mal in seinem Leben viel Spaß haben würde. Er musste die Dursleys nie mehr wieder sehen.

Die Reise zurück zu Kings Cross war ziemlich ereignislos. Ron schaffte es endlich, die Quidditch Karten zu bekommen, die ihm noch fehlten, indem er die Umbridge Ausgabe von Die Wahrheit mit einem der Ravenclaws tauschte und dafür das Lehrer Team bekam.

„McGonagall war eine geniale Jägerin", sagte Ron und sah neugierig durch seine neuen Karten. „Seht mal, 85 von 100 Punkten. Das ist fast so gut wie Ginny."

„Flitwick war aber auch gut", sagte Hermine und zog die Karte heraus. Sie war die einzige, die Rons Karten berühren durfte und sogar dann behielt er sie scharf im Auge. „Und wer hätte je gedacht, dass Professor Sinistra so gut werfen kann?"

„Oh, sie kann ziemlich gut werfen", sagte Draco. „Ich erinnere mich, dass einmal einer der Idioten in meiner Astronomieklasse ein Teleskop zerbrochen hat. Ich wusste nicht, dass sie ein Stück Kreide so weit werfen kann."

„Hooch als Treiberin war aber brillant", sagte Ginny. Sie lächelte. „Und dass, obwohl sie mir den Knöchel gebrochen hat. Ich bin aber sicher, dass es nicht mit Absicht war."

„Ich bin nur erstaunt, dass Snape den Schnatz vor Harry gefangen hat", sagte Ron. Er hielt die beiden Karten hoch und verglich sie. „Seht mal, Snape hat für seinen Fang 89, aber Harry hat 95." Ron grinste. „Du hast nicht zufällig mit Absicht verloren, oder?"

„Natürlich hab ich das nicht", sagte Harry und grinste zurück. „Es war nur Glück."

Alle glucksten und Neville bot ihnen eine Tüte mit Bertie Botts Bohnen an. „Will jemand eine?"

„Klar, danke, Neville", sagte Harry. Er nahm gemeinsam mit den anderen ein paar aus der Tüte.

Neville lächelte und wandte sich dann nervös lächelnd der dunklen Gestalt zu, die in der Ecke des Abteils saß. „Ähm... w-wollen Sie auch eine, Professor?"

Snape starrte ihn über sein dickes Buch hinweg an und sagte sauer: „Nein danke, Longbottom."

Alle versteckten ihr Grinsen und Ron begann mit Malfoy darüber zu diskutieren, ob Lupin oder er selbst der bessere Hüter gewesen war. Harry warf Snape einen Blick zu und grinste. Es würde ein Wahnsinnssommer werden.

Als der Zug am Kings Cross Bahnhof einfuhr gingen alle hinaus auf den Bahnsteig und verabschiedeten sich voneinander. Hermine ging zu ihren Eltern und plapperte fröhlich über das Jahr und Neville wurde von seiner Großmutter weggeführt. Lunas Vater stand neben einem Papierkorb und las eine Muggelzeitung, die er verkehrt herum hielt, und die beiden gingen davon, angeregt über Blooblo Würmer redend. Was auch immer das war.

Mr. und Mrs. Weasley, Bill, Charlie, Mad-Eye Moody, Lupin und Tonks warteten auf sie mit lächelnden Gesichtern. Ron, Ginny und Harry wurden von allen Weasley umarmt, aber als Mr. Weasley sich Draco zuwandte, hielt er inne. Mrs. Weasley sah herüber und sagte: „Oh, hallo... wer ist das, Ron?"

„Dieser Junge", knurrte Moody und legte eine Hand auf Dracos Schulter. „Ist der mutigste Slytherin, den ich je gesehen habe. Ich versuch schon seit Monaten, ihm den Orden des Merlin zu verschaffen und gib mir noch eine Weile und ich werde es schaffen."

Draco versuchte, nicht allzu selbstzufrieden auszusehen. Er streckte Mrs. Weasley höflich die Hand entgegen. „Malfoy, Ma'am. Draco Malfoy."

Sie hob ihre Augenbrauen. Harry merkte ihren Argwohn und griff ein. „Draco hat keine Eltern mehr, Tante Molly. Ich hab gesagt, dass er den Sommer bei mir verbringen kann, bis er etwas anderes findet... entweder das oder ein Waisenhaus." Er warf ihr einen bittenden Blick zu.

Mad-Eye Moody war auf seiner Seite. Seine vernarbte Hand ruhte noch immer auf Dracos Schulte und er knurrte: „Ich setze mich für diesen Junge ein, Molly. Er hat mein Vertrauen unbedingt gewonnen. Er war in der Schlacht eine große Hilfe, hat unzählige Leben gerettet und Dumbledore unterstützt ihn ebenfalls."

Sie dachte einen Moment lang nach, lächelte dann warmherzig und nahm ein wenig zitternd Dracos Hand. „Natürlich kannst du bei uns bleiben, mein Lieber... du bist ein Freund von Ron und Harry, oder?"

Draco lächelte ein wenig. „Ich denke schon."

„Er ist nicht mein Freund", murmelte Ron hinter Harry, doch niemand hörte ihn.

Mr. Weasley hatte Professor Snape bemerkt, der hinter den Kindern stand. Er lächelte und bot ihm die Hand an. „Ah, Severus... Sie verbringen diesem Sommer mit uns? Gut, gut..."

„In der Tat", sagte Snape trocken und schüttelte Mr. Weasleys Hand. Sein Sarkasmus war reine Verschwendung gewesen, denn Mr. Weasley lächelte nur.

„Oh, Harry, mein Lieber", sagte Mrs. Weasley plötzlich. „Ein Brief für dich ist heute Morgen am Grimmauldplatz angekommen... Hedwig hat ihn gebracht. Ich dachte, es wäre besser, wenn ich ihn mitnehme, falls es etwas Wichtiges ist."

Sie gab Harry einen weißen Umschlag. Neugierig nahm er ihn, drehte ihn um und schlitzte ihn auf. Er zog die Notiz heraus. Das Wappen von St. Mungo war darauf gestempelt. Das Schlimmste befürchtend begann Harry zu lesen.

„Was ist los?", fragte Ron und sah ihn an. „Worum geht es? Ist es wegen – "

„Kainda", flüsterte Harry.

„Was steht drinnen?", fragte Ron besorgt und besah sich genau Harrys Gesicht.

Harry las zu Ende. Er faltete den Brief einfach zusammen und steckte ihn in den Umschlag. Er wandte sich dann seinem Cousin zu und holte tief Luft. Ron begann: „Oh... Harry... tut mir Leid..."

Aber dann sah er das Grinsen, das sich über Harrys Gesicht ausbreitete. Im nächsten Moment schrie Harry vor Freude auf und begann wild umherzutollen. „Sie ist am Leben! Ron, sie ist am Leben, ihr geht es besser, sieh mal!"

Er warf Ron den Brief zu, sprang noch immer herum und umarmte Ginny. Als Ron es gelesen hatte, packte er Harry in einer brüderlichen Umarmung und grinste ebenfalls. „Zwei Wochen, bis du sie besuchen kannst! Harry, das ist wunderbar! Mum, wir können in zwei Wochen nach St. Mungos gehen, nicht wahr? Malfoy, komm her, Harry braucht eine Umarmung!"

Draco sah einen Moment zögerlich aus und umarmte Harry dann kurz. „Gratuliere", sagte er mit einem zögerlichen Lächeln.

Harry grinste so breit, dass sein Gesicht fast schmerzte. Kainda war im Leben, ihr ging es langsam besser, sie zeigte Zeichen der Genesung. Es waren noch zwei Wochen, bis er sie besuchen konnte, aber plötzlich kamen sie ihm wie Augenblicke vor. Sie würde es schaffen, und zwar durch ihren eigenen Willen und Stärke. Blaise hatte sie nicht geschlagen. Sie lebte.

Als alle den Bahnhof verließen und in Richtung Parkplatz gingen, fühlte sich Harry, als könnte er den gesamten Weg zum Grimmauldplatz springen. Er würde nicht zurück zu den Dursleys gehen, Kainda war am Leben, er hatte den gesamten Sommer vor sich und Voldemorts Rückkehr war in den Startlöchern gestoppt worden. Er warf einen Blick auf seine Familie, seine Freunde, seinen Beschützer und er fühlte, wie sich seltsame glückliche Wärme in ihm bildete.

Der Krieg mochte vielleicht begonnen haben, und dunkle Zeiten mochten vor ihnen liegen, aber es stand eins zu null für Dumbledore und das Ministerium. Der Phönix flog wieder und Harry Potter war stolz darauf sagen zu können, dass er am Leben war.

Die Straße vor ihnen würde zwar düster und dunkel sein, aber –

Das ist eine andere Geschichte.

ENDE


A/N: Ich weiß, dass das hier die meisten von euch nicht mehr lesen werden, aber ich will noch ein paar Dinge sagen, bevor ich die Geschichte beende. Die Danksagungen kommen natürlich zuerst.

Danke an: The Velvet Ghost (dafür, dass sie diese Geschichte geschrieben und mich übersetzen lassen hat), JK Rowling (weil sie das Universum um Harry erfunden hat), meine Beta-Leser (Honigdrache – um Kapitel 20 herum, Kartarus seit Kapitel 37), mein Englischprofessor (weil er mir sehr erfolgreich die Kunst der englischen Sprache beibringt, ohne die ich nicht übersetzen könnte), meine Mutter (dafür, dass sie mir bei kniffligen Reimen geholfen hat) und zu guter Letzt geht noch ein großes Danke an alle Leser und Reviewer dieser Geschichte.

Die Fortsetzung "Harry Potter und das Ankh von Khepri" ist inzwischen auch schon online. Den Link findet ihr natürlich auf meiner Profilseite.