„Ihr seit nicht mutig, sondern wahnsinnig! Der Zorn meines Cousins wird Euch mit einem Streich töten!" Wütend funkelten ihre goldbraunen Augen ihn an. Obwohl er ihr Feind war, wollte sie nicht, dass er starb. Doch sie wusste, sie konnte ihn nicht davon abbringen, sie zurückzubringen. Saladins Heer hatte sich im Osten versammelt, bereit zu einem Angriff. Balian hatte 10 seiner Ritter genommen und war ihnen entgegen geritten. Nun befahl er ihnen zurück zu bleiben und hob Jazira auf sein Pferd.
„Habt Ihr etwa Angst?", sah er sie neckend an. Sie konnte kein bisschen Furcht in seinen Augen lesen, nur ein feines Grinsen überzog seine markanten Züge.
Er gab seinem Schlachtross mit sanftem Druck die Sporen und der kräftige Hengst lief los. Der Wüstensand unter den donnernden Hufen wirbelte auf und umgab sie wie ein Schleier. Balian hielt Jazira eng an seinen Brust gedrückt, hielt sie mit seinen Armen fest und seine Wange schmiegte sich an ihre dunklen Locken.
Gespannt beobachtete Saladin den einzelnen Reiter, der sich ihm näherte. Wer war so wahnsinnig, sich ihm allein entgegen zu stellen? Als er näher kam, erkannte er den Überwurf des Mannes. Gelb-rot mit Kreuzen versehen, war es unverkennbar Balian von Ibelin, der ihm mit einem Bündel im Arm entgegen ritt. Der Wüstensand, der um ihn herum wirbelte, machte es ihm schwer, mehr zu erkennen.
Erst als der Reiter in 20 Fuß Entfernung stehen blieb, lichtete sich der sandfarbene Vorhang. Saladin erstarrte, als er die junge Frau auf dessen Pferd erblickte. Bei dem Gebeinen seiner Vorväter! Es war Jazira! Die Freude, sie lebendig wieder zu sehen, wurde getrübt von der Tatsache sie in den Armen seines Todfeindes zu sehen und unbändige Wut stieg in ihm auf.
„Was seit Ihr für ein Narr, Ibelin! Ich werde Euch töten, dafür, dass Ihr sie auch nur angeblickt habt!"
„Ist das eine Herausforderung, Saladin? Unsere Schlacht wird früh genug geschlagen, doch nun bringt Eure Cousine in Sicherheit." Langsam ritt Balian auf ihn zu, nicht ohne seine Augen von Saladin abzuwenden. Er ritt einer tödlichen Armee entgegen, doch seine Gedanken waren bei Jazira. Ihre Hand krallte sich schon fast schmerzhaft in seinen Arm und ihr Atem ging schnell.
„Kehrt um! Kehrt um so lange Ihr noch könnt!", flüstere sie leise und fast panisch, doch Balian hörte nicht auf sie. Wenige Meter vor Saladin löste er ihre Hand und hob sie vorsichtig von seinem Pferd.
In dem Moment als Saladin seine Cousine auf dem sicheren Boden sah, konnte er seinen Hass nicht mehr zurück halten. Mit einem markerschütternden Schrei ging er auf Balian los, dessen Pferd erschrocken auf die Hinterbeine stieg.
„Saladin, nicht!" Zu ihrer eigenen Verwunderung warf sich Jazira zwischen Balian und ihren Cousin. Während sie Balians verblüfften Blick auf sich ruhen spürte, durchdrang sie Saladins Blick mit einer so tödlichen Wucht. Sie konnte nicht zulassen, dass Balian starb. Nicht nachdem er ihr Leben gerettet und sie vor Misshandlung geschützt hatte. Und zu frisch war die Leidenschaft gewesen, die er sie in der letzten Nacht gelehrt hatte. Leidenschaft, die ihr ein Ehemann, der sie nur als ihren Besitz ansehen würde, nie schenken würde.
„Er hat mir mein Leben gerettet!"
„Und das von unzähligen Menschen unseres Stammes genommen!" Er schrie sie an, das Schwert kampfbereit erhoben, während Balians Hand nicht einmal auf dem Knauf seines Schwertes ruhte.
„Aber meines nicht! Cousin, nur das zählt jetzt! Eure Schlacht wird kommen, doch nicht jetzt!" Saladin schien eine halbe Ewigkeit zu überlegen, bevor er sein Schwert langsam sinken ließ. Die stumme Bitte in Jaziras Augen, die ihm heute so verändert schienen, brachten ihn dazu, Balian ziehen zu lassen.
„Geht, bevor ich es mir anders überlege, Ibelin! Morgen wird unsere Schlacht geschlagen und Jerusalem nicht länger Eurem König gehören!"
„Nicht, wenn ich es schützen kann. Auf Leben und Tod." Mit diesen Worten warf Balian Jazira einen letzten Blick zu, sah noch einmal in ihre goldbraunen Augen, und wand sein Pferd dann ab. Fort von Jazira und fort von den Erinnerungen der vergangenen Nacht.
Auf ihn wartete der Kampf um Leben, Freiheit, Frieden und Tod. Vor den Toren Jerusalems würde sich entscheiden, ob er es verdiente ein Ritter zu sein, wie einst sein Vater.
Be without fear in the face of your enemies
Be brave and upright
Speak the truth
Safeguard the helplessThis is your oath!
