Teil 2
Hermine Granger spürte, dass sie beobachtet wurde. Langsam ließ sie ihren Blick über die Klasse wandern, stellte jedoch nur fest, dass ihre Mitschüler alle noch in ihre Aufgabe vertieft waren. Sie wandte ihren Blick dem Pult und Professor Severus Snape zu und fand, dass sein durchdringender Blick genau auf sie gerichtet war. Er wirkte in seinen Gedanken verloren und sie konnte zum ersten Mal in seinem Gesicht Gefühle lesen.
Sie war erschüttert. Snape zeigte Gefühle? Das konnte nicht sein. Er war sonst immer so kalt und beherrscht. Und doch...
Snapes Augen weiteten sich kurz – ertappt. Dann senkte er den Blick.
‚Snape senkt den Blick? Hermine, dass ist merkwürdig. Was ist los mit ihm?'
Nach der Doppelstunde räumten alle Schüler ihre Sachen weg und machten sich auf den Weg zum Mittagessen in der Großen Halle.
Hermine packte gerade ihre letzten Bücher in ihre Tasche als ein schatten über ihren Tisch fiel.
„Miss Granger, auf ein Wort!"Snape deutete auf die Tür zu seinem Privatlabor.
Harry und Ron warfen ihr mitleidige und aufmunternde Blicke zu.
„Wenn er dich zu lange aufhält oder sonst was sein sollte, red ich mit Dumbledore!"Harry legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
Sie nickte nur und schluckte schwer.
Was hatte sie getan? Warum wollte Snape sie sprechen?
Blass und auf wackeligen Beinen folgte sie ihm in sein Labor. Unsicher stand sie vor ihm, unwissend, was sie erwartete.
„Kommen Sie, Miss Granger. Hier ist nicht der Ort für eine Unterredung."Er stand neben ihr und dirigierte sie sachte mit einer Hand in ihrem Rücken durch eine weitere Tür.
Hermine sah sich um und stellte fest, dass sie in einem geschmackvoll eingerichteten Studierzimmer stand. Die Wände waren aus weiß getünchten Stein, über und über bedeckt mit Regalen voller Bücher. An einer Wand befand sich ein großer Kamin, der fauchend zum Leben erwachte und den Raum mit wohltuender Wärme erfüllte. Vor ihm standen zwei Lesesessel aus schwarzem Leder, zwei Beistelltischchen und ein großer Tisch direkt zwischen ihnen.
An einer anderen Wand stand ein bequem aussehendes ebenfalls schwarzes Ledersofa.
„Nehmen Sie doch bitte Platz, Miss Granger."Severus bat sie sanft und deutete vage auf das Sofa und auf die Sessel.
Sie sollte wählen.
Hermine war immer noch geschockt von dem Umstand, dass Snape sie zu einer Unterredung gebeten hatte. Langsam sickerte durch den Schock die Höflichkeit durch, die er ihr gegenüber auf einmal an den Tag legte. Schnellen Schrittes ging sie zu den Sesseln und setzte sich auf die Kante, beriet für jede Art einer Attacke.
Severus bemerkte ihr Unbehagen, ließ sich aber nichts anmerken. Er hatte lange über sie nachgedacht. Die Gedanken hatte er schon länger über sie gehabt, nur hatte er sich selbst nie erlaubt, ihnen einmal richtig nachzugehen.
Vielleicht bestand ja eine Möglichkeit. Soweit er wusste, war sie mit keinem Schüler oder Mann zusammen. Potter und Weasley waren nur Freunde und alle anderen wurden durch die zwei verscheucht.
Severus okkupierte den übrig gebliebenen Sessel und beugte sich zu ihr rüber.
„Miss Granger. Worüber ich heute mit Ihnen sprechen möchte, darf diesen Raum nicht verlassen! Es ist vertraulich. Also, auch kein Wort an Potter oder Weasley! Habe ich mich klar ausgedrückt?"
Sie nickte
„Ja, Professor. Kein Wort!"
Severus betrachtete sie aufmerksam. Ihre Augen blickten unentwegt direkt in seine. Da war kein Zögern in ihr.
Ja, sie war perfekt! Bildschön im Geiste wie auch im Körper.
Dann jedoch fiel sein Blick auf seine eigene Spiegelung in der Oberfläche des Teetisches.
Lange, fettige Haare, eine Adlernase, die – als Schnabel – jeden Raubvogel stolz machen würde, schiefe, gelbe Zähne und ein immer grimmig dreinschauendes Gesicht.
Wie sollte sie da etwas für ihn empfinden können? Sie kannte ihn ja auch nur als grausam ihr und ihren Mitschülern gegenüber. Vor allem aber ihr und ihren besten Freunden gegenüber!
„Sir?"
Sie riss ihn aus seiner Gedankenkette.
„Alles in Ordnung? Fühlen Sie sich nicht wohl? Ich sage gerne Madame Pompfrey Bescheid!"
Er schüttelte den Kopf.
"Nein. Es ist alles ... in Ordnung."Severus seufzte leise und bereitet sich vor.
„Miss Granger, Ihr Intellekt ist überragend. Es gibt hier keine Herausforderungen mehr, die wir Ihnen als Lehrpersonal stellen können. Für Sie bleibe nur noch private Herausforderungen!"
Hermine sah ihn erstaunt an.
Hatte Snape sie gerade gelobt?
„Miss Granger, ich möchte Sie bitten, über ein Angebot meinerseits nachzudenken. Es ist ein Angebot, welches ich noch keinem Schüler oder Außenstehenden überhaupt angeboten habe! Ich möchte Sie bitten, Ihre Ausbildung hier in Hogwarts als meine Assistentin und später als mein Lehrling fortzuführen!"
