Teil 4
Das Hogsmeade-Wochenende kam schnell.
Harry, Ron und Hermine konnten es kaum erwarten, wieder einmal in das kleine Zauberer-Dorf zu kommen.
Harry und Ron wegen eines neues Besens und natürlich dem Honigtopf und Zonko's, Hermine wegen neuen Roben und Büchern.
Die drei trennten sich, damit jeder erst einmal ungestört seine „wichtigen" Dinge erledigen konnte
Hermine hatte innerhalb kürzester Zeit ihre „Einkaufsliste" abgehakt und schlenderte durch die schmalen Gassen des Dorfes. Betrübt sah sie sich um und beobachtete die Schüler des dritten Jahres, welche zum aller ersten Mal im Dorf waren. Wie sie sich freuten!
Sie hatten noch soviel Zeit in Hogwarts vor sich! Und was war mit ihr, Harry, Ron und all den anderen aus dem siebten Jahr?
Sie würden im nächsten Sommer die Schule beenden und dann würden sie alle Hogwarts verlassen müssen!
Hermines Augen fingen an, zu brennen. Tränen schossen ihr in die Augen und sie schlug die Hände vor ihr Gesicht.
Schluchzend ließ sie sich auf eine nahe stehende Bank fallen.
Sie wollte Hogwarts nicht verlassen. Dies war ihr Zuhause geworden! Beinahe sieben Jahre lebte sie hier doch nun schon! Sie konnte diesen Ort nicht einfach hinter sich lassen. Das ging nicht! Nicht allem, was sie dort erlebt hatte!
Dann fiel ihr ein, dass sie ja die Lehrlingsstelle bei Professor Snape angenommen hatte.
Gut, sie würde Hogwarts nicht verlassen – noch nicht!
Für die nächsten Jahre wäre sie an den gefürchteten Meister der Zaubertränke gebunden. Das war ihr aber egal. Was ihr nicht egal war, war die Tatsache, dass Harry und Ron nach dem nächsten Sommer ihr Auroren-Training beginnen würden und sie dann als Einzige des Trios in Hogwarts zurückbleiben würde!
Wenn Snape doch wenigstens ein netter Mensch wäre!
Severus Snapes Laune war auf einem neuerlichen Tiefpunkt angelangt.
Natürlich hatte Gryffindor (wieder einmal) gegen Slytherin im letzten Quidditch-Match gewonnen und (natürlich) hatte er (wie immer) mit Minerva um die Aufsicht des Hogsmeade-Ausfluges gewettet. Er sollte es eigentlich nach all den Jahren besser wissen!
Nun befand er sich zusammen mit Professor Flitwick in Hogsmeade und beaufsichtigte insgesamt fünf Jahrgänge an Schülern.
Das einzige, was er noch schlimmer gefunden hätte, wäre eine Runde Cruciatus von Voldemort. Allerdings änderte er seine Meinung darüber bereits nach nur einer halben Stunde Aufenthalt und dem Umstand, dass Flitwick sich abgesetzt hatte!
„Schüler!" Sein Tonfall ließ keinen Fragen oder Unruhe bei den Schülern zu und er besaß augenblicklich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Personen in Hörweite.
„Die Regeln sollten mittlerweile allen klar sein! Bei Verstößen ziehe ich JEDEM Schüler des betroffenen Hauses 10 Punkte ab – egal ob beteiligt oder nicht!"
Die Schüler schnappten nach Luft.
„Die Verbotsliste wurde den Vertrauensschülern ausgehändigt; diese sollten Sie informiert haben, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Ich werde mich hier nicht mehr dazu äußern. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich daran halten! Ist das klar?"
Snapes Blick durchbohrte die Schüler förmlich.
Alle nickten.
„Dann gehen Sie mir aus den Augen!"
Eiligst wandten sich die Schüler den Geschäften zu und verschwanden.
Severus wanderte scheinbar ziellos durch die Gassen. Für jeden, der ihn nicht kannte, sah es zumindest so aus, als würde er einfach nur bummeln. Seine Schüler, vor allem die seines Hauses, wussten es besser: Severus Snape war auf Patrouille.
Er wollte gerade in den Honigtopf gehen, da fiel sein Blick in eine abseitig gelegene Gasse und auf eine schmale Gestalt, die verloren auf einer Bank saß, die Hände vors Gesicht geschlagen.
Einer inneren Eingebung folgend, betrat er die Gasse und erkannte die Gestalt: Hermine Granger.
Er blieb wie angewurzelt stehen. Weinte sie etwa?
Wenn ja, warum? Sie war die intelligenteste Hexe, die jemals diese Schule besucht hatte Sie hatte, dass musste er zugeben, wundervolle Freunde, die für einander durch Dick und Dünn gingen und sie hatte ein liebevolles Elternhaus, wenn er dem Gerede seiner Kollegen glauben schenken durfte.
Was hatte dann diesen „Ausbruch" bewirkt? Wer oder was hatte ihr wehgetan?
Langsam trat er an sie heran und setzte sich neben ihr auf die Bank. Umständlich zog er ein Taschentuch aus einer seiner vielen Taschen seines Gehrocks hervor und reichte es ihr.
„Miss Granger..."
Sie zuckte zusammen.
„...hier, nehmen Sie und dann erzählen Sie mir, was geschehen ist!" Seine Stimme war tief, sanft und beruhigend. Ein Tonfall, den er nur selten verwendete und bei dem jeder Schüler wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen wäre vor Panik.
Hermine sah ihn aus großen, blutunterlaufenen und tränennassen Augen an.
‚Er tut es schon wieder! Er ist höflich zu mir! Warum bloß?'
Dann nahm sie zögernd das dargebotene Taschentuch und putzte sich die Nase.
Severus saß direkt neben ihr. Er konnte die Wärme und die Nähe ihres Körpers spüren.
‚Reiß dich zusammen, alter Man! Sie ist deine Schülerin!'
Trotzdem legte er ihr eine Hand auf den Rücken und begann, ihr den Rücken sanft zu streicheln.
Zu ihrer Beruhigung, wie er sich selbst einredete.
„Nun?"
Sie starrte ihn immer noch an, schüttelte dann aber den Kopf und wich der Hand aus.
„Professor, es ist nichts. Ich habe nur nachgedacht. Und bitte, lassen Sie das sein!"
Jetzt war es an Snape, sie anzustarren.
„Was soll ich sein lassen?"
„Mich anzufassen! Sir, ich bewundere Ihre Arbeit als Lehrer und Forscher. Aber es ist im höchsten Maße unanständig, wenn Sie mich derartig berühren!" Hermine war bei diesen Worten aufgestanden und schüttelte dabei seine Hand ab.
Severus wollte etwas erwidern, brachte jedoch keinen Ton hervor. Sie hatte ja so recht.
Er war ihr Lehrer. Er war über 20 Jahre älter als sie. Er war ein gemeiner Bastard ihr und ihren Freunden gegenüber und er war hässlich. Also warum sollte sie auch nur versuchen, irgendetwas anderes in ihm zusehen!
„Guten Tag, Sir!"
Sie verschwand in Richtung Schloss und ließ einen verzweifelten Mann zurück.
