Kapitel 2

Es war warm, als er aufwachte. Was ungewöhnlich war, denn meistens machte er sich nicht die Mühe, das permanent von Kälte durchdrungene Spinners End irgendwie aufzuwärmen. Die Heizung ging schon lange nicht mehr und warum die Magie verschwenden? Er verbrachte dort sowieso wenig Zeit.

Er hörte die Geräusche einer Person hinter sich. Atmung, Kleider rascheln und – ein Räuspern. Langsam drehte er sich um und begegnete dem Blick Potters. Er sah müde aus und sehr blass, doch sein Blick war wach und fokussiert.

Die vergangenen Ereignisse prasselten wieder in sein Gedächtnis und er spürte, wie sich Kopfschmerzen anbahnten. „Scheiße", murmelte er und drehte sich wieder um, um seine Kindheits-Nemesis nicht weiter anschauen zu müssen.

„Dir auch einen guten Morgen", meinte Potter viel zu gut gelaunt und mit krächzender Stimme. „Oder Abend. Oder Mittag. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Allerdings hoffe ich, dass es Zeit ist für Essen, denn ich habe verdammt Hunger."

Snape sagte dazu nichts. Hoffte, dass Potter einfach aufhören würde zu reden. Potter schien seine Laune zu spüren, denn der Auror hielt glücklicherweise seinen Mund.

Das Öffnen der Tür riss Snape irgendwann aus seinen Gedanken.

Er drehte sich nicht um, starrte einfach weiter auf die Wand, aber hörte zu, wie Poppy Pomfrey – er erkannte die Stimme sofort – mit Potter sprach.

„Ah, Sie sind wach, Mr. Potter. Sehr gut. Wie geht es Ihnen? Tut Ihnen noch der Brustkorb weh?"

„Nein, vielen Dank, Madame. Ihre Tränke wirken wahre Wunder", antwortete Potter charmant. „Ich fühle mich so gut wie neu. Tatsächlich fühle ich mich so gut, ich könnte durch den Saal tanzen."

„Guter Versuch, Mr. Potter.", sagte Pomfrey streng, jedoch mit einem Schmunzeln in der Stimme. „Sie verlassen Ihr Bett erst, sobald ich das Ok dazu gebe und nicht eher."

„Natürlich Madame. Würde nicht im Traum darauf kommen, mich hier Ihrer Expertise zu entziehen."

„Das freut mich zu hören. Nun, Professor Dumbledore wird gleich kommen und sich auch noch einmal versichern, dass Sie auf dem Weg der Besserung sind. Und Sie wahrscheinlich auch ausfragen, wie es kommt, dass Sie in diesem furchtbaren Zustand vor unseren Schultoren gelandet sind." Man hörte Klirren und ein Zischen. Ein weiterer Stärkungstrank für Potter, vermutete Snape.

„Sehr gut. Dann warte ich geduldig auf den Schulleiter. Könnte ich in der Zwischenzeit vielleicht etwas zu Essen bekommen?" In diesem Moment entschied sich Potters Magen dazu, ein lautes Grollen von sich zu geben. Pomfrey entfuhr ein Lachen. „Das wundert mich nicht. Sie haben Frühstück und Mittag verschlafen. Ich bringe Ihnen etwas."

Snape wartete darauf, das Knarren der Tür zu hören, das darauf schließen ließ, dass Pomfrey endlich das Zimmer wieder verließ, doch es kam nicht.

Er hörte ein Räuspern.

„Mr. Snape?" Pomfrey Ton hatte einen harten Klang angenommen.

Er ignorierte sie.

„Mr. Snape, ich weiß, dass Sie nicht schlafen."

Er sagt weiterhin nichts.

„Ich wollte mich eigentlich weigern, jemandem wie Ihnen zu helfen, doch Professor Dumbledore hat mir das Versprechen abgerungen, mich doch um Sie zu kümmern."

Snape krallte seine Hände in das Bettlaken und bemerkte erst jetzt, dass er nicht mehr seine Robe an hatte, sondern einen der weißen Krankenkittel. Die Ärmel waren etwas zu kurz für seinen schlaksigen Körper und an seinem Arm konnte man deutlich den unteren Teil seines Dunklen Mals erkennen. Wütend zog er den Ärmel zurecht und drehte sich abrupt um, um Pomfrey mit einem stechenden Blick zu durchbohren.

„Wenn es Ihnen so widerstrebt, dann lassen Sie es. Ich kann auf Ihre Hilfe verzichten."

Pomfrey verschränkte die Arme.

„Ich weiß nicht, wieso Albus einem Todesser erlaubt hat, die Schule zu betreten, doch ich versichere Ihnen, dass ich nicht zögern werde, Ihnen die schlimmsten Flüche auf den Hals zu hetzen, die ich kenne, sollten Sie auch nur einmal falsch zucken."

„Bitte!" Snape breitete einladend die Arme aus. „Nur zu."

Pomfrey funkelte ihn zornig an. Sie öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, ging die Tür erneut auf und der Schulleiter trat ein.

„Ah, guten Tag alle zusammen. Mr. Potter, Mr. Snape, es freut mich, dass es Ihnen beiden scheinbar besser geht. Zumindest sollte es das, wenn Sie es schon schaffen, meine Krankenschwester zu verärgern, Mr. Snape."

Snape hob eine Augenbraue und ließ sich erschöpft gegen den Kopf des Bettes zurückfallen. „Madame Pomfrey hat mir nur gerade erläutert, was sie von meinesgleichen hält. Eine Meinung, die Sie teilen, nehme ich an."

Dumbledore strich sich gedankenverloren durch den Bart. „Normalerweise ja. Ich schaffe es allerdings nicht, Groll gegen jemanden zu hegen, der eines meiner besten Ordensmitglieder und einen treuen Freund vor dem sicheren Tod gerettet hat."

Pomfrey hob die Augenbrauen und sah Dumbledore überrascht an. „Er hat was?"

„Es stimmt, Madame Pomfrey", meldete sich Potter und sah die Krankenschwester an. „Wäre Snape nicht gewesen, wäre ich jetzt nicht hier. Dann hätte Voldemort mich zu Fassen gekriegt." Snape entfuhr ein Ächzen, als sein Mal bei der Erwähnung Voldemorts aufflammte. Pomfrey zuckte zusammen.

Dumbledore machte eine komplizierte Zauberstabbewegung und ein gemütlich aussehender Sessel materialisierte sich. Er setzte sich darauf und legte die Hände aneinander. „Ich würde gerne hören, was genau passiert ist." Er schaute Potter an. „Wie konnten sie dich gefangen nehmen, James?" Pomfrey ließ sich auf dem Rand von Potters Krankenbett nieder und blickte ebenfalls den Auror erwartungsvoll an.

Potter seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich war mit Patterson unterwegs, bis wir plötzlich einen Notruf bekommen haben, dass in der Eckerton Street – da wo der Buchladen ist, den Lily so gern besucht, erinnerst du dich? – dass dort eine Hexe überfallen worden ist. Wir sind hinappariert und sofort wurden wir angegriffen von mindestens fünf Todessern."

„Aber Patterson ist doch auch noch Junior Juror? Ihr beide dürftet gar nicht alleine auf solche Notrufe antworten", bemerkte Dumbledore.

Potter nickte. „Eigentlich schon, aber es gab irgendeinen großen Vorfall in St. Hampshire und die meisten Auroren wurden dorthin geschickt. Wir waren unterbesetzt und deswegen wurde eine Ausnahme gemacht. Der Notruf klang nicht allzu beunruhigend, eher nach Standard-Prozedur, also hatten sie keine Bedenken zwei Junior-Auroren hinzuschicken." Er schaute Dumbledore mit ernstem Blick an. „Albus, die müssen irgendwelche Maulwürfe bei den Auroren haben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Das Ganze war viel zu gut getimed. Sobald ich und Patterson aufgetaucht sind, habe ich gehört wie jemand „Schnappt euch Potter!" gerufen hat. Sie wussten, dass ich es bin, der kommen würde. Der Notfall war natürlich gefaked, wie gesagt wurden wir sofort angegriffen, als wir dort aufgetaucht sind, aber…woher wussten sie, dass ich dort sein würde? Woher wussten sie, dass ich ohne erfahrene Unterstützung dort sein würde? Ich habe ein, zwei Todesser ausschalten können. Patterson haben sie gleich erwischt. Albus…"

Dumbledore hob eine Hand. „Keine Sorge James. Er hat überlebt. Ich habe mich erkundigt und er liegt gerade im Heiltrakt der Auroren und ist auf dem Weg der Besserung." Potter atmete hörbar aus. „Merlinseidank. Einer der Bastarde schien ihn mit einem wirklich bösartigen Fluch erwischt zu haben. Danach lag er so reglos da…Ich hatte wirklich Angst um ihn. Doch ich konnte ihm auch nicht helfen, denn es hat nicht lange gedauert, bis sie meine Schilde durchbrochen und mich ausgeknockt haben. Danach bin ich gefesselt in einem dunklen Keller aufgewacht." Potter verzog das Gesicht bei der Erinnerung. „Die haben mich gefoltert. Der Cruciatus-Fluch, natürlich. Greyback hat sich auch selbst die Hände schmutzig gemacht und seine Freude dabei gehabt, mich zu verprügeln. Ich glaube, er hat eine meiner Rippen gebrochen." Pomfrey nickte. „Drei. Das war das erste, worum ich mich gekümmert habe. Du hast Glück gehabt, dass keine davon gesplittert ist. Das wäre sonst für deine Lunge nicht gut ausgegangen."

„Haben sie gesagt, warum sie dich gefangen genommen haben?" , fragte Dumbledore.

Potter nickte. „Aus Rache dafür, dass ich Hentchley nach Azkaban verfrachtet habe. Und für das, was ich der Lestrange-Bitch angetan habe, als Sirius und ich das letzte Mal gegen sie gekämpft haben." Snape konnte sich daran erinnern. Und auch daran, wie er bestraft wurde, als er den Heiltrank für sie nicht schnell genug hatte brauen können. Der Dunkle Lord war rasend vor Wut gewesen, dass seine Lieblingstodesserin für mehrere Wochen ausgeknockt worden war. „Und…" Potter wurde leiser und richtete den Blick auf Snape. „Und als Geschenk für Snape."

Snape schaute nach unten, auf seine Hände, die sich wieder in das Bettlaken gekrallt und beinahe denselben Farbton wie der weiße Stoff angenommen hatten.

„Sie haben ihn geholt und ihm gesagt, dass er machen kann, was er will mit mir. Nur töten durfte er mich nicht – offenbar hatte Voldemort Bellatrix versprochen, dass sie das Privileg dafür bekommt, allerdings war sie noch nicht dort." Snape ignorierte das Aufflammen seines Mals. „Und…ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Zuerst hat er einfach nur dagestanden. Hat in die Luft gestarrt, als hätte er den Verstand verloren. Und dann hat er plötzlich angefangen, wie wild Flüche auf die anderen zu werfen. Sie waren zu viert. Es war gut, dass sie so überrascht gewesen sind, dadurch hat er sie einigermaßen überwältigen können, auch wenn er von ihnen ordentlich was abbekommen hat. Dann hat er mich von den Fesseln befreit und mich – sehr grob, wenn ich das mal anmerken darf – weggezerrt. Ich habe zu dem Zeitpunkt nicht mehr viel mitbekommen. Die hatten mich schon übel zugerichtet. Ich weiß nur noch, dass wir appariert sind und Snape mich gezwungen hat, ein paar sehr widerwärtige Tränke zu trinken." Snape rümpfte die Nase. Natürlich hatte Potter etwas an den Tränken auszusetzen, die Snape ihm großzügigerweise zur Verfügung gestellt hatte.

„Danach hat er mich gefragt, wo wir hingehen können und ich konnte nur an dich denken, Albus, und als nächstes sind wir hier gelandet."

Dumbledore nickte geistesabwesend. „Ja. Das müsste dann der Augenblick gewesen sein, als dieser hübsche Patronus mein Abendessen unterbrochen hat."

Snapes Wangen brannten.

Potter entfuhr ein Keuchen. Er erinnerte sich. „Ja, der Patronus. Es war-"

„Eine Hirschkuh, ja. Und damit kommen wir zu Ihnen, Mr. Snape."

Snape schüttelte den Kopf. „Ich bin Ihnen keine Erklärung schuldig."

Die Augen des Schulleiters schienen zu funkeln.

„Oh, ich denke, die Erklärung ist nicht mehr nötig. Nicht, nachdem wir die Gestalt Ihres Patronus' gesehen haben."

Snape bemühte sich, nichts von seinen Gedanken auf seinem Gesicht zeigen zu lassen. Bemühte sich, überhaupt nichts von seinen Gedanken irgendwo zu zeigen. Dumbledore hob die Augenbrauen. „Ist sie auch der Grund, weshalb Sie diese beeindruckenden Okklumentik-Fähigkeiten haben? Damit Tom nicht herausfindet, dass eine Mugglegeborene so einen wichtigen Platz in ihrem Herzen einnimmt? Immer noch?"

„Halten Sie sich raus aus meinem Kopf!", zischte Snape.

„Ich finde es interessant, dass diese…Freundschaft zu Lily anscheinend größer ist, als Ihre Antagonie James gegenüber."

„Ja, überraschend nicht wahr. Dabei hat Potter sein bestes gegeben, um die Antagonie schwer übertrumpfbar zu machen."

Dumbledore lehnte sich zurück. „So wie ich mich erinnere, haben Sie genauso gut ausgeteilt, wie Sie eingesteckt haben."

Snape lachte kalt. „Natürlich. Erinnern Sie sich, wie Sie wollen. Das haben Sie sowieso schon immer."

Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Potter jemals in diesem Mahlstrom aus Hass, Hilflosigkeit, Scham und Verzweiflung versunken ist, aus der seine Teenager-Zeit bestanden hatte. Dass Snape mit Freunden einen hilflosen Potter drangsaliert hatte, einzig und allein aus dem Grund, dass er existierte.

Plötzlich hatte er den sehr großen Drang zu fliehen. Und wie der Feigling, der er war, ging er diesem auch nach.

Er riss die Bettdecke beiseite und kam auf leicht wackeligen Beinen zum Stehen.

In wenigen Schritten hatte er die Tür erreicht.

„Mr. Snape Sie sollten-"

Aufbrausend drehte er sich zu Dumbledore um. „Ich muss aufs Klo. Das wird mir ja wohl erlaubt sein. Sie haben meinen Stab. Was soll ich ohne den hier anrichten? Sie wissen doch sowieso, was ich tue, mit dem Verfolgungszauber, den Sie auf mich gelegt haben."

„Das war es nicht, was ich-"

Ohne den Schulleiter zu beachten, riss Snape die Tür auf. Und kam abrupt zum Stehen.

„Albus, wie geht es ihm? Kann ich zu-"

Auch sie blieb erschrocken stehen. Ihre Augen weiteten sich. Und wanderten rasch über seine Gestalt. Angefangen bei seinen wahrscheinlich wieder fettigen Haaren, über die große Hakennase , entlang des weißen, demütigenden Krankenkittels und blieben schließlich an seinem Arm hängen, an dem, so war Snape sich sehr sicher, wieder der Rand des Dunklen Mals zu sehen war.

Sie musste nervös vor der Tür auf und ab getigert sein. Die Hände hatte sie in ihren Kittel gekrallt. Anscheinend war sie direkt von St. Mungos gekommen, denn sie hatte noch ihre Heilerroben an.

Ihm war, als hätte jemand einen Eimer mit kaltem Wasser über ihn ergossen.

Natürlich war sie hier. Natürlich hatte Dumbledore sie nach Hogwarts gebracht, nachdem ihr Ehemann angegriffen und entführt worden war. Natürlich wollte sie sich vergewissern, dass es ihrem heiß geliebten Potter gut ging. Idiot Idiot Idiot. Damit hätte er rechnen sollen.

Er tat das einzig logische. Er lief – er rannte nicht, oh nein – an ihr vorbei, wobei er beinahe gegen sie stieß – wollte er das nicht? Noch einmal ihre Nähe spüren? – und er verschwand im Bad. Hastig verriegelte er die Tür und ließ sich an den kühlen Fliesen der Wand hinunterrutschen. Versuchte, sein wie wild pochendes Herz unter Kontrolle zu kriegen. Spürte wie seine Hände anfingen zu zittern und wie abwechselnd Hitze- und Kälteschwalle seinen Körper durchfuhren.

Erbärmlich. Absolut erbärmlich, wie er da auf dem Boden der Krankenflügel-Toilette lag und keuchte und schwitzte und es nicht schaffte, seinen verdammten Körper unter Kontrolle zu kriegen, wegen einer verdammten Frau. Er kniff die Augen so stark zusammen, dass er bunte Punkte vor seinen Lidern tanzen sah.

Er musste hier weg. Unbedingt. Aber wohin? Verzweiflung griff nach ihm. Wand sich um seinen Körper wie eine dornige Ranke. Er hatte mit einer einzigen dummen Aktion alles verloren, was er sich aufgebaut hatte. Wegen scheiß Potter. Nicht nur das…wenn der Dunkle Lord erfuhr, was er getan hatte…Er war so gut wie tot.

Er schaffte es gerade so noch zum Klo, bevor er sich hörbar übergeben musste.

Mit zittrigen Beinen, einem widerwärtigen Geschmack im Mund und einem noch widerwärtigeren Gefühl im Magen, dass sich dort als schmerzhafter Knoten zusammenballte, ließ er sich auf die kalten Fliesen sinken. Er kannte das Gefühl, versuchte die Panikattacke, die sich anbahnte, angestrengt zu unterdrücken. Er war in Hogwarts. Umgeben von Ordensmitgliedern. Kein geeigneter Ort, um komplett auseinander zu fallen. Doch es war schwer. So unendlich schwer. Er wollte sich zusammenkauern und die Tremore seinen Körper durchfahren lassen. Die Tränen zulassen, die er sich schon nicht mehr erlaubt hatte, seit er vierzehn war. Den Welle erlauben, über ihn zu schwappen und alles in seinem Kopf mitzunehmen, was sich gerade dort hinein zwängte, und nichts zu hinterlassen.

Jemand klopfte an der Tür.

Snape zwang sich aufzustehen. Hielt sich am Waschbecken fest, damit er nicht umkippte.

„Mr. Snape, wollen Sie sich nicht zu mir gesellen? Ich habe die Hauselfen gebeten, Essen in den Krankenflügel zu bringen. Leider konnte ich noch kein Mittagessen zu mir nehmen und in Gesellschaft isst es sich einfach besser." Dumbledore hielt kurz inne. „Keine Sorge, Lily hat James mit nach Hause genommen. Heute müssen Sie sich also keinen alten Dämonen stellen."

Snapes Gesicht brannte. Verfluchter Patronus.

Er versuchte, sich zusammen zu raffen und spülte schnell seinen Mund mit Wasser aus. Einen kurzen Blick in den Spiegel wagte er und bereute es sofort. Er sah…müde aus. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen. Sein Gesicht war noch bleicher als sonst. Zögernd hob er die Hand und fuhr über die Stelle, wo Lucius ihn mit seinem Siegelring erwischt hatte. Der rote Striemen auf seiner Wange schien zu leuchten auf der weißen Haut. Das Mal seines Verrats. Er verdrängte Lucius' wutentbrannten Blick aus seinem Gedächtnis. Dies war nur eine der unzähligen Brücken, die er gestern mit Potter überquert und gnadenlos niedergebrannt hatte. Er senkte den Blick und verließ das Bad, um zurück ins Krankenzimmer zu gehen. Seine Schultern sackten erleichtert nach unten, als Potter tatsächlich nicht aufzufinden war. Nur der Schulleiter saß auf seinem herbei beschworenen Sessel, ein dampfendes Tablett mit Essen neben sich. Ein identisches Tablett lag auf dem Beistelltisch an Snapes Bett. Snape setzte sich auf die Matratze, den Rücken gegen das Kopfteil gelehnt. Das Tablett kam zu ihm geschwebt und machte es sich einige Zentimeter über seinem Schoß in der Luft bequem. Seinem Magen gefiel der Geruch der gebratenen Kartoffeln und des ohne Zweifel perfekt zubereiteten Bratens sehr. Bei Merlin, wann hatte er zuletzt etwas gegessen? Lucius hatte ihn direkt nach einer langen Schicht bei Spencer's kontaktiert und er war sofort nach Malfoy Manor aufgebrochen. Dann der Kampf, die Flucht und…wie lange hatte Madame Pomfrey gesagt, hatten Potter und er geschlafen? Doch er zögerte. Was Dumbledore bemerkte. Natürlich.

„Ich versichere Ihnen, dass Ihr Essen nicht mit Veritaserum gewürzt wurde, Mister Snape."

Snape war nicht so naiv, dass er Dumbledore glaubte. Andererseits…und selbst wenn Veritaserum an seinem Essen war – machte es wirklich einen Unterschied? Wenn er es nicht aß, würde der Schulleiter es ihm einfach mit Gewalt einflößen. Resigniert nahm er einen Bissen von den Kartoffeln und stöhnte fast genüsslich auf. Er schaute Dumbledore an, dessen Augen verschmitzt funkelten. „Unsere Hauselfen machen ihre Arbeit wirklich gut, nicht wahr. Schmeckt es Ihnen?" Zu seiner Überraschung überkam ihn kein Drang, die Frage zu beantworten. Kein Veritaserum. Hm.

Er nickte nur und machte sich dann daran, den Teller in wenigen Minuten komplett zu verschlingen. Die letzten Wochen hatte er versucht, so viel Geld wie möglich zu sparen und war mittlerweile belegte Brote vollauf überdrüssig. Dieses Mahl war eine Wohltat.

Er bereute ein bisschen, das Essen so schnell hinuntergeschlungen zu haben, als er den leeren Teller auf dem Tisch abstellte und Dumbledores Blick begegnete. Dieser hatte seinen eigenen Teller nicht angerührt und beobachtete ihn stattdessen.

Ungerührt blickte er den Schulleiter an.

„Ich weiß immer noch nicht so recht, was ich mit Ihnen anstellen soll, Mr. Snape", sagte Dumbledore schließlich.

Da sind wir schon zwei, dachte Snape. Er hatte das Gefühl, dass er im Moment gar nichts mehr wusste. Er sagte nichts.

„Madame Pomfrey hat mir versichert, dass Sie zwar sicherlich etwas kraftlos sein werden, es Ihnen sonst jedoch an nichts fehlt und Sie problemlos den Krankenflügel verlassen können. Ich werde Sie erst einmal in ein sicheres Haus bringen, bevor wir entscheiden, wie es mit Ihnen weitergeht." Snape vermutete, dass Dumbledore damit kein inklusives „wir" benutzt hatte und sein eigener Wille hierbei nicht von Belang war. Dumbledore stand auf und mit einem Schlenker seiner Hand erschien eine Robe auf Snapes Bett und eine kleine Tasche. „Ich werde in einer halben Stunde wieder kommen. Bis dahin können Sie sich noch etwas frisch machen und diesen doch recht unschönen Kittel gegen etwas Bequemeres tauschen. Ihre Robe konnten die Hauselfen leider nicht mehr retten, zu viel Blut. Ich habe mir erlaubt, eine von meinen zu nehmen und sie anzupassen, sodass sie jetzt Ihre Größe haben sollte."

Und mit diesen Worten ließ Dumbledore ihn allein.

Snape schaute mit vor Wut zusammengepressten Lippen auf die zusammengefalteten Roben.

Sie waren lila.

Und glitzerten.

Also hatte er die Wahl, in dem zu kurzen, unangenehmen Krankenhauskittel herumzulaufen oder in dem sicheren Haus des Ordens wie ein seniler Trottel aufzutauchen. Am liebsten hätte er die verdammten Roben abgebrannt. Um sich von diesem beschämenden Stück Stoff abzulenken, nahm er die Tasche und schaute, was sich darin befand. Zahnbürste, Zahnpasta, ein Kamm und ein Handtuch. Es war ganz offensichtlich, dass Dumbledore der Meinung war, dass er ein wenig Körperpflege nötig hatte. Leider konnte Snape ihm nur zustimmen. Der gestrige Tag hatte ihn in keinem guten Zustand zurückgelassen. Seufzend nahm er die Tasche und ging wieder in das Badezimmer des Krankenflügels, um sich zu duschen und die Zähen zu putzen. Genervt benutzte er auch den Kamm, doch er wusste, dass dieser sowieso nicht viel bringen würde. Seine strähnigen, dunklen Haare hatten kein Problem mit Knoten. Eher mit allem anderen. Er vermied es, bei der ganzen Prozedur noch einmal in den Spiegel zu schauen.

Als er fertig war, fühlte er sich fast schon wie ein neuer Mensch.

Da er nicht nur mit einem Handtuch bekleidet zurückgehen wollte, zog er wohl oder übel noch einmal den Kittel über und starrte dann resigniert auf die verdammten violetten Roben. Es reichte nicht, dass er gefangen war von seinen geschworenen Feinden. Nun wurde er auch noch gedemütigt. Schmerzen konnte er aushalten, doch seine Teenager-Zeit hatte ihn mit so viel Demütigung zurückgelassen, dass sie für ein ganzes Leben reichte. Mehr würde er nicht zulassen. Er biss die Zähne zusammen und versuchte irgendwie, seine letzten Kräfte zu sammeln. Langsam streckte er die Hand aus und rief krächzend:"Coloris!" Das Ergebnis war…enttäuschend. Aber ausreichend. Das Glitzer verschwand immerhin. Leider blieb der Stoff lila, allerdings verdunkelte er sich deutlich.

Als Dumbledore ihn wiedersah, saß Snape schon fertig auf dem Bett, die Arme verschränkt, um das Zittern zu unterdrücken, das immer noch hin und wieder seinen Körper durchzog. Er wusste nicht, wo der Schulleiter ihn gedachte hinzubringen, aber er wusste, dass es tausendmal unangenehmer als Hogwarts werden würde.

Belustigt sah der Schulleiter ihn an. „Ah, ich hatte schon befürchtet, dass wir nicht ganz denselben Geschmack teilen. Aber die Farbe steht Ihnen ausgezeichnet, mein Junge."

Snape spürte, wie seine Wangen sich rot färbten und das allzu bekannte Feuer aus Wut und Scham entflammte in ihm. „Ich bin nicht Ihr Junge", zischte er scharf. Dumbledore hob beschwichtigend die Hände. „Natürlich nicht. Es tut mir leid, ich verbringe wohl zu viel Zeit mit den Schülern." Er ließ die Tür aufschwingen. „Wollen wir?"

Nein. Nein, wir wollen nicht. Snape blieb nichts anderes übrig als aufzustehen. Der Krankenflügel erweckte zu viele Erinnerungen in ihm. Ganz bestimmt wollte er hier jedenfalls nicht bleiben. Mit gesenktem Kopf hielt er Dumbledore seine ausgestreckten Hände entgegen, in Erwartung, wieder die magischen Schlingen zu spüren, doch der Schulleiter drückte seine Hände sanft nach unten. „Ich denke, das wird nicht nötig sein, Mr. Snape. Sie machen nicht den Eindruck, als ob Sie vorhaben mir Ärger zu bereiten." Seine Wangen brannten stärker und er ließ seine Haare vors Gesicht fallen, um sich einen physischen Schutz vor Dumbledores berechnendem Blick zu geben.

Es war seltsam, die Schulflure entlang zu laufen. Als Todesser – nun wohl eher Ex-Todesser. Neben dem Schulleiter von Hogwarts, dem Anführer des Ordens und dem wohl mächtigsten Mann der Zaubererwelt. Ohne Fesseln. Und umgeben von Schülern, die ihm ständig neugierige Blicke hinterher warfen, die in seinem Nacken brannten. Er zog immer wieder seinen Ärmel zurecht, um sicherzugehen, dass keiner einen Blick auf sein Mal erhaschte. Als sie Hogwarts verließen, schlug ihnen die frische und kühle Nachmittagsluft entgegen – sehr angenehm nach der klinischen Atmosphäre des Krankenflügels und dem Geruch von Aufpäppel-Tränken.

Snape folgte Dumbledore den abgetretenen Pfad zum Tor entlang und bevor sie hindurch schritten, blieb der Schulleiter stehen und hielt ihm einen Zettel entgegen. Ah, natürlich. Ein Fidelius-geschützter Ort. Rasch huschten Snapes Augen über die ordentlich geschriebenen Worte des Schulleiters, bevor der Zettel in seiner Hand verglühte. Dumbledore hielt ihm einen Arm entgegen. Snape erlaubte sich, einmal tief durchzuatmen, bevor er eine blasse Hand auf Dumbledores Ellbogen legte. Sofort erfasste ihn das vertraute, erstickende Gefühl des Apparierens.

Die Straße, auf der er sich wiederfand, sah recht gewöhnlich aus. Vielleicht etwas düsterer, als man es normalerweise gewohnt war, doch nichts im Vergleich zu Spinners End. Ausdruckslos sah er zu, wie sich Grimmauld Platz Nummer 12 aus dem Boden erhob und wie von Geisterhand die Nachbarhäuser weichen ließ. Etwas regte sich in seiner Erinnerung. „Das Haus der Blacks", murmelte er. Dumbledore nickte. „Sirius war so gnädig, es uns zur Verfügung zu stellen. Er hat sowieso nicht viel Liebe für diesen Ort übrig und sich, wie ich hörte, ein ganz wunderbares Cottage gekauft. Die dazugehörigen Ländereien eignen sich hervorragend für eine Partie Quidditch." Snape konnte sich gerade so ein verächtliches Schnauben verkneifen. Natürlich hatte sich Black von dem Geld seiner ach so reichen Familie ein verdammtes Cottage gekauft. Einfach so. Während er diese absolut ausreichende, große Villa besaß. Snape schluckte die Frustration eines Kindes herunter, das in den Roben seiner Mutter und mit häufig knurrendem Magen herumgelaufen war. Sein Haus in Spinners End war eine Bruchbude im Vergleich zum Grimmauld Platz. Nun, sein Haus in Spinners End war eine Bruchbude. Punkt.

„Sie waren schon einmal hier?", fragte Dumbledore interessiert. Snape nickte. „Einmal. Regulus hat uns nach der Abschlussfeier zu sich eingeladen." Und wieso er Dumbledore dies erzählte, als würden sie sich über Kaffee und Kuchen unterhalten, wusste er selbst nicht.

„Ah ja, der junge Regulus Black. Ich erinnere mich. Sirius hat mir erzählt, dass er sich Voldemort angeschlossen hat, doch konnte man ihn wohl beim Tod seiner Mutter nicht auffinden. Sirius und er haben auch schon vor Jahren den Kontakt aufgebrochen."

„Man wird ihn auch nicht mehr auffinden. Er ist tot."

Die Worte hingen düster zwischen ihnen. Dumbledores Lächeln verflog. „Das schmerzt mich zu hören." Snape zuckte mit den Schultern. Wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Regulus hatte sich gegen den Dunklen Lord gewandt, wie man es in Todesser-Kreisen munkelte. Damit hatte er sein Todesurteil selbst unterschrieben. So wie Snape bei der Rettung Potters. Dass er Regulus im Jenseits noch nicht Gesellschaft leistete, lag nur an der Tatsache, dass der einzige, der es mit dem Dunklen Lord aufnehmen konnte, ihn gerade in seiner Gewalt hatte. Aber gut, vielleicht würde der Dunkle Lord nicht den Avada aussprechen, sondern Dumbledore. Der Schulleiter machte zwar nicht den Eindruck eines Mörders, doch Snape wusste, dass man sich von der gutmütigen Fassade nicht täuschen lassen sollte.

Dumbledore öffnete die Eingangstür des alten Gebäudes und mit bleiernem Magen folgte Snape ihm. Sofort begrüßten ihn zwei unangenehme Dinge. Das erste war ein schrilles Geheul – scheinbar die Tirade eines hässlichen Portraits von Walpurga Black, das im Eingangsbereich hing. Das zweite war Black selbst, der lässig an der Wand lehnte und das Portrait rasch mit einem starken Schweigezauber belegte. Snape nahm missmutig wahr, dass Black sich nicht sonderlich verändert hatte. Er sah immer noch aus wie aus einem Cover von Witch Weekly entsprungen, hatte die Magierrobe gegen eine Lederjacke ausgetauscht und trug Jeans, die künstlich an den Knien zerrissen worden waren. „Hereinspaziert, hereinspaziert", begrüßte er Dumbledore strahlend, bevor sich seine Miene verdüsterte, als sein Blick auf Snape fiel. „Schniefelus, lange nicht gesehen. Albus hat mir schon erzählt, dass er sich einen kleinen Todesser eingefangen hat. Ich wollte dich unbedingt selbst willkommen heißen." Und mit diesen Worten trat er auf ihn zu und – bevor Snape reagieren konnte – gab ihm einen kraftvollen Hieb in die Magengrube.

„Sirius!", donnerte Dumbledore mit einer Stimme, von der sich Snape nicht sicher war, ob sich nicht Magie hinein gemischt hatte. Konzentrieren konnte er sich jedoch nicht darauf. Er krümmte sich schmerzerfüllt zusammen und versuchte, sein Mittagessen bei sich zu behalten. Sirius wurde einige Schritte nach hinten geworfen, fing sich jedoch, bevor er fallen konnte. „Die Kumpel dieses Todesser-Schweins haben James entführt und ihn beinahe getötet", sagte er in wütendem, aber erstaunlich gefasstem Tonfall. „Wenn du denkst, ich lasse ihn einfach in mein Haus ohne ihm zu zeigen, was ich von Dreck wie ihm halte, hast du dich getäuscht."

„Mister Snape ist der einzige Grund, weshalb James überhaupt noch lebt.", sagte Dumbledore in schneidendem Tonfall. „Und du verdankst es ihm mit Fäusten, wie ein pubertierender Vierzehnjähriger. Ich habe mehr von dir erwartet, Sirius." Man merkte, dass die Rüge Sirius nicht gänzlich kalt ließ. Doch der zornige Blick blieb. „Was ist, wenn er uns das nur weismachen will? Wenn wir ihm dankbar Unterschlupf gewähren, nur damit er uns ausspionieren kann, irgendwann abhaut und Du-weißt-schon-wem Bericht erstattet. Ich war vorhin bei James. Er hat mir alles erzählt. Du denkst doch nicht wirklich, dass dieser kalte Bastard James für Lily gerettet hat?" Höhnisch grinsend schaute er Snape an. „Du bist zwar erbärmlich, Schniefelus, aber nicht erbärmlich genug, dass du immer noch einer Frau hinterherrennst, die seit mehreren Jahren kein einziges Wort mehr mit dir gewechselt hat."

Snape sagte nichts. Hatte immer noch das Gefühl, dass er den ganzen Flur vollkotzen würde, sobald er den Mund aufmachte. Doch, dachte er und dieser Gedanke war schmerzhafter, als alle Schläge, die Black ihm je verpassen konnte. Doch, ich bin so erbärmlich.

„Ein Patronus lügt nicht." Der Ton des Schulleiters war leise, aber voller Überzeugung. Snape bemerkte dankbar, dass Dumbledore sich schützend vor ihn gestellt hatte. Mit Zauberstab und im Vollbesitz seiner Kräfte war er sich sicher, dass er es mit Black aufnehmen konnte, doch geschwächt nach einem Kampf gegen seine engsten Freunde und stablos…

Sirius schnaubte. „Ein paar blaue Funken überzeugen mich nicht. Aber gut. Du musst wissen, was du tust. Sag bloß später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt." Er trat einen Schritt zur Seite, um ihnen Zugang zur Treppe zu geben. „Ich habe Kreacher gesagt, er soll den Raum im dritten Stock fertig machen. Da ist auch direkt ein kleines Bad dabei. So müssen wir Schniefelus' Anblick außerhalb des Zimmers nicht allzu häufig ertragen." Er trat einen Schritt auf Snape und Dumbledore zu. „Und Schniefelus." Er bedachte ihn mit einem warnenden, verächtlichen Blick. „Ich weiß nicht, ob es wahr ist oder nicht, aber das ist auch egal. Halte dich einfach von Lily fern. Nicht dass sie dich überhaupt sehen will." Und mit diesen Worten verschwand er.

Schweigend brachte Dumbledore Snape die Treppen des erstaunlich deprimierenden Hauses hinauf zum besagten Zimmer. Snape sah sich um. Nicht die kalte Zelle, die er erwartet und wahrscheinlich auch verdient hatte. Es war ein einfacher Raum, mit einem Bett, einem Schrank, Schreibtisch und Stuhl, sowie einem kleinen Bücherregal, was an der Wand angebracht war. Die Wände waren in einem verblichenen Gelb gestrichen und die Möbel sahen aus, als ob sie seit Jahren nicht benutzt worden, aber immer noch in gutem Zustand waren. Eine schmale Tür führte in ein ebenso alt wirkendes Bad, mit hässlichen Fliesen und einer antik aussehenden, frei stehenden Wanne, einem Klo und einem schmalen Waschbecken. Alles in allem hatte es ebenso wenig Charme wie Spinners End, nur dass Snape sich sicher war, dass die Rohre nicht tropfen würden und das Fenster, unter dem das Bett stand, dicht war.

„Ich werde noch einmal mit Sirius reden, Mister Snape", sagte Dumbledore, nachdem Snape kurz die Räumlichkeiten begutachtet hatte. „Zumindest werde ich dafür sorgen, dass er Sie nicht noch einmal angreift." Snape zuckte mit den Schultern. Wäre er ein Gefangener des Dunklen Lords, dann wäre ein Hieb in den Magen das geringste seiner Probleme gewesen. „Ich habe leider einige Angelegenheiten, die dringend meiner Aufmerksamkeit bedürfen. Ich werde in einer Woche wiederkommen und bis dahin hoffentlich eine Entscheidung getroffen haben, wie es mit Ihnen weitergeht. Wenn Sie mir Ihre Adresse geben würden, dann lasse ich von den Hauselfen einige Ihrer Sachen holen, sodass Sie Wechselroben haben." Tonlos gab ihm Snape die Adresse, wusste jedoch, dass er keine seiner Habseligkeiten wiedersehen würde. So wie er seine alten Freunde kannte, brannte sein Haus gerade lichterloh. Morgen würden die Nachbarn von einem Gasleck erfahren, kurz geschockt sein, sich vage an einen unangenehmen, mies gelaunten Mann erinnern, der dort gewohnt hatte und sich fragen, was aus ihm geworden war und dann mit ihrem Leben fortfahren.

Dumbledore verabschiedete sich und dann war Snape allein. Er versuchte nicht die Tür zu öffnen, hatte die Magie gespürt, mit der der Schulleiter sie versehen und ihn eingeschlossen hatte. Stattdessen stand er regungslos im Zimmer. Eine Minute. Zwei. Und wurde sich bewusst, dass er absolut keine Ahnung hatte, was er jetzt tun sollte. Ein merkwürdiges Gefühl. Müßiggang gab es in seinem Leben nicht. Er hatte immer etwas zu tun, einen Trank zu brauen, einer Arbeit nachzugehen, einen Auftrag des Dunklen Lords zu erfüllen, zu lernen für die Aufnahmeprüfung der Universität…

Schließlich legte er sich einfach auf das Bett. Sein Magen war immer noch verkrampft und sein Körper hatte sich noch nicht ganz von der ganzen Tortur erholt. Er beschloss also, sich so gut es ging auszuruhen und dann weiterzuschauen. Es war zwar noch früh und im Krankenflügel schien er bereits lange geschlafen zu haben, doch schon nach wenigen Augenblicken war er tief und fest eingeschlafen.