Die Herausforderung
Frankfurt, 11. Januar 2005
Die vergangene Woche war genauso hektisch verlaufen, wie Chris es befürchtet hatte. Wenn er irgendwann zwischen neun und zehn Uhr abends Feierabend machte, dann war es zu spät, um noch ins Center zu gehen. Und das, wo er eigentlich auf jede Trainingsstunde angewiesen war. Um wenigstens noch etwas zu trainieren, schränkte er sein Lauftraining ein und konzentrierte sich auf den Schwertkampf. Er wiederholte alle Tricks, die ihm Adam beigebracht hatte. Besonders die Kombination rechte Hand Schwert, linke Hand Messer übte er verbissen. Auch wenn er immer noch Probleme hatte, synchron zu arbeiten, irgendwann musste er Erfolg haben.
Neben den ganzen Koordinierungsarbeiten im Büro war da auch noch Helen. Helen, die garantiert dann in sein Zimmer kam – natürlich ohne anzuklopfen –, wenn Chris es garantiert nicht gebrauchen konnte. Eigentlich hatte er gedacht, dass seit dem letzten Gespräch die Fronten geklärt waren. Aber Helen war da wohl anderer Ansicht. Immer hatte sie irgendeine ganz wichtige, unheimlich dringende Sache, bei der Chris sofort seinen Kram stehen und liegen lassen musste, um ihr zu helfen. Dabei hätten Engin, Mike, Kallenbach, Carola oder Deichsel genauso gut helfen können, aber nein, immer hielt sie Chris auf. Er wusste ganz genau, dass Helen dies nur machte, um ihn zu sehen und mit ihm zur reden. Sie wollte von ihm mehr als Freundschaft, ihre Kommentare waren eindeutig genug.
Aber Chris wollte nicht. Gut, gegen eine nette Nacht mit Helen hätte er nichts einzuwenden gehabt, aber da sie auf eine Beziehung aus war…
Zu viele Komplikationen und zu viel Stress. Ich habe dafür keine Zeit und wenn ich wegen Eddie mit ihr Schluss mache, würde sie mir das – zu Recht - nie verzeihen.
Chris fing an, Helen zu meiden; wann immer er die Möglichkeit hatte, wimmelte er sie ab und schickte sie mit ihren Fragen zu den Kollegen. Und wurde dabei immer gereizter. Dies fiel natürlich auf. Engin schüttelte nur den Kopf, wenn Chris Helen erfolgreich abgewimmelt hatte und anschließend genervt die Augen verdrehte. Doch von Mike und Carola bekam Chris einige sehr eindeutige Kommentare zu hören.
Aber besser dies, als dass sie wegen Bernhard Verdacht geschöpft hätten. Das war aber nicht der Fall. Sogar die Kripo hatte sich an Bechtholds Fersen geheftet. Er war ihr Hauptverdächtiger bei Bernhards mysteriösem Verschwinden. Nicht nur, dass Bechthold urplötzlich einen neuen Wagen hatte und den alten als gestohlen meldete. Natürlich bevor die Spurensuche den Mercedes hatte untersuchen können. Den Jungs von der Konkurrenz war auch aufgefallen, dass Bechthold zwei neue Leibwächter hatte, und sie stellten nun berechtigter Weise die Frage, ob Bernhards Verschwinden, der Diebstahl des Autos, die fristlose Kündigung der Gorillas und die Tatsache, dass Bernhards Gemüsegeschäft große Gewinne machte, in einem Zusammenhang stehen würden. Die Kripo war wirklich nah dran an Bechthold. Allerdings nicht so sehr, wie sie wollten, dem hatte Chris mit einem dezenten Hinweis auf eine internationale Aktion Ende Januar – geplant war der 26. - einen Riegel vorgeschoben.
Einzig der Sonntagabend war für Chris ein kleiner Lichtblick gewesen. Er war zwar auch am Wochenende im Büro gewesen, aber nicht ganz so lang wie die anderen Tage. Und Sonntagabend war Thomas zum ersten Mal seit Weihnachten auf einen Kaffee vorbeigekommen. Er hatte Chris nicht nur die Kugel aus der Schulter geholt, sondern ihn auch noch mit dem neuesten Tratsch und Klatsch aus Eddies Umfeld versorgt. Und so ganz nebenbei hatte Thomas erzählt, dass er den Heiligen Abend nicht mit Eddie verbracht hatte, weil sie sich wegen einer Kleinigkeit gestritten hatten. Thomas äußerte die Vermutung, dass es wohl eher daran lag, dass Eddie wohl an diesem Feiertag zu viele Erinnerungen mit Chris verknüpfte und deswegen einen Grund gesucht hatte, ihn, Thomas, zu vertreiben. So sehr sich Thomas auch bemühte, Chris hörte heraus, dass es ihn geschmerzt hatte. Deswegen verschwieg Chris auch den tatsächlichen Ablauf des Weihnachtsabends. Er wollte Thomas nicht noch mehr verletzen. Es musste für Thomas schlimm genug sein, dass er Eddie liebte, aber nicht sein Herz besaß. Und trösten konnte er Thomas nicht. Wie auch, wenn er derjenige war, den Eddie liebte.
Chris wusste nicht genau, ob er sich als Thomas' Freund bezeichnen konnte. Chris mochte den anderen Unsterblichen. Und dieser hatte in den letzten Wochen seine misstrauisch-ablehnende Haltung abgelegt und war richtiggehend offen geworden.
Es ist ein Anfang, vielleicht werden wir irgendwann Freunde. Ich mag ihn und seinen Humor.
Thomas schien das ähnlich zu sehen, sonst würde er nicht einfach so vorbei kommen. Auch wenn er immer betonte, dass er dies nur tat, weil Chris' Wohnung auf heiligem Boden lag und er so sicher war.
Heute Abend war Chris mit Engin verabredet. In einem Nobelrestaurant. Schließlich wollte Engin unbedingt seine Wettschuld begleichen. Chris vermutete, dass sein Partner eine Möglichkeit suchte, mit ihm in Ruhe zu reden. Seit jener Nacht war die Arbeit über sie eingestürzt und hatte ihnen keine Möglichkeit zu einem privaten Gespräch gelassen. Selbst wenn sie in ihrem Büro waren, konnte jeden Moment Helen hereinplatzen.
Engin hatte sich seit der Konfrontation mit Bechthold verändert. Er war stiller geworden, in sich gekehrt und sagte nicht mehr das, was er gerade dachte.
Er ist erwachsen geworden. Fehlt nur noch, dass er graue Haare bekommt.
Um Engins Mundwinkel hatte sich in dieser Woche eine neue Falte eingegraben. Sie ließ ihn reifer und härter erscheinen.
Ob diese Veränderung an der Tatsache lag, dass Engin gemerkt hatte, dass er in der Lage war zu töten, oder ob Chris' Geheimnis auf ihm lastete, konnte Chris noch nicht beurteilen. Eigentlich sollte es ihm egal sein. Und doch, irgendwie war Engin für ihn – genauso wie Eddie – seine Familie und er sorgte sich um ihn.
Ich habe ein Helfersyndrom. Wenn ich Amanda noch mal sehe und sie's merkt, wird sie mich mit MacLeod vergleichen.
Wie Engin so kurzfristig eine Tischreservierung für das ‚Dorade' bekommen hatte, war Chris schleierhaft. Der Laden war nicht nur für seine hervorragenden Fischgerichte, sondern auch für seine langen Reservierungslisten bekannt.
Sie machten um sieben Uhr Feierabend und fuhren gemeinsam hin.
In der Gartenstraße gab es auch noch einen freien Parkplatz. So brauchten sie nicht weit zu laufen.
So schön das Restaurant auch war, Chris hasste inzwischen Gebäude mit großen Fensterfronten. Besonders wenn es dunkel war, kam er sich vor wie auf einem Präsentierteller. Als der Kellner ihm auch noch einen Platz am Fenster zuweisen wollte, da war Chris in Versuchung, sich wieder umzudrehen und zu gehen. Doch Engin zuliebe beherrschte er sich und bat um einen Platz im hinteren Teil des Restaurants, den sie auch anstandslos bekamen.
Der Tisch war zwar nur drei Tischreihen von der Fensterfront entfernt, aber Chris wurde nicht mehr sofort von außen gesehen und er hatte zwei Wände im Rücken. Engin hatte die Aktion beobachtet, aber erst, als sie Platz genommen hatten, sagte er etwas dazu.
"Du bist schon ein wenig paranoid?"
"Wundert dich das?"
Da schüttelte Engin nur den Kopf und nahm seine Speisekarte.
"Inzwischen nicht mehr, aber ‚Du-weißt-schon-wer' spürt dich trotzdem noch, wenn er hier auftauchen sollte."
Dieser Kommentar zauberte ein Grinsen auf Chris' Lippen. Das war trotz allem typisch für seinen Partner. Und leider war der Vergleich noch nicht einmal unpassend.
"Stimmt, aber hier hat er Probleme, seine Gorillas auf mich zu hetzen. Ich sitze nicht mehr auf dem Präsentierteller, wie weiter vorne."
"Klar, aber glaubst du, dass ihn das wirklich hindern würde? Was meinst du, wie morgen die Schlagzeile aussehen würde, wenn er meint, hier und jetzt zuschlagen zu müssen?"
Auch Chris hatte seine Speisekarte aufgeklappt, er wusste genau wie Engin, was die ‚Bild' am nächsten Tag schreiben würde.
"Anschlag auf ein Restaurant. Unter den Toten auch zwei Zollbeamte. Durch die Wucht der Explosion wurden die Leichen verstümmelt. War es ein Anschlag der Schutzgeldmafia? … Und dabei bräuchten wir noch nicht mal ein Ministerium, das einen Gedächtniszauber anwendet."
Chris stockte, da der Kellner an ihren Tisch kam. Diese makabere Unterhaltung war nicht für fremde Ohren bestimmt. Der allgemeine Geräuschpegel hatte bisher verhindert, dass die Nachbartische ihre fast schon gemurmelte Unterhaltung mitbekam.
"Haben Sie sich schon für ein Getränk entschieden? Wir haben einige exzellente Weine, die ich Ihnen sehr empfehlen kann."
Chris legte die Speisekarte beiseite und nahm die Weinkarte.
"Was meinst du, Engin? Sollen wir uns eine Flasche teilen? Wenn ich die Fischkarte so sehe, dann habe ich Lust auf einen Weißwein."
Auch Engin nahm die Weinkarte und studierte die verschiedenen Sorten.
"Und an welchen hättest du gedacht?"
"So die Ahnung hab ich auch nicht, aber der Assyrtiko von 2002 hört sich gut an. Können Sie den empfehlen?"
Damit wandte Chris sich an den Kellner.
"Ja, sehr sogar. Der Assyrtiko ist ein griechischer Wein, hat einen frischen Geschmack mit einer feinen Säure und sein Aroma ist sehr fruchtig."
Du hast wohl die Weinkarte auswendig gelernt. Lesen, was unter dem Wein steht, kann ich auch.
Auch Engin hatte gemerkt, dass der Kellner nicht wirklich Ahnung hatte. Doch er stimmte Chris' Auswahl zu.
"Das hört sich gut an. Den nehmen wir."
Mit einem Senken des Kopfes akzeptierte der Kellner ihre Bestellung.
"Wünschen Sie auch noch einen Aperitif?"
"Nein, und wir bestellen, wenn Sie uns den Wein bringen."
"Wie Sie wünschen."
Engin wartete, bis der Ober sie nicht mehr hören konnte.
"Wow, was für eine Weinkenntnis! Ich bin beeindruckt."
Die Ironie triefte aus jedem einzelnen Wort.
"Du hast den Laden ausgesucht, nicht ich."
Dabei griff Chris wieder zur Speisekarte und versuchte, sich für ein Gericht zu entscheiden, was bei der Auswahl gar nicht so einfach war.
"Deswegen kann ich auch darüber lästern. Aber das Essen ist wirklich fantastisch."
Sie unterhielten sich einige Minuten über das für und wider der einzelnen Gerichte, bis der Kellner mit dem Wein zurückkam und ihre Bestellung aufnahm. Natürlich mussten Engin den Wein kosten, bevor ihre Gläser gefüllt wurden.
Als der Kellner wieder weg war, trank Chris einen Schluck und genoss die harmonische Atmosphäre. Er hatte das vermisst.
"Ich habe über unser letztes Gespräch nachgedacht."
Das war's mit dem Frieden und der Harmonie. Konnte er nicht bis nach dem Essen warten?
"Ja… Muss ich mir jetzt Sorgen machen?"
Der Seufzer war zwar ein klein wenig übertrieben, aber das Ergebnis war es wert. Engins Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
"Jetzt lass mal deine Ironie. Die wirkt bei mir nicht mehr. Das müsstest du doch inzwischen wissen."
"Ich weiß, aber ein Versuch war's wert."
"Nicht bei mir. Damit kannst du vielleicht Amanda oder diesen Joe Dawson beeindrucken, aber mich nicht."
Was will er jetzt noch wissen? Ich hab ihm schon mehr erzählt als ich eigentlich wollte.
Engin schien zu merken, dass Chris allein die Erwähnung dieser Namen Bauchschmerzen bereitete.
"Beruhig' dich und deinen Magen. Ich werd' dich nicht vor dem Essen nerven. Schließlich will ich dir nicht den Appetit verderben."
Danke, du bist ein wahrer Freund.
"Und wieso glaub ich dir das jetzt nicht?"
"Weiß ich doch nicht. Vielleicht, weil ich schon die ganze letzte Woche keinen Appetit hatte. Sabine hat mich schon gefragt, was mit mir los ist."
Engin spielte einen Moment mit seinem Glas. Dann sprach er weiter.
"Weißt du, sie ist ein Schatz. Obwohl sie selbst sehr viele Überstunden macht, kocht sie abends für mich. Und ich… ich habe keinen Appetit. Und wenn sie mich fragt, was los ist, dann sage ich, dass mir der Stress auf der Arbeit nicht bekommt. Das Schlimmste ist, dass sie mir glaubt. Was soll ich jetzt machen?"
Erwartet er wirklich ein Patentrezept von mir?
Chris wusste nicht, was er antworten sollte, schließlich hatte er vor nicht allzu langer Zeit auch dieses Problem gehabt. Und eine wirkliche Lösung hatte er auch nicht gefunden.
"Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe damals angefangen, Sport zu treiben. Und irgendwann ist der Körper so ausgehungert, dass er sämtliche Gewissensbisse ignoriert, und ich alles gegessen habe, was ich kriegen konnte. Aber ich glaube nicht, dass dies eine Lösung für dich ist."
Ein Kopfschütteln zeigte Chris, dass Engin seine Meinung teilte.
"Ich? Sport? Exzessiv? Nein danke, das ist nichts für mich."
Doch bevor Chris antworten konnte, fühlte er in seinem Kopf einen fast schon vertrauten Schmerz.
Scheiße verdammte. Hat man denn nie seine Ruhe.
Chris atmete einmal tief ein und aus. Hochblicken würde er nicht. Er hatte keine Lust, sich zu verraten.
"Was ist los, Chris? Hab ich was Falsches gesagt?"
"Nein, ich habe nur plötzlich Migräne bekommen."
"Oh, Scheiße!"
Bevor Engin sich umdrehen konnte, legte Chris seine Hand auf Engins Arm.
"Nicht, solange es nicht ‚Du-weißt-schon-wer' ist, kann derjenige mich nur finden, wenn ich mich auffällig verhalte. Also blick' dich nicht um, sonst hält man dich womöglich für ‚Du-weißt-schon-was'."
Engin stutzte und dann verstand er, was Chris meinte. Kopfschüttelnd gab er einen Kommentar ab.
"Du bist ganz schön verrückt. In so einer Situation auch noch zu scherzen."
"Ich bin nicht verrückt. Sonst hättest du mich schon längst in die Klapse eingewiesen."
"Glauben Sie etwa, dass Sie dorthin gehören?"
Dieser Akzent. Chris hörte ihn inzwischen oft genug in seinen Albträumen, um zu wissen, wer dort neben ihrem Tisch stand.
Scheiße, scheiße, scheiße! Er kann nur die letzten Sätze verstanden haben. So leise, wie wir gesprochen haben.
Ganz langsam, keine hektischen Bewegungen machend, ließ Chris Engin los und drehte sich zu Bechthold. Er musterte seinen Feind.
"Ich bin erstaunt, Sie hier zu sehen. Eigentlich sollten Sie sechs Fuß unter der Erde liegen…"
"… oder zumindest auf der Intensivstation. Ich hatte nicht gedacht, dass ich so schlecht gezielt hatte", fügte Engin hinzu. Doch Chris hatte noch eine andere Version parat, die er Bechthold unterschieben wollte.
"Aber vielleicht hatten Sie ja eine kugelsichere Weste an. Da Sie recht schnell Verstärkung bekamen, konnte ich das nicht überprüfen. Ich hatte andere Prioritäten."
"Glauben Sie wirklich? Sie haben doch nichts dagegen, dass ich mich einen Moment zu Ihnen setze? Nicht lange, ich bin von Geschäftspartnern eingeladen worden und ich muss mich gleich wieder um sie kümmern."
Jetzt weiß ich, warum uns niemand informiert hatte, wo du Arsch heute Abend bist.
Schließlich hatte Chris aus gutem Grund die Anweisung gegeben, informiert zu werden, wenn Bechthods Terminkalender sich änderte.
Bechthold ließ Chris gar keine Zeit, eine Antwort zu geben, und setzte sich einfach und beugte sich zu den beiden.
"Langsam verstehe ich, warum Sie unzertrennlich sind. Dieses stillschweigende Einverständnis und diese vertrauliche Art. Es hat mich nur irritiert, dass ihr Partner mit dem ungewöhnlichen Namen bei unserem ersten Zusammentreffen eine Freundin hatte. Leider hatte diese ja vor einigen Monaten einen Unfall, so dass sie mir bei euch nicht mehr weiterhelfen konnte. Aber jetzt ist mir alles klar."
Was war mit Claudia? Verdammt, ich kann mich nicht genau erinnern. Ich weiß nur, dass ich sie abgehakt hatte.
Doch dann lächelte Bechthold sehr anzüglich und lenkte Chris damit ab. Zu oft schon hatte dieser in seiner Zeit mit Eddie diese Blicke spüren müssen und am liebsten hätte seine Faust ihren Weg in Bechtholds Gesicht gesucht. Aber das ging nicht. Er musste sich beherrschen.
"Ach, ist es das? Sie haben also einen Blick für die Feinheiten. Kein Wunder, schließlich sind Sie ein Kunstliebhaber."
Aus dem Augenwinkel sah Chris, dass Engin sich zurücklehnte und versuchte, sich herauszuhalten.
"Das eine bedeutet nicht, dass ich auch einen Blick für das Zwischenmenschliche habe. Aber ich werde heute Abend noch ein Rendezvous mit einem feigen Schwulen und seinem Lover haben. Und ich habe heute Nachmittag einige Aufnahmen von ihm bekommen, auf denen er sich genau so verhalten hat wie Sie gerade eben. Und da habe ich eins und eins zusammengezählt."
Bechtholds Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber es erreichte nicht seine Augen.
"Der Gute weiß nur noch nichts von seinem Glück. Schließlich hat er nicht mitbekommen, dass ich ihn beobachten lasse. Eigentlich ist er es gar nicht wert, dass ich mich um ihn kümmere, aber ich habe noch eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen. Es wird sicher eine böse Überraschung für ihn werden, wenn er von seinem Fitnesscenter nach Hause kommt und eine heiße und innige Begegnung mit Gesse haben wird. Und dann gehören die beiden mir."
Fast schon entschuldigend zuckte Bechthold mit seinen Achseln.
"Irgendwoher muss ich ja meine Befriedigung bekommen, wenn Sie mir ständig entwischen. Manchmal frage ich mich, ob Sie wirklich so unwissend oder einfach nur ein begnadeter Schauspieler sind."
Die Leitung war nicht lang. Fast sofort begriff Chris, auf wen Bechthold da anspielte. Er konnte es einfach nicht glauben. Bechthold hatte Thomas aufgespürt und wollte ihn und Eddie umbringen.
Nicht Eddie! Alles nur das nicht! Bleib' ruhig, Chris, reg' dich nicht auf, sonst merkt er noch was.
Bei dem Chaos, das in Chris' Kopf herrschte, brauchte er sich keine Mühe zu geben, um zu schauspielern, damit er verwirrt aussah.
"Aber so wie Sie mich jetzt ansehen, das kann man nicht schauspielern. Wissen Sie, wenn ich nicht mit meinen Geschäftsfreunden essen müsste, dann… aber ich habe schon zu viel Zeit bei Ihnen verbracht."
Ich muss Zeit schinden. Irgendwie.
Bevor Bechthold aufstehen konnte, legte Chris eine Hand auf seinen Arm. Auch wenn ihm dabei eine Gänsehaut über den Rücken lief.
"Was wollen Sie eigentlich von mir? Vielleicht kann ich Ihnen ja weiterhelfen, wenn ich weiß, warum Sie diesen Zirkus veranstalten."
"Ich will mit Ihnen kämpfen. Auf Leben und Tod. Sie scheinen ein angemessener Gegner zu sein und das reizt mich. Heutzutage gibt es nur wenige Menschen, die das gewisse Ewas haben."
Nette Umschreibung für ‚Du bist auch unsterblich'.
"Ah, angemessen nennt man das."
Chris sagte nichts mehr, nahm seine Hand von Bechtholds Arm, hob das Weinglas, trank einen Schluck und wartete, bis Bechthold sich erhob. Erst dann ließ er die Bombe platzen. Seine Stimme war genau so leise wie schon den ganzen Abend. Doch jetzt hatte sie noch einen harten und bestimmten Unterton, der nicht zu überhören war.
"Wenn Sie wirklich Interesse haben… Ich werde um zehn Uhr im Palmengarten auf Sie warten. Alleine. Vorausgesetzt, Sie haben den Mut, sich mit mir zu messen, ohne dass Ihre Gorillas nachhelfen."
Bechthold drehte sich um und musterte Chris. Die Überraschung war ihm deutlich anzusehen. Und von Engin hörte Chris einige hektische Atemzüge.
"Der Palmengarten ist groß."
"Die Steppenwiese dürfte klein genug sein, dass wir uns nicht verfehlen. Und? Sind Sie wirklich daran interessiert? Oder haben Sie nur geblufft?"
"Wenn Sie mir jetzt sagen, an welche Waffen Sie gedacht haben. Ja, ich bin dabei."
Wenn Chris jetzt das Schwert vorschlagen würde, dann würde er sich verraten.
"Ich habe die Zeit und den Ort bestimmt, also haben Sie die Waffenwahl. Aber bitte keine, die viel Lärm machen. Ich habe keine Lust, plötzlich mit dem Sicherheitsdienst konfrontiert zu werden."
"Das will ich auch nicht. Sie haben doch letzte Woche mein Schwert mitgenommen. Haben Sie es noch?"
Chris wusste ganz genau, was Bechthold wollte, und nickte.
"Gut. Hervorragend. Dann wähle ich Schwerter als Waffe. Sind Sie einverstanden?"
Bevor Chris antworten konnte, kam der Kellner und brachte die Vorspeise. Hatte sich Chris noch vor wenigen Minuten auf die Scampi gefreut, so hatte er jetzt das Gefühl, dass ihm die Henkersmahlzeit gebracht wurde.
Chris wartete, bis sie wieder unter sich waren, bevor er weitersprach.
"Sie scheinen geradezu einen Schwerttick zu haben. Aber meinetwegen. Um zehn Uhr. Nur wir zwei. Seh' ich einen ihrer Schoßhündchen, dann hat sich die Vereinbarung erledigt. Palmengarten an der Steppenwiese. Mit... Schwertern."
Mit einem Kopfschütteln wollte Chris deutlich machen, wie seltsam die Wahl der Waffen für ihn war.
Dann reichte er Bechthold die Hand. Der Heilige Abend hatte Chris gezeigt, wie wichtig der Handschlag für diesen Mann war. Deswegen wollte er auf Nummer sicher gehen.
Der andere Unsterbliche zögerte einen Moment und blickte auf Chris' ausgestreckten Arm. Dann schlug er ein.
"Einverstanden. Wenn ich gewusst hätte, dass man mit Ihnen reden kann…"
"… dann hätten Sie den Umweg über Bernhard nicht gemacht. Ja, das kann ich verstehen."
"Apropos. Wie geht es dem Jungen eigentlich."
"Gut, sehr gut."
Bechthold schien noch etwas sagen zu wollen. Doch dann wurde er gerufen. Chris hob den Kopf und sah, dass es Gesse war.
"Sie sollten sich besser um Ihre Geschäftspartner kümmern. Wir sehen uns später."
"Ja, das werden wir."
Damit drehte Bechthold sich um, ging zu seinem Tisch am anderen Ende des Raums und widmete sich seiner Begleitung.
"Was soll das jetzt…"
Doch Chris achtete nicht weiter auf Engin. Er stand auf und ging auf die Toilette. Den Drang zu laufen konnte er gerade eben noch unterdrücken.
Engin hatte ihn eingeholt, als Chris seine Handgelenke unter dem Wasserstrahl kühlte. Dabei versuchte er, seine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken, um einen Plan zu entwickeln. Er musste seine Gefühle wieder unter Kontrolle bekommen, sonst war er verloren.
Chris schloss seine Augen uns konzentrierte sich auf seine Meditationsübungen. Erstaunlicher Weise wirkte es fast sofort.
Dabei konnte Chris Engins Präsenz spüren. Zuerst blieb sein Partner hinter Chris stehen und schwieg. Dafür war er ihm sehr dankbar. Auch schienen sie die einzigen zu sein, die auf der Toilette waren. Doch Engin ging wohl auf Nummer sicher, dass auch wirklich niemand ihr Gespräch mithören konnte, denn Chris hörte, wie er sich umdrehte und die Toilettenkabinen überprüfte. Danach hörte Chris Engins Stimme hinter sich.
"Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, dich zu verstehen, dann überraschst du mich wieder. Warum bist du auf die Herausforderung eingegangen?"
Chris öffnete seine Augen und sah seinen Partner an. Engin hatte sich neben dem Waschbecken an die Wand gelehnt und beobachtete den Eingang.
Vor Kälte waren seine Finger fast weiß geworden, doch Chris hatte es nicht gemerkt. Er drehte den Wasserhahn ab und trocknete sich die Hände ab.
"Weißt du, wer der feige Schwule und sein Lover sind?"
Dabei drehte er sich zu Engin um. Dieser setzte zu einer Antwort an, stutzte aber, als er Chris' Gesichtsausdruck sah. Dann schien er zu verstehen.
"Sag nicht, dass"
"Doch, Eddie hat wirklich einen ganz besonderen Geschmack, in allen Dingen."
Es dauerte einige Sekunden, bis Engin seinen Mund wieder schloss.
"Und woher weißt du, dass Thomas…"
Du stehst wirklich auf'm Schlauch, mein Freund.
"Wie du dich vielleicht erinnern kannst, hatte mich Mike im November gebeten, mich ein wenig um Eddies Neuen zu ‚kümmern'. Und dabei habe ich halt herausgefunden, was mit ihm los ist, und dass dies wahrscheinlich der Grund ist, warum Mike ihm nicht traut."
"Er ist also schon etwas länger im Geschäft."
"Kann man wohl sagen."
Auf Engins Blick schüttelte Chris den Kopf.
"Frage niemals einen von uns nach seinem wahren Alter. Du wirst keine Antwort bekommen."
"Noch so ein ungeschriebenes Gesetz?"
"Ja, so ungefähr."
Chris betrachtete sich einen Moment im Spiegel, dann fiel ihm noch etwas ein.
"Sag mal, was hat Bechthold da von Claudia erzählt? Habe ich da irgendetwas verpasst?"
"Ja, ich hab' dir Ende September ein Memo geschickt, weil sie ja auch irgendwie in den Fall verwickelt war. Sie ist doch auf eine ganz blöde Art und Weise bei einem Autounfall gestorben. Es gab genügend Zeugen und so, wie es passiert ist, war es absolut typisch für sie."
Stimmt, ich wollte sie für den Darwin-Award vorschlagen.
„Ich hatte mich damals gewundert, dass du nicht mit mir darüber geredet hattest."
Darauf zuckte Engin mit den Schultern.
„Was gab' es darüber groß zu bereden. Die Beziehung war vorbei und sie war tot. Und doch hat es irgendwie weh' getan, so dass ich einfach nicht in der Stimmung war, darüber zu reden. Aber inzwischen habe ich es verdaut und es ist egal."
Engin schien auch heute nicht weiter darüber sprechen zu wollen. Stattdessen wechselte er das Thema.
"Und was machen wir jetzt?"
"Essen. Es wäre eine Schande, diese leckeren Sachen wieder zurückgehen zu lassen. Und mit etwas im Magen kämpft es sich leichter."
"Und dann? Wie geht es weiter?"
"Das kann ich dir noch nicht sagen. Aber vielleicht fällt mir ja gleich was ein. Und jetzt lass uns zurück gegen, sonst denken die wirklich noch, dass wir ein Paar wären."
"Du spinnst. Wie kannst du nur in so einer Situation essen?"
"Ich muss."
Chris hatte schon die Tür geöffnet und drehte sich noch mal um.
"Und außerdem lenkt es ab."
Seufzend stieß sich Engin von der Wand ab und folgte Chris.
Wieder im Speisesaal hätte sich Chris am liebsten für seine eigene Dummheit in den Allerwertesten getreten.
Auch wenn die Observation vorrangig das Ziel hatte, Bechthold nicht aus den Augen zu lassen, es würde die Jungs schon interessieren, mit wem dieser gesprochen hatte.
Und ich Esel bin danach auch noch aufgestanden. Hoffentlich war gerade der Pizzabote an ihrem Auto und sie haben's nicht gesehen.
Schweigend setzte er sich hin und versuchte zu essen. Er musste nicht nur Bechthold in wenigen Stunden gegenübertreten. Nein, er musste auch noch Thomas und Eddie aus der Schusslinie bringen und dafür sorgen, dass Bechthold sämtliche Beobachter abhängte.
Und die Scampi sind kalt. Ich mag keinen kalten Fisch.
Nach zwei Bissen schob er den Teller zur Seite. Engin hatte gar nicht erst seine Fischsuppe probiert. Er rührte nur mit dem Löffel in der Suppentasse. Er schien zu spüren, dass Chris ihn musterte und blickte hoch.
"Eigentlich solltest du doch froh sein, dass du keinen Appetit hast, Engin. Einfacher kannst du nicht abnehmen, auch wenn du gerade dein Geld zum Fenster rauswirfst."
Chris war sich bewusst, dass der Kommentar nicht nett war, aber irgendwie musste er Dampf ablassen. Und Engin war dafür das passende Opfer.
"Danke, du bist mal wieder sehr mitfühlend. Und ich überlege gerade, wie ich dir schonend beibringe, dass Kallenbach und Deichsel heute Nachtschicht haben werden."
Den Löffel hielt Engin fast schon drohend in Chris' Richtung, aber sein Tonfall war nicht wirklich verärgert. Eher verständnisvoll.
"Das ist mir auch schon eingefallen, schließlich habe ich den Schichtplan gemacht. Und ich Idiot bin eben auch noch aufgesprungen, gerade als Bechthold von uns weggegangen ist. Wenn Schneider und Richter nicht komplett blind gewesen sind, dann habe ich morgen früh die Mordkommission am Hals."
"Ich glaube nicht, dass sie uns gesehen haben. Schräg gegenüber ist 'ne Pommesbude. Die werden sich auch den Magen voll schlagen. Schließlich wissen sie, mit wem Bechthold rein gegangen ist. Im Moment müssen die doch nur darauf achten, dass er ihnen nicht abhaut."
"Dann ruf ich die zwei mal an und frag sie, wo sie sind. Wenn sie uns gesehen haben, dann muss ich das Treffen mit Bechthold verschieben und mich erst mal drum kümmern, Eddie und Thomas aus der Schusslinie zu bringen."
Engin wollte antworten, aber Chris stoppte ihn, weil der Kellner im Anflug war. Er bediente zwar nur am Nachbartisch, hätte aber mithören können.
Als er wieder weg war, nahm Engin den Faden auf.
"Sag mal, reicht es nicht, wenn du Thomas einfach anrufst? Der ist doch alt genug, um zu wissen, was es bedeutet, wenn sich Bechthold an seine Fersen geheftet hat."
"Man hat ihm letzte Woche sein Handy geklaut. Im Fitnesscenter rufen die niemanden ans Telefon und was meinst du, was los ist, wenn ich Eddie anrufe und ihm bitte, Thomas etwas auszurichten?"
"Oh!"
Dann realisierte Engin, was Chris gerade gesagt hatte.
"Ein Moment, woher weißt du, dass sein Handy geklaut ist? Du hast doch gesagt, dass du im November auf Mikes Wunsch-"
"Stimmt, aber wir verstehen uns ganz gut und können voneinander lernen. Wir treffen uns in unregelmäßigen Abständen."
Engins Blick verriet Chris alles. Er fragte sich, wie viele Geheimnisse Chris noch in Petto hatte, schwieg aber dazu. Er wendete sich wieder dem aktuellen Problem zu.
"Und wie geht es jetzt weiter?"
"Ich rufe jetzt Schneider an. Und danach entscheide ich."
Chris nahm sein Handy und wählte Schneiders Nummer. Engins Vermutung bestätigte sich. Sie saßen in der Pommesbude gegenüber und hatten nichts von dem mitbekommen, was sich im Restaurant abgespielt hatte. Sie hatten nur den Eingang im Auge behalten.
Erleichtert legte Chris kurz darauf auf.
"Du hattest Recht, Engin. Ein Problem weniger. Kannst du dich um Eddie und Thomas kümmern?
"Wie das?"
"Wenn Gesse nachher den Laden verlässt, dann folgst du ihm und schaltest ihn aus. So, dass er nicht mitbekommt, dass du es bist. Ich weiß, dass ich viel von dir verlange, aber ich weiß nicht, wie ich das alles zeitlich unter einen Hut bekommen soll."
"Mach dir darüber keine Sorgen. Mit Gesse werde ich fertig. Und ich habe vor, ihm eine dicke fette Beule zu verpassen. Ich werde nicht noch einmal töten. Wie geht's weiter?"
Engin bemühte sich, sehr leise zu sprechen. Chris musste sich vorbeugen, um ihn verstehen zu können.
Ich hab dich gar nicht verdient.
"Anschließend fährst du zu Eddies Wohnung und wartest auf Thomas. Dir wird er öffnen. Wenn Thomas da ist, richtest du ihm schöne Grüße von mir aus und sag ihm, dass Bechthold auf seiner Spur ist. Er weiß schon, was er dann zu tun hat."
"Und was mache ich anschließend?"
"Du bringst Eddie in Sicherheit. Fürs erste in meine Wohnung. Ich geb' dir meine Schlüssel und meld' mich anschließend. Falls ich…"
Chris schluckte, es fiel ihm schwer weiterzureden.
"Falls ich nicht zurückkehren sollte, dann sorg' dafür, dass er solange abtaucht, bis die offizielle Show gelaufen ist. Scheißegal, wo Bechthold in dem Moment steckt."
"Ist das nicht eigentlich Thomas' Job?"
Wie sollte Chris Engin begreiflich machen, dass Thomas in anderen Maßstäben dachte. So sehr dieser auch Eddie liebte, Chris ging davon aus, dass Thomas erst sich in Sicherheit brachte und dann irgendwann an Eddie denken würde.
Für Eddie ist es auch besser so.
"Ich bezweifle, dass Eddie in seiner Nähe sicher wäre. Und außerdem wird Thomas schneller das Land verlassen als du Piep sagen kannst. Glaubst du, dass Eddie freiwillig seine Werkstatt aufgibt?"
"Ich wage es zu bezweifeln. Aber was ist mit dir? Wer kümmert sich im Palmengarten um dich? Du brauchst doch jemanden, der dir den Rücken freihält."
Da konnte Chris nur den Kopf schütteln. Mit einer Antwort musste er allerdings warten, denn der Kellner kam und räumte mit einem Stirnrunzeln die fast vollen Teller ab, sagte aber nichts.
"Bechthold ist auf seine Art und Weise ein Ehrenmann und wird alleine kommen. Und du hältst mir den Rücken am besten frei, indem du dafür sorgst, dass Eddie in Sicherheit ist. Ich hoffe, du verstehst mich."
"Verstehen ist anders. Aber ich mach's. Und was ist mit Bechtholds Eskorte, von der er gar nichts weiß? Wenn Kallenbach herausfindet, was läuft, dann wird er auch dafür sorgen, dass du lebenslänglich bekommst."
"Ich weiß, noch ist mir nichts Vernünftiges eingefallen. Bechthold über seinen Anhang zu informieren, ist keine wirklich gute Idee, aber wenn mir nichts anderes einfällt, dann werde ich's machen."
Den Wein, den Engin trinken wollte, hustete er aus. Als er sich beruhigt hatte, machte er Chris' Vorwürfe.
"Du bist verrückt! Damit gefährdest du die ganze Aktion. Der wird sich doch absetzen, falls er dich überlebt."
Stimmt, aber er denkt, dass du mich rächen wirst. Und er hält dich für verdammt gut.
Der Seitenblick, mit dem Bechthold Engin gemustert hatte, war Chris nicht entgangen.
"Und was wird er machen, wenn er mich besiegen sollte, und nichts davon weiß?"
"Hmm, versuchen, Thomas auch noch zu erledigen. Und wenn er wirklich glaubt, dass wir beide was miteinander haben, dann hat er ein Problem, weil er denkt, dass ich seinen Kopf haben will. Und von mir hat er keine Adresse. Also wird er Frankfurt verlassen und warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist."
"Yeep! Und wo ist der Unterschied?"
"Chris, du bist ein Arschloch."
"Für dich doch immer. Und außerdem, Bechthold weiß, dass gegen ihn wegen Bernhard ermittelt wird. Soll er doch denken, dass er beschattet wird, weil die Kripo denkt, dass er den Jungen entführt hat."
Da konnte Engin nur noch nicken.
Als der Kellner mit dem Hauptgericht – Dorade im Salzteig für zwei Personen – kam, bestellte Chris Wasser. Weder er noch Engin konnten es sich jetzt leisten, Alkohol zu trinken. So lecker das Essen auch roch. Es kostete Chris einiges an Überwindung zu essen. Aber er brauchte eine Grundlage für den restlichen Abend. Nichts war schlimmer, als mit knurrendem Magen zu kämpfen.
