Disclaimer:
Alles, was nicht Eigentum von Joanne K. Rowling ist, gehört Quillitch und ihrer Fanfic „Hand-me-down Clothes". Dies ist nur eine Übersetzung. Mir gehört absolut gar nichts.
Kapitel Drei: Verzogener Bengel oder vernachlässigtes Waisenkind
Als Dumbledore von einem begeisterten Harry Potter aus dem Wohnzimmer gezerrt wurde, kam ein fetter Junge die Treppe heruntergerannt und schubste Harry absichtlich in der Diele um.
„Uuups!", rief der Junge und bedauerte offensichtlich überhaupt nicht den kleineren, viel dünneren Harry angerempelt zu haben.
„Wer sind Sie?", fragte er dann Dumbledore und betrachtete neugierig den Mann mit dem Bankeranzug und dem langen, buschigen, weißen Bart, der mit dem des Weihnachtsmanns konkurrieren konnte.
„Ich bin Mr. Dumbledore", erwiderte Albus und starrte mit missbilligendem Blick über seine halbmondförmigen Brillengläser. „Du musst Dudley Dursley sein."
„Ja, sind Sie ein Freund von Dad?"
„Ich bin hier um Harry zu besuchen", erklärte Dumbledore und ließ die Frage, ob er ein Freund von Vernon Dursley sei oder nicht, für später offen, nachdem er Harrys Zimmer und Leben im Allgemeinen begutachtet hatte.
„Harry?", schnaubte Dudley, „Warum ihn besuchen?"
„Ich kannte Harrys Mutter und Vater, und ich bin sein Vormund, falls deinen Eltern je etwas passieren sollte."
Dudley rümpfte nur die Nase, als ob Harry schlecht riechen würde. Während der Unterhaltung hatte er Harrys Anwesenheit sichtlich ignoriert außer natürlich, dass er ihn gegen die Wand gestoßen hatte.
„Dudley!" Petunia Dursley hatte die Küchentür geöffnet, als sie die Stimme ihres Sohnes hörte. „Komm hier her, Dudley, Mami hat einen Eislutscher für dich!"
Sie starrte Dumbledore wütend und mit kaum verborgenem Hass an und, nachdem Dudley begierig hinter ihr in der Küche verschwand, schnauzte sie, „Lassen Sie meinen Sohn in Ruhe, ‚Mr. Dumbledore'!", und knallte die Tür zu.
Harry, der sich mit seinen übergroßen Klamotten an die Wand gelehnt hatte, stand für einen Moment ganz still. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein, seufzte dann und blickte untröstlich drein.
„Was ist denn, Harry?", fragte Dumbledore, als er merkte, dass der Kleine etwas auf dem Herzen hatte.
„Ich hätte gern einen Eislutscher."
„Nun, warum bittest du nicht um einen?", lächelte Dumbledore.
„Ich darf die nicht essen." Harry zuckte mit den Schultern und ging von der Wand weg. Dumbledores Lächeln war angesichts dieser einfachen Bemerkung, die so viel über Harrys Leben aussagte, verblasst.
„Hier ist mein Schlafzimmer." Harry lächelte Dumbledore kurz zu, als er den Schnappriegel des kleinen Schranks aufschob, der eher nach einem Spind für Mäntel oder einer Abstellkammer unter der Treppe aussah.
Die verzogene, alte Tür – tapeziert, um mit dem Rest des Flurs zu harmonieren – wurde geöffnet und Harry verschwand ins Innere; Dumbledore stand völlig verwirrt in der Diele, „Harry?"
„Hier drinnen!", rief Harry und Dumbledore konnte seine ausgestreckten Füße erkennen. Er saß offensichtlich auf etwas, das einem provisorischen Lager ähnelte. Dumbledore trat verwirrt näher und steckte vorsichtig den Kopf nach innen, wo er Harry erkennen konnte, der auf einem kleinen zusammenklappbaren Bett saß. Direkt darüber befand sich ein angenageltes Brett als Regal und ein langer, baumelnder Schalter für eine winzige Lampe.
„Kommen Sie rein und setzen Sie sich!" Harry klopfte auf das Bett neben sich, und Dumbledore zog bereitwillig den Kopf ein und belastete vorsichtig das betagte Klappbett mit seinem Gewicht. Er machte einen Buckel, um sitzen zu können, und schlug sich dennoch den Kopf an der Decke, woraufhin Harry kicherte.
„Nun, ich bin froh, dass du das so lustig findest", grummelte Dumbledore während er Harry mit gespielter Empörung anstarrte und sich den angestoßenen Kopf rieb. Die Decke hier drinnen neigte sich entsprechend der Treppe und wurde damit zum Ende des Bettes immer flacher.
„Ich nehme an, das ist dein Spielzimmer?", erkundigte sich Dumbledore.
„Das ist mein Schlafzimmer." Harry sah sich um, begutachtete den muffigen Schrank nachdenklich und gleichzeitig stolz – er gehörte schließlich ihm allein.
„Ja, aber wo schläfst du wirklich?", fragte Dumbledore geduldig.
„Hier!", antwortete Harry, und blickte überrascht angesichts einer solch seltsamen Frage.
„Hier?", wiederholte Dumbledore und neigte den Kopf, „Sei ehrlich, Harry, ich frage nach dem Ort, wo du schläfst, wo all deine Kleidung und Habseligkeiten aufbewahrt werden."
Ohne ein Wort stand Harry auf, kniete sich auf das schmale Stück Boden vor dem Bett, griff darunter und zog ein Paar viel zu große, senfgelbe Socken hervor, einige Unterhosen, eine lange Hose, und hielt dann kurz inne, um eine Spinne zu entfernen. Ein Schulhemd, eine Haarbürste, deren Borsten größtenteils fehlten, und eine ausgewaschene Jeans-Jacke kamen zum Vorschein. Er legte alles auf das Bett und klopfte die Bettdecke ab, um seinen Pyjama aus zweiter Hand zu finden, den er Dumbledore als Beweis zeigte, dass er hier schlief.
Dumbledore nahm den Pyjama; er war dünn, da er von jemand anderem viele Male getragenen und zerwaschen wurde, und er war weich, aus Baumwolle wahrscheinlich. Albus versuchte zu begreifen, was er hier sah, was hier vor sich ging. Es musste eine logische Erklärung dafür geben.
„Ich nehme an, dass du hier nur momentan bleiben musst, weil sie oben renovieren?" Dumbledore lächelte Harry zuversichtlich an, der noch immer am Boden neben seinen Füßen kniete.
„Nein, Mr. Dumbledore. Ich schlafe immer hier, das ist mein Schlafzimmer." Harry war nun verwirrt, weil Mr. Dumbledore immer wieder die gleiche Frage stellte und Harrys Antwort ignorierte.
„Das ist das Zimmer, in dem du die letzten sechs Jahre geschlafen hast?", fragte Dumbledore noch einmal.
„Ja, Sir."
„Dieser Schrank ist dein Schlafzimmer?"
„Ja, Mr. Dumbledore."
„Du schläfst hier jede Nacht?"
„Ja, Mister."
„Dies ist dein Schlafzimmer?" Dumbledore verdrehte den Stofffetzen in seinen Händen, eine furchtbare Gewissheit wuchs in ihm und er spürte den Beginn eines Wutausbruchs kommen, wie eine mitreißende Welle, die ihn hineinsog.
„Sag mir, Harry, wo schläft dein Cousin, kannst du mir das bitte zeigen?"
„Ja, Mr. Dumbledore."
Harry stand mit einem Satz auf, der zeigte, dass er noch immer klein genug war, um sich hier sorglos zu bewegen zu können. Dumbledore folgte ihm mit weitaus größerer Vorsicht. Sie stiegen die Treppe hoch und kamen zu einem, mit Teppich ausgelegten Flur, in dem fünf Türen zu sehen waren. Eine Tür war angelehnt und eine weitere stand offen; anscheinend das Badezimmer. Harry führte Dumbledore zu der angelehnten Tür, an der sich ein kindliches Schild mit der Aufschrift ‚Dudleys Schlafzimmer' befand. In dem Raum herrschte Chaos: überall auf dem Boden lagen verschiedene Dinge in verschiedenen Zuständen von Unordnung, als ob das Kind eine kurze Aufmerksamkeitsspanne hatte. Das Bett war gemacht und Dumbledore fiel auf, dass es einen schönen leuchtenden ‚Spider-Man' Bettbezug hatte. An den Wänden klebten riesige Poster, die mit auffallenden Logos und verschiedenen Komikhelden protzten.
Jemand hatte offensichtlich versucht aufzuräumen; CDs waren alphabetisch sortiert neben der bunt-blinkenden Stereoanlage aufgereiht, Game Boy Spiele waren auf einer Kommode neben dem riesigen Glas Süßigkeiten und dem silbergrauen Spielzeugroboter aufgestapelt. Neugierig öffnete Dumbledore eine der Schubladen und fand sie voller sauberer Wäsche. Einiges war ordentlich zusammengelegt, anderes war achtlos hineingeworfen worden, aber alles aus bester Qualität und in der neusten Mode. Er ging vorsichtig zurück zur Tür, wo Harry auf ihn gewartet hatte. So sollte das Schlafzimmer eines Kindes aussehen, dachte er, als er sich ein klebriges Bonbonpapier vom Schuh entfernte und er fragte Harry:
„Dies ist das Schlafzimmer von deinem Cousin Dudley?"
„Ja."
„Ich verstehe. Die drei anderen Türen führen zum Schlafzimmer deiner Tante und deines Onkels und...?"
„Und dem Gästezimmer", erklärte Harry bereitwillig, „für Tante Magda wenn sie zu Besuch kommt."
„Kommt Tante Magda oft zu Besuch?"
„Nein, ungefähr zweimal pro Jahr, manchmal bringt sie ihren Hund mit." Harry verzog das Gesicht und machte damit deutlich, dass Tante Magda alles andere als seine Lieblingsperson war, und Dumbledore musste lächeln. Sie öffneten die Tür des Gästezimmers und besichtigten den Raum, dessen Wand mit Blumenmustern (vermutlich Ringelblumen) dekoriert war, obwohl ernsthafte Zweifel aufkamen, ob der Zeichner eine Künstlerlizenz besaß.
Als er nichts Interessantes entdeckte, schloss Dumbledore die Tür wieder. Es blieb nur noch eine Tür unerforscht. Er öffnete sie und fand ein weiteres Zimmer – und was für ein Zimmer! Kaum ein Raum, der es wert war, mit Schrott und Spielzeug zugemüllt zu werden. Das meiste war kaputt oder verbogen, nur ein paar Puzzle und einige Bücher schienen die Zerstörungswut des Kindes überlebt zu haben.
„Dudleys Spielzimmer", sagte Harry, während er einen Blick in den Raum warf, vorbei an Dumbledore, der die Tür offen hielt (und gegen den dahinterliegenden Vogelkäfig drückte).
„Warum ist dieser Raum nicht dein Schlafzimmer, Harry?", fragte sich Dumbledore laut, obwohl er eigentlich keine Antwort erwartete.
„Weil ich eine Missgeburt bin", sagte Harry leise.
Eine Stille trat ein. Dumbledore bewegte sich nicht, als er noch immer die Tür zu dem Zimmer, das das Tagebuch eines verwöhnten Kindes enthielt, offen hielt. Neben ihm stand ein vernachlässigtes und verwahrlostes Kind, und Albus' Hand umklammerte den Türgriff immer fester, bis seine Knöchel weiß wurden.
„Sie geben mir viel, Onkel Vernon und Tante Petunia. Ein Dach über dem Kopf und etwas zum Essen, ich sollte dankbar sein." Harry klang nicht sonderlich dankbar, aber er klang traurig, als ob er glaubte, er hätte nichts Besseres verdient.
Die Stille dauerte an und Albus Dumbledore konnte nicht fassen, was er heute gesehen und gehört hatte. Ein eisiger Klumpen in seinem Magen erinnerte ihn an Lillys und James' Liebe für ihren Sohn, als sie noch am Leben waren. Er fühlte sich unendlich schuldig, dass er so etwas hatte geschehen lassen, dass er sich erst nach sechs Jahren zum ersten Mal nach dem Jungen erkundigte und dass er Lillys und James' Vertrauen verraten hatte.
„Ich meine, sie hätten mich in ein Waisenhaus bringen können, ich hätte enden können wie Oliver Twist, der nur Lumpen trägt und arbeiten muss."
„Lumpen? Du trägst Lumpen, Harry!"
„Sie sind nicht so schlimm, Mr. Dumbledore", protestierte Harry matt, während er vergeblich versuchte, sein übergroßes T-Shirt in die Hose zu stecken. Dumbledore löste seinen eisernen Griff an der Tür und kniete sich vor den kleinen Jungen.
„Gefällt es dir hier, Harry? Fühlst du dich hier glücklich und sicher?" Er nahm das Hemd des Jungens, faltete es zusammen und befestigte es dann unter der Schnurr, die als Harrys Gürtel fungierte.
Harry sagte nichts, und zuckte nur mit den Schultern.
„Erinnerst du dich an deine Eltern, Harry? Sie liebten dich über alles."
„Nein, Mr."
„Du erinnerst dich nicht, was passiert ist?" Eigentlich hoffte Dumbledore sehr, dass Harry nicht wusste, wie seine Eltern gestorben waren. Er war damals gerade mal ein Jahr alt gewesen.
„Der Autounfall? Nein, aber manchmal kann ich mich an ein grünes Licht erinnern, ich weiß aber nicht warum."
„Ein Autounfall?", wiederholte Dumbledore verwirrt.
„So sind meine Mama und mein Papa gestorben", erklärte Harry schlicht.
„Nein, Harry, deine Eltern starben nicht bei einem Unfall!"
„Oh", sagte Harry nur. Dumbledore seufzte und fing noch einmal von vorne an.
„Gefällt es dir hier, Harry?" Er sah Harry direkt in die Augen und hob fragend eine Augenbraue.
„Nicht sehr, Mr. Dumbledore." Harry errötete, als hätte er etwas Beschämendes gesagt. Dumbledore lächelte, da er nun endlich Fortschritte machte.
„Nun, mir gefällt es hier auch nicht sehr, Harry Potter, und deswegen werden wir jetzt etwas dagegen unternehmen!"
„Was denn?", fragte Harry.
„Du musst hier nicht bleiben, Harry. Im Grunde wäre es mir lieber, wenn du bei jemand anderem wohnen würdest. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie ihre Einstellung dir gegenüber ändern werden." Dumbledore murmelte den letzten Teil leise vor sich hin.
„Ich denke es wird Zeit, dass ich mich noch mal mit deiner Tante Petunia unterhalte", erklärte er mit Entschlossenheit in der Stimme, stand auf, nahm Harrys Hand und sie stiegen gemeinsam die Treppe hinunter in Richtung Küche, in Richtung Freiheit...
Überarbeitet am 18. Mai 2004
Danke an Micha!
