Disclaimer:
Alles, was nicht Eigentum von Joanne K. Rowling ist, gehört Quillitch und ihrer Fanfic „Hand-me-down Clothes". Dies ist nur eine Übersetzung. Mir gehört absolut gar nichts.

Kapitel Acht: Fliegen und modrige Warzen

„Bist du wach, Großvater?"

„Jetzt bin ich es, Harry."

„Gehen wir heute fliegen?"

„Wie sieht denn das Wetter aus?", fragte Mr. Dumbledore, dessen Augen noch immer geschlossen waren, um noch ein kleines Bisschen länger schlafen zu können.

„Gut!", sagte Harry zuversichtlich.

„Bewölkt?", fragte Dumbledore eifrig.

„Neeeein..."

„Nein?"

„Nein."

„Blauer Himmel?"

„Ähmm, jaaaa", antwortete Harry ausweichend.

„Ja? Oder nein?"

„Irgendwie ist es noch dunkel draußen, Opa."

„Das könnte daran liegen, dass es erst halb sieben ist, Harry."

„Glaubst du, wir können heute fliegen gehen?", fragte Harry hoffnungsvoll.

„Ich denke schon", stimmte Dumbledore zu. Er öffnete die Augen und sah einen begeisterten Harry in seinem Gryffindor-Löwen Pyjama.

„Magst du eine Tasse Tee, Großvater?"

„Ich hätte sehr gerne eine Tasse Tee, Harry." Dumbledore lächelte, „Aber wenn du Tee holen möchtest, dann zieh bitte einen Morgenmantel und meine Hausschuhe an."

„Ja, Sir", sagte Harry. Er lächelte Dumbledore freudestrahlend an und verschwand dann aus dem Blickwinkel des alten Mannes. „Ich komme gleich wieder" rief Harry, als er die riesige Schlafzimmertür berührte, die daraufhin wie von selbst aufschwang. Er tapste hindurch, stolperte jedoch ein wenig, wegen Dumbledores riesigen Hausschuhen.

Harry wurde von einem dösigen Fawkes begrüßt, der gurrte und dann seinen Kopf wieder unter seinen kräftigen Flügel steckte. Durch das geisterhaft graue Morgenlicht und Dumbledores Abwesenheit, herrschte im Büro eine seltsam leere Atmosphäre.

Die Korkenziehertreppe bewegte sich ein wenig schleppend, aber Harry ließ sich davon nicht entmutigen. Fröhlich grüßte er den griesgrämigen Wasserspeier, der den Eingang zu Dumbledores Büro bewachte und marschierte los auf der Suche nach der Küche, zuversichtlich, dass er sie finden würde.

Zwanzig Minuten später war er sich nicht mehr so sicher. Gab es hier überhaupt eine Küche? Es war schließlich eine magische Schule. Vielleicht zauberten sie Tassen voller Tee einfach so aus dem Nichts herbei! Und es begann dunkler und dreckiger hier unten zu werden. Die Treppe war von hohen Wänden und unheilvollen Gemälden umgeben. Nervös entschied sich Harry, einen der Männer in den Bildern um Hilfe zu bitten. Mr. Dumbledore hatte ihn gestern mit dem früheren Schulleiter von Hogwarts, einem Mr. Dippy (*), bekannt gemacht, der zwar mittlerweile tot, aber anscheinend noch immer in der Lage war, aus Bilderrahmen zu sprechen.

„Entschuldigen Sie bitte, Sir, könnten Sie mir helfen? Ich suche jemanden, der den Weg zur Küche kennt", fragte Harry einen dürren, jedoch gepflegt aussehenden Mann höflich, der in Slytherin Farben gekleidet war – was Harry nicht erkannte.

Das Gemälde gab keine Antwort – es zuckte aber spöttisch mit einer Augenbraue, als wären kleine Jungen seiner Aufmerksamkeit nicht würdig. Harry jedoch war mit dieser Art von Reaktion vertraut und wollte sich gerade abwenden, als ganz unerwartet das Bild zur Seite schwang und ein Mann heraustrat. Er war groß und dürr und trug mehrere Schichten schwarzer Kleidung. Der Fremde stand mit dem Rücken zu Harry gewand, als er seinen Zauberstab hob und ein paar ausgesuchte Flüche murmelte. Harry fragte sich, ob dies ein echter Mann war, der ihm helfen konnte, oder nur ein Bild-Mann, der aus seinem Rahmen getreten war.

Der große Mann drehte sich abrupt um und stand Angesicht zu Angesicht mit Harry, der schüchtern lächelte.

„ARRRGGHHH!", schrie Severus Snape, der nicht damit gerechnet hatte, jemandem zu begegnen, der aussah wie James Potter, der in einen Schrumpftrunk gefallen war – und zudem einen flauschigen Löwen-Schlafanzug und riesige Tartanhausschuhe trug.

„Hallo", sagte Harry. Er verknotete nervös seine Hände und fragte sich, ob er in Schwierigkeiten war.

Der riesige Mann, der gelbliche Haut und fettiges, schwarzes Haare hatte (Haare, die Tante Petunias Finger nach der Küchenschere zucken lassen würden) starrte Harry an, als wäre er ein Gespenst – ein Gespenst, das ihn sehr, sehr wütend machte.

„Du! Du... DU!", brüllte er und Harry trat ein paar Schritte zurück. „Wie kannst du es wagen hier runter zu kommen! Du glaubst, du kannst hingehen, wo du willst! Du, genau wie dein verdammter Vater! Du, DU!-"

„Ich suche nur die Küche, Sir", sagte Harry, der nun mit dem Rücken an der Wand stand, während sich der Fremde über ihm ragte und wie ein zorniger Stier tobte.

„UNTERBRICH MICH NICHT, WENN ICH SPRECHE! Dein Vater hatte auch keine Manieren – ungezogener, ignoranter, egoistischer Idiot!"

„Ich-"

„Halt die KLAPPE!", brüllte Severus Snape und packte Harry am Morgenmantel, hob ihn vom Boden hoch und schüttelte ihn so heftig, dass er wie eine alte Puppe hin und her geschleudert wurde.

GENUG!", erklang plötzlich eine Stimme, so laut und mächtig dass die Wände bebten. Severus Snape erstarrte mitten in der Bewegung, während er Harry am Kragen über dem steinigen Boden hielt.

„Du wirst ihn herunterlassen, sofort", fuhr die Stimme, diesmal schrecklich leise, fort. Sie klang glatt wie Eis und genauso gefährlich.

Sofort lockerte Severus Snape seinen Griff um Harry und der Junge fiel auf den Boden – ihm war schwindlig und ihm tat alles weh. Snape schluckte schwer und starrte stur geradeaus ins Nichts.

„Harry?", fragte Albus Dumbledore. Er trat vor und bot dem zitternden Kind eine Hand an. Als Harry zusammenzuckte, sah Albus untröstlich aus.

„Harry, ich bin's, Großvater." Er kniete sich neben den zerknitterten, blauen Morgenmantel und den zerzausten, ebenholzschwarzen Haarschopf und berührte sanft die Schulter des Jungen.

Nach ein paar gemurmelten Worten des Trostes und der Beschwichtigung, war Harry in Dumbledores Armen. Dies brachte Dumbledore in eine Zwickmühle: er konnte Severus nicht schelten, während Harry angespannt auf seinem Arm war, das würde den Jungen noch mehr aufregen.

Er entschied sich für eine leise Warnung: „Ich will dieses Verhalten nie wieder sehen! Wir werden diesen Vorfall später besprechen, Severus, da kannst du dir sicher sein!"

Der Hauslehrer Slytherins ließ seine Lippen zu einer Grimasse kräuseln. Potter war also schon des Schulleiters Liebling. Wie berechenbar, wie widerwärtig – aber er sagte nichts. Niemand veralbert Dumbledore, wenn Dumbledore aufhörte den Idioten zu spielen und seine Magie so furchteinflößend wurde.

Dumbledore hob Harry hoch, als er aufstand und schob ihm die Hausschuhe wieder an die Füße. Sie waren heruntergefallen, als Severus ihn schüttelte.

„Komm Harry, ich zeig dir den Weg zur Küche. Ich glaube du schuldest mir eine Tasse Tee!"

(*) „Dippy" – deutsch: dumm, verrückt, verdreht

~~*~~

„So, dies ist ein Komet zwei sechzig – ein altes Modell, aber eines der besten um zu lernen. Merk dir, was ich dir gesagt habe: Stoß dich vom Boden ab, schwebe und lehn dich dann nach vorne, um sanft wieder zu landen. Flieg nicht zu hoch! Mach was ich dir sage! Okay?"

„Ja, Madame Hooch", stimmte Harry begeistert zu.

Es war elf Uhr morgens und Harry, Madame Hooch, Mrs McGonagall und Großvater standen in der Mitte des Quidditch-Stadiums, das Harry noch immer ehrfürchtig bewunderte. Das Gras war grün und weich unter ihren Füßen und Sandkästen befanden sich unterhalb der Torpfosten. Hoch über ihnen ragten die vier Haus-Tribünen und die zwei Lehrer-Tribünen in den Himmel und reichten bis in die Wolken. Die Zuschauerbühnen sollten noch vor Schuljahrsbeginn gereinigt werden und waren deshalb nicht dekoriert. In der Ferne standen stolz die drei Torpfosten an jedem Ende des Spielfelds.

„So, jetzt streck' die rechte Hand über deinem Besen aus und sag: ‚Hoch!'", befahl Madame Hooch, die offensichtlich sehr viel Spaß hatte, obwohl sie sich ein wenig Sorgen machte, was der Schulleiter wohl mit ihr anstellte, wenn sie zuließe, dass seinem neuen Enkel etwas zustößt.

„Hoch!", rief Harry und der Besen machte einen Satz und sprang genau in seine ausgestreckte Hand. Harry grinste.

„Oh, fein!", sagte Madame Hooch. „Du wirst mal so gut wie dein Vater!"

„Mach den Jungen nicht nervös", schnappte Minerva McGonagall, die sich über den Stundenplan der Ravenclaw Drittklässler Sorgen machte. Sie fürchtete, sie habe deren Doppelstunde Zaubersprüche gleichzeitig mit der der Hufflepuff Erstklässler gebucht.

„Aufsteigen!", sagte Madame Hooch forsch und ignorierte Minerva. Eifrig tat Harry wie ihm gesagt. Der Besen war ziemlich groß für ihn, aber alle waren zuversichtlich, dass er damit umgehen konnte. „Lass das Handgelenk gerade, genau so! So, jetzt. Auf meinen Pfiff – eins – zwei – drei – Abstoßen!"

Und Harry stieß sich ab. Geradewegs schoss er wie ein Pfeil in die Höhe, ohne zu schwanken oder vom Besen zu rutschen. Höher und höher stieg er auf und fühlte sich wie ein Vogel, der erlöst von seinen Sorgen oder Nöten, von Ängsten und Schmerzen durch die Luft rauschte. Durch das Herumreißen des Besenstiels flog Harry eine scharfe Kurve. Wäre Harry nahe genug gewesen, hätte er hören können, wie sein Publikum hörbar nach Luft schnappte. Er stieg steil in die Höhe, bevor er plötzlich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in Richtung Boden schoss und dabei Schrauben drehte. Im allerletzten Moment – kurz bevor er sicherlich auf dem Boden aufgeschlagen wäre – brach er seinen Sturzflug ab.

Auf dem Weg zurück zu seinen Zuschauern, kurvte er schlangenähnlichen Linien durch die Luft, bevor er fachmännisch vor Madame Hooch landete. Harry war außer Atem und glücklich wie lange nicht mehr.

„Sieben Jahre alt", flüsterte Madame Hooch, während sie sich an ihrer silbernen Pfeife festklammerte. „Sieben Jahre alt! Merk dir meine Worte, Junge. Du wirst professionell Quidditch spielen, wenn du Hogwarts verlässt."

„Nach einem weiteren Jahrzehnt Schulbildung, Georgina, haben wir wahrscheinlich Besseres vom Jungen-der-lebt zu erwarten, als eine kurze Sportkarriere", sagte McGonagall sauer.

„Was ist falsch an einer Sportkarriere!", rief Georgina Hooch empört, während sie Minerva einen bösen Blick zuwarf.

„Wer ist der Junge-der-lebt?", meldete sich Harry zu Wort und unterbrach dabei das bevorstehende Wortgefecht.

Die drei Erwachsenen hielten inne und sahen sich unsicher an.

„Das bist du", sagte Dumbledore endlich. Er blinzelte langsam, als würde er hinter seinem gutmütigen Gesichtsausdruck angestrengt nachdenken.

„Oh", sagte Harry. „Warum?"

Die beiden Frauen sahen Albus an, der resigniert seufzte.

„Das ist eine lange Geschichte, Harry, ich erklär es dir heute Abend. Jetzt kannst du erst mal weiter fliegen."

„Warum darf ich es nicht jetzt wissen?"

„Ich dachte, du würdest noch ein wenig länger fliegen wollen", sagte Dumbledore, der sich nicht darauf freute, diese Unterhaltung mit Harry zu führen. Es machte ihn traurig, dem Jungen solch tragische Dinge erzählen zu müssen. Harry zögerte und wog seine Möglichkeiten ab.

„Kann ich es nicht gleich erfahren und dann noch mehr fliegen?", schlug er vor, um Dumbledore zum Einlenken zu bringen.

„Nun ja, ich denke schon", stimmte Dumbledore widerwillig zu. Er warf den beiden Damen, die sich noch immer ein wenig missmutig anstarrten, einen Blick zu.

„Ich muss noch einige Stundenpläne korrigieren", sagte Mrs McGonagall plötzlich. „Wir sehen uns dann beim Abendessen, Harry." Sie drehte sich um und schritt zügig davon.

Ein etwas schärferer Blick war bei Madame Hooch nötig, die noch immer über ihr neu entdecktes Fluggenie staunte.

„Ah, ich muss noch ein paar Besen, äh, polieren", sagte sie und zuckte dann bei ihrer eigenen Lüge zusammen. Die Schulbesen waren so alt, dass sie durchs Polieren zu Kohle zerfallen würden.

„Musst du auch noch etwas erledigen?", fragte Harry, als er sich zu dem einzig übrigen Erwachsenen umdrehte.

„Ja" sagte Dumbledore und Harry machte ein langes Gesicht. „Ich muss dir erzählen, was geschah, als du noch ein kleines Baby warst..." Dumbledore schwang seinen Zauberstab und beschwor wie aus dem Nichts eine gelbe Wolldecke herbei. Er setze sich darauf und nahm eine Tüte Zitronenbonbons aus seinem Umhang. „Setz dich zu mir, Harry", sagte er und klopfte einladend auf den Platz neben ihm. Harry setzte sich artig und seine Augen waren erwartungsvoll auf den Schulleiter gerichtet.

„So, du weißt, dass seine Eltern ermordet wurden?"

„Ja, das hast du mir gesagt", sagte Harry leise.

„Nun, sie wurden von einem sehr bösen Zauberer getötet-"

„Böse?", fragte Harry und sah besorgt aus.

„Manche Zauberer sind böse, genau wie nicht-magische Leute in der Welt deiner Tante und deines Onkels. Sie verletzen andere Menschen im Namen von Macht und Reinheit." Dumbledore hielt inne, als er Harrys Gesichtsausdruck immer verwirrter werden sah.

„Es gibt sowohl gute als auch böse Zauberer, Harry", vereinfachte er.

„Okay", sagte Harry.

„Der Name dieses bösen Zauberers war Voldemort."

„Voldemort", wiederholte Harry, „Lustiger Name, klingt wie eine modrige Warze."

Dumbledore gluckste. „Aus irgendeinem Grund mochte er den Namen. Er wählte ihn, als er zum Dunklen Lord Voldemort wurde und begann seine Anhänger für seine dunklen und bösen Ziele um sich zu scharen."

„Oooh", sagte Harry, der die Geschichte tatsächlich ein wenig unterhaltsam fand.

„Voldemort tötete alle, die ihm im Weg standen, Harry. Niemand überlebte, wenn er entschied, sie sollen sterben. Seine Anhänger, die Todesser genannt werden, verbreiteten Schrecken durch Folter und Terroranschläge in der Öffentlichkeit. Die Menschen hatten Angst, Harry, große Angst."

Harry nickte und schluckte schwer. Die Geschichte fing an unheimlich zu werden, aber er blieb wo er war und lauschte.

„Nun, deine Eltern waren entscheidend im Kampf gegen Voldemort. Sie hatten ihm dreimal die Stirn geboten und lebten! Voldemort wusste dies und war wütend. So kam es, dass er eines Nachts im Oktober zum Haus deiner Eltern kam, wo sie mit ihrem Sohn – mit dir – lebten. Du warst erst ein Jahr alt!"

„Was passierte dann?", fragte Harry. Dumbledore lehnte sich runter und nahm Harrys Hände in die seinen.

„Voldemort tötete deine Eltern, Harry. Dein Vater starb, als er versuchte seine Frau und sein Kind zu beschützen. Deine Mutter versuchte dich vor dem Todesfluch zu bewahren und wurde selbst getroffen."

Dumbledore machte eine Pause, als Harry schniefte und heftig blinzelte. Es war nicht einfach die Details des Todes seiner Eltern zu erfahren.

„Dann, Harry, dann richtete Voldemort seinen Zauberstab auf dich, einen einjährigen Jungen, dessen Eltern er kurz zuvor kaltblütig ermordet hatte. Er sprach den Fluch um dein Leben zu beenden. Aber der Zauber wirkte nicht! Der Fluch prallte von dir ab und traf seinen Schöpfer. Voldemort war besiegt und er floh, geschwächt, als ein Schatten der Macht, die er einst war!"

„Was?", rief Harry. „Voldemort hat versucht, mich zu töten?"

„Ja, Harry."

„Aber warum konnte er mich nicht töten, wenn er all die anderen Menschen töten konnte und meine Mami und meinen Papi?"

„Deine Mutter hat sich für dich geopfert, Harry. Sie gab ihr Leben, als sie versuchte das Deine zu schützen und das ist wahrlich ein überaus mächtiger Schutz!"

„Ich ... ich versteh das nicht", stotterte Harry.

„Die Liebe deiner Mutter beschütze dich, auch als sie tot war, Harry. Das ist der Grund, warum Voldemort dich nicht töten konnte. Das ist der Grund, warum du eine Narbe auf der Stirn trägst. Das ist der Grund, warum du in der ganzen Magischen Welt als der Junge-der-lebt bekannt bist!"

Harry war sehr leise, nachdem er von dieser schrecklichen Neuigkeit erfahren hatte. Stillschweigend verdaute er das Gehörte, während er seine Zehen in seinen neuen Turnschuhen bewegte, und gedankenversunken die Stirn kräuselte.

„Aber", sagte er plötzlich mit einem konzentrierten Stirnrunzeln, „wie kommt es, dass niemand zuvor Voldemort besiegt hat? Haben die anderen jemanden nicht genug geliebt?"

„Wie bitte?", fragte Dumbledore.

„Wenn Liebe vor dem Todesfluch schützt, warum hat niemand sonst überlebt?"

Dumbledore hielt inne. Das war eine verflixt gute Frage und er dachte geschwind nach – er umging bereits einige Dinge, die Harry in den nächsten paar Jahren nicht erfahren sollte.

„Die Liebe, Harry, muss so stark sein, dass man sich selbst für das Objekt seiner Liebe opfern würde. Manchmal besitzen nur Mütter diese spezielle Art von Liebe."

„Ich dachte, du hast gesagt er hat schon zuvor Familien getötet. Wollten die Mamis von denen ihre Kinder nicht beschützen?"

„Schon, Harry, aber deine Umstände waren einzigartig", wich Dumbledore aus.

„Oh", sagte Harry.

Dumbledore atmete erleichtert auf und hatte dann ein schlechtes Gewissen deswegen.

„Warum?", fragte Harry geradeheraus.

Dumbledore zuckte nervös zusammen.
„Also du bist wirklich zu jung, um das zu verstehen, Harry", sagte er und die Schuldgefühle, die ihn heimsuchten, machten den alten Mann für mehrere Tage unglücklich.

„Oh," sagte Harry. „Okay," stimmte er zu. „Erzählst du es mir, wenn ich älter bin?"

„Ja, Harry, ich verspreche es!", stimmte Dumbledore eifrig zu.

„Haben meine Mami und mein Papi mich zu Tante Petunia und Onkel Vernon gegeben?", fragte Harry.

„Nein, Harry."

„Zu wem haben sie mich dann gegeben?"

„Sie gaben dich zu jemand anderem, aber er... er konnte dich nicht aufnehmen." Schweren Herzens umging Dumbledore die Wahrheit ein wenig.

„Warum nicht, Großvater?"

„Manchmal sind Erwachsene nicht in der Lage, sich um ein Kind zu kümmern, das ist alles", erklärte Dumbledore.

„Ist das auch etwas, was du mir erzählst, wenn ich alt genug bin, um es zu verstehen?" Harry klang ein wenig verärgert.

„Es tut mir leid, Harry", schmunzelte Dumbledore und legte einen Arm um die Schultern des Jungen.

„Wer hat mich dann zu den Dursleys gegeben?", fragte Harry. „Warum konnte ich nicht gleich zu dir kommen?"

„Die Dursleys waren deine nächsten Verwandten und damit deine nächsten legalen Pflegeeltern", sagte Dumbledore und er fragte sich, ob sich schon Schweißperlen auf seiner Stirn zeigten. Noch nie wurde er so verhört.

„Oh", sagte Harry. „Weiß derjenige, der mich zu ihnen gebracht hat, dass du mich weggeholt hast?"

„Ja, Harry, weil ich es war, der dich zu den Dursleys brachte, und diese Entscheidung bereue ich mehr, als du jemals erfahren wirst."

„Ich hab mir sowas gedacht", sagte Harry, zu Dumbledores Überraschung. Erstaunt über die intuitive Vorahnung des kleinen Jungen, senkte Dumbledore betrübt seinen Blick.

„Ist schon in Ordnung. Ich bin froh, dass ich jetzt bei dir bin."

„Ich bin froh, dass du hier bist, Harry." Dumbledore holte tief Luft und war sehr erleichtert, dass die Fragestunde nun vorüber war.

~~*~~

Während dem Abendessen, nachdem die Lehrer ihre Plätze am Lehrertisch eingenommen hatten, begannen sie zusammen mit ein paar Zuspätkommern ihre Mahlzeit zu genießen. Die Professoren Dumbledore und McGonagall waren in eine Diskussion über die neuste Ausgabe von Verwandlung Heute vertieft und Harry war ihnen unbemerkt entkommen.

Vorsichtig lief er hinter den Stühlen entlang. Da er so klein war, zog er wenig Aufmerksamkeit auf sich. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und zog am schwarzen Ärmel von Severus Snape.

„Was zum- Potter!" Professor Snape fletschte die Zähne, als er den Jungen an seinem Ärmel bemerkte. „Lass mich los, und wage es nicht mich noch einmal zu berühren!"
Er wandte sich wieder seinem Essen zu, nur um ein weiteres Zerren am Ärmel zu spüren. Da er die bevorstehende Unterhaltung mit dem Schulleiter im Hinterkopf hatte, brüllte Snape nicht, sondern brummte mit zusammengebissenen Zähnen:

Was?"

„Es tut mir leid wegen heute morgen", sagte Harry so leise, dass seine Worte in dem sinnlosen Geplapper der Lehrer und dem Geklimper von Besteck unterging.

„Was?", fragte Professor Snape und lehnte sich – obwohl er ein ungutes Gefühl dabei hatte – herunter, um ihn zu verstehen.

„Es tut mir leid wegen heute morgen", wiederholte Harry bereitwillig.

Snape starrte ihn an.

„Aber Mr. Dumbledore hat gesagt, Sie hätten mich nicht schütteln sollen", fügte Harry hinzu. Er war jetzt mutiger, da Mr. Fahle Haut ihn nicht mit gefletschten Zähnen anfuhr.

„Oh, hätte ich nicht?", schnappte Snape gereizt.

„Nein, Sie hätten mir einfach sagen sollen wegzugehen und ich wäre gegangen. Opa sagt, Gewalt ist keine Lösung" antwortete Harry selbstsicher.

„Oh, und Opa hat immer recht, richtig?", fragte Snape sarkastisch.

„Nein" gab Harry lächelnd zu „aber er weiß eine Menge Dinge und hat viele coole Socken und Süßigkeiten."

Snape starrte ihn an.

„Wenn der Großvater auch der Chef ist, stimm' ihm am besten zu" bemerke Filius Flitwick mit einem leicht schadenfrohen Grinsen.

Snape fluchte leise und wandte sich wieder seinem Essen zu. Es dauerte nicht lange bis jemand an seinem Ärmel zupfte.

Geh weg!", zischte er. Er umklammerte sein Messer und seine Gabel so fest, dass seine Knöchel weiß wurden.

„Äh, nehmen Sie meine Entschuldigung an?", fragte Harry. Snape drehte sich um und knurrte den Jungen an, bevor er wieder weiteraß.

Harry starrte mit großen Augen Snapes Hinterkopf an. Hatte er gerade geknurrt? Wie seltsam diese Zauberer waren! Er kicherte und klappte sich dann schnell eine Hand über den Mund, als der Rücken des Mannes sich sichtlich anspannte. Jedoch sprudelte mehr Gekicher aus ihm heraus und je mehr er versuchte aufzuhören, desto mehr und lauter lachte er!

„Interesse den Witz mit uns zu teilen, Potter?", zischte ein zorniger Snape, während er mit seiner Gabel in Harrys Gesicht zeigte.

„Nein, Sir!", antwortete Harry schlauerweise und erhielt auch dafür einen bösen Blick.

„Dann lass mich in Ruhe!", sagte Professor Snape. Er war so wütend, dass einer seiner Knöchel knackte und sich ein Kricketball-großer Kopfschmerz hinter seiner rechten Schläfe bildete.

„Ja, Sir!" Harry salutierte, um Flitwick zu unterhalten, der sich umgedreht hatte und dem kleinen Jungen mit den strubbligen schwarzen Haaren zu zwinkerte. „Gute Nacht, Sir" fügte Harry hinzu, bevor er die Flucht ergriff und zu seinem Platz neben dem Minervas zurückkehrte.

„Wo warst du?", fragte sie ihn neugierig mit einer elegant gehobenen Augenbraue.

„Ich bin zu Mr. Fahle Haut gegangen und hab Entschuldigung gesagt, dass ich ihn heute morgen erschreckt hab" erklärte Harry bereitwillig.

„Wer?" McGonagall glaubte sich verhört zu haben.

„Knurren alle Zauberer?", fragte Harry während er in seinem Shepard's Pie mit Gemüse und Bratensoße herumstocherte.

„Was?", fragte McGonagall nun komplett verwirrt.

„Knurren" wiederholte Harry. Er grinste sie gewinnend an, als sie um Worte rang.

„Nur gelegentlich" sagte Dumbledore mit vergnügt funkelnden Augen. Er schielte an der geröteten McGonagall vorbei, zu Harry „Das war sehr tapfer von dir, zu Mr. Snape zu gehen und dich zu entschuldigen, Harry."

„Sehr tapfer" nickte Poppy Pomfrey, die ein wenig weiter weg saß, wo sie und die anderen lauschten.

„Er scheint nicht besonders fröhlich zu sein" sagte Harry.

„Übergroße Fledermaus" murmelte Sinistra, die normalerweise zurückhaltende Astronomielehrerin.

Das Gekicher breitete sich am ganzen Tisch aus.

„Ist er wirklich eine Fledermaus?", erkundigte sich Harry flüsternd bei McGonagall. Er war sich nicht sicher, wo die Grenzen dieser sonderbaren und doch wundervollen Welt der Magie lagen. Unglücklicherweise war seine hohe Stimme deutlich zu hören und Severus Snape knurrte seinen unschuldigen Kartoffelbrei bösartig an.

„Die Untersuchung läuft noch" antwortete Professor Vektor fies, woraufhin die erdige Professor Sprout gluckste und Essensreste über ihr Gedeck versprühte.

Dumbledore räusperte sich und es trat wieder Ordnung ein. Professor Snape, der rot wie ein gekochtes Radieschen war, verließ den Raum ohne Nachtisch zu essen.

„Überdramatisches Vampir", sagte Sinistra abfällig.

„Shhh!", machten Vector, Pomfrey und Sprout um sie zum Schweigen zu bringen. Sie warfen besorgte Blicke in Richtung Dumbledore und Harry.

Es verging eine Weile bevor Harry es für sicher hielt, sich noch einmal zu Wort zu melden und zu fragen, ob alle Zauberer von Tieren abstammen. Er verstand jedoch weder die Belustigung noch die Diskussion, die seine Frage auslöste, was wahrscheinlich auch besser so war.

~~*~~

Anmerkung der Übersetzerin:
(Stand: 9. April 2004)

So, wird Zeit, dass ich mal meine treuen Reviewer ehre (sortiert nach Anzahl der Reviews)!

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