Kapitel 9
„Leg´
das Messer weg und niemandem passiert etwas!", sagte Jack.
Lucas
grinste. „Klar, so wie niemandem meinem Bruder was tun sollte. Und
jetzt? Er ist tot!"
Er versetzte Charlie einen weiteren Stoß
in den Rücken.
Claire entschied, dass etwas geschehen
musste, sonst würde keiner von ihnen ohne Verletzungen davon
kommen.
„Dein Bruder hat Dich schlecht behandelt.", sagte
sie.
„Was?", herrschte Lucas sie an. „Halt den Mund!"
„Überlege doch mal, wie er Dich behandelt hat!", sprach
sie schnell weiter.
Jetzt, da sie sich klarer an die zwei Wochen
ihrer Entführung erinnerte, sah sie ganz deutlich vor sich, wie
Ethan seinen Bruder angeherrscht, sogar geschlagen hatte. Er hatte
ihn unterdrückt, womöglich schon seit Jahren - Lucas musste
noch ein Kind gewesen sein, als deren Flugzeug abstürzte.
„So
behandelt niemand seinen Bruder."
Lucas lockerte seinen Griff
etwas, was Claire bestätigte, dass sie einen wunden Punkt
getroffen hatte.
„Er hat Dich ausgenutzt - und jetzt willst Du
auch noch für ihn Dein Leben lassen?"
Sie blickte
hinüber zu Jack, der sie entsetzt anstarrte. Er schüttelte
langsam dem Kopf um ihr mitzuteilen, dass sie aufhören sollte
den Kerl weiter zu reizen.
Doch Claire hoffte, dass sie etwas
anderes erreichen würde...
„Ich werde heute ganz sicher
nicht sterben!", antwortete Lucas.
„Oh doch, das wirst Du
wenn Du nicht endlich aufgibst. Du kommst hier nicht weg."
Lucas
sah sich um und schien erstmals zu realisieren, dass sie womöglich
recht hatte.
„Und was passiert wenn ich aufgebe?"
Locke
sah hinüber zu Jack.
Es dauerte einen Moment, bevor dieser
antwortete.
„Wir setzen uns zusammen und reden über die
Sache."
Lucas lachte auf.
„Reden? Ihr wisst gar nichts
über die Sache, die erledigt werden muss! Wir brauchen das
Baby!"
„Was immer Dein Bruder Dir erzählt hat, er war
krank. Nichts geht hier vor, wir alle wollen nur überleben.",
sagte Jack.
„Mein Bruder war nicht verrückt! Er war der
einzige, der sich um mich gekümmert hat. Er war der einzige, der
wusste, wie man hier überlebt!"
„Er hat Dich nach seinen
Vorstellungen erzogen und unterdrückt!", platzte es aus Claire
heraus.
Wütend drehte er sie herum, packte ihre beiden
Handgelenke mit einer Hand und zog sie an sich.
„Noch ein Wort
und ich schwöre Dir, ich bringe Dich um."
Claire wagte
kaum zu atmen. Hinter sich hörte sie, wie jemand den Lauf seiner
Waffe spannte...
Sie blickte nach unten und bemerkte, dass
Charlie nicht mehr bei Bewusstsein war, der letzte Stoß von
Lucas musste zu stark gewesen sein.
Aus einem Impuls heraus
beschloss sie, dass sie die einzige war, die dies hier beenden
konnte.
Mit einem Ruck versuchte sie, sich loszureißen und
sie ließ sich zur Seite kippen.
Im ersten Sekundenbruchteil
dachte sie, Lucas würde sie weiterhin festhalten, doch dann
kamen ihre Hände frei und sie landete auf dem Boden. Dann fiel
auch schon der Schuss...
Lucas landete neben ihr auf dem
Dschungelboden. Das Messer fiel ihm aus der Hand und er rührte
sich nicht mehr.
Claire stand mit zitternden Beinen auf und
blickte auf das Bild vor ihr.
Lucas lag auf Charlie, ein einziger
Schuss hatte sein Herz durchschlagen. Seine Augen standen offen, doch
es war offensichtlich, dass er bereits tot war.
Sie blickte nach
rechts, wo Locke gerade dabei war, seine Waffe herunter zu nehmen.
Seine Mine spiegelte grimmige Entschlossenheit wider.
Im nächsten
Moment war Jack an ihrer Seite.
„Ist alles okay?", fragte er
und stützte sie. Er legte eine Hand auf ihren Bauch, dann fühlte
er ihren Puls. „Ist mit dem Baby alles in Ordnung? Hast Du
Schmerzen?"
Es kam Claire vor, als geschehe dies alles wie
in einem Traum.
Ob jetzt endlich alles vorbei war? Konnten sie
sich jetzt endlich sicher fühlen?
„Claire?", fragte Jack
noch einmal nach.
„Mir geht es gut.", antwortete sie langsam.
Sie blinzelte.
Charlie fiel ihr wieder ein, sie lief hinüber
und kniete sich neben ihn. Sie wollte ihn umdrehen, doch Jack hielt
sie zurück.
„Wir wissen nicht, ob seine Wirbelsäule
verletzt ist.", sagte er.
Dann checkte er seinen Puls, tastete
den Nacken ab.
„Es ist alles okay. Nichts gebrochen. Er atmet
normal."
Claire atmete erleichtert auf.
Jack zog Lucas´
Körper von ihm herunter und dann drehten sie ihn um.
„Hey,
Charlie!", sagte Jack leise und schlug leicht auf seine Wange.
„Komm´ schon.", flüsterte Claire und sie bemerkte,
dass sie zitterte.
Immer mehr Leute kamen herbei gelaufen und
versammelten sich um sie. Locke stellte sich hinter sie und legte ihr
eine Hand auf die Schulter.
Jack versuchte weiterhin, Charlie
wach zu bekommen.
Einen Moment später stöhnte Charlie
auf und drehte sich zur Seite, dann schlug er die Augen auf.
„Ganz
ruhig, setz´ Dich hin.", redete Jack auf ihn ein und half
ihm, sich aufzusetzen.
„Mir ist schlecht!", sagte Charlie
benommen.
„Das geht vorbei, ganz ruhig atmen. Es geht vorbei."
Claire lachte erleichtert auf. Sie konnte sich nicht länger
zurück halten und umarmte Charlie.
„Vorsichtig.", sagte
Jack und zog sie wieder weg.
„Okay Leute, die Show ist
vorbei.", rief Locke plötzlich. „Geht und lasst uns einen
Moment alleine, damit die beiden sich beruhigen können."
Die
Umstehenden zogen sich langsam zurück, viele unterhielten sich
aufgeregt.
„Geht es etwas besser?", fragte Jack. „Willst
Du einen Schluck Wasser?"
Charlie schüttelte langsam und
vorsichtig den Kopf.
„Es wird besser.", antwortete er und sah
hinüber zu Claire. „Alles in Ordnung?", fragte er sie.
Sie
nickte. „Es ist alles vorbei."
Charlie blickte an ihr vorbei
und sah dort Lucas liegen.
„Ist er...?"
„Ja.",
antwortete Locke. „Hoffen wir, dass jetzt wirklich alles vorbei
ist."
Am Mittag hatte sich jeder wieder seinen Aufgaben
zugewandt.
Claire und Charlie saßen zusammen am Strand.
Jack hatte ihnen gesagt, sie sollten sich noch etwas von dem
Schrecken erholen.
„Glaubst Du wirklich, dass Lucas der Bruder
von Ethan war?", fragte Charlie.
„Ich glaube schon.",
antwortete Claire. „Sie sahen sich schon ähnlich."
„Ob
wir auch so enden werden? Die Insel...", er stoppte, bevor er
weiter sprach. „Beide waren sie so... so besessen."
„Ich
glaube nicht, dass wir so enden werden, Charlie.", antwortete
Claire und blickte ihm in die Augen. „Wir haben doch uns... und ich
habe ein Kind das ich groß ziehen muss."
„Wir haben ein
Kind das wir groß ziehen werden.", sagte Charlie. „Wenn Du
das willst...", fügte er dann schnell hinzu.
Claire
lächelte und küsste ihn.
„Du wirst ein großartiger
Vater sein.", sagte sie und legte seine Hand auf ihren Bauch.
-Ende-
