An dieser Stelle möchte ich einmal all den Lieben danken, die Reviews schreiben. Ihr motiviert mich sehr! Danke. Demetra
Kapitel 11
Flucht
Aewrin blieb noch lange im Wald stehen und starrte auf den Punkt, an dem Haldir verschwunden war. Gedanken tosten durch ihren Kopf, die sie nicht ordnen konnte und als ihr war, als müsste er zerspringen, floh sie durch den Regen zurück in Galadriels Haus und in das kleine Zimmer, das sie erst vor so kurzer Zeit verlassen hatte. Mit zitternden Händen räumte sie die persönlichen Gegenstände in die Kleidertruhe, in ihrer Hast zerbrach eine kleine Figur aus Glas klirrend am Boden, das ihr aus den nassen Händen fiel.
Dann lief sie wieder hinaus auf die Flure, doch es war niemand zu sehen.
„Herrin?"
Sie öffnete einige Türen, doch niemand befand sich in den Räumen, nur der Nachtwind bewegte Gardinen geisterhaft. Absolute Stille lag über dem Haus, selbst das Geräusch des Regens erschien gedämpft und unendlich weit fortgerückt. Schließlich fand Aewrin Galadriel. Die Herrin saß in ihrem Schlafgemach auf einem Schemel und bürstete ihr Haar, das schwer und golden wie Sommerweizen über ihre nackten, porzellanweißen Rücken fiel. Ein weißes Tuch bedeckte ihre Hüfte und Beine und wirkte, als habe sie es achtlos dort fallen lassen.
Sie blickte in den Spiegel vor sich und fing darin Aewrins Blick auf, der sich verwirrt auf sie richtete.
„Du willst mein Haus verlassen? Vielleicht ist das besser so." Ihre blassen Lippen zuckten kurz. „Du weißt, dass Dich Deine Leidenschaft in eine Richtung treibt, die Du nicht wünschst. Vielleicht findest Du in Deinen Räumen ein wenig der Ruhe, die Du hier nicht finden konntest. Entscheide dann weise, was Du willst und aus welchen Gründen."
Galadriel drehte leicht den Kopf, um ihre Besucherin anzusehen und Aewrin sagte leise:
„Haltet mich nicht für undankbar. Ich bin so verwirrt. Ihr habt mir gesagt, ich sollte meinen Weg wählen und kaum glaube ich, dass ich ihn gefunden habe, muss ich wieder zweifeln. Haldir-."
Galadriel hob die Hand und unterband weitere Worte. Aewrin konnte wenig von dem Ausdruck ihres Gesichtes sehen, denn das dichte Haar verbarg jegliche Regung der Herrin.
„Ich weiß, was vorgeht. Er ist hier bei mir und wird dort bleiben, so lange ich es wünsche. Solange es nötig ist, um alles zu beruhigen. Er hat seine Entscheidung getroffen und Du solltest es auch tun."
Nach diesen Worten legte die Herrin die Bürste auf den Tisch vor dem Spiegel und erhob sich, das weiße Tuch heraufziehend, um sich zu bedecken. Mit einigen Schritten trat sie zu Aewrin und betrachtete sie eingehend.
„Darf ich gehen?", fragte Aewrin leise und spürte, dass ihr kalt wurde. War sie eifersüchtig? Galadriel lächelte weiterhin.
„Er hat dasselbe Feuer wie Du in sich. Er fühlt, liebt und hasst mit einer Intensität, die viele unseres Volkes verloren oder abgelegt haben. Willst Du den Weg mit ihm gehen, so sage ich Dir, dass es nur Leid geben wird, ganz gleich, wie sehr Ihr Euch bemüht."
Leiser Spott lag in Aewrins Stimme, als sie sich erkundigte:
„Wollt Ihr ihn für Euch, Herrin? Hitze, um Euer Eis zu schmelzen?"
Das Lachen der Herrin perlte durch den Raum und ihre weißen Zähne blitzten auf. Dann wurde sie abrupt wieder ernst und schüttelte den Kopf.
„Zerbrich Dir nicht den Kopf darüber. Je mehr Du es tust, desto schneller wirst Du begreifen, dass Du den Weg, den Du damit einschlägst, niemals mehr verlassen kannst. Nichts ist schlimmer als den Abgrund zu sehen, in den man stürzen wird. – Geh jetzt."
Sie hob eine zarte Hand und wies auf die Tür. Ohne ein Wort machte Aewrin kehrt und schloss die Pforte hinter sich. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, ihre Kiste mitzunehmen, stattdessen verließ sie Galadriels prächtigen Talan und trat wieder hinaus in den Regen. Den Kragen ihrer Robe hochschlagend, blieb sie eine Weile stehen und erst als die Kälte in jedes ihrer Glieder gedrungen war, setzte sie sich in Bewegung.
Sie wusste nicht, warum sie es tat, aber sie wählte die Wege über die schlüpfrigen Hängebrücken zwischen den Bäumen so, dass sie das Fenster zu dem Zimmer sehen konnte, aus dem sie gerade gebeten worden war. Dass Aewrin hinter den weißen Vorhängen zwei Gestalten erkennen konnte, hätte sie eigentlich nicht überraschen sollen. Dennoch tat es weh zu sehen, wie die nicht zu verwechselnden Silhouetten zueinander traten und sich umarmten.
Den Blick abwendend, nahm Aewrin ihre Schritte wieder auf und gelangte zu ihrem Talan. Erschöpft schloss sie die Tür und streifte ihre nasse Kleidung ab, ehe sie sich auf das Lager legte und zudeckte. Ihren Körper zusammenrollend, machte sie sich klein und wünschte sich, sie könnte die vergangenen Tage vergessen, einfach auslöschen aus ihrem Gedächtnis.
Irgendwann, eingelullt vom Plätschern des Regens, fand sie Ruhe, aber keine, die traumlos war. Sie sah sich selbst bei Galadriel, spürte, wie ihr Körper auf die glänzenden Laken jenes Bettes fiel, in dem die Herrin wohl zu dieser Zeit mit Haldir lag. Doch hier war sie es, die die sanften, kühlen Hände spüren durfte, die ihren Körper erforschten, ihre Brüste streichelten, ihren Bauch und ihre Weiblichkeit zwischen ihren Schenkeln. Sie spürte süße Lust und gefährliches Verlangen und gleichzeitig Abscheu vor dieser Ruhe, dieser Kälte, die Galadriels Körper ausstrahlte, als diese sich neben sie sinken ließ, um sie zu küssen und zu umfangen, eisige Haut an Aewrins warmer. Lust in Galadriels hellblauen Augen, gepaart mit jenem Wissen, das sie über alles verfügte und mit dem sie Aewrins Wünsche nach Berührung erfüllte.
Das Bild schwand, verrann wie ein Fußabdruck im Sand, über den Wasser spülte und dann sah sie, dass Haldir bei ihr war, über ihr kniete, ihre Handgelenke neben ihrem Kopf festhaltend, jene Ausdruck von Spott und Schmerz im schönen Gesicht, der sie so tief berührt hatte in dieser Nacht. Doch je länger sie ihn anblickte, desto mehr glichen seine Züge denen des Orks, der sie hatte vergewaltigen wollen, schwarz und drohend. Haldirs Körper, verschwand und machte der grobschlächtigen Gestalt Platz, die sich bemühte, ihre Beine auseinander zu zwingen. Und über allem sah sie plötzlich erneut Galadriels schönes Gesicht und wie ihre Lippen Worte formten:
‚Willst Du den Weg mit ihm gehen, so sage ich Dir, dass es nur Leid geben wird.'
Aewrin schrie und fuhr aus dem Bett empor. Schweiß stand auf ihrer Stirn und lief brennend in ihre Augen. Bebend blieb sie eine Weile sitzend, bis die Bilder vollkommen vor ihren Augen verschwunden und ihrem Gedächtnis versiegelt waren.
Der Morgen graute bereits vor dem Fenster des Talans und sie erhob sich, um hinauszusehen. Von den Regenwolken des vergangenen Tages war nichts übriggeblieben, nur die letzten Tropfen, die glitzernd ihren Halt an den Blättern verloren und auf den dunklen Waldboden hinunterfielen. Tief Luft holend, ließ Aewrin den Blick auf dem Wald verweilen und straffte dann ihre Gestalt.
Es war Zeit zu gehen.
