So Ihr Leutz! Habe mich mal an eine etwas andere Story herangewagt. Zwar
gibt es hier viele Autoren in der selben Sparte, aber ich hoffe doch auch
viele Leser! Bin jedenfalls gespannt, ob diese Story ankommt. Hauptsächlich
wird sich die Story um Faramir und jemanden drehen, den viele nicht
erwarten werden, aber vielleicht liest hier ja auch jemand, der mich kennt
und kann es erahnen? So viel sei gesagt: Ich rede nicht von einem dunklen
Herrscher oder einem neu erfundenen Helden *zwinkert*. Aber auch die
anderen Charaktere werden nicht zu kurz kommen, da es in HdR nur gut
aussehende und heldenhafte Figuren gibt. Legolas, Aragorn, Eowyn und Gimli
sind natürlich mit von der Partie!!! Wenn sie alle nicht ungefähr gleich
große Rollen spielen würden, wäre es kein HdR-Adveture, oder? Hier erst mal
ein Vorgeschmack auf das Rätsel, das euch noch erwartet, aber aufgepasst!
Die Story spielt nach dem Krieg und nicht wie hier begonnen, davor!
Genug Geschwätz! Ihr seid die HdR-Experten und werdet mich schon auf
etwaige Fehler aufmerksam machen, oder mir vielleicht sogar Fragen
beantworten können!
Viel Spaß!
Ups! Noch mal überarbeitet! Aber bald gibt's Fortsetzung!
Midiels Fluch 1
Vor einigen Jahren...
Boromir saß am Fuße Minas Tiriths und starrte gen Westen in den dämmernden Himmel. Ein starker Wind blies durch die Lande Gondors, brachte aber weder Düfte weit entfernter, fremder Gewächse, noch frische Luft. Boromir versuchte tief einzuatmen und sein Brustkorb bäumte sich auf in dem hoffnungslosen Versuch einen Atemzug frischer, kühler Luft zu erhaschen. Der trockene Wind spielte mit seinem langen roten Haar, während seine grauen Augen ziellos über das Land schweiften. Die Böen streiften über die weiße Stadt Gondors hinweg, fingen sich in Bergen und Bäumen und seufzten ein jämmerliches Lied. Sonst war da nichts. Kein Geräusch. Minas Tirith lag so schweigsam und erdrückt vor seinem Berg, dass jeder, der sich in der Stadt befand, gleichsam niedergedrückt und eingezwängt fühlte.
Deshalb war der zwölf Jahre alte Boromir heraus gegangen. Er hatte es nicht mehr ausgehalten. Innerhalb der Stadtmauern war alles noch viel schlimmer, als hier draußen. Man konnte keinen Schritt mehr tun, ohne in kalten Schweiß auszubrechen. Wer auf den Straßen war, der schwieg und wer im Hause war, der versuchte tunlichst, nicht heraus zu kommen.
Boromir warf den Kopf zurück und ließ ihn an der mächtigen zehnten Mauer der Stadt ruhen. Er sah sie hinauf, sah den weißen Stein und den grauen Himmel darüber. Ein grauer Schatten hatte sich über die weiße Stadt gelegt und war Bote des Unheils, welches ihn bald ereilen mochte. Der Junge schloss die Augen und eine einzige Träne floss seine blasse Wange herab.
*~*~*~*
Zur gleichen Zeit weit, weit oben im Thronsaal der Stadt, saß Denethor, still und betrübt, das Kinn in die Rechte gestützt auf dem Stuhl des Statthalters. Vor ihm auf dem Steinernen Boden spielte ein Kind mit rotem Haar so unbekümmert auf einer Flöte, als wäre nichts, rein gar nichts. Die Melodie war wunderschön und leicht, schien in der schwülen Luft dahinzurieseln wie ein Quell kühler Heiterkeit. Ein Funken Melancholie war darin, wie sie in beinahe allen Liedern Gondors zu finden war.
Normalerweise war dieses Spiel Denethor mehr als willkommen und er war stolz darauf, wie behände der kleine Junge doch mit dem Instrument umgehen konnte. Aber heute war es anders. Dieses Lied quälte ihn, bemächtigte sich seiner Gedanken und seines Gemütes, obwohl er sich im Moment nicht erfreuen lassen wollte. Es gab anderes, was seiner Aufmerksamkeit bedurfte.
„Faramir, hör auf und geh spielen!"
Das Flötenspiel hörte auf und der kleine Faramir sah mit großen grauen Augen zu seinem Vater auf.
„Bist du traurig?"
Tränen sammelten sich in Denethors Augen angesichts seines jungen unschuldigen Sohnes, der die Trauer und den Schmerz in dieser Welt noch nicht verstand. Doch bald würde er ihn verstehen...
Der kleine junge stand etwas unbeholfen und tapsig auf, rannte zu seinem dunkelhaarigen Vater und klammerte sich an sein Bein – das einzige, was er erreichen konnte.
„Nicht weinen Ada, es wird alles wieder gut."
Denethors Herz wurde so schwer wie Blei und plötzlich fühlte sich sein Körper wie ein nasser Sack an. Faramir war so schrecklich zart, hatte ein ungeheures Gespür für die Gefühle anderer. Doch zuweilen wusste er nur intuitiv, was diese bedeuteten und konnte noch nicht bewusst darauf reagieren. Wieder einmal wunderte sich Denethor darüber, wie Faramir ihn immer nannte. „Ada". Dieses Wort hatte er wohl von seiner Mutter aufgeschnappt, der er so ähnlich war. Überhaupt, glaubte er dass beide seiner Kinder nach seiner Frau kamen. Boromir vielleicht auch etwas nach ihm, denn er war mehr der kriegerische, kämpferische. Schon seitdem er stehen konnte, spielte der ältere seiner Söhne mit Holzschwertern und schon ehe er sein erstes Jahrzeht vollendet hatte, hielt er sein eigenes echtes Kurzschwert in den kleinen, aber bereits kräftigen Händen. Oft hatte Boromir versucht, seinen kleinen Bruder zum spielen zu überreden, hatte gegen ihn kämpfen wollen, doch Denethor und seine Frau hatten es immer verhindert. Faramir hätte nicht den Hauch einer Chance und selbst wenn Boromir sich schon gut in Zurückhaltung und Vorsicht übte, war er mit einem echten Schwert zu gefährlich für den kleinen.
Manchmal kam es dennoch vor, dass Faramir sich überreden ließ und die beiden in Abwesenheit der Eltern heimlich kämpften. Wenn sie erwischt wurden, weil sie durch das Schreien Faramirs, der sich verletzt hatte, verraten wurden, bekamen beide eine Strafe. Doch einmal... Denethor erinnerte sich ganz genau an diesen Tag. Er hatte die beiden wieder einmal erwischt. Doch nicht durch des Jüngsten Schmerzensschreie.
Er und seine Frau schritten den Gang der Festung entlang, es war gerade Nachmittag gewesen, da vernahmen beide das Klirren von Waffen. Schnell und des Ursprunges gewiss, rannten sie hinaus und sahen die beiden Brüder kämpfen. Boromir, elf jährig, mit seinem Kurzschwert und den fünf Jahre jüngeren Faramir, noch ziemlich unbeholfen und tapsig. Boromir hatte ein siegessicheres Lächeln auf dem Gesicht. Er mochte es, zu gewinnen, und sei es auch nur gegen Faramir. Der ältere Bruder hatte den kleineren an die Stallwand gedrängt und Faramir sah sich nun in die Enge getrieben, links und rechts Wände. Boromir wollte gerade losstürzen, seinen Bruder endgültig zu besiegen, da bemerkte der kleine Faramir zur Linken ein Seil, welches an einem Flaschenzug hing und sich am anderen Ende in einem Wagenrad verhäddert hatte. Er zog so fest er konnte daran und hoffte einfach nur, dass sich der Knoten nicht lösen würde. Zu seiner Freude und Boromirs Erschrecken tat er das nicht und das Seil straffte sich, wurde zu einer bitteren Falle für seinen Bruder. Boromir stürzte natürlich und als er anfing zu weinen, rannte Faramir, seinem Bruder zu trösten. Dies war Faramirs erster Sieg über Boromir.
„Ada, was ist denn? Ist es wegen dem großen grauen Mann? Da musst du keine Angst haben, der ist nicht böse... glaub ich."
Denethor kehrte in die Gegenwart zurück und sah seinen noch genauso dünnen Faramir vor sich. Er atmete tief ein und löste die kleinen Arme von seinem Bein, damit er sich vor seinen Sohn knien konnte. Als er hernieder kniete, rauschte sein Gewand leise und der Junge sah ängstlich hinauf in das warme Gesicht seines ihn liebenden Vaters.
„Nein, er ist nicht böse,"sagte Denethor.
Faramirs Augen wurden ängstlich.
„Ist es wegen Mama?"
Denethor seufzte. Er hatte versucht, das Leiden seiner Frau vor den Kindern geheim zu halten. Doch nicht einmal vor dem jüngsten hatte er es geheim halten können. Auch Boromir wusste es, da war er ganz sicher. Der Junge ward den ganzen Tag nicht viel gesehen und vorhin hatte eine Wache dem Stadthalter gemeldet, dass sein Ältester sich aus der Stadt geschlichen hatte. Aber Denethor kannte Boromir gut und wusste, dass er schon sehr vernünftig war. Außerdem verstand er sein Bedürfnis, sich einfach aus dem Staub machen zu wollen. Manchmal bedauerte er, dass er dies nicht konnte...
„Faramir, mein Sohn, hör zu,"begann der Stadthalter und sah seinem Sohn tief in die grauen Augen – wie sehr er doch nach seiner Mutter schlug... „Hör mir zu. Deiner Mutter geht es nicht gut, sie ist krank."
Der Junge schnappte nach Luft.
„Kann ich ihr helfen?"
Denethor streichelte dem kleinen übers struppige rote Haar.
„Du kannst sie nicht gesund machen, das kann nicht einmal der graue Mann."
Faramirs Augen füllten sich mit Tränen.
„Aber du kannst zu ihr gehen und mit ihr kuscheln. Weck sie nicht, aber sei in ihrer Nähe, ich denke, damit kannst du sie froh machen."
Hoffnung spiegelte sich in des Jungen Augen und Denethor fragte sich, ob er seinem Sohn den Ernst der Situation mitgeteilt hatte. Als Faramir fort war, kam er zu der Erkenntnis, dass er es nicht übers Herz gebracht hatte und tadelte sich selbst darüber. Doch nun hatte er auch noch andere Sorge. Er musste Boromir kommen lassen. Sein Gefühl gebot ihm Eile.
*~*~*~*
Faramir rannte die für ihn zu hohen Stufen hinauf und schnaufte als er die letzte geschafft hatte, blieb aber nicht stehen. Er ließ den Gang mit seinen weißen Mamorstatuen hinter sich und erreichte die Gemächer des Stadthalters und seiner Frau. Langsam und leise öffnete der kleine Junge die Tür und spähte hinein.
Doch als er die große graue Gestalt drinnen auf einem Suhl vor dem Bett sitzen sah, zuckte er zurück. Auch wenn er wusste, dass dieser große Mann nicht böse war - denn dann würde sein Vater ihn niemals zu seiner Mutter lassen – hatte er ein kleines bisschen Angst vor ihm.
Doch es war schon zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Der große Mann hatte ihn bemerkt und brummte nun freundlich von drinnen heraus.
„Komm rein, kleiner Mann. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben."
Faramir schob die Tür ein klein wenig weiter auf. Der große Mann mit dem langen Bart blinzelte ihm freundlich zu. Langsam aber sicher traute sich der Junge in das Schlafzimmer. Er näherte sich vorsichtig und leise dem Bett seiner Mutter. Blass und schlafend lag sie in der mit Blumen bestickten Bettwäsche. Lange stand Faramir schweigend neben dem Mann. Dann drehte er sich zu ihm um.
„Wird Mama sterben?"
Der dunkle Mann fasste sich in den Bart und kraulte sich das Kinn. Dann zog er sich den Jungen auf den Schoß und achtete darauf, dass er ihm ins Gesicht sah.
„Ich denke schon,"meinte er ruhig und bedacht.
Faramir schnappte nach Luft, aber brach nicht in Panik aus. Stattdessen fühlte er sich sicher und behütet im Arm dieses großen alten Mannes, der diese Worte so ruhig und sanft ausgesprochen hatte, als wäre nichts Schlimmes daran.
„Sie geht weg,"seufzte Faramir. „Sie geht weg und ich weiß nicht wohin. Sie stirbt!"
Schrecken stand in des Jungen Gesicht.
„Du weißt nicht wohin?"
Der Mann zog die buschigen Augenbrauen hoch und lächelte den Jungen an. Der wiederum schüttelte den Kopf.
„Tut Sterben weh?"
Der Alte lachte grollend, aber anscheinend merkte es die Schlafende im Raum nicht.
„Weh? Nein, Faramir. Weißt du, was passiert, wenn man stirbt?"
„Nein."
Der Alte räusperte sich.
„Du lässt los von dieser Welt, ganz langsam und der graue Dunst lichtet sich. Alles wird zu silbernem Glas, so hell, dass du fast nicht mehr hinein sehen kannst, wie die Sonne, weiß du? Und ganz weit hinten, hinter einem silbernen warmen Strand, ein weites grünes Land."
Faramir staunte Löcher in die Luft, sein Unterkiefer klappte weit auf. Seine Augen waren so groß und neugierig, so fasziniert.
„Das ist wahr?"
„Uhum,"bestätigte der Mann und lächelte ihn an.
Der Alte wusste, dass man mit Kindern anders über den Tod reden musste und wenn man es richtig tat, dann würden sie ein besseres Leben haben als so manch einer, der sich andauernd aus Angst vor dem Tod versteckt und sich nicht in die Welt heraus trat. Plötzlich wurden sie gestört und die Türe wurde geöffnet.
„Gandalf! Du bist noch da?"Denethor kam leise herein und hinter ihm folgte Boromir, dessen Blick am Boden zu kleben schien.
Der Junge war abwesend und still, schien nur dem Saum von Denethors Robe nachzulaufen.
„Ja, das bin ich. Ich dachte, ihr könntet eine Stütze brauchen in dieser für euch so düsteren Zeit."
Denethor lächelte hilflos, aber die Dankbarkeit kam bei dem alten Zauberer an. Dann wandte sich der Stadthalter Faramir zu.
„Ich hoffe, du warst auch höflich zu Gandalf."
Faramir schaute den alten Mann fragend an. Dieser lachte tief.
„Das war er. Macht euch keine Sorgen um so etwas. Boromir!"
Gandalf schnappte nach dem älteren Jungen und zog ihn an sich heran. Boromir wehrte sich nicht groß und ließ die Arme schlaff am Körper herab hängen.
„Willst du auf meinen Schoß?"
Aber Boromir schüttelte traurig den Kopf.
„Ich bin ein großer Junge."
„Ich bin sicher, dass du das bist."Der Alte streichelte ihm über den Kopf und verwirrte dadurch das glatte rote Haar. „So groß und stark."
Dann setzte er Faramir ab und nahm beide an den Händen, ging an das Bett der Kranken. Gandalf winkte Denethor zu sich und überließ ihm seinen Platz, so dass Denethor die Hände seiner Söhne hielt. Dann ging Gandalf selbst auf die andere Seite des Bettes und strich der jungen schönen Frau über die schweißnasse Stirn. Dabei wischte er einzelne Strähnen ihres roten gelockten Haares hinfort und fühlte den schwachen warmen Atem auf seinem Handrücken. Als er sich wieder aufrichtete, bedachte er Denethor mit ernstem Gesicht.
Der Stadthalter drückte fest die Hände seiner Söhne, denn er wusste, was Gandalf sagen würde.
„Denethor, alter Freund."
Gandalf wartete, bis der Mann die Kraft gefunden hatte, ihn anzuschauen. Nach ein paar Sekunden brachte der Stadthalter es übers Herz, den grauen Augen des Zauberers zu begegnen.
„Sie ist so weit."
Eine Träne rann über das Gesicht des Mannes und Boromir zu seiner Rechten senkte den Blick fest auf seine Mutter.
„Ich entlasse sie, meine wunderbare Frau."
Gandalf nickte.
„Das ist das einzig richtige, Denethor. Eure Trauer wird gerechtfertigt sein, aber ihr akzeptiert das unvermeidbare und seid euren Söhnen somit eine bessere Hilfe."
Denethor nickte und sah das blasse zarte Gesicht seiner Frau. Nie wieder würde er ihre wunderschönen grauen Augen sehn, die durch jeden hindurch sehen konnten, den sie erfassten. Nie wieder würde sie Minas Tirith mit ihrem Liebreiz erfüllen, würde ihr Lachen durch die weißen Straßen schallen...
Gandalf ging zum Fenster und öffnete es. In der Ferne flog ein weißer Vogel den Bergen im Norden entgegen. Der Himmel war blutrot. Der erste frische Luftzug des Tages fand seinen Weg in die Gemächer des Stadthalters und erfüllte erleichternd den letzten Atemzug von Boromirs und Faramirs Mutter, wurde kurz darauf wieder ausgehaucht und das letzte Zeichen ihres Lebens verflüchtigte sich. Danach war es wieder so stickig wie zuvor. Stille erfüllte den Raum und machte alles noch bedrückender. Denethor war nicht im Stande, sich zu bewegen. Faramir sah seine tote Mutter an, nicht fähig, zu verstehen, dass alles schon vorbei war.
Als Boromir verstand, dass seine Mutter Tod war, hielt er den Atem an. Der Gedanke war schier unerträglich für ihn und sein Herz schien zu zerspringen. Sie hatte sie alleine gelassen. Faramir, seinen Vater und ihn selbst. Ihr langes rotes Haar, welches sich immer so schön im Wind gewiegt hatte, lag nun wie verdorrte Ranken auf dem Kopfkissen. Nie mehr würde er ihren Duft nach süßen Maiglöckchen riechen. Mit einem Ruck riss er sich los und rannte hinaus aus dem Zimmer, verschwand im Dunkel des Ganges.
Gandalf sah dem Jungen nach. Der alte Zauberer nahm den leeren Platz neben Denethor ein, dessen Wangen nun ganz feucht waren.
„Sie ist gegangen,"flüsterte der Stadthalter.
„Sie war eine wunderbare und starke Frau. Die Leute werden ihr noch lange als weise und mutige Frau gedenken."
Der Mann nickte und streichelte die bereits erkaltende Wange seiner toten Frau.
„Oh, Schönste! Oh, Liebste!"seufzte er und ließ sich auf das Bett nieder, um bei ihr zu sein.
Die Sonne ging unaufhaltsam unter und nahm seine Frau mit in unbekannte Lande. Der Stadthalter saß auf ihrem Sterbebett und spürte, zu verzweifeln an der Trauer, die ihn gerade übermannte, glaubte, dass dieser Schmerz nicht noch grausamer werden konnte. Da vernahmen seine Ohren etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte. Erschrocken ließ der Stadthalter die Hand seines Sohnes los, bestürzt über das, was gerade geschah...
Faramir - seine Wangen völlig benetzt von Tränen - lachte.
Ups! Noch mal überarbeitet! Aber bald gibt's Fortsetzung!
Midiels Fluch 1
Vor einigen Jahren...
Boromir saß am Fuße Minas Tiriths und starrte gen Westen in den dämmernden Himmel. Ein starker Wind blies durch die Lande Gondors, brachte aber weder Düfte weit entfernter, fremder Gewächse, noch frische Luft. Boromir versuchte tief einzuatmen und sein Brustkorb bäumte sich auf in dem hoffnungslosen Versuch einen Atemzug frischer, kühler Luft zu erhaschen. Der trockene Wind spielte mit seinem langen roten Haar, während seine grauen Augen ziellos über das Land schweiften. Die Böen streiften über die weiße Stadt Gondors hinweg, fingen sich in Bergen und Bäumen und seufzten ein jämmerliches Lied. Sonst war da nichts. Kein Geräusch. Minas Tirith lag so schweigsam und erdrückt vor seinem Berg, dass jeder, der sich in der Stadt befand, gleichsam niedergedrückt und eingezwängt fühlte.
Deshalb war der zwölf Jahre alte Boromir heraus gegangen. Er hatte es nicht mehr ausgehalten. Innerhalb der Stadtmauern war alles noch viel schlimmer, als hier draußen. Man konnte keinen Schritt mehr tun, ohne in kalten Schweiß auszubrechen. Wer auf den Straßen war, der schwieg und wer im Hause war, der versuchte tunlichst, nicht heraus zu kommen.
Boromir warf den Kopf zurück und ließ ihn an der mächtigen zehnten Mauer der Stadt ruhen. Er sah sie hinauf, sah den weißen Stein und den grauen Himmel darüber. Ein grauer Schatten hatte sich über die weiße Stadt gelegt und war Bote des Unheils, welches ihn bald ereilen mochte. Der Junge schloss die Augen und eine einzige Träne floss seine blasse Wange herab.
*~*~*~*
Zur gleichen Zeit weit, weit oben im Thronsaal der Stadt, saß Denethor, still und betrübt, das Kinn in die Rechte gestützt auf dem Stuhl des Statthalters. Vor ihm auf dem Steinernen Boden spielte ein Kind mit rotem Haar so unbekümmert auf einer Flöte, als wäre nichts, rein gar nichts. Die Melodie war wunderschön und leicht, schien in der schwülen Luft dahinzurieseln wie ein Quell kühler Heiterkeit. Ein Funken Melancholie war darin, wie sie in beinahe allen Liedern Gondors zu finden war.
Normalerweise war dieses Spiel Denethor mehr als willkommen und er war stolz darauf, wie behände der kleine Junge doch mit dem Instrument umgehen konnte. Aber heute war es anders. Dieses Lied quälte ihn, bemächtigte sich seiner Gedanken und seines Gemütes, obwohl er sich im Moment nicht erfreuen lassen wollte. Es gab anderes, was seiner Aufmerksamkeit bedurfte.
„Faramir, hör auf und geh spielen!"
Das Flötenspiel hörte auf und der kleine Faramir sah mit großen grauen Augen zu seinem Vater auf.
„Bist du traurig?"
Tränen sammelten sich in Denethors Augen angesichts seines jungen unschuldigen Sohnes, der die Trauer und den Schmerz in dieser Welt noch nicht verstand. Doch bald würde er ihn verstehen...
Der kleine junge stand etwas unbeholfen und tapsig auf, rannte zu seinem dunkelhaarigen Vater und klammerte sich an sein Bein – das einzige, was er erreichen konnte.
„Nicht weinen Ada, es wird alles wieder gut."
Denethors Herz wurde so schwer wie Blei und plötzlich fühlte sich sein Körper wie ein nasser Sack an. Faramir war so schrecklich zart, hatte ein ungeheures Gespür für die Gefühle anderer. Doch zuweilen wusste er nur intuitiv, was diese bedeuteten und konnte noch nicht bewusst darauf reagieren. Wieder einmal wunderte sich Denethor darüber, wie Faramir ihn immer nannte. „Ada". Dieses Wort hatte er wohl von seiner Mutter aufgeschnappt, der er so ähnlich war. Überhaupt, glaubte er dass beide seiner Kinder nach seiner Frau kamen. Boromir vielleicht auch etwas nach ihm, denn er war mehr der kriegerische, kämpferische. Schon seitdem er stehen konnte, spielte der ältere seiner Söhne mit Holzschwertern und schon ehe er sein erstes Jahrzeht vollendet hatte, hielt er sein eigenes echtes Kurzschwert in den kleinen, aber bereits kräftigen Händen. Oft hatte Boromir versucht, seinen kleinen Bruder zum spielen zu überreden, hatte gegen ihn kämpfen wollen, doch Denethor und seine Frau hatten es immer verhindert. Faramir hätte nicht den Hauch einer Chance und selbst wenn Boromir sich schon gut in Zurückhaltung und Vorsicht übte, war er mit einem echten Schwert zu gefährlich für den kleinen.
Manchmal kam es dennoch vor, dass Faramir sich überreden ließ und die beiden in Abwesenheit der Eltern heimlich kämpften. Wenn sie erwischt wurden, weil sie durch das Schreien Faramirs, der sich verletzt hatte, verraten wurden, bekamen beide eine Strafe. Doch einmal... Denethor erinnerte sich ganz genau an diesen Tag. Er hatte die beiden wieder einmal erwischt. Doch nicht durch des Jüngsten Schmerzensschreie.
Er und seine Frau schritten den Gang der Festung entlang, es war gerade Nachmittag gewesen, da vernahmen beide das Klirren von Waffen. Schnell und des Ursprunges gewiss, rannten sie hinaus und sahen die beiden Brüder kämpfen. Boromir, elf jährig, mit seinem Kurzschwert und den fünf Jahre jüngeren Faramir, noch ziemlich unbeholfen und tapsig. Boromir hatte ein siegessicheres Lächeln auf dem Gesicht. Er mochte es, zu gewinnen, und sei es auch nur gegen Faramir. Der ältere Bruder hatte den kleineren an die Stallwand gedrängt und Faramir sah sich nun in die Enge getrieben, links und rechts Wände. Boromir wollte gerade losstürzen, seinen Bruder endgültig zu besiegen, da bemerkte der kleine Faramir zur Linken ein Seil, welches an einem Flaschenzug hing und sich am anderen Ende in einem Wagenrad verhäddert hatte. Er zog so fest er konnte daran und hoffte einfach nur, dass sich der Knoten nicht lösen würde. Zu seiner Freude und Boromirs Erschrecken tat er das nicht und das Seil straffte sich, wurde zu einer bitteren Falle für seinen Bruder. Boromir stürzte natürlich und als er anfing zu weinen, rannte Faramir, seinem Bruder zu trösten. Dies war Faramirs erster Sieg über Boromir.
„Ada, was ist denn? Ist es wegen dem großen grauen Mann? Da musst du keine Angst haben, der ist nicht böse... glaub ich."
Denethor kehrte in die Gegenwart zurück und sah seinen noch genauso dünnen Faramir vor sich. Er atmete tief ein und löste die kleinen Arme von seinem Bein, damit er sich vor seinen Sohn knien konnte. Als er hernieder kniete, rauschte sein Gewand leise und der Junge sah ängstlich hinauf in das warme Gesicht seines ihn liebenden Vaters.
„Nein, er ist nicht böse,"sagte Denethor.
Faramirs Augen wurden ängstlich.
„Ist es wegen Mama?"
Denethor seufzte. Er hatte versucht, das Leiden seiner Frau vor den Kindern geheim zu halten. Doch nicht einmal vor dem jüngsten hatte er es geheim halten können. Auch Boromir wusste es, da war er ganz sicher. Der Junge ward den ganzen Tag nicht viel gesehen und vorhin hatte eine Wache dem Stadthalter gemeldet, dass sein Ältester sich aus der Stadt geschlichen hatte. Aber Denethor kannte Boromir gut und wusste, dass er schon sehr vernünftig war. Außerdem verstand er sein Bedürfnis, sich einfach aus dem Staub machen zu wollen. Manchmal bedauerte er, dass er dies nicht konnte...
„Faramir, mein Sohn, hör zu,"begann der Stadthalter und sah seinem Sohn tief in die grauen Augen – wie sehr er doch nach seiner Mutter schlug... „Hör mir zu. Deiner Mutter geht es nicht gut, sie ist krank."
Der Junge schnappte nach Luft.
„Kann ich ihr helfen?"
Denethor streichelte dem kleinen übers struppige rote Haar.
„Du kannst sie nicht gesund machen, das kann nicht einmal der graue Mann."
Faramirs Augen füllten sich mit Tränen.
„Aber du kannst zu ihr gehen und mit ihr kuscheln. Weck sie nicht, aber sei in ihrer Nähe, ich denke, damit kannst du sie froh machen."
Hoffnung spiegelte sich in des Jungen Augen und Denethor fragte sich, ob er seinem Sohn den Ernst der Situation mitgeteilt hatte. Als Faramir fort war, kam er zu der Erkenntnis, dass er es nicht übers Herz gebracht hatte und tadelte sich selbst darüber. Doch nun hatte er auch noch andere Sorge. Er musste Boromir kommen lassen. Sein Gefühl gebot ihm Eile.
*~*~*~*
Faramir rannte die für ihn zu hohen Stufen hinauf und schnaufte als er die letzte geschafft hatte, blieb aber nicht stehen. Er ließ den Gang mit seinen weißen Mamorstatuen hinter sich und erreichte die Gemächer des Stadthalters und seiner Frau. Langsam und leise öffnete der kleine Junge die Tür und spähte hinein.
Doch als er die große graue Gestalt drinnen auf einem Suhl vor dem Bett sitzen sah, zuckte er zurück. Auch wenn er wusste, dass dieser große Mann nicht böse war - denn dann würde sein Vater ihn niemals zu seiner Mutter lassen – hatte er ein kleines bisschen Angst vor ihm.
Doch es war schon zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Der große Mann hatte ihn bemerkt und brummte nun freundlich von drinnen heraus.
„Komm rein, kleiner Mann. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben."
Faramir schob die Tür ein klein wenig weiter auf. Der große Mann mit dem langen Bart blinzelte ihm freundlich zu. Langsam aber sicher traute sich der Junge in das Schlafzimmer. Er näherte sich vorsichtig und leise dem Bett seiner Mutter. Blass und schlafend lag sie in der mit Blumen bestickten Bettwäsche. Lange stand Faramir schweigend neben dem Mann. Dann drehte er sich zu ihm um.
„Wird Mama sterben?"
Der dunkle Mann fasste sich in den Bart und kraulte sich das Kinn. Dann zog er sich den Jungen auf den Schoß und achtete darauf, dass er ihm ins Gesicht sah.
„Ich denke schon,"meinte er ruhig und bedacht.
Faramir schnappte nach Luft, aber brach nicht in Panik aus. Stattdessen fühlte er sich sicher und behütet im Arm dieses großen alten Mannes, der diese Worte so ruhig und sanft ausgesprochen hatte, als wäre nichts Schlimmes daran.
„Sie geht weg,"seufzte Faramir. „Sie geht weg und ich weiß nicht wohin. Sie stirbt!"
Schrecken stand in des Jungen Gesicht.
„Du weißt nicht wohin?"
Der Mann zog die buschigen Augenbrauen hoch und lächelte den Jungen an. Der wiederum schüttelte den Kopf.
„Tut Sterben weh?"
Der Alte lachte grollend, aber anscheinend merkte es die Schlafende im Raum nicht.
„Weh? Nein, Faramir. Weißt du, was passiert, wenn man stirbt?"
„Nein."
Der Alte räusperte sich.
„Du lässt los von dieser Welt, ganz langsam und der graue Dunst lichtet sich. Alles wird zu silbernem Glas, so hell, dass du fast nicht mehr hinein sehen kannst, wie die Sonne, weiß du? Und ganz weit hinten, hinter einem silbernen warmen Strand, ein weites grünes Land."
Faramir staunte Löcher in die Luft, sein Unterkiefer klappte weit auf. Seine Augen waren so groß und neugierig, so fasziniert.
„Das ist wahr?"
„Uhum,"bestätigte der Mann und lächelte ihn an.
Der Alte wusste, dass man mit Kindern anders über den Tod reden musste und wenn man es richtig tat, dann würden sie ein besseres Leben haben als so manch einer, der sich andauernd aus Angst vor dem Tod versteckt und sich nicht in die Welt heraus trat. Plötzlich wurden sie gestört und die Türe wurde geöffnet.
„Gandalf! Du bist noch da?"Denethor kam leise herein und hinter ihm folgte Boromir, dessen Blick am Boden zu kleben schien.
Der Junge war abwesend und still, schien nur dem Saum von Denethors Robe nachzulaufen.
„Ja, das bin ich. Ich dachte, ihr könntet eine Stütze brauchen in dieser für euch so düsteren Zeit."
Denethor lächelte hilflos, aber die Dankbarkeit kam bei dem alten Zauberer an. Dann wandte sich der Stadthalter Faramir zu.
„Ich hoffe, du warst auch höflich zu Gandalf."
Faramir schaute den alten Mann fragend an. Dieser lachte tief.
„Das war er. Macht euch keine Sorgen um so etwas. Boromir!"
Gandalf schnappte nach dem älteren Jungen und zog ihn an sich heran. Boromir wehrte sich nicht groß und ließ die Arme schlaff am Körper herab hängen.
„Willst du auf meinen Schoß?"
Aber Boromir schüttelte traurig den Kopf.
„Ich bin ein großer Junge."
„Ich bin sicher, dass du das bist."Der Alte streichelte ihm über den Kopf und verwirrte dadurch das glatte rote Haar. „So groß und stark."
Dann setzte er Faramir ab und nahm beide an den Händen, ging an das Bett der Kranken. Gandalf winkte Denethor zu sich und überließ ihm seinen Platz, so dass Denethor die Hände seiner Söhne hielt. Dann ging Gandalf selbst auf die andere Seite des Bettes und strich der jungen schönen Frau über die schweißnasse Stirn. Dabei wischte er einzelne Strähnen ihres roten gelockten Haares hinfort und fühlte den schwachen warmen Atem auf seinem Handrücken. Als er sich wieder aufrichtete, bedachte er Denethor mit ernstem Gesicht.
Der Stadthalter drückte fest die Hände seiner Söhne, denn er wusste, was Gandalf sagen würde.
„Denethor, alter Freund."
Gandalf wartete, bis der Mann die Kraft gefunden hatte, ihn anzuschauen. Nach ein paar Sekunden brachte der Stadthalter es übers Herz, den grauen Augen des Zauberers zu begegnen.
„Sie ist so weit."
Eine Träne rann über das Gesicht des Mannes und Boromir zu seiner Rechten senkte den Blick fest auf seine Mutter.
„Ich entlasse sie, meine wunderbare Frau."
Gandalf nickte.
„Das ist das einzig richtige, Denethor. Eure Trauer wird gerechtfertigt sein, aber ihr akzeptiert das unvermeidbare und seid euren Söhnen somit eine bessere Hilfe."
Denethor nickte und sah das blasse zarte Gesicht seiner Frau. Nie wieder würde er ihre wunderschönen grauen Augen sehn, die durch jeden hindurch sehen konnten, den sie erfassten. Nie wieder würde sie Minas Tirith mit ihrem Liebreiz erfüllen, würde ihr Lachen durch die weißen Straßen schallen...
Gandalf ging zum Fenster und öffnete es. In der Ferne flog ein weißer Vogel den Bergen im Norden entgegen. Der Himmel war blutrot. Der erste frische Luftzug des Tages fand seinen Weg in die Gemächer des Stadthalters und erfüllte erleichternd den letzten Atemzug von Boromirs und Faramirs Mutter, wurde kurz darauf wieder ausgehaucht und das letzte Zeichen ihres Lebens verflüchtigte sich. Danach war es wieder so stickig wie zuvor. Stille erfüllte den Raum und machte alles noch bedrückender. Denethor war nicht im Stande, sich zu bewegen. Faramir sah seine tote Mutter an, nicht fähig, zu verstehen, dass alles schon vorbei war.
Als Boromir verstand, dass seine Mutter Tod war, hielt er den Atem an. Der Gedanke war schier unerträglich für ihn und sein Herz schien zu zerspringen. Sie hatte sie alleine gelassen. Faramir, seinen Vater und ihn selbst. Ihr langes rotes Haar, welches sich immer so schön im Wind gewiegt hatte, lag nun wie verdorrte Ranken auf dem Kopfkissen. Nie mehr würde er ihren Duft nach süßen Maiglöckchen riechen. Mit einem Ruck riss er sich los und rannte hinaus aus dem Zimmer, verschwand im Dunkel des Ganges.
Gandalf sah dem Jungen nach. Der alte Zauberer nahm den leeren Platz neben Denethor ein, dessen Wangen nun ganz feucht waren.
„Sie ist gegangen,"flüsterte der Stadthalter.
„Sie war eine wunderbare und starke Frau. Die Leute werden ihr noch lange als weise und mutige Frau gedenken."
Der Mann nickte und streichelte die bereits erkaltende Wange seiner toten Frau.
„Oh, Schönste! Oh, Liebste!"seufzte er und ließ sich auf das Bett nieder, um bei ihr zu sein.
Die Sonne ging unaufhaltsam unter und nahm seine Frau mit in unbekannte Lande. Der Stadthalter saß auf ihrem Sterbebett und spürte, zu verzweifeln an der Trauer, die ihn gerade übermannte, glaubte, dass dieser Schmerz nicht noch grausamer werden konnte. Da vernahmen seine Ohren etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte. Erschrocken ließ der Stadthalter die Hand seines Sohnes los, bestürzt über das, was gerade geschah...
Faramir - seine Wangen völlig benetzt von Tränen - lachte.
