Kapitel XXII

Ich apparierte inmitten des dichtesten Schneegestöber, das ich je erlebt hatte. Der Wind peitschte mir entgegen und die über mich hereinbrechende Kälte raubte mir den Atem. Ich stand in völliger Dunkelheit. Dann hatten meine Augen sich an die Dunkelheit angepasst und ich sah.. zumindestens ein wenig.

Am Rande eines zerborstenen Waldes, heruntergemäht bis auf die Stümpfe, war ich dem Wind völlig ausgesetzt. Es gab nirgendwo einen Ort, an dem man hätte Schutz suchen konnte. Dieser Ort, der einmal der einzige Ort meiner Welt war, an dem man hätte Schutz suchen können und ihn auch bekommen hätte, würde niemals mehr irgendjemandem Schutz bieten.

Vor mir sah ich die Ruinen.. vielmehr sah ich sie nicht. Es war zu dunkel dafür. Ich spürte sie.

Ich spürte diesen Ort in meinen Knochen, in meinem Herzen und in den Resten meiner Seele. Es war, als würden die Geister der Toten nach mir greifen. Ihre Seelen schrieen um Hilfe, nach Rettung, nach Schutz. All die unschuldigen, alle unschuldigen Seelen schrieen meiner schuldigen Seele zu, brüllen und riefen, verlangten und klagten an.

Für einen Moment dachte ich unter der Last zusammenzubrechen. Beide Hände gegen mein Gesicht gepresst um mich vor dem heulenden Schneesturm zu schützen und um die Erinnerungen von mir abzuhalten. Langsam sank ich auf die Erde, bis ich den kalten Boden unter mir spürte und meine Knie anzog und mich an einen der zerfetzten Baumstümpfe hinter anlehnte. Die eisige Kälte kroch vom Boden langsam meinen Rücken hinauf, verbreitete sich unter meiner dicken Winterrobe und verjagte jede Erinnerung an Wärme.

"Hilfe."

In meinen Ohren dröhnte der Lärm des längst vergangenen Kampfes. Die Schreie, das Krachen von fallendem Stein, das Splittern von Holz. Gleich einem Sog aus Geräuschen zog es mich hinunter, tiefer und tiefer in die Vergangenheit.

Vor meinem inneren Augen erhob sich strahlend und stolz Hogwarts.. dieses Schloss, in dem ich und so viele andere Zuflucht gefunden hatten. Lärm der Schüler, das Läuten der Glocken, Schreie der Eulen, ein sanftes Blubbern aus einem heißen Kessel.. und Stimmen, so viele verlorene Stimmen. "Albus.." Stimmen, die niemals wieder erklingen sollten, die niemals wieder jemand hören würde, außer in der Erinnerung.. Sie schienen zu rufen. Sanft lockend, hin zu einem besseren Leben, weit weit fort von hier und heute. Ohne Ruinen, ohne Kälte und Hass. Sie heulten im Sturm, einander immer lauter übertrumpfen und überschreiend.. sie lockten.

"Hilfe."

Durch die aufgewirbelten Geräusche meiner Erinnerungen drang die leise Stimme erst kaum merklich.. dann lauter, lauter und lauter, bis sie auch den Sog übertönten, den Schneesturm überheulte und meine Erinnerungen verstummen ließ.

"Hilfe."

Ich riss meinen Kopf nach oben. Ungeschützt peitschte der Schneesturm mir ins Gesicht, zerrte an meinen Haaren und ließ eiskalte Tränen meine Wangen hinunterlaufen. Dann drang langsam ein Schimmer der Gegenwart durch den Vorhang des Vergangen. Gleich einem Vorhang, der morgens geöffnet wird und durch den die Sonne strahlt.

Was wollte ich hier? Ich suchte ihn.

Warum? Weil er hier sein musste.

Woher wusste ich das? Ich spürte es.

Warum stand ich dann nicht auf, und ging ihn zu suchen? Weil es kalt war.. es war so kalt.. und laut..

Und auf einmal herrschte vollkommene, dunkle Stille um mich herum.

-_-_- Author's Notes: Unfassbar.. ich habe tatsächlich ein neues Kapitel geschrieben. Nun gut.. es ist vielleicht mehr eine Andeutung als ein Kapitel. Sowas ähnliches wie. Zwischenstück? Intermezzo. Zufrieden, irgendjemand? Ich hoff's. Tatsächlich ruhte dieses Stück ewig lang auf meiner Festplatte, war nur noch nicht ganz beendet. Keine Sorge, das nächste wird länger.. und kommt hoffentlich schneller. Danke an alle, die trotzdem noch Hoffnung hatten und reviewt haben.. besonderes Augenmerk auf „Bloody death eater". Sonst hätte es wahrscheinlich noch eine Weile gedauert.. danke für dieses schöne Review. ( Reviewt weiter, allesamt.. sonst dauert das bei mir wieder so ewig mit dem Weiterschreiben. ;) )

Der dreiundzwanzigste Tag des vierten Monates in Anno Domini zweitausendvier. S.Fayet