Was fürs Herz grin schnulzt rum

Schwager und Schwägerin

Wie leicht er ist…

Faramir zweifelte einen Augenblick lang, dass er auch den Richtigen retten würde. Aber als er zog und langsam die Hände und Arme hervor kamen mit den feinen Lederbändern, wusste er, dass Legolas sicher war.

Keuchend vor Adrenalin ließ sich der Elb zu Boden fallen und lag nun rücklings da, die Hände über das Gesicht zusammen geschlagen.

Er fühlte, wie der Regen auf ihn nieder kam, er war dem Abgrund entkommen.

„Was ist mit dir?" fragte Faramir.

Legolas nahm die Hände vom Gesicht und sah Faramirs Gesicht über sich. Es war blass und schmal und die roten Haare umfingen es. Seine grauen Augen blickten erleichtert und unverständig auf ihn herab.

„Ich habe das Pferd deines Schwagers verloren, Faramir. Ich habe Eomers Pferd verloren."

Der Elb konnte sehen, wie sich Schuldgefühle in des Mannes Gesicht sich nun wieder spiegelte. Seine ganze Aura wurde davon verdunkelt und Legolas wusste, dass sich Faramir selbst dafür verantwortlich machte.

„Es hörte nicht auf mich. Ich habe versucht, es zur Ruhe zu bringen, aber schon zum zweiten Mal habe ich versagt."

Der junge Truchsess schwieg und wandte sich ab.

Legolas besah sich seine Hände. Er war nicht fähig gewesen! Wie hatte er nur wieder versagen können? Wie konnte er sich nur selbst vertrauen?

Gimli!

Er hielt sich am geistigen Bild seines Freundes fest und ließ dessen letzte Worte in sein Gedächtnis fließen. Sie gaben ihm gar wenig Selbstvertrauen, doch Stärke und Kraft kamen wieder und die wohlige Freundschaft erwärmte sein Herz.

„Warum bist du mir gefolgt?" Faramir streichelte seines eigenen Pferdes Schnautze. „Hat sich Pippin verplappert?"

Legolas stand auf und sah den Mann an.

„Nein, der Hobbit gab nichts preis. Jedoch bemerkten Gimli und ich durch Zufall deine „Flucht" aus der Stadt."

Faramir sah den Elben einen Augenblick durchdringlich an. Legolas zog eine Braue hoch. Was war das?

„Zufällig also?" Faramirs Tonfall war sehr seltsam.

Weiß er es? Aber das ist unmöglich!

„Wie dem auch sei. Ich kann dich nicht einfach so hier lassen. Wer weiß, welche Geschöpfe sich hier in den Schatten der Bäume verstecken. Und zurück kannst du nicht ohne Pferd."

„Ich werde auch nicht gehen, Lord Faramir."

Faramir lächelte sanftmütig.

„Natürlich nicht. Mein Pferd ist stark und kann uns beide tragen."

„Wohin willst du überhaupt? Was ist dein Ziel?"

Faramir schüttelte den Kopf.

„Mein Innerstes leitet mich und wird mir sagen, wann ich am Ziel angekommen bin."

„Und wo sind wir jetzt? Es kommt mir alles seltsam vor. Der Nebel so unnatürlich und hier…"

Legolas sah den Wald vor sich. Wild und unbeherrscht, aber anders als vor der Schlucht.

„Der Wald ist von Menschen unberührt, ursprünglicher noch als Fangorn oder der Düsterwald. Als hätte noch nie ein Mensch, Elb oder Zauberer einen Fuß hinein gesetzt."

Faramir sah den Elben bewundernd an.

„Ich glaube nicht, dass hier noch nie ein Menschen- oder Elbenähnliches Geschöpf gewesen ist. Es würde mir Angst machen. Zudem…"

Der Mann wies auf einen schmalen Pfad inmitten des Waldes.

Legolas schluckte. Der Wald hatte eine ganz eigene Aura. Noch nie zuvor hatte er so etwas gefühlt. Doch nicht zu leugnen war, dass dort ein Pfad war. Vielleicht aber durch Wild getrampelt?

„Steige auf, Legolas, Elbenprinz. Es drängt mich, ich muss weiter."

Der Elb zögerte einen Augenblick, aber dann stieg er hinter Faramir auf das Pferd.

Jedoch als Faramir sein Pferd antrieb und Legolas sich an ihm festhalten musste, fühlte er etwas Kaltes. Es drang durch Faramirs Kleidung und durch seine eigene dort zur linken Mitte.

Und Legolas fragte sich von wo es wohl kam.

.-.-.-.

„Was ist dies für ein verfluchter Wald?" fragte Boromir fast flüsternd.

Er saß leicht gebückt auf dem Pferd, die Augen hellwach umherblickend. Seinen Schild trug er noch immer auf dem Rücken und Aragorn erkannte den Krieger von einst in ihm wieder. Den mutigen Krieger, der jedoch angesichts von magischen und geistigen Dingen immer Misstrauen hegte. Dass er sich nicht wohl fühlte, sah man ihm an.

Aragorn jedoch genoss diesen Wald. In der Tat war er schon in dieser Gegend gewesen, jedoch wie ihm jetzt auffiel, hatte er ihn niemals durchstreift. Selbst als Dunedain. Die Anfänge des Erui hatten niemals dieselbe Faszination auf ihn ausgeübt, wie die Lande Ithiliens, Bruchtal oder gar der Düsterwald. Dem König fiel auf, mit welcher Gleichgültigkeit er diese Gegend einst beachtet hatte. Nun tat es ihm leid, denn gerne hätte er gewusst, wie sich dieser Wald verhielt.

Doch Angst hatte er keine. Hier war es allzu friedlich und auch wenn der Wald dunkel vor Tannen war, fand Aragorn nichts Schreckliches daran.

Eowyn dagegen sah sich mit einer Mischung aus Neugier und Unbehagen um. Letzteres stammte wohl eher von ihrer Heimat her, denn dort gab es nur wenig Wälder und die Schildmaid kannte solche dichten Lande nur aus Ithilien, dessen Wälder allerdings einladend und lichte wirkten gegen diesen. Doch Angst zeigte auch sie nicht. In aufrichtiger Pracht und Erhabenheit lenkte sie mit selbstverständlicher Sicherheit ihr Pferd und folgte den Männern.

Sie hatte nicht zur Mitte reiten wollen, wie eine schwache Frau, die geschützt werden musste. Stattdessen hatte Boromir diesen Platz einnehmen und ihr die Nachhut überlassen müssen.

Aragorns Herz schlug vor Stolz, wenn er daran dachte, dass diese Maid alsbald Faramir angeheiratet wurde, seinem Stadthalter. Er wusste er würde sie wohl hüten und ihren Freiraum lassen. Es wäre eine Verschwendung gewesen, wenn sie einen Mann hätte heiraten müssen, der sie eingesperrt und ihre wilde Schönheit gebannt hätte. Dass ausgerechnet der sensible Faramir ihre Tollkühnheit zügeln und gleichzeitig bestehen lassen konnte, war jedoch selbst Aragorn eine Überraschung gewesen.

„Ich war noch nie hier," sprach Boromir leise und sah sich jeden Baum an.

„Ich ebenfalls noch nicht," gab Aragorn preis. „Aber dort vorne sollte der Erui sein."

Der König wies in die entsprechende Richtung und ritt voran.

Es dauerte nicht lange und Aragorns Worte bewahrheiteten sich. Sie kamen an ein seichtes Gewässer, das vor sich hinplätscherte in absoluter Abgeschiedenheit von jeglichen Menschen. Aragorns Augen leuchteten und mit Freuden besah er sich in aller Ruhe diesen Ort des Friedens und des Lebens.

„Also los!" meinte Boromir, als Aragorn keine Anstalten machte, weiter zu reiten. „Worauf warten wir?"

Eowyn ritt neben den Krieger und hielt ihn am Arm. Sie lächelte ihn an und boromir war, als würde die Sonne aufgehen.

„Verweilen wir einen Augenblick, Herr. Auch mich treibt es weiter, meinem Gatten, Eurem Bruder, hinterher. Jedoch selbst Faramir wird an solch einem Ort verweilt und sich seiner erfreut haben. Und schaut, der König…"

Boromir sah seinen König an und obwohl er ihn nur aus hinterem Winkel erblickte, erkannte er den zufriedenen Ausdruck in Aragorns Gesicht.

„Mir war nicht klar gewesen, welch wundervoller Ort sich hier nahe den Bergen verbirgt. Schon längst wäre ich her gekommen."

Das Gelb des Flusses war erstaunlich. Blätter und Nadeln färbten das Wasser scheinbar. Umsäumt wurde der Wald von braunem Ufer und saftig grünem Gras. Aragorn lächelte.

Und auch Boromir begriff ein wenig von der Schönheit der Natur. Nur einmal hatte er sie der Waffenkunst und der Menschen Städte vorgezogen. Dies war einst in Lorien gewesen und hatte ihn schwer beeindruckt. Dies schien ihm nur ein sehr schwaches Abbild dessen.

Da brach Aragorn wieder aus seiner Bewunderung und wandte sich den anderen zu.

„Wir sollten wahrlich weiter. Ich vergesse mich und fordere eure Geduld heraus. Einen Bruder und Verlobten haben wir zu finden. Nicht zu vergessen einen Freund, denn einen Zwerg sollte man ebenfalls nicht warten lassen."

Die drei Menschen stiegen ab und führten ihre Pferde ins Wasser.

„Ich kann Euer Pferd führen, Mylady, wenn ihr wünscht. Ihr werdet sonst ganz nass," bot sich Boromir an.

Doch Eowyn, sichtlich unerfreut über diese gut gemeinte Geste, wehrte ab.

„Ich hoffe, Ihr meint nun nicht, dass ich Euch zu Dank verpflichtet bin, Herr Boromir! Aber wie ihr seht trage ich trotz Rock auch ein Schwert und bin Eurer Manneskraft damit an Größe weit überlegen."

Überrumpelt und total verblüfft über diese unschickliche Redensweise stockte Boromir der Atem.

„Meiner… Manneskraft?"

Er sah an sich hernieder und plötzlich erfasste er den unverschämten Wortwitz der Frau. Er sah zu Aragorn, was dieser wohl zu solch einer Unsittlichkeit sagte, die er selbst nicht aus Königshäusern sondern nur als Gassenjargon kannte.

Aber Aragorn grinste nur und sah wie der Dunedain aus, der er einst gewesen war. Irgendwann musste Boromir mit der Emanzipiertheit seiner Schwägerin konfrontiert werden. Warum nicht jetzt?

„Nun, mein Fräulein," Boromir wusste nicht, wie weit er gehen sollte, aber wollte ihr unbedingt etwas entgegen setzen. „Wenn ihr meint… Jedoch frage ich mich, ob auch Faramir von Eurer Enttäuschung über seine „Manneskraft" weiß. Wir scheinen unterschiedlich in so vielen Dingen, doch in anderen gleichen wir uns wie ein Ei dem anderen."

Wild und empört drehte sich Eowyn um und ihr Kleid schwang weit mit ihr.

„Wie könnt ihr es wagen!"

Aragorn lachte laut aus und amüsierte sich angesichts des kleinen Wortgefechts, was wiederum Eowyns Zorn auf ihn lenkte.

„Mir scheint Gondors Männer sind auch nicht besser, als die Rohans," brachte sie mit rauer Stimme heraus.

„Und mir scheint, die Frauen Rohans sind auch nicht besser, als die Männer Gondors!" brüllte Boromir durch den Wald, laut mit Streicher lachend.

Wieder fuhr Eowyn herum und wollte etwas sagen, doch ihr Gesicht verwandelte sich plötzlich in eine Grimasse aus Überraschung und Furcht.

„Was?!" brachte sie noch heraus, bevor sie völlig das Gleichgewicht verlor und ins Wasser fiel.

„Jedoch tollpatschiger sind Rohans Frauen, als die Gondors!" lachte Boromir weiter und sah Aragorns Lächeln, das jedoch plötzlich verschwand.

Boromir überlegte, ob er nun doch zu weit gegangen war und wollte sich gerade bei Aragorn entschuldigen, als er bemerkte, dass der König sich hektisch umdrehte und beide Hände ins Wasser streckte, da wo gerade Eowyn gefallen war.

Mit Schrecken wusste Boromir: Da stimmte etwas nicht!

Warum tauchte Eowyn nicht auf und schalt ihn? Sie blieb unter Wasser!

„Frau Eowyn!" rief Boromir und wollte zu Aragorn laufen.

Doch der winkte ab.

„Keinen Schritt Boromir! Bleib stehen!"

„Was?!"

Boromir stand still und rührte sich nicht. Sein Pferd hinter ihm trabte aufgeregt auf der Stelle und schnaubte, spritzte Wasser hoch und war unruhig.

Da erkannte Boromir, dort wo Eowyn gerade noch gestanden hatte, etwas dunkles… ein riesiges Loch.

„Oh nein!"

Aragorn tauchte mit dem Kopf ins Wasser ein, als er sich tiefer bückte und verschwand von der Wasseroberfläche. Boromirs Herz schlug schneller. Was war dies für eine Teufelei! Eine Falle!

Aragorn tauchte wieder auf und richtete seinen Oberkörper langsam auf.

„Ich habe sie!" schnaufte er und zog seine Arme nach oben und Eowyn wieder über Wasser.

Völlig aufgeregt schnaufte sie und hustete das Wasser heraus, das sie in ihrer Überraschung geschluckt hatte. Aragorn zog sie direkt neben sich und hielt sie nahe an seinem Körper, denn er hatte festen Boden unter seinen Füßen, so hoffte er wenigstens.

„Geht es Euch gut?" fragte Boromir besorgt und Eowyn nickte im Husten.

Boromir wollte sich das Loch noch einmal genau ansehen, doch da bemerkte er, dass es nicht mehr da war. Stattdessen lagen dort nun nur Tannennadeln und machten es unsichtbar.

„Streicher, schau da!" Boromir wies auf das Loch und hatte nicht bemerkt, dass er Aragorn mit dem Namen des Dunedain angeredet hatte.

Der König sah nach und auch er bemerkte, was Boromir beobachtet hatte.

„Sieht so aus, als sollte das Unwissende hindern, hier hindurch zu kommen," überlegte Aragorn laut.

„Sie sind überall!" rief Boromir, als er sich umblickte und die vielen gelben Flecken sah.

„Aber… warum?" brachte Eowyn heraus.

„Jemand will nicht, dass der Fluss überquert wird," meinte Boromir. „Die Flecken sehen nicht natürlich aus."

Boromir entdeckte solch einen Fleck auch direkt neben sich und seinem Pferd. Mann und Pferd konnten darin versinken, so groß musste das Loch sein. Schnell beruhigte der Soldat sein Pferd und brachte es ein wenig von dem Loch weg.

„Ein Glück, dass wir nicht hinein gefallen sind," meinte Eowyn. „Ich habe einen schwachen Sog gespürt. Wenn man einmal hinein tritt, kommt man wahrscheinlich nicht mehr heraus. Danke Aragorn."

Der König nickte und überlegte.

„Ob Faramir und Legolas den Fluss wo anders überquert haben?"

„Es sieht so aus, als würden sich diese Flecken noch weit durch den Fluss ziehen," meinte Boromir, als er sich umsah und die Augen mit der Hand abschirmte. „Aber irgendwo müssen sie hindurch gekommen sein."

„Zurück zum Ufer," befahl Aragorn und die drei gingen zurück.

Die beiden Männer und die Frau erreichten das Ufer und gingen daran entlang. Plötzlich blieb Aragorn stehen.

„Hier. Hier muss es gewesen sein."

Eowyn sah sich um.

„Es sind keine Spuren am Wasser, Aragorn. Es kann nicht hier gewesen sein."

Der König nickte, aber ging hin zum Waldrand. Er wies auf den Boden. Boromir wusste, was er sah.

„Abgebrochene Äste."

„Auch wenn es keine Spuren gibt, welch seltsamer Zauber dies auch verhindern mag, so verraten andere Dinge, dass hier jemand gewesen sein muss," sagte Aragorn ruhig und schritt zum Ufer.

Er sah die unzähligen Flecken im Wasser und schnaufte hart. Nur ungern wollte er den Fluss mit Begleitern durchqueren. Allerdings hatte er genug Vertrauen in ihre Fähigkeiten, so dass er es ihnen doch zutraute.

Gemeinsam gingen sie ins Hüfthohe Wasser und tasteten sich vorsichtig voran. Sie brauchten ziemlich lange, bis sie doch endlich einen Weg gefunden hatten.

Aragorn erinnerte sich an das, was der Adler ihnen überbracht hatte.

Sie durchquerten den Erui an den Anfängen und sprangen in einen selbst für Adler undurchdringlichen Nebel.

Langsam kam es dem Dunedain so vor, als wären dies alles Prüfungen, die gemacht waren, nur gewisse Leute passieren zu lassen… oder Fallen.

Er durchforschte sein Gedächtnis nach den alten Sagen und Legenden, die diese Gegend beschrieben, blieb jedoch erfolglos. In der Tat gab es nur zwei, die ihm einfielen, zwei die nichts zu diesem Fluss oder gar dem Nebel sagten.

Eine Sage drehte sich um die Berge, welche diesen Wald säumten. Doch das Gebirge war groß und die Sage altbekannt, nicht nur diese Gegend betreffend. Die andere drehte sich um einen Naturmenschen, der einst in diesen Walden gelebt haben sollte. Doch diese Löcher im Grund des Flusses konnten nicht von einem Menschen stammen. Sie waren zu zahlreich und ausgeklügelt.

Endlich fand Aragorn einen Weg durch das Wasser und ging wieder an Land. Eowyn und Boromir folgten ihm aus dem Wasser und sie alle mussten pausieren.