Celebne: Schnell genug? Danke für das Rev! Ich freu mich jedes Mal darauf ;-) Jaja, der arme Faramir. Ich schätze, das wird ne Überraschung… In den nächsten Chapis fange ich an, mal ein paar Fragen aufzulösen.
Leonel: Wow! Was für ein Lob! abknuddel Aber die Prüfungen sind ja bestanden… Jetzt spitzt sich die Lage allmählich zu. Bist du auch schon fleißig am Schreiben?
Tanja: lol das freut mich aber, dass du regelmäßig bei mir vorbei guckst. Schreibst du auch Storys? Und was heißt hier Ungeduld? Ich habe ja lange genug darauf warten lassen, bis ich die Story endlich zu Ende geschrieben habe.
YanisTamiem: Ui! Ein neuer Leser? Das freut mich aber! hüpf, hüpf Danke für deine liebe Review! Ich schau auch mal bei dir vorbei!
In der alten Höhle
Legolas saß bei seinem Schutzbefohlenen und sah besorgt auf ihn herab. Faramir sah sehr blass aus und nur das Blut auf seiner Stirn, welches unaufhörlich aus der Wunde floss, gab seinen Wangen etwas Farbe.
Legolas versuchte mit Binden aus dem Stoff seiner Kleidung, die Wunde zu verbinden, jedoch war ihm klar, dass dieses Provisorium nicht ausreichen würde, den Mann vor sich gänzlich zu versorgen. Aber wie sollten sie nur zurückkommen? Selbst wenn sie es schaffen konnten, den Weg durch die Schlucht zu passieren, so würde der Nebel ihnen ein unüberwindbares Hindernis bieten. Legolas musste Hilfe finden!
Aber hier war nichts als dichter alter Wald, der in dieser Not so gnädig über sie wachte und ihnen freundlichen Schutz entgegen brachte.
Kaum mehr als aus den Augenwinkeln hatte Legolas es bemerkt. Blitzschnell drehte er seinen Oberkörper, zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne, noch bevor irgendwas darauf hätte reagieren können.
Der Puls des Elbenprinzen schnellte plötzlich in die Höhe, als er vor sich sah und nicht verstehen konnte, was sie dort beobachtete. Legolas kniete neben Faramir ohne sich zu bewegen und hielt den Atem an.
Etwa zwanzig Meter vor ihm stand ein kleiner Stumpf, der Legolas kaum ans Knie reichte und nicht dicker war als sein Unterschenkel. Es leuchtete pulsierend vor einem dicken Baum und Legolas glaubte, zwei winzige punktförmige Augen auf dem Ding auszumachen.
„Faramir, bist du wach?" flüsterte Legolas.
Zuerst kam keine Antwort und Legolas wollte gerade anfangen, sich ernste Sorgen zu machen, als der Stadthalter sich etwas bewegte und stöhnte.
„Was ist denn?" fragte er schwach und versuchte seine Augen zu öffnen.
„Bleib ganz ruhig, da…"
Plötzlich fuhr Legolas herum und blieb in seiner Bewegung stehen. Genau auf der anderen Seite etwa 12 Meter entfernt, befand sich nun ein weiteres Wesen dieser seltsamen Art und beobachtete sie. Legolas Griff um seinen Bogen festigte sich und sein Geist suchte nach einer Möglichkeit, diese Geschöpfe zu erfassen. Doch jedes Mal, wenn er nach ihren Auren hinaus griff, fand er nur den mächtigen Wald und sonst nichts!
Welches dieser Geschöpfe sollte er zuerst im Auge behalten? Legolas Atem ging schneller und er musste sich etwas umwenden, um nach dem anderen zu sehen. Schockiert stellte er fest, dass das Wesen geräuschlos und unbemerkt auf zehn Meter heran gekommen war.
Kalter Schweiß brach auf seiner Stirn aus und schnell drehte er sich wieder um, damit das andere Wesen sich nicht genauso nähern konnte.
Aber zu Legolas Schreck war es bereits einen Meter vor ihm und stand nun ganz ruhig da, blinzelte nichts sagend.
„Was willst du! Was bist du?" verlangte Legolas zu wissen und zielte nun auf das Ding.
„Nein, warte, Legolas!" brachte Faramir schwach heraus.
„Sie kommen immer näher! Ich kann sie nicht einmal Fühlen!" Legolas war schockiert angesichts dieser Tatsache und fühlte sich völlig hilflos.
Als wären seine Sinne taub.
„Das macht nichts."
„Was!"
Plötzlich waren sie überall. Zerstreut im ganzen Wald, unregelmäßig und total starr. Jede Menge heller Stümpfe, die sie mit ihren winzigen Äuglein ansahen und hin und wieder blinzelten.
„Was ist das, Faramir?"
„Du kannst sie fühlen, wenn du den Wald fühlst. Es sind Baumgeister und jeder Geist hat einen Baum. Wenn du den zugehörigen Baum spürst, dann auch den Geist."
„Aber…" wie faszinierend!
Legolas kniete da, mit seinem Bogen und weit aufgerissenen Augen. Es stimmte! Es stimmte! Er fühlte weder Hass noch Liebe in diesen Wesen. Aber wenn er sich auf einen Baum konzentrierte, dann schien irgendwo in diesem durcheinander eine der Gestalten etwas heller zu leuchten, als wollte sie ihm sagen: Hier bin ich! Ich bin dieser Baum. Und Legolas fühlte nichts als Neugier und Behaglichkeit von diesen Bäumen ausgehen.
Langsam ließ er den Bogen sinken und entspannte die Sehne.
So etwas hatte er noch nie gesehen oder gefühlt!
„Wie wunderbar!" flüsterte der Elb.
Faramir lächelte sanft und schloss erleichtert die Augen.
„Woher hast du das gewusst?" fragte Legolas nun wieder von elbischer Ruhe beherrscht.
Faramir antwortete nicht. Er lag da, als schliefe er.
Da sah Legolas zum ersten Mal, wie eine dieser Figuren sich bewegte. Sie knautschte sich zusammen und hüpfte dann nach vorn. dabei machte sie kein Geräusch, nicht einmal auf dem trockenen Laub auf dem Boden.
Das Wesen stand nun direkt vor ihnen und blinzelte. Legolas fragte sich, ob sie wohl intelligent waren, denn der kleine Geist schaute sie eine Weile nur an.
„Faramir?" fragte Legolas leise.
Aber der Mann sagte nichts. Er lag einfach nur da. Da gingen die Alarmglocken bei dem Elben los.
„Oh nein!" schnell suchte er nach Faramirs Puls und fand ihn schwach.
Das Wesen hüpfte an den Stadthalter heran und blinzelte, drehte sich mühsam zu Legolas herum.
„Es geht ihm nicht gut."
Legolas wusste nicht einmal, ob es ihn verstand. Er wusste nicht, warum er es ihm überhaupt sagte, warum er mit dem kleinen Geist sprach. Aber dann knautschte sich das Wesen zusammen und als es sich wieder streckte, fiel es um, lag dann neben Faramir.
Es versucht, ihn nachzuahmen, stellte Legolas fest.
Intelligenz war auf jeden Fall vorhanden. Ein anderes kam angehüpft und knautschte sich zusammen, blieb gebückt neben dem liegenden Geist. Das sollte wohl er selbst sein? Spielten sie?
Plötzlich hüpften die Baumgeister umher und Legolas fragte sich, was das sollte? Nach wenigen Sekunden konnte er allerdings erkennen, was sie vorhatten. Als sie das Chaos beruhigte, gaben die kleinen Geister einen Weg frei.
„Wir sollen dort entlang gehen?" fragte er den Stumpfen, der ihn darstellen sollte.
Da fingen die Baumgeister an, ihre Körper hin und her zu schwingen. Ihre Augen waren nun nicht mehr zu erkennen. Sie sahen aus, wie Grashalme, die sich im Wind wiegten, nur dass sie es alle synchron taten.
Da Legolas sowieso nicht wusste, was er tun sollte, holte er tief Luft und hob Faramir vom Boden auf. Er musste den Geschöpfen vertrauen. Er musste auf Faramir vertrauen.
Er folgte dem Weg und geriet tiefer und tiefer in den Wald hinein.
Fürst Imrahil stand auf der höchsten Mauer Minas Tiriths und starrte auf die Ebene des Pellanor. Seine blauen Augen waren weit aufgerissen und sein blondes, silbern glänzendes Haar wehte aufgewühlt im Wind.
Wo war nur Aragorn! Wo war der König! Seine Stadt brauchte ihn! Mit Grauen beobachtete Imrahil, was sich in der Ferne aufgetan hatte. Sie kamen von Norden her und die Männer die er ihnen entgegengeschickt hatte, zu fragen nach dem Belang, waren nicht wieder gekehrt.
„Herr, was sollen wir tun?"
Imrahil erkannte die dunkle grollende Stimme Beregonds, der hinter ihm stand und auf einen Befehl wartete, der sie nicht länger untätig bleiben ließ.
Der Fürst dachte angestrengt nach. Was sollte er nur tun? Wie konnte man ihnen entgegenwirken? Dunkel erinnerte er sich an die große Schlacht bei Minas Tirith zurück, als Aragorn das Heer der Geister mit sich geführt hatte, wie diese durch die Orks gegangen waren, wie eine todbringende Seuche, die bei Berührung hinweggerafft hatte. Wie konnte man Gespenster aufhalten?
In der Ferne erkannte er das grüne Leuchten und Späher hatten ihn darüber in Kenntnis gesetzt, dass die, die sich da näherten, körperlos waren. Also Geister!
Und er wusste nicht einmal, was sie wollten, aus welchem Grunde sie gekommen waren. Aragorn, der König war nunmehr seit fünf Tagen fort und die Königin selbst… ihre Rückkehr war auch nicht zu erwarten.
„Sammelt die Stadt. Bringt so viele, wie ihr könnt, in die Hallen des Königs. Bringt so viele, ihr könnt in die Feste. Wer nicht in die große Halle passt, soll sich um den weißen Baum sammeln und ein Blatt des Königskrautes bekommen."
„Aber…" Beregond wollte ansetzen, aber hielt sich dann zurück.
Imrahil nahm den Zweifel des Mannes mit Gelassenheit, denn selbst er wusste nicht, was zu tun war. Mauern und Waffen konnten einen Geist nicht aufhalten. Doch vielleicht konnten es die überirdischen Dinge. Die große Halle galt als heilig und ein Glaube sagte, kein böser Geist könne in sie hinein, ohne geladen zu sein. Der weiße Baum Gondors war das heiligste, das diese Stadt hatte, vielleicht konnte er ihr Schutz bieten?
„Vergesst nicht, genug Verpflegung mit zu nehmen. Und beeilt euch. Sie werden in wenigen Stunden hier sein."
Beregond nickte und ging, seinen Befehlen nachzukommen.
Gimli war ganz flau im Magen. Der lange Flug hatte sie über die lange Straße von Süden nach Norden hinweggeführt, über Felder, Berge, Täler, Flüsse und Siedlungen. Die Schwingen des gigantischen Adlers hatten sie auf dem Wind reiten lassen, hatten sie in unglaubliche Höhen empor getragen und manchmal in extremen Tempo herabfallen lassen. Gwaihir hatte sie über hunderte von Meilen hinweg getragen ohne auch nur den Anschein einer Ermüdung zu zeigen. Er hatte einen überirdischen Tanz vollführt, mit Wolken und Wind und wenn Manwe selbst ihm zugesehen hätte, er wäre voller Stolz und Hochachtung für den Adler gewesen.
Aber Gimlis Magen schien diese Leistung gar nicht zu würdigen. Im Gegenteil, er schien sich zu drehen und zu rebellieren. Die ganze Zeit hatte er das nicht wahrgenommen, aber nun, da die Schwindel erregenden Höhen von Angmar vor ihnen auftauchten, überkam es ihn und Arwen hatte sich etwas besorgt umgesehen, um sich nach seinem Wohl zu erkundigen. Der Zwerg hatte ihr versichert, dass es ihm gut ginge, aber die Elbenfrau wusste es besser.
Der Schwindel rührte nicht von der Höhe oder Gwaihirs Flug. Vielmehr von den Nebeln und seltsamen Dämpfen, die hier empor stiegen und ihnen die Sicht nahmen. Sie selbst konnte kaum ausmachen, wo der Adler sie hin trug. Aber sie vertraute darauf, dass er sie wohlbehütet an ihr Ziel bringen würde.
Just in diesem Moment stieß das edle Tier einen Schrei aus und flog die Luft durchschneidend steil hinab. Arwen fasste hinter sich und packte Gimli am Arm, um sicher zu gehen, dass der Zwerg nicht loslassen würde.
Gimli grummelte kurz angesichts dieser Geste, aber ließ es auf sich beruhen. Schließlich waren Zwerge nicht für die Luft beschaffen, sondern für Berge und Höhlen. Zudem war es die Königin Gondors selbst, die um sein Wohl besorgt war und ihn mit ihrer zarten Hand behutsam, aber fest hielt.
Da tauchten sie aus den dichten Wolken hindurch in dunstige, aber durchdringliche Luft hinein, wodurch sie plötzlich eine steile Felskante vor sich aufragen sahen. So plötzlich tauchte sie auf, dass sogar Arwen einen Moment ins Straucheln kam und den Griff in Gwaihirs Federn lockerte. Doch das machte nichts, denn der Adler wurde langsamer und glitt elegant und fließend an der Felsenwand entlang, die gar nicht enden zu wollen schien und sich so weit nach oben hin streckte, dass die Wolken ihr Ende verbargen.
Wenn Gimli auf Gwaihiers Füßen gesässen und die Hand ausgestreckt hätte, er hätte die Wand erreichen können. Aber dem Adler machte die gefährliche Nähe zu dem Gestein nichts aus. Gwaihir wusste, wie er flog, er kannte den Wind und seine Neigungen, plötzlich die Richtung zu wechseln oder sich aufzubäumen, sehr gut und konnte innerhalb von Sekundenschnelle alles überwinden.
„Wie lange wird es noch dauern?" fragte Gimli Arwen und ein wenig Nervosität schwang in seiner Stimme mit.
„Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, es ist nicht mehr weit."
Zum Glück waren ihre Arme von ihrer Bekleidung verdeckt, denn sonst hätte jeder leicht erkennen können, dass sie Gänsehaut hatte. Sie fühlte sich unruhig, als sie sich an die gruseligen Geschichten aus ihrer Kindheit erinnerte, die sie einst von ihrem Vater über dieses Gebirge erfahren hatte. Zur Zeit der Hexer musste dies ein noch grauenhafterer und düsterer Ort gewesen sein, als er jetzt schon war. Tief unter sich sah Arwen einen kleinen und nicht sehr sicher aussehenden Pfad, der sich mühsam und über viele Windungen an der Wand entlang schlängelte. Sie war froh, nicht zu Fuß diesen Weg gehen zu müssen. Kaum zwei Füße mochten nebeneinander Platz finden. Und die Wand sah hinterlistig aus. Als könnte sie nach Belieben und gut dünken Steine aus ihrer Seite lockern und auf jeden hernieder werfen, der sich auf diesen Pfad wagte.
„Ich kann nicht glauben, dass Legolas hier her wollte," meinte sie irgendwann zu dem Zwerg. „Diese Berge sind furchtbar und verwünscht, wenn man den Geschichten glauben will. Was die Elben des Düsterwaldes bewegt haben mochte, hier in diesen bergigen Weiten von jemandem Rat zu ersuchen, dessen Existenz nicht einmal sicher ist, ist mir ein Rätsel."
„Hat denn niemand dieses furchtbare Wesen gefunden? Wenn die Elben hierher aufgebrochen sind, hat niemals jemand Ismelda gefunden?"
„Die Waldelben hüllten sich in Schweigen deswegen."
„Aber ich dachte, ihr teilt euer Wissen miteinander."
„Ja, das tun wir," bestätigte Arwen. „Aber dennoch gibt es immer noch Dinge, die wir einander nicht offenbarten. Vor langer Zeit, hat es zwischen den Elben Brüche gegeben. Aber diese Geschichten sind längst vergessen bei euren Völkern. Auch wir handelten einst mit Informationen und gaben diese nicht einfach so preis. Außerdem: schon lange war niemand mehr in den Bergen. Und so geriet es bei uns in Bruchtal in Vergessenheit, auch dass es da überhaupt noch ein Geheimnis gab."
Gwaihir gab einen krächzenden Schrei von sich und erregte nun die Aufmerksamkeit der beiden Reisenden. Arwen sah nach vorne, wo die Wand, welche sie die ganze Zeit begleitet hatte, sich zu einer anderen hinzu gesellte und zwischen den beiden nur noch eine dünne Spalte war. Der kleine Pfad, den Arwen gesehen hatte, verschwand im Schatten der Steine und führe ins Nirgendwo.
Aber kurz bevor der Stein den Weg verschluckte, gab es einen kleinen Vorsprung. Gerade groß genug, um dem Adler die Möglichkeit zu geben, sich mit einem Fuß daran fest zu krallen.
„Hier müssen wir allein weiter gehen," sagte Arwen und Gimli grummelte abermals.
Als Gwaihir versuchte, sich an dem Vorsprung fest zu halten, wirbelten seine Flügel uralten Staub auf und warfen etliche kleiner Steinchen in den Abgrund, wo sie bis zum Ende aller Zeit vor sich hin bröckelten.
„Wie jetzt?" rief Gimli, als Arwen sich daran machte, von Gwaihirs Rücken zu steigen, während der Adler unbeholfen mit den Flügeln schlug, um das Gleichgewicht zu halten.
„Halte dich an seinen Federn fest und steige ab!" rief Arwen ihm zu, aber das war leichter gesagt, als getan für den Zwerg, dessen Beine wohl kaum den Felsen erreichen konnten.
„Nein, warte! Bleib auf seinem Rücken!"
Gimli schüttelte den Kopf und blickte sich erschrocken um. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Ein Zwerg auf einem Adler! Wie lächerlich! Er fühlte sich wie damals, als er nicht alleine reiten konnte und deshalb fast zurück gelassen worden war, hätte Legolas ihn nicht vor sich aufs Pferd genommen. Noch mehr erschrak er, als der Adler plötzlich wieder vom Boden abhob und mit gewaltigen Flügelschlägen an Höhe gewann.
„Hey, Moment mal! Du kannst mich nicht einfach wieder mitnehmen! Ich muss mit der Königin gehen!"
Doch bevor er seinen Protest beenden konnte, ließ der Adler sich wieder sinken, bis seine Flügel sich knapp über Arwens Kopf bewegten. Sie streckte die Arme nach ihm aus.
„Lass dich fallen, ich werde dich auffangen!"
„Das Weib muss verrückt sein!" empörte sich Gimli und versuchte seine Chancen abzuschätzen, sicher auf dem Vorsprung zu landen.
Er kam zu dem Schluss, dass sie so oder so nicht sehr gut waren. Aber mit Arwen schienen sie ein wenig besser. Er seufzte und rollte mit den Augen, bevor er tief Luft holte und sich zum Sprung bereit machte. So fest es ging, stieß er sich von Gwaihir ab und ließ sich fallen, Arwens Armen entgegen.
Erst als er ruckartig aufkam und ihren Griff um seine Hüften spürte, merkte er, dass er die Augen geschlossen hatte. Heftig fielen sie zusammen auf den Boden, denn Arwen konnte das Gewicht des Zwerges nicht so ohne weiteres einfach abfangen. Also ließ sie sich nach hinten umwerfen und rollte sich gekonnt und gelenkig zur Seite ab. Gimli blinzelte zaghaft, als sie zum Stillstand kamen.
Über sich sah er den Schnabel und die äußerst scharfen gelben Augen des Adlers, der sie verdutzt ansah. Die gewaltigen Schwingen ließen bei jedem Flügelschlag einen Windstoß aufwallen und er befand sich noch immer gefährlich nah an der Wand.
Dann wandte sich Gimli nach links und sah in Arwens blaue Augen. Sie lächelte sanft.
„Alles in Ordnung?"
Gimli rappelte sich auf, was sehr ungelenk aussah, aufgrund seines Körperbaus.
„Natürlich ist alles in Ordnung mit mir! Und… was ist mit Euch? Aragorn wird mich umbringen, wenn Euch etwas passiert wegen mir."
Arwen lächelte.
„Keine Sorge. Mir ist auch nichts passiert. Danke, Gwaihir! Flieg und finde einen Platz zum Ruhen, aber bleib in der Nähe, falls wir dich brauchen!"
Der Adler erhob sich majestätisch und segelte über den Abgrund hinweg. Gimli sah auf die enge Felsspalte in etwa hundert Metern Entfernung.
„Sieht eng aus," brummte er und sah an sich herab.
Unter Zwergen war er sicherlich nicht der dickste, aber im Vergleich zu Arwen oder einer seiner anderen Freunde war er doch sehr stämmig und fragte sich, ob er wohl hindurchklettern könnte.
„Ja, und unheimlich," bejahte die Elbin.
Gimli nickte.
„Nichts desto trotz. Ich bin froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Und dennoch habe ich ein seltsames Gefühl in der Magengegend."
„Schwefel," erklärte Arwen. „Wir sind vorhin über Schwefelwolken geflogen. Die Ausdünstungen dieses Gebirges sind Ekel erregend."
Gimli atmete tief ein und schwellte die Brust, wodurch sein Schutzpanzer ihn beträchtlich einengte.
„Also, dann lass uns diesem Ungetüm mal auf den Zahn fühlen."
Zusammen machten sie sich daran, dem Pfad langsam zu folgen. Er war wirklich schmal und vorsichtshalber schoben sie sich mit dem Rücken an der Felswand entlang. Auf den Boden des Abgrunds sahen sie nicht, denn unten verschleierte Dunst ihren Blick. Aber sie kamen schnell voran und erreichten wenig später die Spalte. Arwen spähte hinein. Der Anfang war ziemlich eng, aber nach hinten schien sich der Weg wieder zu verbreitern. Etwa zweihundert Meter entfernt entdeckte sie den Ausgang, denn ein schwaches Licht leuchtete ihnen entgegen.
Vorsichtig schätzte sie die Lage ab. Sie selbst würde ohne Probleme hindurch passen, aber für Gimli wurde es eng. Jedoch wurde die Spalte nach oben hin etwas breiter. Wenn sie es schaffte, den Zwerg hinauf zu hieven, und Gimli versuchte, sich mit den Füßen an den Wänden hoch zu stämmen, konnten sie es gemeinsam schaffen.
Sie sah den Zwerg an und zog eine Augenbraue hoch.
„Hmpf. Also gut. Aber könnt Ihr meine Axt nehmen? Ich will sie nicht zurück lassen."
Arwen nickte höflich und Gimli legte die gewaltige Waffe auf den Boden, setzte einen Fuß auf Arwens Räuberleiter. Er stütze sich an ihren Schultern ab und drückte sich hoch, bekam tatsächlich einen Fuß auf einen kleinen Vorsprung in der Wand, wodurch er Arwen entlasten konnte. Nach und nach arbeitete er sich weiter. Arwen sah sehr seltsam aus mit Gimlis geschulterter Axt. Die Klinge war fast so breit wie ihr Rücken und hinderte sie etwas.
Sie hatten etwa die hälfte der Strecke zurückgelegt, als Gimli herab auf ihre Höhe steigen konnte. Aber er ging nicht weiter.
„Das ist kein Tageslicht," brummte er und streckte seine Hand nach hinten, um seine Axt wieder entgegen zu nehmen.
Arwen sah ja nun an ihm vorbei und musste feststellen, dass der Zwerg Recht hatte. Tageslicht war blass und weiß. Aber dieses hier schien eher gelblich, wie von einer Flamme.
Sofort verkrampfte sich ihr Magen und Übelkeit stieg in ihr auf. Sie konnte etwas spüren. Ihre feinen Elbensinne erfassten etwas am Ende dieses „Ganges". Etwas sehr altes… etwas Schlafendes.
Sie gab Gimli seine schwere Waffe, aber packte ihn auch an den Schultern.
„Ich werde voraus gehen," sagte sie.
„Hah! Auf keinen Fall! Ich werde vorausgehen. Genau deswegen bin ich mitgekommen! Ich werde mich nicht hinter Euch verstecken, Frau Arwen! Aragorn hat mich beauftragt, Euch zu schützen. Und wenn ich bis nun nur Last war, so werde ich jetzt nicht hinter Euch gehen."
Arwen fand das Angebot sehr edelmütig und nett, aber nur mit Widerwillen stimmte sie zu und folgte dem Zwerg.
„Du bist keine Last für mich, Gimli," flüsterte sie, als sie dem Licht entgegen gingen.
Der Zwerg grummelte etwas vor sich hin, das Arwen nicht verstand. Das Licht drang so hell gegen die Dunkelheit heraus, dass die beiden erst kurz vor der Öffnung erkannten, dass sich dahinter ein Raum verbarg. Er war ziemlich groß, denn bis zur Höhlenwand schien es hundert Fuß. Nur Schemenhaft zeichnete sich der Rauminhalt gegen das Licht ab.
Aber als sie schließlich den Eingang erreicht hatten, hielten sie sich rechts und links fest an die Wand gedrückt, damit sie hineinschauen konnten.
Es war ein schummrig-helles Licht, das die Schatten der Steinwände zum tanzen brachte. Auf beiden Seiten des sich dreißig Fuß erstreckenden Raumes standen jeweils vier hohe Kerzenständer mit jeweils fünf Kerzen, die beinahe gänzlich hernieder gebrannt waren. Nur noch die kleinen Wachs übergossenen Stumpen dienten den Flammen als Nahrung. Arwen konnte den süßlich-rauchartigen Geruch von Guridna-Wachs wahrnehmen. Guridna. Lange hatte sie den Geruch der Pflanze nicht mehr wahrgenommen, denn was einst so üppig ganz Mittelerde bewachsen hatte, war vor vielen Jahrhunderten ausgerottet worden. Elben und Menschen hatten aus dieser einfachen Pflanze, welche grüne traubenartige Blüten gehabt hatte einst ein Wachs gewonnen, das sehr beständig war und über Wochen hinweg halten konnte. Die Elben hatten das Wachs sogar so weit verfeinert, dass Kerzen daraus Monate lang hielten.
Aber das war lange her. Diese Blume war längst ausgestorben, aus unerklärlichen Gründen und Arwen war eine der letzten neugeborenen Elben gewesen, die die letzte Guridna Kerze hatte abbrennen sehen. Der Geruch in der Höhle weckte lang vergessene Erinnerungen an ihre ersten Jahre.
Aber was noch viel interessanter war, war die Tatsache, dass weit hinten an der Wand weitere Kerzenständer standen. Schwarz waren sie und mit etlichen Verzierungen. Sie erhellten ein riesiges Gemälde, welches erhaben über dem Raum hing und die Person darauf, welche es zeigte, schien über selbigen zu wachen. Der Rahmen des Bildes erinnerte Arwen an elbische Schnitzkunst. Er war aus einem Holz geschnitzt, welches im Laufe der Jahrhunderte, die es nun schon alt sein musste, eine graue Farbe angenommen hatte. Aber das Bild selbst schien bunt und schön, als hätte die Zeit ihm nichts anhaben können.
Es wies eine junge Frau. Sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht und weise blau-graue Augen schauten auf die beiden Eindringlinge herab. Ihr rotflammendes Haar floss auf ihre schmalen Schultern herab und bedeckte sie wie rote Seide. Sie trug ein edles dunkelgrünes Kleid, von der Machart, wie es einst unter den Frauen der Hexer üblich gewesen war.
Arwen wusste um die Grausamkeiten des einstigen Hexenreiches. Menschlichkeit war für diese Menschen oder was sie auch gewesen sein mochten ein Fremdwort gewesen.
Aber diese Frau strahlte nichts von der Grausamkeit aus, nichts von der Habgier und Hartherzigkeit. Ihr sanftes Lächeln und der sanfte Blick wollten gar nicht zu den Geschichten passen, die Arwen einst gehört hatte und ihr kam das Bild nur umso geisterhafter vor.
„Sie scheint tot zu sein," flüsterte Gimli und sah Arwen fragend an, als wartete er auf eine Bestätigung.
Arwen sah ihn verdutzt an, denn die Frau auf dem Gemälde war wach, um nicht zu sagen wachsam. Sie schüttelte den Kopf. Gimli hob den Arm mit der Axt und wies ihr etwas. Sie folgte seiner Waffe und ihr Blick fiel auf etwas, das sie vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Das erschreckte sie umso mehr und sie vermutete einen unheilvollen Zauber, der ihre Augen trüben sollte.
Die Figur, welche auf einem alten Holzstuhl zehn Fuß vor dem Gemälde saß war vollkommen grau. Sie saß kraftlos da, wie eine alte Frau, die in ihrem Stuhl vor dem Kamin eingenickt war. Ihre alte weite Robe war, wie ihr Haupt von Staub bedeckt und es schien als hätte sie sich seit Ewigkeiten nicht bewegt. Kein Wunder, dass Gimli dachte, sie sei tot, denn es sah tatsächlich so aus. Ihr weißes Haar wallte auf ihren Schoß und verdeckte gänzlich ihr Gesicht. Arwen blieb fast das Herz stehen vor Gruseln.
„Sie ist nicht tot, Gimli. Ich habe sie gespürt. Sie ruht nur, als wäre sie in einen Schlaf gefallen."
Gimli riss die Augen auf und zog die Brauen hoch. Das Geschöpf, welches nur noch Haut und Knochen zu sein schien sollte noch leben? Er konnte das Gesicht der Person nicht sehen, aber die in den Schoß gefalteten Hände waren Knochig, ausgemergelt und grau. Nicht zu glauben, dass in diesem Wesen noch Leben stecken sollte!
Er nickte Arwen zu und trat aus dem Schatten heraus, in dem sie sich versteckt hatten und ging langsam auf die Frau zu. Wie auf Zehenspitzen näherte er sich ihr und je näher er kam, desto stärker wurde sein Wunsch, das Wesen nicht zu wecken.
Die Elbenfrau schlich ihm nach. Sie war gebückt und ihre Körpersprache verriet, dass sie sich nicht wohl fühlte. Zwar sah sie noch immer graziler aus, als jedes andere Geschöpf Mittelerdes, aber etwas von ihrer Elbenhaftigkeit hatte sie seit Betreten der Höhle eingebüßt.
Gimli stand nun neben der Frau nur drei Schritte entfernt. Er glaubte irgendwie nicht daran, dass davon eine Gefahr ausgehen konnte. Sie war tot! Sie regte sich kein bisschen auf ihr Eintreten. Dann sah der Zwerg sich das Bild an. Es erinnerte ihn an Irgendwen, aber im Moment konnte er nicht mehr sagen, an wen.
„Sie muss einmal wunderschön gewesen sein," sagte er leise und hörte, wie Arwen hart die Luft ein sog.
„Ich weiß nicht…" stammelte sie.
Natürlich war die Schönheit dieser Frau nicht von der Hand zu weisen. Aber dass sie dieses alte Weib abbilden sollte… das Gemälde schien neu zu sein.
„Ja, das bin ich. War ich nicht einmal wunderschön?" fragte eine dunkle alte und etwas zittrige Stimme.
Gimli schrak herum und noch schneller war Arwen alarmiert und hatte ihr schlankes Elbenschwert gezogen. Unnütz, wie es schien.
Die alte Frau saß noch immer auf dem grauen Stuhl, der Staub lag unbewegt auf Haupt und Schultern, sie hatte sich nicht gerührt.
Der Zwerg bemerkte, dass die Elbin keinen Ton hervorbringen konnte und es beunruhigte ihn auch sehr, dass sie so erschüttert war, angesichts dieses Wesens. Es war eine gute Wahl gewesen, ihn mit ihr zu senden, denn Arwen war wie gelähmt.
Er machte einen Schritt vor sie und schirmte sie somit ab. Dann schluckte er einmal, um den Kloß ihm Hals los zu werden.
„Seid… seid Ihr wach?" fragte er vorsichtig und auch leise, um die Alte nicht zu erschrecken.
„Sprecht nur lauter, Meister Zwerg. Ich mag die wohlig brummenden Stimmen der Zwerge. Lange Zeit habe ich keinen mehr reden gehört. Um ehrlich zu sein, ich habe sowieso schon lange mit niemandem mehr gesprochen und allmählich machte ich mir Gedanken, ob denn überhaupt noch jemand den Weg zu mir finden würde, um mir die Kerzen auszutauschen. Ich bin alt… und meine Arme haben nicht mehr die Kraft, die Kerzen auszutauschen. Das letzte Mal war es ein Elb aus den Dunkelwäldern, der mir diese Freundlichkeit erwies. Das war vor etwa… mein Gedächtnis… vor hundert und zweiundfünfzig Jahren. Seht, sie sind fast hernieder."
Nur das leicht wippende Haar der Alten Frau zeigte, dass sie ihren Mund bewegte und zu ihnen sprach. Sonst hätte es ebenso gut ein Geist sein können. Gimli stand mit offenem Mund da und versuchte erst einmal, das Gesagte und diesen Anblick zu verdauen. Sehr zu beider Überraschung war die Stimme der Alten sehr wohlklingend, kein bisschen kratzig.
Gimli sah aus den Augenwinkeln, dass Arwen zu den Wänden ging und sich daran machte, die Kerzen auszutauschen. In den Wänden waren Löcher heraus gehauen, in denen hunderte der seltenen Kerzen lagen, die anscheinend Jahrhunderte brennen konnten, wenn man der alten Frau zu glauben getraute. Auch Gimli hätte sich nützlich machen wollen, aber er war zu klein, um die Kerzen in die hohen Ständer hinein zu drehen. Deshalb musste er sich damit begnügen, der Elbenprinzessin die Kerzen zu reichen. Nie zuvor hatte er ein so leuchtend grünes Wachs gesehen. Und wie es roch! Dass sie so lange brennen konnten, war ihm bei all der Aufregung gar nicht gewahr geworden.
Sie waren schnell fertig und als sie die letzte Kerze eingedreht hatten, blieben sie unschlüssig stehen.
Arwen misstraute der ganzen Sache noch immer.
„Habt vielen Dank, Ihr jungen Leute," sagte die Alte freundlich. „Sagt, warum kommt ihr nicht näher? Bringe ich altes Weib Euch so zum fürchten? Kein Leid werde ich Euch tun, kein Leid kann ich Euch tun, denn dieser Körper ist alt und dient zu nichts mehr, als zur Hülle meiner Seele. Sogar das Sprechen wird er bald verlernen und dann werde ich mich endlich von ihm lösen und den anderen folgen."
Als Arwen nicht voraus gehen wollte, tat es Gimli, bedacht darauf, so langsam zu gehen, dass Arwen ihm trotz Furcht und Argwohn folgen konnte.
„Auch ihr seid eine Elbin. Aber keine aus den düstren Wäldern, habe ich Recht?"
Arwen entgegnete nichts.
„Ich wundere mich, dass ich noch immer der Welt bekannt bin. Und noch mehr, dass es ausgerechnet ein Zwerg ist, der mir ohne Furcht entgegentritt."
Gimli straffte sich und streckte die Brust heraus.
„Warum sollte ich mich fürchten, wenn Ihr selbst sagt, dass wir nicht zu befürchten haben?"
Die alte lachte schwach, aber herzlich.
„Wie wahr. Jedoch so sollten doch gerade die Elben, welche Kenntnis von mir haben, weniger in Furcht sein. Ihr Mut ist bekannt, ebenso wie ihre Weisheit. Doch möchte diese Elbenfrau, die von hohem Geschlecht ist, am liebsten wegrennen."
Gimli sah Arwen an und sie schien ihm ziemlich bleich. Ihre Pupillen waren weit geöffnet und sie sagte kein Wort.
Zu schockiert war sie von alledem. Die Geschichten waren also wahr.
„Wer seid Ihr?" fragte Gimli.
„Wenn Ihr mich suchtet, müsst Ihr doch eine Ahnung haben, Meister Zwerg. Nicht die Freude am Wandern hat Euch zu mir geführt. Ich habe eine dunkle Ahnung, wenn ich in Eure Augen schaue. Eine… gar dunkle Ahnung…" ihre Stimme schien sich aufzulösen vor Atemlosigkeit.
„Ihr seid die Hexe, ganz zweifelsfrei! Die uralte Hexe, welche die Elben aus dem Düsterwald hin und wieder aufsuchen."
„Da habt Ihr ganz Recht. Ich bin es, die die Gabe der Hellsichtigkeit hat. Die über den Anfang der Zeit und das Ende der Welt weiß. Ich wate in den Gezeiten wie in einem klaren Fluss, der im Frühling aus den Bergen entspring und ins warme Tal herabfließt. Ich kann Euch sagen, was war, was ist und was sein wird. Doch was ich offenbare, ist allein mir bestimmt zu entscheiden. Lange habe ich gewartet. Viele sind zu mir gekommen, meines Rates wegen. Aber nach so vielen Jahrhunderten kommt jemand zu mir… meinetwillen. Ihr wisst, wer ich bin! Deshalb sagt mir meinen Namen, denn ich verzehre mich danach, ihn zu hören, seinen Klang in meinen Ohren zu fühlen."
„Ismelda," der Name hallte durch die Halle und kroch in jeden Winkel.
Arwens Stimme schien noch Minuten wider zu hallen. Das erste, das sie zu der Alten gesagt hatte, war ihr Name gewesen und zum ersten Mal, dass sie Ismelda sich bewegen sahen, war jetzt, da ein Schütteln und Schauern durch ihren Körper ging.
Der Staub rieselte in feinen Strähnen von ihrem Kopf herab und das alte Kleid schlug zum ersten Mal seit Jahren neue Falten, wodurch ein verblasstes Grün zum Vorschein kam.
„Ismelda," keuchte sie. „Ich hätte meinen Namen beinahe vergessen. So lange habe ich darauf gewartet und nun ist die Zeit meines Scheidens nicht mehr weit…"
„Ihr dürft es aber noch nicht!" warf Gimli ein. „Wir brauchen Euren Rat!"
Arwen nickte.
„Ja, wir sind hergekommen, um Rat zu erbitten. Lasst uns nicht mit leeren Händen gehen!"
Die Alte lachte.
„Ihr braucht keinen Rat. Was Ihr braucht, ist zu alt, um noch eine weite Reise nach Gondor zu machen."
Gimli blieb der Atem stehen. Verzweifelt sah er Arwen an, denn wenn die Alte die Wahrheit sprach und er ihre Worte richtig deutete, dann war ihr Unterfangen unmöglich. Eher würde der Körper der Frau zu Staub zerfallen, als dass sie einen Fuß vor die Höhle setzten konnte.
„Nein!" rief er. „Das kann es nicht gewesen sein! Aragorn, der König selbst, hat sich auf die gefährliche Reise gemacht! Er lässt Minas Tirith allein zurück! Und das alles umsonst?"
Ismarin beugte sich etwas vor auf ihrem Stuhl, als wolle sie besser lauschen und die Antwort auf ihre nächste Frage unter keinen Umständen verpassen.
„Elessar, der König des neuen Zeitalters. Er ist ausgezogen, um den letzten Nachkommen meines Hauses zu suchen… nein, nicht den letzten. Ah… mein Gedächtnis… sagt mir, wie ist der Name meiner wiedergeborenen Schwester? Unter welchem Namen kehrte sie wieder?"
„Er heißt Faramir," antwortete Arwen. „Und er befindet sich in höchster Gefahr, wie auch alle Königshäuser Mittelerdes. Wir müssen etwas tun, ein großes Unglück zu verhindern! Aber was?"
„Faramir. Jetzt fällt es mir wieder ein. Oh ja. Armer Faramir. Sohn eines Idioten, der sich von Sauron verblenden ließ. Armer Faramir. Kann die Gabe seiner Mutter nicht nutzen, nicht nutzen, um sich selbst zu retten, dem Fluch verfallen. Faramir, der dem Fluch verfallen ist. Dem Fluch. Der Arme…"
Die Alte schien sich in sinnlosem Gebrabbel zu verlieren und murmelte nur noch vor sich hin.
„Ismelda! Was sollen wir tun? Wie können wir Ismarin dem Fluch entziehn? Wie können wir ihn brechen?" rief Arwen laut, um sie aus ihrem Gebrabbel zu reißen.
„Midiel, dieser Schuft! Ein Hexer war er! Ein dunkler und düsterer. Ismarin will er! Faramir! Den dem Fluch Verfallenen! Armer Faramir! Wie soll er sich behaupten gegen die dunklen Mächte des Urson? Urson, Midiel… alles das Selbe. Faramir, der mächtigste, der Stadthalter. Das Erbe seiner Mutter, er wird es niemals antreten können… kann er? Kann er? Kann er nicht? Faramir, der seinen Bruder tot glaubt. Oh Boromir, tapferer, ritterlicher! Dass ausgerechnet Urson dich zurückbrachte! Oh edelmütiger Boromir! Wieviel musst du erleiden! Musst du? Musst du nicht? Musst du? Musst du nicht? Oh leichtzüngiger! Oh leichtmütiger! Mit Mädchen tanzender, mit Damen flüsternder! Oh Boromir! Kann er? Kann er? Kann er nicht? Muss er? Muss er nicht? Muss er?"
Ismelda schien sich in das Murmeln zu verlieren. Ihre Stimme war flüsternd, aber auch klagend und was sie sagte, schien wie ein Echo, das in sich selbst verwoben wurde.
Arwen und Gimli verließ plötzlich aller Mut, denn die Alte vor ihnen gab keinen Rat und war nicht mehr bei Sinnen. Sie murmelte etwas vor sich hin, das immer dümmlicher wurde und nur noch aus Können und Müssen bestand.
Was Arwen nun klar war, war Boromirs Überleben. Anscheinend hatte Midiel oder Urson, wie Ismarin ihn genannt hatte, Boromir gerettet. Das Echo von Ismeldas Stimme brach zehnfach auf sie herein und kleine Steine lösten sich aus der Deckenwand. Beide bekamen ein ungutes Gefühl.
„Midiel wird den neuen König vernichten und alle unsere Nachkommen hinweg nehmen! Wird er? Wird er nicht? Oh Ismarin, nie gekannte Schwester! Kann er? Kann er? Alles geht verloren! Inrus Lied! Muss er nicht?"
Da knarrte der Stuhl und ein Knacken und Brechen war zu hören, dass die Höhle erschütterte, als Ismelda sich bewegte, ihre Arme auf die grauen Stuhllehnen legte. Als sie ihre Finger um die Lehnen schloss, krachte es, als würde trockenes Holz zerspringen. Und dann verschwand sie in einer Staubwolke, die sie selbst aufwirbelte…
Sie ritten auf einem Pferd, als sie die Ebene des Pellenor erreichten und über die Wiese hinweg ritten. Aber plötzlich hielt Eomer das Pferd an. Etwas erregte seine Aufmerksamkeit.
„Haltet nicht an, König! Wir haben keine Zeit zu verlieren! Wir müssen weiter und Minas Tirith erreichen!" rief Radagast, der hinter dem König saß.
Eomer starrte in die leuchtend grüne Welle, die sich anschickte, die Ebene des Pellenor zu überschwemmen. Sein Herz raste, als er erkannte, was vor ihnen war und er konnte es nicht glauben.
„Das sind ja… Geister!" rief er und fühlte, wie sich Panik in ihm breit machte.
Er kannte die Tödlichkeit dieser Kreaturen und wollte auf keinen Fall leichtsinnig mit ihr Bekanntschaft machen.
„Ja, es sind Geister und wir müssen sofort in die weiße Stadt! Sonst werden wir nicht überleben!" die Stimme des Zauberers schien ruhig und gefasst, selbst Angesichts der Gefahr vor ihnen.
„Und wenn wir es nicht schaffen? Sollten wir nicht lieber versuchen Aragorn zu finden?" überlegte er.
Auf Angreifer vor Minas Tirith war er nicht gefasst gewesen. Er hatte erwartet, dass dieser Fluch sie leise und hinterlistig hinweg raffen würde, wie eine Krankheit oder Seuche. Aber mit einem Geisterheer hatte er nicht gerechnet.
„Wie sollen wir Aragorn zu Hilfe rufen? Denkt Ihr, er hätte allein und nur mit Gandalf gegen die Orkscharen hinter uns eine Chance? Wenn Ihr nicht schnell zu reitet, werden sie und in ihre ekligen Klauen bekommen, noch bevor das Geisterheer die Chance dazu hat, uns zu töten!" rief Radagast.
Eomer runzelte die Stirn und brauchte zwei Sekunden, um das Gesagte zu verarbeiten. Man konnte das „klick" in seinem Kopf beinahe hören, als er sich überrascht umdrehte.
„Orks?"
Dann fielen ihm die dunklen Gestalten auf, die sich in großer Entfernung versteckt hielten. Diese Biester fühlten Grauen und Unheil förmlich aufziehen und überall, wo es auftauchte, da schlossen auch sie sich um es und unterstützten es noch. Immer erhofften sich diese Kreaturen leichte Beute davon und Eomer war sich sicher… Sollten die Geister die weiße Stadt einnehmen, so würden die Orks alles was von ihr übrig blieb an sich raffen und verpesten.
„Bei Eorl! Ich habe sie gar nicht bemerkt!" stieß Eomer hervor.
„Nicht? Ich bemerkte sie noch bevor ich dich traf."
Da fiel Eomer die Reise von Ithilien nach Minas Tirith wieder ein und er bekam Gänsehaut. Natürlich hatte er sie bemerkt. Die Orks hatten es sogar gewagt, sie anzugreifen…
„Schnell in die Stadt! Imrahil wird für jede Hilfe dankbar sein!" rief der König und trieb sein Pferd an.
