leonel: knuff danke für die lieben revs. Wann geht es denn bei dir weiter? brauche endlich wieder lesestoffundich warte schon seit tagen auf einen author-alert und von dir bleibt er aus... bitte schreib "denethors list"und "ein geschenktes leben" weiter! Die brüder im doppelpack? evilgrin ich hoffe, das chapi gefällt dir ;-)

Tanja: Da bist du ja wieder! Ich weiß, ich weiß, hat lange gedauert... an ostern hatte ich keinen zugang zum internet. Aber jetzt gehts ja weiter: drittletztes chapi! heult es geht langsam zu ende!

Sirina: Danke für deine äußerst interessante rev, sowas bekomme ich selten freu hast du nur den Film gesehen, oder auch die Bücher zu HdR gelesen? Ich lese gerade wieder mal das erste Buch und stelle immer wieder fest, dass die Elben zwar überirdisch beschrieben werden, aber manches Mal auch sehr Menschlich wirken. Außerdem sind sie zwar Naturverbunden, jedoch machen sie sich diese auch zu Nutzen (sie jagen, fällen Bäume...). Ich wollte die Touel'afar als völlig eins mit der Natur darstellen. Mag sein, dass mir da der arme Legolas doch noch zu menschlich gelungen ist, aber du darfst nicht vergessen, dass er sich die ganze Zeit in einem zwiespaltigen Zustand befunden hatte und erst während des Rituals davon gereinigt wurde. Das habe ich nur angedeutet, denn ich überlasse einiges dem Leser selbst und kaue nicht immer alles genau durch ;-) Hast du die Dämonendämmerungs-Reihe ausgelesen? Ich habe beim vierten Buch aufgehört, weil ich fand, dass die Hauptcharaktäre nicht ständig gewechselt werden sollten. Dennoch hoffe ich jetzt, dass du mir verrätst, wie es ausgeht und ob Elbryan von den Toten aufersteht lol würde mich echt interessieren. Der Dunkelelf wäre sicher eine Buchreihe für Celebne ;-)

Celebne: Hast du meine Antwort für Sirina mal durchgelesen? Wir haben eine Buchreihe von R.A. Salvatore gelesen und die Nachfolgereihe (die aber nicht direkt in verbindung mit Dämonendämmerung steht) scheint sich mit Dunkelelfen zu befassen. Vielleicht ein Buchtipp für dich? ;-) Dass du Urlaub hast, ist super! Dann freue ich mich schon ungeheuer auf die vielen Chapis von "Dunkelheit über Ithilien"! anfeuert

Erwachen im kalten Herbst

Es war noch dunkel, aber der Morgen graute bereits im fernen Westen.

Sam saß allein auf der Treppe, die zur Halle führte vor den verschlossenen Toren. Grimmig sah er auf den Boden. Merry neben ihm sah nachdenklich in die Ferne und der Rauch seiner Pfeife stieg langsam auf. Seit Pippin fort war, schien er nur noch ein Teil von sich zu sein. Der andere verweilte wohl bei seinem Freund.

Eine braune Linie aus Sand zog sich von der einen Seite der Tür, bis zur anderen und er saß dahinter.

Radagast hatte bemerkt, was der Hobbit getan hatte und erst nach Minuten erkannt, dass in der Erde, die Sam verstreut hatte eine elbische Kraft ruhte. Als er ihn gefragt hatte, was er da streue, hatte Sam ihm entgegnet:

„Das ist die Erde in der ich Samen von Galadriel gezogen habe. Ich hoffe etwas vom Zauber der goldenen Herrin ist darin geblieben und hilft uns nun."

Aber wie es aussah, war es den Geistern nicht möglich, den Hof zu betreten und Sam sah herab auf die kostbare Erde.

Radagast jedenfalls war dankbar für jede Hilfe und ging wieder zu den Wachmännern. Sie standen noch still und gerade, aber ihre Knie zitterten.

Noch bevor Radagast die Mauer erreicht hatte, sah er eine grüne Explosion und ein Geist schwang sich auf über die Mauer. Der Zauberer blieb wie angewurzelt stehen. Warum durchbrachen sie jetzt doch die Mauer? Und warum nur einer?

Der grün schimmernde Geist kam auf dem Hof auf und rings um ihn herum schreckte man zurück. Dann ging er direkt und wortlos auf das große Tor der Halle zu. Sam stand erschrocken auf und wusste nicht, was er tun sollte. Auch Merry, der die herannahende Gefahr wahrnahm stellte sich neben seinen Freund.

Radagast stand noch immer zwischen ihnen und dem Geist. Dieser schien als junger Mann gestorben zu sein, denn sein schauerliches Gesicht war faltenfrei und sein Körper hatte noch etwas von der Jugendlichkeit und frischen Kraft, die jungen Gliedern innewohnte. Aber seine Augen waren kalt und starr auf das Tor gerichtet. Er sprach kein Wort.

„Du hast nicht das Recht, hier zu sein!" rief der alte Zauberer und schwang seinen mächtigen Stock. „Verschwinde aus diesem heiligen Kreis und lass uns in Ruhe!"

Der Geist zeigte keine Reaktion. Und als er den Zauberer berührte, da dieser nicht aus dem Weg zu gehen bereit war, stieß er ihn weit fort und Radagast blieb bewegungslos liegen.

Erst vor Sams Erdkreis blieb er stehen. Die beiden Hobbits starrten das Geschöpf an und waren entsetzt. Sie wussten, wer dies war, noch bevor der Eindringling seinen Namen nannte.

„Ich bin Midiel. Macht das da weg und dann geht mir aus dem Weg!"

Merry straffte die Schultern und sah dem Geist mutig entgegen.

„Niemals. Das ist verzauberte Erde und du vermagst nichts gegen uns zu tun, so lange wir noch hier stehen," sagte er so glaubwürdig, es ging.

„Ich will nichts von euch. Aber wen ihr schützt, die verlange ich," zischte er kalt und seine grauenvollen Augen erfasste sie und ließ Merrys Knie weich werden.

Aber Sam, der schon zu viel Grauen gesehen hatte, konnte sich dagegen behaupten.

„Keine Chance! Wir bleiben und der Erdkreis wird es auch!"

Da lachte der Geist und ein starker Wind zog auf. Mit Entsetzen beobachteten die Hobbits, wie nach und nach die feinen Sandkörnchen hinweg geweht wurden.

Ohne eine Möglichkeit, das zu verhindern und ohne den Zauberer standen sie da, fest und mit gezogenen Schwertern und warteten auf ihr Schicksal.

Von drinnen hörten sie Eomer rufen:

„Merry! Sam! Was geht da vor sich! Merry…"

Auch wenn Aragorn hundemüde war, so ließen ihn die Worte der hohen Herrin nicht schlafen. Er wälzte sich ruhelos in seinem duftenden weichen Bett herum und vermochte einfach nicht zu schlafen.

Gandalf war ebenfalls beunruhigt gewesen, aber Aragorn vermutete, dass der Zauberer mit mehr Emotion an Faramirs Schicksal teilnahm, als er es zu erkennen gab. Er hatte Zweifel und Ungewissheit aus seinem Gesicht lesen können, was den König sehr beunruhigte. In dieser Nacht war nichts mehr zu retten und die Angst um die weiße Stadt nagte an Aragorn unablässig. Auch er war zwei gespalten. Aber er wusste, dass er Gondor nicht im Stich lassen durfte.

Was Gandalf vorhatte, konnte selbst er nicht sagen, aber Aragorn befürchtete fast, dass der Zauberer hier bleiben würde, um sich Faramirs anzunehmen. Nicht verwunderlich… denn auch Zauberer hatten Gefühle. Sicher stellten sie diese oft zurück, wegen ihrer Pflichten, doch was Gandalf als seine größere Pflicht ansah? Aragorn musste seinem Urteil vertrauen, er hatte keine andere Wahl. Wenn Gandalf hier bleiben würde, musste er allein ziehen. Allein. Ob ihn wohl jemand begleiten würde? Von wem konnte er dies verlangen?

Zweifel und Ungewissheit zerrissen Aragorn schier und er musste aufstehen. Er musste an die frische Luft, denn ihm wurde bereits die Brust eng und das Atmen fiel ihm schwer. Ein schlechtes Anzeichen für zu viel Stress, wie er wusste. Er musste einfach etwas tun. Also stand er auf, zog seine schweren Stiefel an und ging leicht bekleidet hinaus. Wozu brauchte er hier mehr als die leichte Tunika und die Hosen? Es war Sommer. Hier mehr, denn irgendwo anders in Mittelerde.

Er ging hinaus auf den beleuchteten Gang und schlich sich langsam die Treppe hinauf. Als er an Legolas Tür vorbei kam, hörte er den sanften leisen Gesang des Elben. So schön und friedlich. Aragorn ließ die Worte seines Freundes einen Augenblick auf sich wirken, verharrte einen Augenblick. Mit Legolas war etwas geschehen, das Aragorn nicht zu deuten gewusst hatte. Doch aus seinen Augen leuchtete Frieden und innere Ruhe, wie er sie vor seiner Rückkehr ausgestrahlt hatte. Der Elb hatte seinen Frieden bezüglich der seltsamen Geschehnisse gemacht. Das freute den König und ihm war gewiss, dass ihre Reise hier her nicht umsonst gewesen war. Er stieg die Treppe weiter hinauf.

Aber da wurde er von einem Geräusch gestört und der ehemalige Waldläufer zuckte leicht zusammen. War er denn schon so plump, dass ihn ein jeder bemerkte? Aragorn vermerkte sich in seinem Gedächtnis, dass er sich die Zeit nehmen musste, seine Waldläufer Fähigkeiten erneut zu schulen.

Das Geräusch war direkt zu seiner Linken Schulter ertönt und stammte von einer sich öffnenden Türe.

Derjenige, welcher sein Zimmer hatte verlassen wollen, fiel vor Schreck aber fast hintenüber, als dieser sah, wer sich vor seiner Tür aufhielt. Aragorn strich den Vermerk wieder aus seinem Gedächtnis, denn es musste ein sehr seltsamer Zufall gewesen sein, der beide Männer des Nachts aus ihren Zimmern getrieben hatte.

Boromir lugte nochmals vorsichtig aus der Tür, um sicher zu gehen, dass er richtig gesehen hatte. Aber vor ihm stand tatsächlich Aragorn und hatte einen leicht amüsierten Ausdruck auf seinem Gesicht. Das grüne Licht tauchte ihn in mystisches Leuchten und hatte dem Krieger einen Schrecken eingejagt, aber nun öffnete er die Tür gänzlich.

„Eigentlich sollten wir die wenigen Stunden noch zur Ruhe nutzen. Morgen müssen wir bereits aufbrechen," flüsterte Boromir und hatte ein leicht schelmisches Grinsen auf den Lippen.

Aragorn nahm den Mann freundschaftlich an der Schulter.

„Wie wahr. Wir sollten ruhen. Aber dieser Tag war so aufregend, dass mich die Eindrücke nicht schlafen lassen. Ich muss das erst einmal verarbeiten, bevor ich Schlaf finden kann."

Aber der große Mann sah Aragorn mit einem zweifelhaften Lächeln an.

„Das ist nur die halbe Wahrheit, du weist das. Aber sorge dich nicht, deine Freunde sind mit dir."

Sie stiegen zusammen die Treppe empor durch das stille Haus und gingen durch das Zimmer hinaus in die schläfrige Sommernacht. Niemand war mehr auf den Wegen. Die Nacht war frisch und klar, sie standen auf einer festen Brücke vor dem Haus.

„Ich kann nicht von dir verlangen, dass du mich begleitest, Boromir. Faramir wird genesen, dessen bin ich sicher. Wenn ich dich verlieren sollte, bevor ihr beiden zueinander gefunden habt… ich könnte mir das nicht verzeihen."

Boromirs graue Augen spähten in die Dunkelheit der Siedlung und er schien nachdenklich. Nach einem kurzen Schweigen aber wandte er sich wieder an den König.

„Mich verlangt es so sehr, ihn in meine Arme zu schließen, meinen kleinen Bruder, dass ich ihn schon vor mir sehe. Eine trügerische Traumgestalt," hauchte er und sah nachdenklich zu einer weit entfernten Brücke.

Halluzinationen? Aragorn überlegte sich, ob er sich mehr Gedanken um Boromir machen musste, als er bis jetzt angenommen hatte.

Er folgte seinem Blick…

Zu seiner Beruhigung und zugleich zu seinem Entsetzen sah auch er eine große schlanke Gestalt auf einer Brücke weit vor sich.

Mit großen Augen legte er Boromir abermals die Hand auf die rechte Schulter und starrte zu der Stelle, an der die Gestalt stand.

„Wenn das mal kein Trugschluss unserer beider ist!" flüsterte er und ließ Boromir allein zurück.

Der Krieger sah seinem König nach, wie er schnellen Schrittes die Brücke entlang schritt. Nochmals prüfte er, was er sah. Die Silhouette eines großen Mannes, der sich, wie auch er auf ein Geländer lehnte, wahrscheinlich ihm den Rücken zugewandt.

Aber es war doch kein Spiegelbild seiner selbst? Die Figur dort war nicht so kräftig, die Schultern nicht so breit. Er hätte Faramir überall und unter jeden Umständen erkannt!

Dann wandte sich Boromir um und sah, dass Aragorn beinahe das Ende dieses Weges erreicht hatte.

Er nahm die Beine in die Hand und lief ihm schnell nach. An seiner Seite machte er dann langsamer und sie traten gemeinsam auf eine Plattform, an der diese Brücke endete.

„Wohin nun?" fragte Boromir.

Zwei weitere Wege führten von hier weg, aber beide nicht in die Richtung, in die sie wollten. Aragorn entschied sich für den Rechten.

„Ich weiß nicht, ob er es ist, aber lass mich mit ihm reden," bat Aragorn. „Er weiß noch immer nichts von dir, Boromir."

„Das ist wahr. Aber ich bin sein Bruder und das alles muss beängstigend für ihn sein. Ich bin das wohl Vertrauteste hier für ihn."

„Und du denkst, deine Auferstehung wird ihm nicht verwirrend vorkommen? Ich brauche nicht lange, Boromir. Lass ihn mich nur darauf vorbereiten."

Schweren Herzens nickte der rothaarige Mann. Aber zuvor mussten sie erst einmal den Weg zu der Gestalt finden!

Es war schier zum Verzweifeln! Sie erreichten viele Plattformen, von denen immer mehre Brücken fortführten. Und es war nicht weit zu sehen durch die dichten Blätter der Bäume hier, welche zudem noch stets herab fielen und ihnen zusätzlich die Sicht nahmen.

Zwar konnten sie den Lichtern folgen, die ihre jeweilige Brücke begleiteten, aber mehr auch nicht, da jede Brücke an einer Plattform endete, die um einen dicken Baumstamm gebaut war.

Anstatt ihrem Ziel näher zu kommen, schienen sich Aragorn und Boromir immer weiter von dem Haus zu entfernen, in dem sie hatten schlafen sollen. Und das auch ohne Erlaubnis der Touel'afar. Nun wurde Aragorn auch klar, warum ihnen immerzu Begleiter an die Seite gestellt worden waren. Für Fremde war das alles ein Irrweg, ein Labyrinth!

Auf einer von vielen Flächen blieb Aragorn stehen und ihnen rann schon der Schweiß von der Stirn. Zum einen, weil sie gerannt waren, zum anderen, weil sie langsam die Befürchtung erfüllte, dass sie sich verirrt hatten und der, den sie suchten schon längst entschwunden war.

Boromir drehte sich um seine eigene Achse.

„Wie sollen wir ihn finden? Wie sollen wir zurück finden?"

Aragorn konnte es nicht sagen. Hier versagten alle seine Fähigkeiten… Nicht einmal sein Instinkt schien ihn leiten zu können.

„Vielleicht hätten wir vor drei Abzweigungen doch den linken Weg nehmen sollen?" vermutete er und sah zurück.

Aber er war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie zu dieser Stelle zurück finden konnten. Hier sah alles fast gleich aus. Er hatte versucht sich die Wege zu merken, aber jeder Weg hatte beinahe die gleichen Merkmale und selbst für einen ausgebildeten Waldläufer war es schwer, sich diese in allen Einzelheiten zu merken. Er hätte sich dafür mehr Zeit nehmen sollen.

Als Boromir sich auf ein Geländer stützen wollte, spürte er feuchte Kälte. Er zog die Hand zurück und bemerkte, dass er eine Spur auf dem Holz hinterlassen hatte. Frost war unter seiner Hand geschmolzen und lag nun feucht dort.

„Es ist kühler geworden," stellte er fest und zeigte Aragorn seine Entdeckung.

„Wir sind wohl in der Nähe der Winterlichen," schloss der König. „ Also müssten wir uns in die entgegen gesetzte Richtung halten."

Aragorn wollte gerade diese Richtung einschlagen, als er bemerkte, dass Boromir ihm nicht folgte.

„Was ist?"

Boromir sah nachdenklich auf das Geländer und hob dann seinen Blick. Und zu seiner eigenen Überraschung sah er vor sich auf der nächsten Plattform, die frei zu schweben schien und auf der eine hölzerne Statue stand, eine hoch gewachsene Figur.

„Dem Winter näher, als dem Sommer," murmelte Boromir vor sich hin und Aragorn begriff.

„Das muss er sein," flüsterte der König und verengte seine Augen zu zwei Schlitzen, um besser sehen zu können. „Ist er das? Warte hier, ich gebe dir ein Zeichen."

Langsam bewegte sich Aragorn auf die Gestalt vor ihm zu. Sie war auf das Geländer gelehnt und schaute in Richtung des winterlichen Viertels.

Die Statue hinter ihm zeigte eine tanzende Fee in ihrem wehenden Gewand. Ihr Haupt war gekrönt mit Herbstlaub und sie hielt eine große flache Schale, in der sich bunte Blätter gesammelt hatten. Die andere Hand ragte in den Himmel, als würde sie etwas werfen. Da hier stets die Herbstblätter fielen, erkannte Aragorn schnell, was sie werfen sollte. Die Blätter aus ihrer reich gefüllten Schale warf sie tanzend in die Luft und sie fielen hernieder.

Im schwachen grünen Licht und durch die fallenden Blätter hindurch sah Aragorn schließlich die genauen Umrisse.

Der junge Truchsess stand am Geländer und lehnte mit den Unterarmen darauf. Sein schwacher Atem schlug sich weiß in der Luft nieder und er starrte gedankenlos in die Dunkelheit.

Aragorn blieb einige Meter weit weg stehen.

„Du bist erwacht… welch ein Glück!" sprach der König und Faramir erschrak nicht.

Stattdessen starrte er weiter vor sich hin. Er war real vor Aragorn! Aber seine Stimme war wie in einem Traum und der König fragte sich, ob der junge Mann nicht Schlafwandelte…

„Erwacht…"

Faramirs Gesicht war bleich und geisterhaft. Unheimlich.

„Bin ich das? Oder verweile ich noch immer in einem Traum, der mir eine Wirklichkeit vorgaukelt, die mir so unwahrscheinlich vorkommt?"

Aragorn hatte so etwas erwartet. Faramir war erwacht unter klarem Sternenhimmel, hoch in den Bäumen einer fremden Siedlung. Nie hatte er etwas Ähnliches gesehen… er war allein… die Brücken mussten ihm vorkommen, wie ein Irrgarten und das geisterhafte Licht tauchte die Welt in Traumnebel.

Allein… Und doch hatte er in das Viertel gefunden, das ihm am besten entsprach.

„Was sagt dir dein Gefühl, Faramir?" fragte Aragorn vorsichtig, aber überzeugt und beschloss, Faramir nicht mit ganz so zarten Samthandschuhen anzufassen.

„Mein Gefühl… Es ist lustig und erschreckend. Es sagt mir, dass ich sicher bin, sicher gehüllt, wie in eine Decke. Und doch… muss ich vorsichtig sein. Alles ist fremd… du bist hier. Solltest du nicht in Minas Tirith sein? Wie hast du mich gefunden?"

„Wir sind dir nachgeritten… Es gibt etwas Wichtiges, das du erfahren musstest."

Aragorn sah, wie Faramir die Stirn in Falten legte.

„Ich glaube aus irgendeinem Grund, dass das sehr dumm war, König Elessar."

Und wieder erfasste Aragorn die Furcht um seine Stadt.

„Midiel," sprach er drohend zu Faramir, denn er hatte angenommen, dass der Untote ihn in Besitz genommen hatte.

Faramir drehte sich nun zum ersten Male zu seinem König um und sah ihn erschrocken und traurig an. Da sah Aragorn einen Mann vor sich, den er kaum kannte. Der gebrochen war. Dem er aber ohne zu zögern ganz Gondor in die Hände gegeben hätte. Nein, vor ihm stand nicht der Geist, sondern sein Truchsess.

„Woher kennt ihr diesen Namen?"

Aragorn beschloss offen mit ihm zu reden und mit jedem Wort konnte er die Erschütterung in Faramirs Augen wachsen sehen.

„Von Gandalf weiß ich ihn. Er ist zu uns zurückgekehrt, um uns zu warnen…"

„Um uns zu warnen?" Faramir schien nun tief in sich zu gehen und seine Gefühle zu durchforschen. „Midiel war mir ein Freund… durch so viele Schreckenserlebnisse und schlechte Zeiten hindurch. Und doch, so war er nie mehr, als eine Vorstellung."

Aber da schüttelte Faramir den Kopf, als hätte er etwas in seiner Erinnerung gefunden, das er noch nicht erkannt hatte.

„Eine… Vorstellung… aber… wenn ich zurückblicke… nicht mit den Augen eines Kindes, das ich ja war… Eine Vorstellungskraft reicht nun mal nicht aus, um einen verirrten Pfeil aufzuhalten. Boromir hatte ihn abgeschossen, aus Versehen. Etwas Surreales kann niemanden eine Treppe hinab stoßen… er versuchte immer, mich zu schützen, erst später hatte Boromir das übernommen…"

„Wovor zu schützen," fragte Aragorn, dem das alles unheimlich vorkam.

„Na, vor meinem Vater," wieder schüttelte Faramir seinen Kopf und sein rotes gelocktes Haar schwang sachte mit. „Er hat mich immerzu geschlagen, in mein Zimmer gesperrt ohne Bücher. Ohne Flöte. So manches Mal hat Midiel mir beigestanden, mir Gesellschaft geleistet oder gar meinen Vater davon abgebracht, mich zu schlagen. Regale hat er umgekippt, Denethor gestoßen, nur damit ich fliehen konnte. Bis Boromir heran gewachsen war und meinen Vater zurück gehalten hatte."

Es war wie ein Stich direkt in Aragorns Herz, als er sich vorstellte, wie ein kleiner Junge ohne Grund geprügelt und bestraft wurde. Was konnte denn ein Kind für einen Fehler, der von einem seiner Vorfahren begangen war?

„Ich dachte…" Faramir hielt sich die Stirn und schloss die Augen fest. „Dass Midiel gegangen wäre. Aber im Ringkrieg, da kam er wieder. Als Boromir mich verlassen hatte und ich diese seltsame Vision gehabt hatte… oder war es real gewesen? Da kam er wieder und sprach mir Mut zu, ich solle durchhalten, Boromir werde nichts geschehen. Aber ich wusste, er war tot, denn sein Horn… Das Horn Gondors…"

Faramir konnte nicht weiter sprechen, als ihn die Erinnerungen übermannten.

Aragorn erkannte plötzlich die ganze Wahrheit, wie Boromir selbst sie schon bei der Zeremonie erkannt hatte. Er war plötzlich erstarrt, wie eine Statue. Faramirs Augen suchten die seinen, aber er reagierte gar nicht, denn zu tief hatte ihn die Erkenntnis getroffen. Boromirs Überleben war kein Mysterium mehr.

„Und ich spürte ihn vor kurzem erst wieder, aber mächtiger als je zuvor. Und ich bekam Angst, denn er verlangte schlimme Dinge von mir. Ich konnte mich widersetzen, aber sein Wunsch wurde immer stärker in mir und da begannen die Blackouts. Das machte mir große Angst und ich befürchtete, nicht mehr Herr über mich selbst zu sein. Deshalb musste ich weg gehen, Aragorn. Um meinen König zu schützen!"

Aragorn erwachte aus seiner Erstarrung und das ganze Ausmaß des Fluches war seinem wachen Geist offenbart. Er wusste, was Midiel vorgehabt hatte.

„Und deine Flucht vor ihm führte dich hier her…" schloss der König.

Der junge Mann nickte.

„Ich wusste, dass es gefährlich war und mir niemand folgen durfte. Mein Gefühl sagte es mir… Und doch war ich voller Zutrauen gegenüber meines Weges. Midiel wurde stärker und stärker. Er legte mir schließlich sogar Worte in den Mund… LEGOLAS! Wo ist er?"

Aragorn hob beschwichtigend eine Hand.

„Es geht ihm gut, er ruht ebenfalls hier in der Nähe. Er sorgt sich sehr um dich."

Faramir schien erleichtert.

„Den Valar sei Dank. Ich dachte schon… ich hätte ihm etwas getan. Was für ein seltsamer Traum," seufzte Faramir.

„Es ist kein Traum! Siehst du nicht, dass ich vor dir stehe, so real wie nur irgend möglich? Ich bin dein König, vertraue mir!" redete Aragorn auf Faramir ein.

„Ich habe schon zu lange einen bildlosen Traum geträumt. Und nun, da ich glaube, erwacht zu sein, sehe ich, was ich im Traum zu sehen nicht im Stande gewesen bin. Dieser Ort, er ist mir wie ein Gespinst und mein Verstand ist verwirrt. In Horror bin ich gestürzt und fühlte, wie mich etwas hinaus zog aus meinem Körper, eine eisige Kälte. Leben und Tod haben um mich gerungen. Woher soll ich wissen, dass ich nicht tot bin?"

Der Truchsess hatte also mitbekommen, was für ein Geschenk die Winterlichen ihm gemacht hatten…

Wie furchtbar, dachte Streicher bei sich. Mitzubekommen, dass einem das Leben entzogen wurde ohne eine Ahnung zu haben, was vor sich geht und sich dann zwischen Leben und Tod wieder zu finden.

„Weil du schon längst wieder unter den Lebenden weilst," erklärte Aragorn. „Du warst tot, doch ließen wir dich nicht gehen."

„Es stimmt also… ich hörte eure Stimmen und die Stimmen anderer," stellte Faramir überrascht fest. „Es war, als schossen leuchtende Bänder in die Dunkelheit und griffen nach mir. Sie zerrten an mir, dass ich zu ihnen käme. Aber Midiel wollte mich mit sich reißen. Beinahe wäre ich ihm gefolgt…"

„Ich bin froh, dass du es nicht tatest…"

Aragorn konnte seinen Satz nicht zu Ende führen, denn plötzlich war blankes Entsetzen auf Faramirs Gesicht.

Er starrte auf den Weg, von wo Aragorn gekommen war und sein Körper bebte.

„Was ist das für Hexenwerk!" schrie der Mann und ging zitternd einen Schritt zurück.

Aragorn wandte sich um und sah, dass Boromir sich genähert hatte und seinen jungen Bruder ansah. Er hatte seine Hand nach Faramir ausgestreckt, als wolle er ihn ergreifen, aber just in dem Moment, da dieser aufgeschrieen hatte, war er stehen geblieben.

„Nein, Faramir!" rief er. „Fürchte dich nicht! Bitte nicht!"

Auch der König rief Faramir an.

„Kein Hexenwerk, Faramir!"

„Dann bin ich tot und du auch, Aragorn! Oder ich träume einen scheußlichen Traum!"

Faramir wollte von ihm zurück weichen, aber Aragorn legte seine ganze Ruhe und Gefasstheit, die er aufbringen konnte in seine Worte.

„Beruhige dich Faramir. Wenn es denn so ist, kannst du nichts dagegen tun. Aus dem Traum kannst du nicht erwachen, wie es mir scheint und wenn du tot bist, so willst du dich nicht mit deinem Bruder vereinen?"

„Hexenwerk!" zischte Faramir, aber blieb stehen.

„Nein, das ist es nicht. So vertraue mir doch. Bin ich dein Feind, Faramir?"

„Nein, mein König ist es nicht. Aber wenn du nun auch eine Täuschung?"

„Glaubst du das wirklich? Traust du denn nicht einmal deinen Gefühlen?"

Faramir schluckte hart und sah beide Männer eindringlich an. Ließ sich aber auf das ganze noch nicht vollständig ein.

„Wie ist das möglich?" fragte er, jedoch japste er sogleich nach Luft.

Aragorn vermutete, er hatte die Antwort schon selbst gefunden.

„Oh nein! Oh nein!" sprach Faramir. „Er hat getan, was er versprach!"

Dann schwieg er und selbst als Boromir näher kam, wollte der Schrecken nicht weichen. Der große Mann sah den Verunsicherten an und getraute sich nicht, ihn zu berühren.

„Faramir," sagte Boromir leise und seine Stimme war heißer, denn er musste all seine Beherrschung aufwenden, um nicht zu weinen.

„Midiel… Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass er dich rettete…" er starrte seinen großen Bruder an. „Und wie sehr habe ich mich für diesen Wunsch gescholten? Bist du es wirklich, Boromir?"

Aber in Boromirs grauen Augen sah er schon längst die Antwort. Die innigliche Bruderliebe und die immerwährende Furcht um ihn, seinen kleinen Bruder.

Er sah aus, wie beim letzten Mal, dass er Boromir gesehen hatte. Die roten Haare hingen ihm im Gesicht und er war kräftig. Er schaute liebevoll auf ihn herab, denn er war größer als er selbst und Faramir, selbst wenn sein Verstand oder Midiel ihm gesagt hätten, es wäre nicht sein Bruder, gab nach. Seine Schultern sackten ein und der Widerstand war gebrochen. Die hellen Augen füllten sich mit dicken Tränen und seine Lippen bebten.

Boromir sah seinen kleinen Bruder vor sich, dessen Widerstand in sich zusammen brach. Da wusste er, dass Faramir ihn akzeptieren konnte. Er stand vor ihm, sah auf mit seinen Augen, die ihn noch immer als großen Bruder wahrnahmen und Tränen perlten auf seinen Wangen herab. Auch Boromirs Gesicht war benetzt von salzigen Zeugen seiner Freude und Rührung. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen und spiegelte die ungeheure Freude in seinem Herzen wieder.

„Welch Geschenk," flüsterte Faramir seinem Bruder zu und beide fielen sich in die Arme.

Der Jüngere ließ sich in die warme Sicherheit der Arme des Älteren sinken und ihm war, als tauche er in warme Wasser ein, welche die Kälte aus seinen Gliedern vertrieben. Er fühlte sich so geborgen und gestützt. Nie hatte er bei jemandem mehr Sicherheit gefunden, als bei Boromir, der ihn selbst in den schlechtesten Zeiten nicht verlassen hatte. Und nun war er wieder da! Er war wieder bei ihm! Zentnerschwere Lasten fielen von seinen Schultern, als er die kräftige Umarmung genoss und nie wieder aus ihr zu scheiden gedachte.

Boromir hielt Faramirs Kopf fest gegen sich und fühlte dessen klammes dichtes Haar. Noch immer roch sein Bruder nach Pinien und Kiefern. Weinend sah er Aragorn an und durch das Lächeln, welches nicht mehr weichen wollte, formte er still mit den Lippen ein Wort: Danke.

Aragorn sah die beiden Vereinten und die Erleichterung kam über ihn, wie eine wärmende Welle. Boromir drückte Faramir so fest, dass es dem König schien, er würde ihn erdrücken. Doch so weit kam es nicht und er genoss den Augenblick und das angenehme Gefühl, das ihn durchströmte und umgab. Als Boromir ihm den wortlosen Dank entgegen brachte, verneigte er sich leicht vor ihm, denn schließlich war es nicht sein alleiniger Verdienst gewesen.

Als sich die Brüder aus der Umarmung lösten, setzten sie sich alle auf die Moosbewachsene Plattform, zu Füßen der wunderbaren Statue, welche über sie alle wachte.

Boromir nahm kaum zwei Finger breit neben Faramir Platz und immer wieder im folgenden Gespräch stieß er seinen Bruder scherzhaft leicht mit der Schulter an. Dieser schien wieder ganz der alte, zumindest nach außen hin und als Aragorn und Boromir ihm über die Touel'afar und seine Mutter erzählten, was sie wussten, hing er ihnen an den Lippen und sog wissbegierig alles in sich auf, selbst das, was er für unglaublich hielt und noch nicht der Wahrheit zuordnete, sondern einer Geschichte.

Was ihn am meisten beeindruckte war die Geschichte seiner Vorfahren und er fragte viel, was Aragorn und Boromir nicht beantworten konnten. Dass er allerdings eine Gabe hatte, die Gandalf ihm erklären würde, tat er mit einem Winken ab.

„Ihr macht euch lustig! Das Erbe steht immer dem Älteren zu," sagte er und wollte nichts mehr davon hören.

Aber Aragorn war es, als hätte Faramir kurz bei einer schleierhaften Erinnerung verharrt, die ihm noch nicht ganz gewahr war.

Sie redeten lange, bis dass der Tag schon graute und die Bäume, Vögel und Schmetterlinge erwachten. Da kamen die Feen aus ihren Häusern herauf und schwelgten in ihren Gesängen dahin. Das brachte Faramir allerdings zum Staunen und er fragte sich, was an den ganzen Dingen, die ihm erklärt worden waren, denn nun wirklich nur die Wahrheit war.

Die Touel'afar, die an ihnen vorbei schritten, grüßten die Gäste und lächelten Faramir geheimnisvoll, an der sich nur wenig Reim darauf machen konnte.

Er sah diese Welt mit den Augen eines Kindes und alles schien ihm, wie in einem Märchen.

Diese Wesen hier waren wunderschön. Aber irgendwie war er auch nicht richtig überrascht, denn tief in seinem Herzen, so fand er, hatte er gewusst, was er hier vorfinden würde.

„Ich habe so viele Fragen," sagte Faramir.

Aber Aragorn und Boromir waren die Erklärungen ausgegangen. Was sie wussten, hatten sie ihm erzählt. Von seiner Ankunft und ihrer eigenen Ankunft, ja auch von der Zeremonie und den seltsamen Geschenken.

„Die musst du leider den Touel'afar stellen," meine Aragorn. „Juraviel, er hat uns überall hin geführt und uns viel erklärt. Er gibt dir sicher Auskunft."

Dann stand der König auf und der junge Mann sah ihn fragend an, warum er die lustige Runde nun verlassen wollte.

Aragorn sah dies, aber er wollte es dabei lassen. Er streckte seinen Körper, denn die zarte Kälte war ihm in die Knochen gegangen. Dann sah er zum westlichen Himmel, wo die Sonne dabei war, hinter dem Horizont hervor zu kommen, danach nach Osten… in die Richtung Minas Tiriths.

Faramir war zu sensibel und kannte die Menschen zu gut.

„Was ist denn los? Aragorn, nach was haltest du Ausschau?"

Aragorn senkte den Blick auf die Sitzenden und presste die Lippen aufeinander. Er konnte nicht warten. Er musste aufbrechen.

Boromir stand ebenfalls auf und Faramir sah seinem großen Bruder überrascht zu, sah nun für Boromir noch kleiner aus, als er ja tatsächlich war.

„Wir müssen jetzt unbedingt los reiten, Faramir," sagte Boromir und strich ihm übers Haar.

„Was ist?"

Boromir ging in die Knie und schaute ihn an.

„Ich möchte, dass du hier bleibst, Faramir."

Faramirs Augen weiteten sich.

„Ihr wollt mich hier zurück lassen und mir nicht einmal sagen, was vor sich geht? Du willst mich schon wieder verlassen?"

„Hör zu. Midiel hat es auf dich abgesehen. Und auch auf die Adelshäuser. Wir müssen jetzt gehen, um ihn aufzuhalten. Du aber bist hier am sichersten und deshalb will ich dich auch hier wissen."

„Auch ihr beiden wäret hier am sichersten!" protestierte Faramir gefasst und mit ruhender Stimme. „Ich bleibe bestimmt nicht hier und lasse euch allein. Und ganz gewiss nicht gegen Midiel!"

„Aber können wir dir auch trauen?" fragte Aragorn. „Wenn du dich plötzlich gegen uns wendest, was sollen wir dann tun?"

Faramir seufzte. Aragorn hatte natürlich Recht, er war am meisten davon bedroht, von Midiel überwältigt zu werden. Und doch…

„Ich kenne Midiel nun schon so lange, diesen ruhelosen Geist. Und nur ich kenne ihn. Ihr würdet euch auch einen Vorteil entgehen lassen, wenn ihr mich zurücklasst. Vielleicht finde ich einen Weg, ihn von seinem Vorhaben abzubringen?"

Das konnte keiner leugnen. Zumindest ging es Faramir etwas an und zwar mehr als jeden anderen.

„Ich weiß nicht," meinte Aragorn.

„Wenn es sein Schicksal ist, dem Fluch entgegen zu treten, dann sollten wir ihn nicht aufhalten," sprach eine bekannte weise Stimme.

Gandalf kam an der Seite von Juraviel über den gleichen Weg, den auch Boromir und Aragorn gegangen waren. Sein weißes Gewand schwang im Herbstwind.

Faramir saß mit großen Augen da und starrte Gandalf an. Er hatte ihn ja schließlich in den unsterblichen Landen geglaubt, aber nun stand er wahrhaftig vor ihm.

„Mithrandir!" hauchte er und auch Gandalf musste einen Augenblick verweilen, um Faramirs Anblick zu verdauen.

Vor ihm saß der Mann, der ihm schon immer so viele Geheimnisse aufgegeben hatte. Viele Stunden hatte er über Faramirs Kräfte nachgedacht, als er ihn noch unterrichtet hatte. Nie war ihm die Lösung in den Sinn gekommen.

Jetzt saß er vor ihm, knapp dem Tode entrungen und sah ihn an, als wäre er wieder der Junge von einst. Wissbegierig und voller Neugier.

Gandalf musste lachen, als sich das erfreuliche Bild in sein Gedächtnis brannte und er es nie wieder vergaß.

„Faramir! Wie gut es tut, dich zu sehen!"

Faramir stand auf und tat etwas, das er so seit seiner jüngsten Jahre nicht mehr getan hatte. Er rannte in Gandalf Arme und dieser legte auch genau wie damals seine weite Robe um ihn.

„Mithrandir! Ich dachte, ich sähe dich niemals wieder. Und selbst Boromir und Aragorn konnte ich nicht glauben, dass du hier bist!"

Gandalf lachte grollend und sah Juraviel stolz an. Faramir war sein Schüler. Der kleine Touel'afar lachte klirrend und sprang auf in die Lüfte, wo er einen dünnen Ast zu fassen bekam und daran fest hielt.

„Wach auf Eldeborough! Der Sohn der Findulias ist erwacht und du hast es nicht bemerkt! Welch verschlafenes Städtchen du doch bist!"

Faramir sah nach oben und lachte Juraviel zu.

Da wurde es lauter in der Siedlung und die Luft war erfüllt von Glockengeläut. Die Touel'afar, welche sie zu sehen vermochten, fingen an zu tanzen und die Blätter der Herbstbäume fielen in einem Freudentaumel herab. Eichhörnchen und Vögel kamen aus ihren Nestern hervor und quiekten und zwitscherten den Gästen zum Gruß.

Die feierliche Atmosphäre hielt an, auch als Juraviel wieder herunter kam.

„Also beanspruchst du, Gandalf, noch immer seine Lehrerschaft?" fragte der Touel'afar.

„Und ob ich das tue. Aber nun werde ich mich auch nicht mehr davon abbringen lassen, denn ich weiß um meine Verantwortung!"

Juraviel nickte.

„Das wird die Herrin traurig machen, hatte sie doch gehofft, Faramir selbst unterrichten zu können. So viel könntest du hier lernen und wenn du es möchtest, so kannst du hier bleiben und lernen, so lange du willst."

Der arme Faramir wusste gar nicht recht, nach was er gefragt wurde, aber er war sich dennoch gewiss, dass er seinen Weg kannte.

„Was auch immer du mir bietest, ist sehr ehrbar für mich und reizt mich, es anzunehmen. Aber ich muss zurück, denn mein Bruder geht ebenfalls und seiner will ich nicht schon wieder verlieren. Außerdem wartet meine Braut auf mich, Eowyn die weiße Herrin von Rohan. Ihrer zu ehelichen ist mein sehnlichster Wunsch!"

„Und der ihre ist es, so schnell es irgend geht, die deine zu werden," rief sie ihrem Verlobten schon von der anderen Plattform entgegen, denn sie hatte sein laut offenbartes Liebesgeständnis gehört.

Ihre zarte Gestalt rannte ihm entgegen und ein Schleier, den ihr die Fee aus dem Kraushaus geschenkt hatte, umspielte wehend ihre Gestalt.

Faramir konnte nicht an sich halten und lief seiner Geliebten entgegen, nahm sie fest in die Arme und hob sie vom Boden, drehte sich mit ihr um seine Achse.

„Du bist wieder erwacht!" lachte sie und Freudentränen rannen ihre weißen Wangen herab.

Faramir wischte sie sanft weg und die Zeit schien stehen zu bleiben, als sie sich in inniglicher Umarmung küssten. Boromir und Aragorn sahen sich mit einem verschmitzen Lächeln an.

Nach fast einer Minute erst ließ Faramir seine Verlobte wieder vorsichtig zu Boden und beendete ihren liebevollen Kuss. Dann wandte er sich zu seinem Bruder um.

„Ich schätze, Eowyn, du kennst meinen Bruder schon," sagte er und der Stolz in seinen Worten war nicht zu überhören.

Doch Eowyn schien gänzlich unbeeindruckt und zog eine Augenbraue hoch.

„Wohl wahr, ich hatte Zeit, ihn kennen zu lernen," sie und Boromir wechselten gespielt böse Blicke, die Faramir nicht deuten konnte.

„Wie das? Wie konnte er sich nicht Zutritt zu deinem Herzen verschaffen? Er ist der Frauenheld von uns beiden," Faramir schien tatsächlich überrascht und was Eowyn antwortete brachte ihm keine Klarheit.

„Ehrlich? Das habe ich gar nicht bemerkt," sagte sie unterkühlt und Gandalf hatte rechte Schwierigkeiten, ein Lachen zu unterdrücken.

Es gelang ihm nicht und als ihm ein Laut entrang, konnten auch Eowyn, Boromir und Aragorn den Streich nicht länger aufrechterhalten und lachten Laut. Die Schildmaid rannte ihrem zukünftigen Schwager in die Arme und liebkoste ihn schwesterlich. Natürlich hatte sie ihn lieb gewonnen. Aber dass er charmant sein sollte schien ihr etwas ironisch.

Doch leider war nicht die rechte Zeit zum Scherzen. Aragorn wurde wieder ernst, denn die Pflicht saß ihm im Nacken und ließ ihm keine Ruhe.

„Welch schöne Zusammenkunft," sprach er. „Es tut mir leid, euch stören zu müssen, aber ich muss zurück. Ich sorge mich nicht nur um meine Stadt… die lieben Freunde, welche dort sind, machen mir das Herz schwer. Imrahil und Eomer sind von hohem Geblüt. Ich muss zu ihnen und sehen, was ist!"

Das brachte auch Faramir und Eowyn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

„Mein Onkel!" keuchte Faramir.

„Mein Bruder!" erfasste Eowyn.

Eile war geboten!

„Juraviel, wir müssen fort! Führe uns hinab zu den Pferden!" bat Aragorn.

Doch der machte gar keine Anstalten, sie hinab zu führen. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrt und winkte ihnen, dass sie ihm folgen mögen.

„Eure Pferde, sie werden den Weg zu euch zurück finden. Aber ihr sollt mir folgen und auf andere Art und Weise zurückkehren."

Er sprach in Rätseln. Doch die Fremden folgten ihm und Faramir, der nun bei aufgehendem Licht zum ersten Male die Siedlung in ihrer Pracht wahrnahm, staunte über die vielen Wunder und Fragen über Fragen gingen ihm durch den Kopf.

„Wohin bringst du uns?" fragte Boromir, der sich noch immer nicht auskannte.

„Wieder zum Lebenskreis. Dort warten eure Freunde und die Herrin auf euch. Es wäre zu schade, wenn ihr abgereist wäret ohne dass sie Faramir gesehen hätte."

Aragorn verstand diesen Wunsch, doch eilte es ihn. Er spürte wie er nervöser wurde und sich danach sehnte, in einem Sattel zu sitzen.

Sie kamen eigentlich zeitgleich mit Melen, Legolas und Pippin an. Die Herrin stand in der Mitte der großen Plattform und sah zu Boden.

Juraviel hielt die Hand vor den Mund und räusperte sich vorsichtig, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Faramir bemerkte gar nicht dass er die überirdische Touel'afar anstarrte.

„Ah, da seid ihr ja endlich!" sprach sie und breitete ihre Arme aus.

Nun war sie wieder etwas sommerlicher. Das Haar braun, durchwirkt mit wenigen blonden Strähnen und ihr Gesicht wies nur einen farbigen Strich auf.

„Ich habe so lange auf dich gewartet, Faramir, Sohn der Findulias."

Sie bemerkte, dass der junge Mann sie wortlos anstarrte, zu überwältigt, als dass er etwas hätte sagen können. Sie lächelte sanft.

„Seht! Die Herbstzeitlosen sind über Nacht aufgeblüht," sagte sie und wies zu Boden, wo um sie herum die zarten Blüten ihre blasslila Köpfe in die Luft reckten, als wären sie aus langem Schlaf erwacht und müssten sich nun erst einmal ausgiebig strecken. „Faramir, komm her und lass dich ansehen!"

Wie in Trance folgte er ihren Worten und stellte sich vor sie hin. Die Herrin strich sein volles rotes Haar zurück und streichelte ihm sanft über die weiche Wange. Was ihr am meisten Freude bereitete, waren seine Augen. Seine unendlich grauen und tiefen Augen, die für sie unergründlich waren. Nur wenig konnte sie in ihnen lesen.

„Du möchtest sie begleiten, habe ich Recht?" fragte sie ihn zwischen Trauer und Freude gefangen.

Faramir nickte und senkte den Blick schamvoll.

Aber sie nahm sein Kinn und richtete seinen Kopf auf, dass er sie ansah.

„Es ist dein gutes Recht, zurück zu kehren. Ich werde dich nicht aufhalten. Aber wisse, ich werde traurig darüber sein und mit meinen Tränen die Welt benetzen. Der Sommer wird regnerisch werden. Aber auch fruchtbar, denn durch Wasser gedeiht das Leben. Und im Herbst, so will ich dir zu Ehren wieder lachen und er wird fruchtbar sein, dein Herbst, und warm. Und den Winter will ich mild gestalten, dafür aber umso zauberhafter, dass du dich erholen kannst von dieser Reise."

Sie lächelte herzerweichend und nahm seinen Kopf in beide Hände. Sie führte seine Stirn sanft an die ihre und sah ihm in die Augen als sie flüsterte:

„Wenn du jemals zu uns zurückkehren willst, bist du uns willkommen. Und deinen Nachkommen will ich das gleiche Geschenk gewähren, das ich dir gewährt habe. Führe unsere Gabe fort, Faramir von Gondor! Denn ich will es nicht sehen, dass dich der Zorn des Fluches verschlingt. Der Segen der Mutter Erde weile auf dir und möge dich schützen," die letzten Worte sprach die Herrin schon schluchzend und Faramir wollte Worte finden, sie zu trösten.

Denn es zerriss beinahe sein Herz, sie so zu sehen, auch wenn er sie nicht kannte. Jedoch ließ sie ihn nicht von sich weichen und hielt seine Stirn an die ihre.

„Sei vorsichtig, wenn du deinem Schicksal entgegen trittst. Sei vorsichtig, Sohn der Zeit!"

Ihre Worte schwanden in seinen Ohren, als entfernte sie sich von ihm. Ein dichter Nebel schien aufzuziehen und ihm die Sich auf sie zu nehmen. Er hatte nach ihr greifen wollen, aber fasste ins Leere, sie nicht erreichend. Das machte ihn traurig und Unmut breitete sich in seinem Geist aus. So viel hatte er sie fragen wollen, so viel…

Aragorn sah die beiden so vertraut beieinander stehen, wie Mutter und Sohn, nur dass die Herrin ihm zu jung für eine Mutter schien. Sie sprach leise zu Faramir.

Aber als ihre Stimme lauter wurde und von Schluchzen getränkt war, konnte man verstehen, was sie sprach.

„Der Segen der Mutter Erde weile auf dir und möge dich schützen."

Da stöhnte Faramir erschrocken auf und auch die Beistehenden blieb die Luft weg.

„Sei vorsichtig, wenn du deinem Schicksal entgegen trittst. Sei vorsichtig, Sohn der Zeit!"

Aragorn sah, wie Faramir die Hand heben wollte und sie plötzlich nicht mehr real zu sein schien. Der junge Mann schien zu verblassen, wie auch die Erinnerung verblassen konnte, direkt vor ihren Augen und als er die Hand ausstreckte, fasste er bereits durch die schöne Herrin hindurch.

„Geh, Sohn meiner Schülerin, und finde dein Glück wo anders, wo es dir beliebt. Ich bleibe hier und hoffe auf deine Wiederkehr, auch wenn es auf ewig sein möchte…"

Dann war Faramir vor ihren Augen verschwunden.

„Faramir!" schrie Eowyn erschrocken und traute ihren Augen nicht.

„Wo ich ihn hin geschickt, sollt ihr ihm sogleich folgen," sprach die Herrin weinend und ihre Stimme brach beinahe vor Schmerz. „Nach Gondor sende ich euch, auf dem schnellsten Wege, direkt durch die Zeit. Es ist noch nicht zu spät, den Fluch aufzuhalten, da bin ich mir fast sicher."

Als Eowyn auf die Herrin zu rannte und sich nach Faramir umsah, verblich auch sie und bevor sie verschwand, war sie mitten durch die Touel'afar durch gerannt.

Juraviel zog an Boromirs Hose und lächelte ihn an.

„Keine Sorge, so gelangt ihr schneller nach Gondor, als Schattenfell euch je hätte tragen können."

Boromir wusste noch nicht recht, was dies bedeutete, als die Welt vor ihm verschwamm und neblig wurde.

„Lebe wohl, Boromir! Lebt wohl ihr lieben Gäste! Und lasst euch das Herz nicht verzagen!" sie alle hörten den lieblichen Abschiedsgruß Juraviels, bevor sie glaubten in Ohnmacht zu fallen.

Doch kein Dunkel umfing sie, sondern strahlendes Licht, wie von der Sonne…